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Sonnabend, den 3«. Juli 18S8 57. Jahrgang 174 Amtsblatt der Königlichen Amtshauptmannschaft Flöha, des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrats zu Frankenberg Bcrantworllichcr Redakteur: Ernst Noffbcrg in Frankenberg I. Sa. — Drink und Verlag von C. G. Rostberg in Frankenberg I. Sa. Znserat-Hcvüyrcu! Einspaltige Petit-Zeile oder deren Nanni lUPs.; im amtlichen Teile pro Zeile M Pj.; „Eingesandt lind Reklame unter den« Redaktionsstrich 85 Ps. — Komplizierte Inserate nach beson derem Taris. — Für Nachweis und Offerten - Annahme werden pro Inserat LbPs.cxtra berechnet »rschetnt täglich M AMkÄerzer dcu Boten und Aus- M gabestellen, sowie »KV ) 1 alleii Postaustallen 4 4^ TI? I l angcilonlineil. ^7 Obstverpochtnng betreffend. Unter den im Termin bekannt zu gebenden Bedingungen und insbesondere gegen sofortige baare Bezahlung soll abtheilunnöweisk . Montag, den 1. August d. I., Vormittags 7.10 Uhr i«r G«sttzof „zirnr ssldeneir Lsiveir" die öffentliche Verpachtung der Obstnutzung, welche auf den fiskalischen Strassen des Amtsstrakenmeisterbezirks Flöha ansteht, sowie an demselben Tage Nachmittags 4 Uhr in -er Nevse fetzen rieftonvertion in «Knnnerr-svf i die öffentliche Verpachtung der Obstnutzung, welche auf den fiskalischen Stratzen des Amtsstrakenmeisterbezirks Frankenberg ansteht, stattfinden. Chemnitz und Flöha, am 26. Juli 1898. Kgl. Strafzeit- und Wasserbauinspektion Chemnitz. Kgl. Bauberwalterei Flöha. Schiege. Gersdorf. Die Lippeschen Etikette-Streitigkeiten. In der Presse wirbelt die Angelegenheit zwischen dem Re genten von Lippe und dem Kaiser immer noch viel Staub auf und da dem Treiben erfindungsreicher Zeichcndeuter noch immer durch keinerlei amtliche Klarstellung der Angelegenheit das Hand werk gelegt worden ist, dürfte das Hin und Her in der sonst von bemerkenswerten Ereignissen kaum in Anspruch genommenen Presse noch eine Weile fortdauern. Wie so ost wird der ernste Politiker auch in diesem Falle zwischen dem, was an einer Sache wirklich ist und zwischen dem, was aus ihr gemacht wird, sorgfältig zu unterscheiden haben. Bei einer solchen Prüfung ist nun in erster Linie sestzustcllcn, daß verbürgte Thatsachen in der Angelegenheit nach keiner Seite vorliegen. Weder ist der bereits in zwei ver schiedenen Fassungen vorliegende Wortlaut des kaiserlichen Tele gramms beglaubigt, noch ist — und das ist das Entscheidende — das Schreiben des Regenten von Lippe bekannt, daS als Schlüffe! zu der angeblichen Antwort des Kaisers geradezu unent behrlich ist. Alles dies hindert natürlich zahllose Blätter nicht im gering sten, nach dem bekannten Prinzips, die Gründe nicht zu kennen, aber sie zu mißbilligen, zu verfahren. Welcher Partei Geschäfte durch solche Preßtreibereien besorgt werden, braucht nicht gesagt zu werden; ein Blick in die Spalten der sozialdemokratischen Tagesblätter lehrt genug. Ebenso verfolgt man im Auslande den Streit mit Belustigung und Schadenfreude. Sehr treffend beurteilt die „Neue Züricher Zeitung» die Sachlage. Sie schreibt: „Man wird im Auslande gut thun, die Angelegenheit mehr von der komischen, als von der tragischen Seite aufzusassen. Die übrigen Bundessürsten werden freundschaftlich vermitteln, wenn wirklich solch gereizter Briefwechsel beider hohen Herren vorlicgt, und daS deutsche Reich wird dadurch nicht erschüttert werden, ob die Offiziere in der Detmolder Garnison die Kinder des Regenten künftig zuerst aus der Straße grüßen und im Salon mit „Er laucht" anreden oder nicht." Was wird man im Auslande erst zu der neuesten, bedrohlich klingenden Erklärung des Redakteurs der „Lippeschen Landes-Zeitung" sagen, der geheimnisvoll ver kündet: „Ich wäre in der Lage, noch über andere Vorgänge, Verhältnisse und Zustände in Berlin und anderswo Auskunft zu geben, wenn ich bloß Sensation machen wollte, wie mir einige Blätter vorwerfen. Die Rücksicht auf den Bestand des Reiches hindert mich noch, die volle Wahrheit klarzulegen; aber ich werde «S noch thun müssen, wenn sich die Sachlage nicht ändert. Wenn niemand in der Umgebung des Kaisers den Mut der Wahrheit hat, so wird diese eben doch noch ausgesprochen werden müssen." Was mit diesen düsteren Andeutungen gesagt sein soll, bleibe dahingestellt. Aber den „Bestand des Reiches" er schüttern glücklicherweise die Etikette-Streitigkeiten zwischen dem Regenten von Lippe und dem Generale eines Armeekorps nicht, auch wenn schließlich ein Eingreifen des Kaisers notwendig wird. Wie auch der Streit entschieden werden möge, der zunächst zwischen dem lippeschen Ministerium und dem preußischen Kriegs ministerium hätte zum Austrage gebracht werden sollen, irgend welche tiefer greifende Bedeutung vermögen wir ihm nicht zuzu erkennen. So lange das Reich besteht, und auch unter dem jetzigen Kaiser, hat niemals ein deutscher Fürst Veranlassung gehabt, sich über eine Schmälerung seiner Rechte und Stellung zu bekla gen. Wir vermögen auch, soweit die unvollständigen Veröffent lichungen einen Schluß zulassen, im vorliegenden Falle keinen Ein griff in die Rechte des Regenten zu erblicken. Aus dem angeb lichen Inhalte der im Auszuge mitgeteilten Bcschwerdeschrift er hellt vielmehr, daß der Regent für sich Rechte in Anspruch ge nommen hat, für die in der zwischen Preußen und Lippe abge schlossenen Militärkonvcntion keine Begründung zu finden ist. Nachdem der Graf in der Verteidigung seiner Rechtsansprüche sich stets aus den Boden des formalen Rechts gestellt hatte, durfte er sich kaum wundern, wenn ihm mit demselben Maße zurückgemessen wurde. Um den schroffen Ton der Zurückweisung seiner Beschwerde zu verstehen, müßte man auch den Ton der Beschwerdeschrist selbst kennen. So lange das nicht möglich, ist auch ein Urteil über diesen Punkt nicht zulässig. Aber man kann nur bedauern, daß diesem Streite durch die Art, wie, und durch die Zeit, zu der er an die Oeffentlichkeit gezerrt ist, eine Bedeutung beigegeben ist, die wir an sich ihm mit Rücksicht auf die schon erwähnte Thatsache, daß keines Landcsfürsten Recht im neuen Reiche je mals gekränkt worden ist, nicht beizumcssen vermögen. Warum mußte die Veröffentlichung erfolgen zu der Zeit, wo der Kaiser auf Reisen und daher ein Eingreifen in die Sache erschwert war? Nichtsdestoweniger hegen auch wir den Wunsch, daß der Streit sobald als möglich bcigelegt werde, und zwar in einer Weise, auf welche die „Verl. N. N." Hinweisen, wenn sie schreiben: „Auch einem thatsächlichen Irrtums gegenüber soll der Größere — im edelsten Sinne des Wortes — stets der Kaiser sein!" Es ist ein schönes Vorrecht der Höchstgcstellten, daß sie sich auch durch Nachgiebigkeit niemals etwas vergeben können. * * * Aus der Fülle der Preßstimmcn über die lippcsche Angelegen heit greifen wir heute eine Erklärung aus, welche der „Köln. Zeitung" von juristischer Seite zugeht und die besondere Auf merksamkeit verdient, weil sie ein Licht auf die „Beweggründe der preußischen Diplomatie" wirft. In der vermutlich von Ber lin aus beeinflußten Zuschrift wird unter anderem folgendes aus- gesührt: „Nach der bisherigen Veröffentlichung soll die Antwort des Kaisers an den Regenten von Lippe betont haben: „Dem Regenten was dem Regenten gehört, sonst weiter nichts." Dagegen wird inhaltlich gewiß nicht» zu erinnern sein; denn dem Regenten höhere Rechte einzuräumen, als sie ihm nach der Reichsverfassung und der zwischen Preußen und Lippe 1867 geschlossenen Militär- konvcntion zukommen, dazu ist sicherlich nicht der geringste Anlaß gegeben. Wenn der Graf-Regent für seine Söhne und Töchter besondere Ehrenrechte in Anspruch nimmt, so vergißt er, daß er sie nicht einseitig festzusetzen hat. Auch ist es von Bedeutung, daß die von einem ihm nahe verwandten Bundessürsten in einer amtlichen Eingabe an den Bundesrat bestrittene Ebenbürtigkeit der Kinder vom Bundesrat noch nicht anerkannt ist. Ucber die Frage der Ebenbürtigkeit dieser Kinder hat selbstverständlich das in Deutsch land geltende Privat-Fürstenrecht, nicht, wie es in Lippe versucht worden ist, die Landesgesetzgebung zu entscheiden. Denn an der Lösung dieser Rechtsfrage ist ein Mitglied des Bundes außerhalb det Fürstentums Lippe, der Fürst zu Schaumburg-Lippe, in Wahr nehmung seiner und seiner Familie Rechte sehr wesentlich beteiligt; erst wenn zwischen ihm und dem fürstlich lippeschen Hause eine Vereinbarung über diese Rechte getroffen sein wird, kann die lip- pesche Landesgesetzgebung diese Vereinbarung zum lippeschen Grund gesetze erheben; wenn sie aber eine solche Vereinbarung nicht ab- wartet und, wie sie es in dem neuesten, trotz des Einspruchs des Bundesrats erlassenen Regentschastsgcsetze bereits gethan hat, in die vom Fürsten zu Schaumburg-Lippe beanspruchten Rechte eigen mächtig eingreift und diese offenkundig verletzt, so begeht sie einen rechtsungiltigen Akt, und so giebt sic dem Fürsten von Schaum burg-Lippe unzweifelhaft das Recht und den Anlaß, gegen diese eigenmächtige RcchtSkränkung den Schutz des Deutschen Reiches und damit des deutschen Kaisers nachzusuchen. Denn die Verfassung des Deutschen Reiches bekundet ausdrücklich, daß die einzelnen Bundessürsten untereinander einen „ewigen Bund zum Schutze der Bundesgebietes und des innerhalb desselben giltigen Rechts" geschlossen haben. Dementsprechend hat der Fürst von Schaum burg-Lippe sehr richtig die Hilfe und Rechtsentscheidung des Bundes rates gegenüber den Versuchen des Graf-Regenten und der lippc- schen Landesgesetzgebung nachgesucht, als diese ein Gesetz erlassen wollten, das unter Außerachtlassung der agnatischen Rechte der schaumburgischen Linie sowohl die Thronfolgeordnung wie die Nachfolge in der Regentschaft zu regeln sich anschickte. Der Bundes rat hat alsbald auf das Nachsuchen dieser Rechtshilfe die lippesche Regierung ersucht, eine weitere Verfolgung dieser Bestrebungen einstweilen bis zur endgiltigen Stellungnahme deS Bundesrates auszusetzen. Die lippesche Regierung hat leider diesem durchaus gerechtfertigten Ersuchen des Bundesrates nur teilweise entsprochen; sie hat zwar auf die jetzige gesetzliche Regelung der Thronfolge ordnung vorläufig verzichtet, dagegen leider ein Gesetz erlassen, das für den Fall, daß der Graf-Regent vor dem Fürsten Ale xander sterben sollte, die Nachfolge in der Regentschaft unter Außerachtlassung der vom Fürsten zu Schaumburg beanspruchten Heiderose. Roman von I. Berger. (SS. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Ulrich hatte den ganzen Vormittag zu Hause an seinem Schreib tisch zugebracht und ununterbrochen volle sechs Stunden gearbeitet. Doch jetzt tanzten Buchstaben und Zahlen wie kleine Funken vor seinen Augen. Er schob Papiere, Landkarten und Zeichnungen von sich fort und stand aus, um sich zum Mittagessen anzukleiden. Dann klopft« es an die Thür. Der Bursche kam ins Zimmer und legte ein Paket Zeitungen und einen Brief auf den Tisch. Ulrich griff darnach und betrachtete ihn. Es war eine Damcn- schrift auf dem Kouvert. Nun zog jäh eine Blutwelle über sein Gesicht. Dann überflog «r hastig die paar Zeilen, die ihm die Entscheidung brachten. Der Ton des Schreibens war beinahe geschäftsmäßig — was konnte er aber mehr verlangen? ES war ja keine Heirat au» Liebe, sondern eine wohlüberlegte GcschäftS- affaire zwischen den Beteiligten. Der Schwiegervater würde die Schuldscheine des Vaters quittieren und die Kaution begleichen. Die Schwiegcrmama spen dete ihren Segen, um sich sofort in die AusstattungSsorgsn und Vorbereitungen zu einer glänzenden Vermählungsfeier zu stürzen. Er führte die Braut an den Altar, machte die übliche Hochzeits reise und dann war alle« geschehen, war ihm und seinen Ange hörigen zu Nutz und Frommen dienen sollte. In den letzten acht Tagen hatte er -ine Stimmungsskala durchlaufen. Ganz mit den alten Erinnerungen zu brechen, ver mochte er nicht. Dann hatte er hinter die Vergangenheit einen Strich gezogen und sah der Zukunft mit Resignation entgegen. Er gab dem Burschen den Auftrag, ein großes Boukctt von Orangeblüten und Orchideen au» der nächsten Blumenhandlung zu holen und cs mit seiner Karte in der Villa des Herrn von Berndt abzugeben. Er bürstete sein leichtgelocktes Haar in die vorschrifts mäßige Form, zwirbelte den schönen braunen Schnurrbart noch kühner als sonst in die Höhe und machte sorgfältige Toilette. Er schnallte den Säbel um, setzte den Kalpack aus und verließ das Haus. Um in gewohnter Weise im Kasino zu speisen, dazu war es zu spät geworden. Er setzte sich in eine Droschke und fuhr nach den Linden, um dort in einem seinen Restaurant sein Mahl ein zunehmen. Das Essen war vorzüglich. Auch der goldgelbe Rheinwein, der in seinem Römer funkelte, mundete ihm köstlich. Doch bald ließ ihn eine innere Unruhe in dem großen Speisesaal, in deni sich wenig Gäste befanden, auf und nieder gehen. Er blickte nach der Uhr. Es war erst fünf Uhr. Um halb neun sollte er in der Villa erscheinen. Also war noch sehr viel Zeit zum Spazieren gehen übrig. Ziellos schlenderte er nun durch die mit Menschen ungefüllten Straßen, die teils ihrem Vergnügen, teils ihren Geschäften nach gingen. Er betrachtete eingehend die mit Kostbarkeiten aller Art ungefüllten Schaufenster, die eleganten Equipagen, lauschigen Coupes und schlichten Mictsivagcn mit ihren verschiedenen In sassen. Dazwischen laS er die an den Litfaßsäulen angekündigtcn Vergnügungen, Theater, Konzerte und dergleichen. Bis dahin hatte er sich wenig um da- warm pulsierende Straßcnleben der Großstadt bekümmert und war achtlos daran vorüber gegangen. Heute lenkte es ihn van den in seinem Innern wogenden Empfin dungen ab und war eine Wohlthat für ihn. Nachdem er lange so ziellos umhergeirrt war, ost minuten lang still stehend und grübelnd vor sich hinblickend, überfiel ihn plötzlich die Müdigkeit. Er ging zu Kranzler hinein, ließ sich ein GlaS Melange geben und vsrtieste sich in ein Journal. Bald nach acht Uhr winkte er eine vorüberfahrende Droschke erster Klasse heran und ließ sich nach der Tiergartenstraße fahren. Frau Eva von Berndt war nach flüchtigem Abschied von Galten und Tochter, deren Begleitung zum Bahnhof sie sich verbeten hatte, abgercist und in der Villa atmete alles auf. Silva begann sofort die entsetzliche Unordnung in dem sonst so gemütlichen Familicnsalon zu beseitigen. In ihrer Ungeduld hatte die Mama beim Packen der Sachen alles durcheinander ge worfen und das Unterste zu oberst gekehrt. Während Minna mit mürrischer Miene aufräumte und ab stäubte — sie schmollte noch über die Ehrentitel, welche ihr vor hin die ungnädige Gnädige an den Kopf geworfen hatte — ging Silva in den Garten, um einen Korb voll Rosen und andere Blumen zu pflücken, womit sic eine Anzahl Schalen und Vasen füllte, die sie auf kleinen Tischen, Konsolen und dem Kaminsims unterbrachte. Bald zog eine Wolke von köstlichem Wohlgcruch durch den Raum. Dann breitete sie ein feines Damastgcdcck mit altdeutschem Muster über den großen, runden Tisch, der mitten im Zimmer stand. Jean mußte buntes, japanisches Porzellan, Weingläser und schwere Silberbcsteckc herbei bringen und einen Korb Wein aus dem Keller holen — feurige», alten Burgunder und Cham pagner, der sofort in den silbernen Eiskübel kam. Silva ordnete heute selbst die kleine Eßtafcl, streute Blumen darüber hin und legte einen Rosenstrauch vor jedes Gedeck. Sogar die rosa verhängte Gaskrone bekam ein Rosensträußlein aufgesetzt. ES mußte heute alles sehr hübsch und festlich auSschen. Es sollte ja Verlobung gefeiert werden. Der Fabrikant lehnte, seine Zigarre rauchend, in der Sofa- eckc und schaute lächelnd seiner Tochter zu, wie sie geschäftig umhertrippelte, da und dort ein nicht vorhandene- Stäubchen fort- wischtc, die Vorhänge an den Fenstern zurecht zupfte, oder an