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SSL Areitaa, den 28. Oktober L8S8 57. Jahrqang Erscheint tätlich mit Ausnahme der Sonn-und Festtage, abends für den sol- geuden Tag. Preis vierteljährlich I M. 50 Ps, monatlich bl) Pst, Einzelnummer bPs. Bestellungen ''erden In »»lerer 6)eschästSftelle, von dcnBoten und Aus gabestellen, sowie allen Postanstalten angcnouunen. Anserat-Hebühreu- Einspaltige Petit-Zeile oder deren Raum loPst; Im amtlichen Teile pro Zeile NO Pst; „Eingesandt" und Reklame unter dem Redakito »Sstrich 2b Pst — «omplizierte Inserate nach beson derem Taris. — Für Nachweis und Offerten - Annahme werden pro Inserat LbPs.extra berechnet Amtsblatt der Königlichen Amtshauptmannschaft Flöha, des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrats zu Frankenberg. Verantwortlicher Redakteur: Ornst Rochberg in Frankenberg i. Sa. — Druck und Verlag von ll. G. Rostberg In Frankenberg I. Sa. ««MIIlKV» »«»«Istuns Des IRvtori»»1Ioi»8Le8l«8 wegen l»IH die Dienstagsnummer »U8. Inserate für die Sonnabend abend erscheinende Rnmmer erbitten wir nns rechtzeitig nnd zwar größere bis vormittags « Uhr, kleinere dagegen bis 11 Uhr. Bekanntmachung. Im Laufe dieses JahreS sind nachstehends aufgesührte Gemeindemitglicder als Bürger hiesiger Stadt verpflichtet worden: 1. Herr Clemens Paul Liebers, Expedient. 2. - Edmund Amand Bähr, Dr- zur., Assessor und Hilfsrichter. 3. - Friedrich Iuliu» Uhlig, Kartonagcnfabrikant. 4. - Karl Heinrich Härtel, Tuchhändler. ü. - Paul Otto GÜNther, Obersteucreinnehmer. 6. - Eduard Bernhard Ulbricht, Maurerpolier. 7. » Karl Magnus Schreiter, Fabrikarbeiter. 8. - Ernst Georg Brunner, Reisender. 9. . Robert Hermann Steuer, Lohnfuhrwerksbesitzer. 10. - Friedrich Bruno Morgenstern, Röhrmeister. II. - Ernst Hermann Zieger, Bäckermeister. 12. » Kurt Hugo Stohn, Kaufmann. 13. - Karl August Hengst, Fabrikrischler. 14. - Karl Friedrich Annze, Weber. 15. - Karl Max Eichler, Bäckermeister. 16. - Heinrich August Salomo«, Webermeister. 17. - Georg Paul Franke, Bautechniker. 18. - Max Hugo Burkhardt, Buchhalter. am 25. Oktober 1808. Frankenberg Der Stadtrat h. »r Mettig, Bürgermstr. IS. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 20. 30. Herr Friedrich Julius Morgenstern, Handelsmann. - Alban Robert Männel, Bürstenmacher. - Ernst Louis Pönisch, Werkführer. - Otto Hofman«, Werkführer. - Ernst Robert Finsterbusch, Bäckermeister. - Friedrich Max HofmaNN, Prokurist. - Friedrich Karl Eduard Hast, Kaufmann. - Oskar Paul Reiher, Färbermcistcr. - Heinrich Paul Kunze, Bürstenfabrikwerksührer. - Eugen Georg Walter Frenzel, Schneidermeister. - Ernst Emil Löffler, Schankwirth. - Gustav Eduard Bernhard Herklotz, Kaufmann. Versteigerung in Oberlichtenau. Freitag, den 28. Oktober d. I., von Nachm. V-4 Uhr an sollen in Oberlichtenau 2 Rundmaschincn, 1 alte Nähmaschine, I Regulator, 1 Tisch, 1 Schrcibpult, 1 Sessel, 1 Spulrad, 1 Unterhosenform, 1 Partie Garn und Strumpfränder, 5 Kisten und 1 Herrenanzug gegen sofortige Bezahlung öffentlich versteigert werden. Sammelort: Bahnhofsrestaurant. Frankenberg, am 26i Oktober 18S8. Sekr. Müller» Gerichts». Der Sturz des Ministeriums Brisson. (Nachdruck verboten.) Die Anhänger der französischen Generals-Partei, die Gegner der Republik im Frack haben nun glücklich das Wort gefunden, mit welchem sie — wenn nicht alles täuscht — ihre gesamten Zukunstspläne durchsetzen werden. Es ist das Wort, welches den Franzosen zu allem antreibt, über, alles hinweg hilft, das Wort, mit welchem er noch heute seine Behauptung begründet, 1870/71 nicht geschlagen zu sein, das Wort: „Verrat!" Die Mitglieder des Ministeriums Brisson sind „Verräter" geschimpft worden, weil sie die Revision deS Dreyfus-Prozesses wollen, durch die Straßen von Poris erklingt das Wort „Verrat", und auch das neue Mi nisterium wird aus Verrätern bestehen, sobald es sich weigert, den Forderungen der Patrioten nachzukommen. Und gegen den ver giftenden Einfluß, welchen der Ruf „Verrat" ausübt, werden alle anderen Maßnahmen, Vorstellungen und Gesinnungen nicht auf- kommen. ES wird behauptet, auch die neue französische Regierung werde die vom Kassationshofe befürwortete Revision deS Dreyfus-Pro- zesses durchsetzen müssen. Wer daS als felsenfest hinstellt, kennt die Franzosen gar nicht. Die letzte Kammersitzung hat zudem ge zeigt, daß die Generäle und die Armee, die in der Verwerfung der Revision des Dreyfus-Prozesses völlig einig sind, gar keinen Staatsstreich zu begehen nötig haben, es giebt Zivilisten genug, welche daS Ersqrderliche mit Erfolg besorgen werden. Alle Rederei .u: „r. .... -> . In der Krandnng des Lebens. Roman von I. von Werth. 23. Fortsetzung. — (Nachdruck verboten.) Johannes Löben sieht verwundert zu ihr nieder. „So galten jene Worte nicht ihm, nicht Ihrem Gatten?" „Nesn, nein, nein", entgegnet sie leidenschaftlich, „nicht ihm gelten meine Gebete, nicht ihm gilt mein- Sehnsucht, meine heiße Liebe." Die letzten Worte hat sie nicht ungestüm, sondern schnell und leise gesprochen, die Hände aus das pochende Herz gedrückt. Und so, schnell und leise, wie im Fieber, spricht sie weiter, während ein Schauer bisweilen ihre schöne Gestalt erbeben läßt und ihre Blicke unverwandt an der kleinen flackernden, heiligen Lampe hängen. „Ich habe ihn nie geliebt, nie, niemals. Ich wurde sein Weib, weil andere eS wollten. Aber ich wußte auch nicht, was Lieb- > »st, was lieben heißt, und fühlte die Veränderung in meinem Leben nicht sonderlich, seit ich den Namen gewechselt und diesen Goldreif trug. Ich habe einmal ein Wort eines Dichters auS Ihrem Vaterlande gehört. Die fremden Laute sind meinem Ge dächtnis wieder entfallen, aber der Sinn, den ich mir übersetzen ließ, lautete: „Aus den Ruinen blüht neues, glückliches Leben hervor." ES ist wohl da» einzige Wort, das ich von Ihrer viel- gerühmten Litteratpr kennen gelernt, aber um seinetwegen möchte ich in ihren Ruhm mit einstimmen, denn cs hat mir den Inhalt meines Lebens porauSgesagt. In jener einsamen Ruine, die weit in dar Land und auf den blauen See schaut, ist mein Herz auf» gewacht auS seinem langen Schlaf. Dort bin ich zum Leben ge kommen, zu jenem wonne- und qualvollen Leben der Liebe, die ich mit ^xm Dust jener Rose, welche der große Man., mit den wundersamen Augen mir gab, in» Herz gesogen und die mit seinem Blick mir in di- Seele gedrungen." von einzelnen französischen Abgeordneten und Zeitungen, daß man gegen die Generäle aus dem Posten sein und ihnen nachdrücklich «ntgegentreten müsse, sind nur Phrasen ohne Kern, in Wahrheit hat die Republik im Frack vor den Herren mit dem Säbel ka pituliert. Und wenn versucht wird, wieder einen Zivilkriegsministcr zu ernennen, so wird derselbe sich entweder als ein Strohmann erweisen, oder bald gestürzt sein. Generäle und Armee wollen die Revision des Dreyfus-Pro zesses um keinen Preis; die Republik im Frack findet, wie die Thatsachen beweisen, keinen General, der zu diesem Ziele bei ihr aushält. Daß eine solche Haltung auf die gemeinen Soldaten den tiefsten Eindruck machen muß, ist selbstredend. Die Leute sehen und hören, daß ihre Vorgesetzten das auf das Entschiedenste verurteilen, was die Landesregierung will, sie können also nur auf den Gedanken kommen, die Regierung sei eine Feindin der Armee. Der Franzose -überlegt nicht lange, er entscheidet sich blitzschnell unter einen, starken Einfluß, und von dieser Entschei dung bis zu einer That der Leidenschaft ist mitunter nur ein Augenblick dort zu Lande. Die Stimmung ist schon außerordent lich erregt, und nun fällt in diese Situation hinein noch das Wort vom „Verrat". Man kann sich die Gärung denken. In Frankreich darf man nie mit einer natürlichen Entwicke lung der Dinge rechnen, sondern mit Ueberraschungen. Selbst den jetzt gestürzten französischen Ministern sind böse Dinge in dieser Beziehung passiert. Felsenfest hat man auf den General Chanoine, den Kricgsministcr, gebaut, und gerade in der kritischen 1 ' — — Sie hatte von ihm gesprochen wie von einem Dritten. Der leise, schnelle Ton ihrer weichen Stimme wirkte ergreifend. „Arianna", zittert ein Rus halb erschreckt, halb beglückt von Johannes' Lippen. Er ist so lange liebelecr dur h das Leben gegangen, daß er jetzt wie geblendet ist von der ganzen Glut des Herzens, das sich ihm da erschließt in aller seiner verzehrenden Leidenschaft. „Arianna!" Doch da ist plötzlich die Schüchternheit, welche ihr halb wider- williges Sprechen wie ein rührendes Selbstvergessen, ein ocmll- tigeS sich Beugen unter einer stärkeren Macht, erscheinen ließ, von ihr gewichen. In den dunklen Augen flammt cs dämonisch aus, und aus der Stimme klingt leidenschaftliche Erregung: „Ja, Dich, Giovanni, Dich allein liebe ich. Dich habe ich geliebt, seit ich zum ersten Male in Deine Augen geblickt, seit der erste Laut Deiner Stimme an mein Ohr geschlagen. Blick und Ton sind mir ins Herz gedrungen und haben mir Ruhe und Frieden ge raubt." Sie war vor ihm in die Knice gesunken und sah flehend zu ihm empor. „Arianna! Du großes, herrliches Weib," rief Johannes unt> beugte sich, wie berauscht von ihren leidenschaftlichen Worten, zu ihr nieder. Er zog sie empor, er hielt sie an seiner Brust und bedeckte ihr Angesicht mit heißen Küssen. Da fiel sein Blick aus den schmalen, goldenen Reif an ihren, Finger. Wie von einer Natter gestochen, zuckte er zusammen und ließ ihre Hand fallen, die er eben an seine Lippen hatte drücken wollen. Arianna fühlte, wie er zusammenzuckte, aber sic richtete sich nicht auf. Wenn er sie nicht auf den Teppich nicdergleitcn lassen wollte, so mußte er sie weiter an seinem Herzen halten, und Ari- anna wußte, daß er eS thun würde. Mit ihrem belückendsten Lächeln sagte sie leise: „Ich weiß, war Dich erschreckt, aber eil Stunde läßt er die Regierung im Stich, trägt wesentlich zu ihrem Sturz bei. So hat es auch früher der Kricgsministcr General Zur Linden gemacht. Die Generäle sind einig in dem, waS sie nicht wollen, und sollte sich eine Regierung finden, die trotzdem den Bogen straff spannt, dann können wir den Pöbel-StaatS- streich im Nu haben. Denn, wie gesagt, daS Militär braucht sich gar keine Mühe zu geben, die Pariser Massen find zu allein bereit. Darum muß man auch bezüglich der Dreyfus-Revision alles abwartcn. Bevor sie nicht stattgefunden hat, ist alles möglich, auch das, daß man den Exkapitän, wenn er nach Frankreich zu rückgebracht wird, ergreift und totschlägt. Es ist darnach heute in Paris bestellt. Seit den Greuelthaten der großen Revolution an der Seine sind über hundert Jahre verflossen, die Bestie im Menschen ist aber in Frankreich dieselbe geblieben. Und mit dem Gebrüll „Verräter!" wirft sie sich auf die, welche ihrem Willen zuwider sind. Es geht um Mein und Dein dabei, nicht bloß um Worte mehr, direkt um die Macht und beinahe um die Köpfe. Das letzte Jahr des Jahrhunderts kann uns leicht ein Schau spiel erbringen, wie es die Welt nicht für möglich gehalten hat. Bis zum Anbruch dieses letzten Jahres des Jahrhunderts sind es aber noch zwei Monate, in diesen schon kann Ungeheuerliches sich bereit machen. Man braucht kein Schwarzseher zu sein, aber wenn man erkennt, wie in Frankreich die Angriffe gegen die be stehende Republik mit rasender Schnelle zunchmen, wenn man liegt in Deiner Hand, alles das zu ändern. Sprich das Wort, das Dich bindet, mir diesen Platz an Deinem Herzen für immer, unwiderruflich, einzuräumen, und ich bin frei. Dir zu folgen, wohin Du willst. Sich, meine Mutter, die Kirche, ist unendlich barmherzig und gnädig. Sic kann lösen und binden. Flüchte in ihren Schutz, Giovanni, und sie wird auch Dich von der Kette befreien, die Dich fesselt und mit ihrem Klirren Dir jeden Genuß trübt." Bei ihren ersten Worten hätte Johannes laut und höhnisch auflachen mögen. Je länger aber die leise singende Stimme sprach, je lockender sic das Bild endlicher Erlösung, endlicher Freiheit vor ihn hinstcllte, desto weniger erschien ihm dieser Vorschlag, dies Verlangen ungeheuerlich und unnatürlich. War er denn jetzt im tiefsten Herzen wirklich, waS er hieß? Wie er aufatmctc im Vorgefühl so glücklicher Zukunftsträumc. lind doch war da etwas in seinem Innern, was sich dagegen aufbäumtc, eine Stimme, die er nicht hören wollte, und die er doch nicht zum Schweigen zu bringen vermochte. Als das schöne Weib in seinen Armen endlich schweigt, läßt er cs auf cincn Sessel nicdergleitcn und sagt: „Laß mich jetzt gehen, Arianna." Sic ergreift flehend seine Hand. „Du willst von mir gehen? Jetzt willst Du fort, nach dem ersten Augenblicke des GlückcS — und ohne jene» Wort, um das ich Dich angeflcht?" „Ja, Arianna, laß mich. Ich will Nachdenken über das, war Du mir gesagt, und Du sollst bald von mir hören." Schon steht er an der Thür. Er wendet sich nicht um, er geht hinaus, ohne auf tun zitternden Laut zu achten, der von ihren Lippen kommt und ihn zurückzuhalten sucht. * * * Es war fast Mitternacht, als Rose die Hintertreppe wieder hinaufeiltc. Wie herrlich sich die Zeit verplaudern ließ, dort in dem kleinen, braunen Boudoir vor dem prasselnden Kaminfeuer,