Volltext Seite (XML)
LMMU M AWm stliMtitoq Nr. 171. zu Nr. 161 des Hauptblattes. 1924. Beauftragt mit der Herausgabe» RegierungSrat Brauße in Dresden. Landtagsverhandlungeu. (Fortsetzung der 102. Sitzung von Mittwoch, den 9. Juli.) Ministerialdirektor vr. Wulffen (Fortsetzung): Es wird behauptet, daß im § 45 die einzelnen Unter- schiede der Stufen nicht zwe«mäßig erschienen. Das »st eben der Sinn; es sollen Vergünstigungen, wie ich schon gesagt habe, verdient werden; anders ist der Auf stieg mcht möglich zu machen! Dann ist § 48 bemängelt worden. Er ist wörtlich aus der Reichsvollzugsordnung genommen: ' Bestand bei einem Gefangenen der ausschlag gebende Beweggrund zur Tat darin, daß er sich zu ihr auf Grund seiner sittlichen, religiösen oder politischen Überzeugung für verpflichtet hielt, -- „verpflichtet" ist gesperrt gedruckt —, so werden ihm die für den Strafvollzug in Stufen vorgesehenen und für die Strafart sonst zulässigen Vergünstigungen ohne weiteres gewährt. Entsprechend wird von uns eine Verordnung ergehen. Ob diese Voraussetzung vorliegt, wird nicht nur voin Direktor geprüft, sondern es wird mit aus dem Urteil hervorgehen. Das Wort „verpflichtet" ist etwas enger als bloß „berechtigt." Zu § 94 ist gerügt worden, daß der Ertrag der den Gefangenen zugewiesenen Arbeit der Staatskasse ge bühre. Es ist gesagt worden, es müßte der volle Er- trag den Gefangenen gehören. Aber der Gefangene lebt doch in der Strafanstalt; er wohnt darin, er wird beköstigt. Dieser Aufwand wird abgezogen, und dann kommt sein Verdienst, und so ist es auch berechtigt. (Zuruf bei den Kom. — Heiterkeit.) Warten Sie es nur ab, es wird so werden, wie es anfangs im Prü fungsausschuß aussah, daß die Herren noch zu einer anderen Emsicht kommen werden. Zu 8 ist der Wortlaut bemängelt worden: Die zur Körperpflege erforderlichen Mittel werden zur Verfügung gestellt. Statt „werden" müßte es heißen „müssen". In diesem Sinne ist das „werden" auch zu verstehen. Es heißt auch: „im Bedarfsfalls". Wer also z. B. eine Zahn bürste nicht mitbringt, bekommt sie geliefert. Zn 8 155 wird getadelt, daß die schriftlichen Ein- gaben der Gefangenen auf eine»» „angemessenen" Um fang beschränkt werden. Da möchte ich Ihnen einen Fall erzählen, aus dem sich diese Bestimmung bei uns ergeben hat: Ein Gefangener hat an den Prüfungs ausschuß eine Eingabe von 90 großen Seiten Reichs format geschrieben. Es war ein Querulant und Psycho- path, und man muß doch sagen, daß Papier und Zeit zu kostbar sind, so vergeudet zu werden. Der Betreffende benutzte aber die 90 Seiten dazu, um sich mit allen Amtspersonen, mit denen er zu tun gehabt hatte, In sadistischer, höhnischer Weise abzufinden, alle diejenigen, die ihn zu beurteilen hatten, als „Beschuldigte" zu be zeichnen usw. Nun komine ich zu 8 163, mit der Bestimmung über Fesselung. Meine Damen und Herren! Ich gebe Ihnen zu: wenn man diese Bestimmung zuerst über- nest, scheint sie schrecklich zu klingen. Man muß aber vorher den 8 164 lesen: Als Sicherungsmaßnahmen sind nur zulässig: 1. Entziehung von Einrichtungsgegenständen und Bekleidungsstücken, deren Mißbrauch zu befürchten ist, oder die geeignet sind, einen Fluchtversuch, Selbst mordversuch oder Selbstbeschädigungsversuch zu för dern; 2. vorübergehende Unterbringung in Einzelhaft oder Zusammenlegung mit anderen Gefangenen; 3. Unterbringung in eine Beruhigungszelle; 4. Fesselung. Von einer schärferen Sicherungsmaßnahme wird nur Gebrauch gemacht, wenn eine leichtere keinen Erfolg verspricht. Also die Fesselung ist und bleibt, und daS wissen die Strafgefangenen ganz genau, daS Alleräußerste, wenn dem Betreffenden sonst nicht beizukommen ist. Erleben Sie nur einmal, daß jemand alles zusammenschlägt! Was machen Sie mit dem Mann? Irgendwie muß er doch diszipliniert werden. Nun zu 8 168, Zif. 4, wo bemängelt wurde, daß der Gefangenen zur eigenen Sicherung des Gefangenen äußerstenfalls auch an den Händen und Fuß oder Füßen zugleich gefesselt werden kann. Das ist vorhin von Ihnen nickt mit vorgelesen worden, Herr Abgeordneter Siewert: lediglich „zur eigenen Sicherung de- Gefan- genen" soll e- äußerstenfalls geschehen! Wenn man die Bestimmung in diesem Sinne auffaßt, klingt es doch etwas anders, als eS vorhin geklungen hat. Die HauSstrafen sind auch kritisiert worden. Diese ergeben sich ebenfalls aus der ReichS-Strafvollzugs- ordnung, wie sie dort vorgeschrieben- worden sind. Wir haben nur noch Milderungen vorgenommen. Ferner wurde bei 8 99 ausgesetzt, daß derjenige, der im Alter unter 48 Jahren eine Straftat verübt hat, „Du" genannt werden toll; dies ist auch in der Reichs vollzugsordnung vordeschrieben worden. Ich möchte noch die Disziplinarsache „mit dem Gänse blümchen" erwähnen, weil sic zunächst auch eigentüm lich erscheint. Die Sache lag so, wie Sie gehört haben, der Tatbestand war ungefähr richtig vorgetragen. Wenn Sie aber annehmen, daß auf der Wiese, die sich in dem GefängniShofe in Bautzen befindet, ganz wenig Gänse blümchen wachsen, und jeder Gefangene davon eine Blume abreißen und sie im Munde tragen wollte, dann würde dadurch diese Wiese gewissermaßen beeinträchtigt. (Lachen bei den Kommunisten.) Ja, da Achsen nicht ohne weiteres neue Gänseblümchen! Der Grund der Bestrafung war aber der, daß der Gefangene bernr Hineingehen in das Gebäude zu dem Aufseher tagte: „In welchen Paragraphen steht denn, daß Gänseblüm chen nicht abgepflückt werden dürfen?" Das wurde als eine ironische und dreiste Herausforderung angesehen, und diese wurde bestraft. (Abg. Böttcher: Ich habe doch recht gehabt mit dem Poesiealbum!) Dann die schlechte Beköstigung! Wir waren I« neu- sich in Waldheim. Es wußte niemand, daß das Essen gekostet würde, und das Essen war, wie alle zugestanden haben, auch Herr Abgeordneter Siewert, sehr gut. Ich war 8 Tage vorher unangemeldet in Hohneck und habe auch dort das Essen probiert. Ich habe mich im Speise saal hingestellt, habe mit den Gefangenen gegessen und habe ihnen erklärt: „Ich kann Ihnen sagen, das Essen, das ich in der Kantine des Ministerialgebäudes cm- nehmcn muß, weil ich zu mittag nicht nach Hause fahren kann, ist nicht immer so gut, wie das Essen, das sie heute hier haben!" (Zurufe bei den Kommunisten.) Die Abwechslung ist gewährleistet durch den Speise zettel, der immer vorhanden ist. Ihn haben die Herren und Damen ja auch gesehen. Der Speisezettel war sehr abwechslungsreich. ES mußte mancher gestehen, dan der Arbeiter in der Freiheit, genau so, wie er da nicht immer in so luftigen und lichthellen Räumen arbeiten kann, auch nicht immer so gute Speisen genießt. Endlich wurde noch der Fall des Arbeiters Elster er wähnt und gesagt, daß schon während der Untersuchungs haft wegen einer neuen Tat, noch ehe über diese das Urteil gesprochen wurde, die laufende Bewährungsfrist, die er wegen einer früheren Tat erhalten Hatte, widerrufen worden wäre. Tas ist wahrscheinlich zu seinen Gunsten geschehen, damit die Untersuchungshaft vorläufig mckt weiter verhängt, sondern damit er die alte Strafe während der sonst weiter laufenden Untersuchungshaft mit abmachen sollte. Und was den Fall Krisch betrifft, so kann ich erklären, daß Krisch auf Anweisung des Justizministeriums als politischer Gefangener erklärt worden ist und demgemäß behandelt wird. Ich glaube also, daß auch die weiteren Minderheits anträge, die noch von den Herren Kommunisten aufrecht erhalten worden sind, sich, wie schon der Herr Bericht erstatter erklärt hat, durch das erledigen, was ich im Ausschuß ausgesührt habe. Sie sind zum Teil überholt durch die Strasvollzugsordnung, teils sind sie in Vor bereitung begriffen, teils sind sie praktisch nicht ausführ bar, und zwar zum Teil aus Gründen des Staaatshaus- halts, weil wir sparen müssen. (Abg. Lieberasch: Tas Gänseblümchen tritt ab!) Abg. Schreiber (Dtschnat.): Nachdem ich vorhin Ge legenheit gehabt habe, meine Wünsche persönlich dem Herrn Justizminister vorzutragen, möchte ich im Hin blick auf die reiche Tagesordnung aufs Wort verzichten. (Bravo!) Hierauf wird gegen 4 Stimmen ein Antrag auf Schluß der Aussprache angenommen. Nach den Schluß worten der Abgg. Bertz und Siewert (Kom.) — der Berichterstatter Abg. vr. Dehne (Dem.) hatte darauf verzichtet —, bei denen es zu schweren Zusammen- stößen mit dem Vizepräsidenten vr. Eckardt kommt und die mit der Wortentziehung des Abg. Siewert (Kom.) enden, werden die Anträge des Ausschusses (Drucksache Nr. 932 u. 901) gegen die Stimmen der Kommunisten angenommen und die kommunistischen Minderheitsanträge abgelehnt. Ter Antrag Nr. 946 wird dem Rechtsausschuß überwiesen. Punkt 7: Zweite Beratung über Kap. 42^ (Mini sterium des Innern), 42 8 (Arbeits- und Wohl- fahrtsministerium), Kap. 43 (Kreis- und Amis- Hauptmannschaften und Zweigamt Sayda) des ordentlichen Staatshaushaltsplans für 1924. (Mündlicher Bericht deS Haushaltausschusses Drucksache Nr. 933). Der Ausschubantrag lautet: der Landtag wolle beschließen: 1. bei Kap. 42 Abt. (Ministerium des Innern) des ordentlichen Staatshaushaltsplans für 1924 ») in der Vorbemerkung I hinter Kap. 50 zu setzen „51", d) Tit. 3 dahin zu ändern, daß statt 3 Ministerial direktoren „1 Ministerialdirektor in 8 5, 1 des gleichen bis 30. April 1924" und statt 21 „22" Hilfs arbeiter gesetzt wird, o) Tit. 15 zu streichen, 6) die Einstellungen bei Kap. 42 Abt. im. übrigen unverändert nach der Vorlage zu genehmigen: 2. bei Kap. 42 Abt. 8 (ArbeitS- und Wohlfahrts- Ministerium) des ordentlichen Staatshaushalts plans für 1924 die Einstellungen nach der Vorlage zu genehmigen mit der Maßgabe, daß ») bei Tit. 3 eingestellt werden: 7 Ministerialräte X XIII, 18 Hilfsarbeiter H XII, XI, X, IX V in Stellen- gemeinschaft mit den Hilfsarbeitern bei Kav. 42 41 und 6, 3 Verwaltungsinspektoren VIII und die Erläuterungsspalte entsprechend ge ändert wird, sowie die Worte „darunter künftig wegfallend" bei den Ministerialräten, Hilfsar- arbeitern und Verwaltungsinspektoren gestrichen werden. d) in der Erläuterungsspalte zu Tit.5 gesagt wird: 8(13) im Kanzleidienste, darunter 6 (11) weibliche, und in der Erläuterungsspalte zu Tit. 5 und 8 die Worte „und 51" gestrichen werden, o) an Stelle von 287170 M. bei Tit. 3 nur 261920 M. und bei Tit. 5 an Stelle von 30900 M. nur 26040 M. eingestellt werden; 3. bei Kap. 43 (Kreis- und Amtshauptmannschaften und Zweigamt Sayda) des ordentlichen Staats haushaltsplans für 1924 in Tit. 3 a) anstatt 4 RegierungsamtmännerX zu setzen: 8 - X, und anstatt 19 - 41IX zu setzen: 23 - 41IX und entsprechender Absetzung der Dienstbezüge bei Kap. 47 b Tit. 2o und rhrer Zuschreibung bei Kap. 43 Tit. 3, b) in Spalte „Gegenstand Ausgaben" Zeile 13 „3 dergl. bis 30. April 1924" zu streichen und in Zeile 14 statt „1" zu setzen „4 dergl. bis 31. Mai 1924" und mit diesen Änderungen die Einstellungen bei Kap. 43 im übrigen unver ändert nach der Vorlage zu genehmigen, bb) die bei den Regierungsräten 41X1 und ^X sowie den Regierungsassessoren vorgeiehepe Stellengemeinschaft ist auf Kap. 51 auszudehnen, o) die Regierung um Erwägung zu ersuchen, 10 Kassengehilsenstellen IV neu einzustellen und dafür 10 Amtsgehilfenstellen 41II in Weg fall zu stellen, ck) den Antrag des Abg. Schreiber u. Gen. (Druck sache Nr. 777) und die Eingaben Nr. 741, 756, 895, 898, 901, 910, 912, 921 und 939 (Prüfungs ausschuß) für erledigt zu erklären. Berichterstatter Abg. Lchnirch (Loz.): Eine der wichtigsten Fragen, welche bei Kap. 42^., Ministerium des Innern, gespielt hat, war die Frage des Personal abbaues, und zwar deshalb, weil man wiederholt im Plenum und bei anderer Gelegenheit dem Ministerium den Borwurf gemacht hat, daß man bei dem Personal abbau nicht sachgemäß vorgegangen sei, und daß es eine Härte bedeute, wenn man nicht bald dazu über gehe, die ganze Frage auf ein anderes Gleis zu schieben. Besonders schwer würden vom Abbau die Kriegs beschädigten betroffen, darunter wiederum die Schwerkriegsbeschädigten. Ich habe das Material über den Gcsamtabbau, soweit er bis jetzt vorgenommen worden ist, hier. Ich kann nicht erkennen, daß die Vor würfe, welche in dieser Beziehung immer erhoben werden, ganz gleich, von welcher Seite sie auch kommen, den Tatsachen entsprechen. Auch der Vorwurf, der erhoben worden ist, daß man die oberen Beamten schichten nicht in derselben Weise beim Abbau heran- genommen hätte wie die unteren, ist durchaus nicht zutreffend, wie der Ausschuß in seiner großen Mehrheit anerkannt hat. Man hatte weiter die Behauptung ausgestellt, daß die Regierung bei der Anstellung sozialdemokratischer Kreishauptleute, Amtshauptleute oder überhaupt kurz sozialdemokratischer Beamter, welche in einigermaßen hervorragender Stellung stehen, eine Maßnahme er griffen hätte, welche sich mit dem Beamtendienstgesetz absolut nicht vereinbaren ließe, und daß man in über mäßiger Weise Ticnstjahre bei einzelnen auch nicht be rufsfachlich vorgebildeten Beamten angerechnet hätte. Ich hab» auch hier Gelegenheit genommen, mich ein mal über den Gang der Dinge zu unterrichten, kann das aber absolut nicht zugeben. Es wurde im Ausschuß moniert, daß man beim Ministerialdirektor Freund in dieser Beziehung etwas über das Ziel hinausgeschossen sei. Ich habe auch diese Akten hier und muß sagen, daß man, soweit man die Sache bis jetzt überiehen kann, gegenüber den anderen Beamten die Dienstjahre deS Herr»» Freund etwas reichlich genommen hat. Ader daS dürfte darauf zurückzusühren sein, daß die Dienst jahre bereits von der thüringischen Regierung festgestellt und diese ihm im sächsischen Staatsdienst weiter ange rechnet worden sind. Ich habe nach Rücksprache mit anderen Herren Verwaltungsjuristen, die nicht meiner Partei angehörcn, feststellen können, daß, selbst wenn inan außerordentlich peinlich sein wollte, inan trotzdem nicht zu der Auffassung kommen könnte, daß man bei Freund übermäßig viel Dienstjahre angerechnet hat. Nur das eine käme in Frage, daß entgegen den all gemeinen Bestimmungen, wonach die anderen Beamten mit 25 Jahren die Beamtcnqual fikatron erwerben, das bei Freund bereits mit 22 Jahren der Fall gewesen ist. Der Ausschuß hatte sich dann mit der Frage zu be schäftigen, was mit den aus Kap. 47 verschriebenen Re- gicrungekommissarcn werden solle. Ter Herr Minister hat vor längerer Zeit einmal eine Erklärung »m Aus schuß abgegeben, daß er der Auslassung zuneige, daß die Rcgierungskommissare bei der Polizei keine Berech tigung mehr gälten. Der Ausschuß hat deshalb einen Rcgierungkommissar nach Kap. 42 überschrieben und hat weiter geprüft, welche Amtsbezeichnung er nun mehr erhalten »oll. Rach Rücksprache mit den Regie- rung-vertretern glaubte man, daß man ihn unter „Hilfs-