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I- I»8 Dienstag den IS. Juli 1888. 57. Jahrgang. Srschelnt täglich mit Ausnahme der Sonn-und Festtage, abends sür den fol genden Tag. Preis vierteljährlich 1 M. bU Ps., monatlich bO Pf., Einzelnummer 5Ps. Bestellungen werde» iii unserer Geschäftsstelle, von den Boten und Aus gabestellen, sowie allen Postanstaltc» angenommen. o Bezirks - Anzeiger - Aufer»1-KeIü-re»> Einspaltige Petit-Zeile oder deren Raum 10Pf.; im amtlichen Teile pro Zeile 30 Ps.; „Eingesandt" und Reklame unter dem Redaktionsstrich 2b Pf. — Komplizierte Inserate nach beson derem Tarif. — Für Nachweis und Offerten - Annahme werden pro Inserat 25 Pf.extra berechnet Amtsblatt der Königlichen AnüshmchtmaM des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrats zu Frankenberg. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Rossberg lu Frankenberg I. Sa. — Druck und Verlag von C. G. Roßberg in Frankcnberg I. Sa. Versteigerung in Anerswnl-e. Donnerstag, den Ich. Inti d. A., von Nachm. ^>/j4 Uhr an sollen inAucrswalde I tzalbchaije, 1 Kutschwagen, I Schleiswagcn, 1 große und I kleine Wäschemangel, 1 Paar Erntc- lcitcrn, 1 Sopha, I Vertiko, 1 Kleiderschrank, 1 Kommode, 1 Nähtisch, l Ausziehtisch und 3 Stühle gegen sofortige Bezahlung öffentlich versteigert werden. Sammelort: Rügers Schantwirthschaft. Frankenberg, am ll. Juli 1898. Sekr. Müller, Gerichtsvollzieher. Die Aufgabe von Inseraten ersuchen wir im Interesse der rechtzeitigen Fertigstellung und Ausgabe unseres Blattes gefälligst so zeitig als möglich erfolgen zu lassen. Größere Inserate erbitten wir bis vormittags 8 Uhr, während kleinere Inserate bis l I Uhr mittags Aufnahme finden. Für später cinlaufende Anzeigen können wir eine Garantie des Abdrucks in der bezüglichen Abendnummer nicht übernehmen. Das Jubeljahr in Oesterreich. Die Verhältnisse und Ereignisse bringen cs nun einmal mit sich, daß die Feier der 50jährigen Regierung Kaiser Franz Jo sephs I. nicht losgelöst werden kann von den politischen Wirr nissen und nationale» Kämpfen, welche gerade am Ende der halb- hundertjährigen Regierungsthätigkcit des Kaisers ans die Spitze getrieben erscheinen und zur Entscheidung drängen. An Versuchen hat cs nicht gefehlt, die Jubiläumsstimmung politisch für dic Re gierung auszunutzcn, und da darf cs nicht Wunder nehmen, wenn im weiteren Verlauf des Jubeljahres die Politik immer mehr bei rein dynastischen Veranstaltunglu mitspricht. Mit dem Hinweise auf das Kaiscijubiläum wollte man die Obstruktion breche», die Deutschen zum Aufgebcn der Kampfstellung bewegen, und als sic hierzu nicht zu bewegen waren, da fielen dann die Anschuldigun gen hageldicht nieder, illoyaler Gesinnung zieh man die Deutschen und hochverräterischen Treibens. Wie sie sich in die Brust war fen, die Tschechen, Polen unb Slovencn, mit ihrem Patriotismus prahlten und ihre Loyalität priesen, um die Deutschen desto besser verdächtigen zu tonnen. Da sind dic Prager Tage allslavischer Verbrüderung gerade zu richtiger Zeit gekommen. Während man dic Deutschen verdächtigt, wenn sic in diesem Jahre Feste be gehen, ohne der Jubiläumöstimmrmg besonders Rechnung zu tra gen, fiel cs den in Prag vereinigten Slavcn gar nicht ein, außer des ällslavischcn Gedankens noch eines anderen auch nur Erwäh nung zu thun. So sehen wir bei genauer Betrachtung des bis herigen Verlaufes des JubiläumSjahrcs dic Thatsache bestimmt hervortreten, daß nur die Deutschen es waren und sind, welche sich des kaiserlichen Negienmgsjubiläums erinneren. Eine Hul digung folgt in Wien der anderen, sie finden alle nur Deutsche als Teilnehmer. Zur Eröffnung der Jubiläumsausstellung hatte man dic Kriegervcrcinc und Fcucrwchrcn aller Länder und Völker Oesterreichs nach Wicn geladen, gekommen sind nur dic Deutschen, die Tschechen hatten sogar den Beschluß gefaßt, den Feierlichkeiten fcrnzubleiben, offenbar um ihre Kräfte für dic allslavischcn Fest lichkeiten bei der Palackyfeicr in Prag zu sparen. Vergebens suchen wir in den Berichten der Blätter nach Fest lichkeiten oder Huldigungen in Prag, Laibach, Krakau oder Lem berg, die mit dem Kaiscrjubiläum auch nur in einen losen Zu sammenhang gebracht werden könnten. Der Palackyfcier in Prag folgt die Mickicwiezfeier in Krakau, den Sänger des Wallen- rodiSmus gilt es zu ehren, und wieder finden sich die Slavcn- stämme Oesterreichs zusammen, im gleichen Geiste wie zu Prag, im Zeichen des Kampfes gegen dic Deutschen. Das ist dic pol nische Kundgebung im Jubiläumsjahrc des Kaisers, sie vollzieht sich an demselben Tage, da die deutschen Schützen aller Länder des Habsburgerstaatcs in Wien Zusammenkommen, um in festlichem Heiberose.Z Roman von I. Berger. (s. Fortsehung.) (Nachdruck verboten.) Der Herbst war ins Land gekommen und hatte die Heide in graue Nebelschleier gehüllt. Düster hing der Hinunel über der Landschaft. Von den Bäumen flatterten welke Blätter nieder, dic Felder standen kahl und leer. Rose stand am Fenster und blickte in den verregneten Garten hinaus. Die Mutter sah in der Sofaecke mit einer Näharbeit beschäftigt. „Weißt Du, Mütterchen, das ewige Sticken und Sticheln will mir nicht mehr behagen", sagte sic. „Es greift mir dic Augen an und wird armselig bezahlt. Ich möchte Besseres thun." „Aber was denn, liebes Kind?" „Mich treibt's nach Höherem. Was ich bisher geleistet habe, befriedigt mich nicht. Ich sehne mich nach einem Wirkungskreis, der meinem Leben festen Halt giebt. Ich möchte Lehrerin werden. Dazu muß ich aber viel lernen. — Sprachen, Litteratur, Musik! Mein Geist hat noch so wenig Anregung gehabt. Namenlos glücklich würde ich sein, wenn ich mir Kenntnisse erwerben und erfolgreich verwerten könnte." „Aber, Herzchen, wie bist Tu auf diese Idee gekommen?" „Ich weih, was der Haushalt kostet, mein gutes Mütterchen. Du mußt Dir Entbehrungen auferlcgcn, uni mit Deiner geringen Witwenpension auszukommcn. Was soll ich großes Mädchen Dir noch zur Last fallen? Da faßte ich den Entschluß, mir durch ehrliche Arbeit selbst meinen Lebensunterhalt zu erwerben. Der Berus einer Lehrerin ist sehr ehrenwert. Darum laß mich, bitte, mein Examen machen. Er wird mir mit Gottes Hilfe gelingen. Und ich habe so viel Lust zum Lernen und an Ausdauer und Fleiß wird es mir auch nicht fehlen." „Ich würde Dir ja gern Deinen Wunsch erfüllen, Kind, wenn Zuge dem Monarchen als dem Ersten ihrer Gilde ihre Huldigung darzubringen. Das ist die Jubiläumsstimmung, soweit sie die Völker selbst betrifft, sie kennzeichnet scharf den unhaltbaren Widerspruch in der inncrpolitischen Lage Oesterreichs, sie trifft im Eharakter zusammen mit den amtlichen Kundgebungen der politischen Vertretungen der einzelnen Länder, welche bereits abgeschlossen sind. Die Landlage haben bereits in der Wintertagung ihre HuldigungSadressen beraten und beschlossen. Nur vom dynastischen Gedanken ließen sich die Landtage leiten, welche eine deutsche Mehrheit besitzen; in den Adressen dieser Landtage wird jede Anspielung auf politische Ver hältnisse oder nationale Wünsche — welche bei diesem Anlässe auszusprechcn gerade für die Deutschen nicht unpassend gewesen wäre — streng vermieden. Dic „illoyalen" Deutschen haben dic Politik von ihren HuldigungSadressen fcrngehalten, dafür aber haben die von Loyalität übcrtricfendc» Tschechen, Polen und Slo- venen gerade dic Jubiläumsadrcsscn als die passendste Gelegenheit erachtet, um ihre staatsrechtlichen Sondcrwllnsche in patriotischem Kleide vorzuführcn. Just das 50. Regierungsjahr des Kaisers scheint z. B. den Tschechen besonders geeignet, daran zu erinnern, daß es ein Lieblingswunsch des tschechischen Volk s sei, den „ge liebten" Kaiser zum Könige von Böhmen gekrönt zu sehen. Wie loyal das klingt! Ilnd doch ist diese Kdnigskrönung nichts an deres, als die Wiederherstellung cincS Königreiches der Wenzels- kronc, die Aufrichtung eines Tschcchenstaatcs mit — nun vielleicht mit einem „frcigcwählten Statthalter" — an der Spitze. So sehen die offiziellen patriotischen Huldigungen der Slavcn aus; wie das Volk in dicseni Punkte denkt, beweisen Prag und Kra kau, zeigen die Vorkommnisse in der letzten Zeit. An der Spitze des Staates steht aber eine Regierung, welche all diese sonderbaren Erscheinungen sehen muß, in ihren Hand lungen aber erkennen läßt, daß sic über Patriotismus ganz eigen artige Anschauungen hat. Patriotisch ist cs also, wenn man im Jubeljahre Palacky, den Moskaupilgcr, und Mickiewicz, den groß- volnischcn Dichter, feiert, den Kampf des Allslaventums gegen das Deutschum verkündet, unpatriotisch aber wohl alles, dessen Schauplatz in diesen Tagen in rastloser Folge dic Hauptstadt Wien bei rein deutschem Gepräge ist, unpatrioüsch die mehr als taktvolle Zurückhaltung der Deutschen bei Abfassung der Hulvi- gungskundgcbungen! Wenn dic Deutsche» wollen, daß ihnen von der hohen Regierung neben den Tschechen und Polen pa triotische Gesinnung zuerkannt werde, dann müssen sie ihren Kampf gegen dic Sprachcnvcrordnungcn aufgebcn. Und da sie das nicht thun werden, so wird der Ossiziosus in das Verhaltungszcugnis der Deutschen im Jubiläumsjahre cinschrcibcn: „Ungenügend", die Komarowbrllder von Prag aber werden die Note „Vorzüglich" erhalten. Dic Geschichte ist so arg, daß sie geradezu heiter wirkt. ich nur wüßte, wie" ich's machen soll. In Hohenstein giebt es niemand, der Dich zur Lehrerin ausbilden kann." Ta schrillte plötzlich grell der Klang der Flurglockc in das Zimmer. Wer mochte das sein? Rose lief hinaus, uni zu öffnen. Vor ihr stand ein fremder Herr im eleganten Rciseanzug von modernstem Schnitt. Er war von Mittelgröße, etwas untersetzt. Er hatte ein kluges, intelligentes Gesicht, das von einem kurzen rötlichen Vollbart umrahmt war, und ein paar stahlgrauc scharfe Augen. „Verzeihung, mein Fräulein", sagte er, indem er sich mit steifer Höflichkeit verbeugte. „Kann ich Frau Oberförster Vollmar sprechen?" , „Meine Multer ist zu Hanse. Bitte, wollen Cie näher treten," erwiderte Rose. „Wie?" rief überrascht der Fremde. „Sie sind die kleine Tochter des Oberförsters, die ich vor zehn Jahren gesehen habe? Und Sic crkenncn mich natürlich auch nicht wieder, denn damals waren Sic ncch cin kleines Kind. Mein Name ist Karl Berndt, ich bin der Bruder Ihres VatcrS — folglich Dein Onkel, mein hübsches Fräulein!" „Sic sind Onkel Berndt? Ach, das wird meine Mutter sehr freuen, sie hat Ihren Besuch schon erwartet," entgegnete sie errö tend und schritt ihm schnell voraus durch den Flur. Als beide ins Zimmer traten, erhob sich die Oberförstcrin hastig von ihrem Platz. „Ah, Schwager Berndt, wie nett, daß Sic gekommen sind, uni selbst nach uns zu sehen," sagte sic und streckte ihm freundlich die Hand entgegen. Dann lud sie ihn zum Sitzen cin. Er legte Hut und Handschuhe aus ein Tischchen, stellte den Regenschirm in eine Ecke und setzte sich in einen Sessel. „Darf ich Sie mit Rose bekannt machen, die Sic wohl kaum noch kenncn werden?" fragte dic Oberförstcrin. Oertliches und Sächsisches. Frankenberg, 11. Juli 1898. f Heute vormittag hatte unsere Bürgerschule die hohe Ehre, von Sr. Exzellenz Herrn Kultusminister vr. v. Seydewitz be sucht zu werden. Bereits gestern abend war der Herr Minister in Begleitung des Herrn Geheimrat Kockel und des Herm Schulrat Dachselt von Flöha aus, woselbst Herr Bürgermeister vo. Mettig sie erwartete, mittelst Geschirr in Frankenberg eingetroffen. Auf der Herfahrt war der Weg so gewählt worden, daß das Grund stück, auf welchem noch im Herbste der Ban dcS Lehrer-Seminars begonnen wird, in Augenschein genommen und den hohen Gästen gleichzeitig cm Teil der Stadt gezeigt werden konnte. Heute früh 7 Uhr erschienen die hohen Herren im Schulhause, wo sie von den Mit gliedern dcS Schulausschusses durch Herrn Bürgermeister Ov. Mettig begrüßt wurden. Von einer Schülerin wurde dem Herrn Minister mit einigen begrüßenden Worten cin Rosensträußchen als Gruß seitens der Schulkinder dargeboten. Sodann wohnte Se. Exzellenz, dem sich die genannten Herren anschlosjcn, dem Unter richte in 3 Klassen bei, und zwar in Ll^L 1 bei Herrn Rieß, in XU la bei Herrn Seltmann und in liO Vl bei Herm Hans. Das Zimmcr für Unterricht in weiblichen Handarbeiten wurde be sichtigt, worauf der hohe Besuch dic Aufführung einiger Gesänge von ersten Klassen unter Leitung des Herrn Kantor Schröpfer an hörte. Auch der neue Schulturnsaal, wo Herr Seidel die Klassen öXV und lUU II Freiübungen ausführcn ließ, wurde von den Herren in Augenschein genommen. Hier ließ sich der Herr Minister das Lehrerkollegium vorstellen, worauf Herr Direktor Engert ihm den Dank ausdrückte für die- hohe Ehre, die unserer Schule heute durch seinen Besuch zuteil geworden und für die Förderung, die das vaterländische Schulwesen durch ihn erfährt, sowie für daS Wohlwollen, das er der sächsischen Lehrerschaft cntgegengebracht hat. Der Herr Minister sprach sich in anerkennenden und lobenden Worten aus über das, was er in Frankenberg gesehen und gehört habe, und gab besonders seiner Freude darüber Ausdruck, daß in nächster Zeit durch Errichtung eines Seminars ein neues Band zwischen unserer Regierung und der Stadt Frankenberg geknüpft werde. Bals nach 8 Uhr verließen dic hohen Gäste, nachdem von den anwesenden ersten Klassen dem Herrn Minister zum Ab schied cin Hoch ausgebracht worden war, unter strömendem Regen unsere Stadt, uni heute noch andere Schulen unserer näheren Um gebung zu besuchen und dic auf mehrere Tage berechnete Inspektions reise über Nieder- und Oberlichtenau, Ebersdorf, Lichtenwalde, 'Niederwiesa und Flöha weiter in der Richtung nach Schellenberg sortzusctzen. — Im Anschlusse an die Inspektion der Bürger schule wurde auch dec Realschule die Ehre eines Besuches seitens des Herrn Kultusministers zuteil. Der hohe Gast besichtigte die Er betrachtete das junge Mädchen mit einem gewissen Wohl gefallen. Rose sah cngelfchön aus in dem einfachen schwarzen Trauerklcidc, aus dem sich der weiße Hals und das feine gold blonde Köpfchen mit dem schuldlos kindlichen Gesicht so märchen haft reizend hervorhob. „Ja, ja, aus Kindern werden Leute", nickte er. „Sic können glücklich sein, Frau Schwägerin, solch ein prächtiges Mädel Ihr eigen nennen zu dürfen." „Ich bin cs auch! Rose war auch das einzige Glück ihres armen Vaters." Die Witwe führte ihr Taschentuch an dic Augcn, um dic aufstcigcndcn Thräncn zu trocknen. „Ach, daS Scheiden ist meinem Galten so unendlich schwer geworden. Bis zu den letzten Tagen, wo seine Gedanke» in dic Traumwelt schweiften, war sein Geist voll erstaunlicher Frische. Dabei war er immer voll zärtlicher Liebe für uns. Jetzt sind seine milden, gütigen Augcn sür ewig geschlossen!" „Der Tod meines guten Bruders hat auch mich hcslig er griffen", versetzte der Fabrikant. „Das Sterben ist etwas Furcht bares, und er hätte noch lange leben können, er war eine kräftige Natur. Doch wir müssen den Verlust überwinden, cs hilft nun einmal nichts. Mein Bruder hat Sic und Rose meiner Fürsorge anvcrtraut — mir gleichsam als Erbe hinlerlasjcn — und ich bin bereit, Euch in allcni behilflich zu sein." Er bog sich bequem zurück in dem alten krachenden Sessel und kreuzte dic Arme. „So lange der Verstorbene lebte, vermochte er Euch zu geben, was Ihr brauchtet, trotzdem er mit Verschenken und Verborgen daS Meiste verzettelt hat. Er kannte nun einmal im Wohlthun keine Grenzen. Es drängte ihn förmlich, seine Hände über alles auszubrcitcn, was arm und verlassen war. Ich habe ihm ost Vorwürfe darüber gemacht, aber er hörte nicht auf mich. Unter solchen Verhältnissen hat er natürlich für Frau und Kind nichts zurücklcgen können, denn was er deni lieben Herrgott geliehen