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LMMU M WM NutUitmg 82. zu Nr. 145 des Hauptblattes. 1927. Beauftragt mit der Herausgabe RegierungSrat Brauhe in Dresden. 1. Die Regierung hat dafür zu sorgen, daß alle Be- )örden im wendischen Sprachgebiet neben der dcut- chen Sprache die wendische Sprache als Vcrkchrs- lt von 18 eS informa- Arcishauptmannschaft mitzuteileu, daß das Verhalten der beiden Mädchen gemißbilligt werde und nur geeignet sei, die gemeinschaftliche Arbeit mit der Regierung zu stören. Es sei zu hoffen, daß die vertrauensvollen Be ziehungen zu dem «reishauptmaun, auf die von allen Seiten besonderer Wert gelegt werde, nicht leiden mochten. Im Anschluß an dieses Schreiben bat Justizrat vr. Herr mann den Kreishauptmann um eine persönliche Rua sprache, um verschiedene den wendischen Vollsten betref fende Angelegenheiten in aller Lffcntlichkcit einmal gegen teilig zu besprechen. Diesem Verlangen kam der Kreis- hauptmann gern nach, denn es gehört zu seinen Ausgaben, die Wünsche aller Bevölkerungskreise anzuhören. Tie Be- sprechung fand am Abend des 17. Januar d. I. statt. An ihr haben der Krcishauptmann Richter und Lberregie- rungsrat Vr. Walther als Beamte der Krcishauptmann- schäft und von wendischer Seite Justizrat Vr. Herrmann und Pfarrer Ziesch aus Hainitz teilgenommen. Tic Aus- spräche hatte beiderseits einen unverbindlichen und vertraulichen Charakter. Tie Regierung glaubt deshalb, daß sich Mitteilungen über die Einzelheiten der Aussprache erübrigen. Tie Besprechung endete mit der Vereinbarung, daß Justizrat vr. Herrmann und Pfarrer Ziesch eine Zu sammenstellung der geäußerten Wünsche, insbesondere über das Schulwesen vornehmen und der Krcishauptmann- schaft einreichen sollten. Ter Kreishauptmann erklärte sich bereit, diese Wünsche cntgegenzunehmen und mit Vertretern des wendischen Volksteiles zu erörtern, ohne aber damit diese Vertreter als die zuständige Vertretung aller sächsischer Staatsbürger wendischer Abstammung anzuerkennen. Ter Kreishauptmannschaft ist auch eine Zusammenstellung der wendischen Schulwünsche zu gegangen, die von den Antragstellern nach mündlicher Verhandlung mit dem Kreishauptmann zwecks Um arbeitung wieder zurückgezogen worden ist. Nach alledem haben Besprechungen „mit dem Ziel, der Wendenpolitik der sächsischen Regierung einen neuen Kurs zu geben", nicht stattgefunden. Ten Presse meldungen, die der Besprechung vom 17. Januar diese falsche Bedeutung beimaßen, ohne daß der Urheber er mittelt werden konnte, ist die Krcishauptmannschaft in einer Presseerklärung vom 20. Januar 1927 cntgcgen- getreken, die folgenden Wortlaut hat: Zu den in verschiedenen Tageszeitungen veröffent lichten Schriftsätzen mit der Überschrift „Kurswechsel in der Wendenpolitik" hat die Krcishauptmannschaft zu erklären, daß sie diesem Artikeln durchaus fernstem. Tatsächlich hat am 17. d. M. aus Anregung und Wunsch des Herrn Justizrats vr. Herrmann mit diesem und Herrn Pfarrer Ziesch eine Unterredung stattgesunden, an der seitens der Kreishauptmannschaft deren Vor stand und Herr Lberregierungsrat vr. Walther teil- genommen haben. Tie Besprechung war eine beider seits unverbindliche. Ihr vertraulicher Charakter wurde am Schluß ausdrücklich betont. Ter Kreishauptmann hat im Laufe der Besprechung mehrfach darauf hin- gewiesen, daß die Regierung den „Wendischen Volksrat" als die zuständige Vertretung aller sächsiichen Staatsbürger wendischer Abstam mung nicht anerkannt habe. Scbon bisher ist die Kreishauptmannschaft, selbst verständlich aus Weisung und im Einvernehmen mit den zuständigen Regierungsstellen, bemüht gewesen, unter Beachtung ihrer kulturellen Belange wieder ver trauensvollere Beziehungen zu der staatstreu gesinnten Mehrheit der wendischen Bevölkerung herzustellen. Es kann also von einem Kurswechsel in der Wenden politik nicht in dem Sinne gesprochen werden, daß die Regierung ihre Politik den Wenden gegenüber zu än dern vorhabe. Schon hieraus war die Unrichtigkeit der Pressemel dungen ersichtlich. Um aber diesen Gerüchten endgültig cntgcgenzutreten, will die Regierung auch an dieser stelle erklären, oaß ihrer Ansicht nach kein Anlaß besteht, die von ihr bisher der wendischen Bevölkerung gegenüber ein- geschlagcne Politik zu ändern. Tann komme ich zu dem Antrag Trucksache Rr. 1 '9. Tiefer Antrag erweckt den Anschein, als ob die sächsische Regierung die sächsischen Staatsangehörigen wendischer Abstammung unterdrückt und sie in ihren kulturellen und politischen Belangen benachteiligt. Demgegenüber muß die Regierung erklären, daß sic von jeher bemüht gewesen ist und auch weiterhin bemüht sein wird, die diesen Staats angehörigen eigentümlichen und nützlichen sprachlichen und kulturellen Werte zu erhalten und zu entwickeln, und daß eine Benachteiligung dieser Bevölkcrungskreise in so zialer oder politischer Beziehung weder festzustellcn noch zu befürchten ist. 1. Was die Sokolbeweguna unter der wendischen Be völkerung anlangt, so ist allerdings festzustellen-, daß seit Gründung der ersten wendischen Sokolvercine im Jahre 1920 die Zahl dieser Turnvereine in den letzten Jahren nicht unerheblich zugcnommen hat, so daß innerhalb Sachsens jetzt 20 Sokolgemeinden mit schätzungsweise über 5lB Mitgliedern vorhanden sind. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Gründung der Sokolverern« und der sächsischen Wendenpolitik ist in keiner Weise vor handen. 2. Es haben auch keine Besprechungen mit der preis- rischen Regierung wegen Bekämpfung der Wenden- »ewegung stattgefunden, sondern auf Anregung de« preu- nschen Regierungspräsidenten find lediglich zu informa- orischen Zwecken sächsisch, und preußische Schule» t» Vendengebiet besichtigt und der Unterrichtsbetrieb «rchev» ucht worden. Abg. Renner (komm. — zur Begründung): Der wen dische Nationalrat, der schon sehr lange besteht und eine alle Einrichtung ist, hat um die Jahreswende herum in Belgrad eine Kundgebung mit durchgeführt, bei der es zu nationalen Demonstrationen der Serben kam, und diese Demonstrationen der Serben lösten in den deutschen Zeitungen eme große Entrüstungsbewcgung aus. An schließend an diese Kundgebung fanden, soweit wir aus wohlunterrichteter Quelle erfahren haben, Besprechungen sächsischer Regierungsvertreter statt, die sich damit be schäftigten, wre man solche Manifestationen unterdrücken könne. Wir haben ein sehr starkes Interesse daran, von der Regierung zu erfahren, inwieweit diese an uns ge langten Mitteilungen richtig sind, und welche Maßnahmen die Regierung durchzuführen gedenkt, um den wendischen Minderheiten zum mindesten die Möglichkeit der Erhol- tung ihrer eigenen Kultur und ihrer kulturellen Bestrebun gen zu geben. Die Minderheitsbewcgung, die jetzt einer Reihe von Leuten geführt wird, die nach 19 nicht verstanden haben, daß auch die Stellung der wen dischen Minderheit eine soziale Frage ist, wird von uns abgelehnt. Wir lehnen auch die Unterstützung oder Bil dung solcher Manifestationen ab, wie man sie in Belgrad ausgeführt hat. Aber eS handelt sich bei dieser Frage doch noch um etwas anderes. ES handelt sich darum, daß hinter diesem Kulturlamvf, d. b. dem Kumpfe um ihre eigene Kultur, der Kampf um ihre soziale Stellung steckt. Der größte Teil der wendischen Bevölkerung besteht aus kleinen Bauern und zum Teil au« Arbeitern. Diese kleine Bauernschaft ist von den Röten, die die Umwälzung, die Konzentration de« Kapital« mit iüb gebracht hat. »ehr stark betroffen prache mit der Bevölkerung benutzen. Jeder Ber- toß in dieser Beziehung ist streng zu bestrafen; 2. im Schulunterricht ist die wendische Sprache als Interrichtssprache eiuzusühren. Die deutsche Sprache oll als Lehrfach im Schulplan geführt werden; 3. jede soziale und politische Unterdrückung der wen dischen Bevölkerung seitens der Behörden, die sich aus der Unkenntnis der deutschen Sprache her- leitet, ist aufs schwerste zu bestrafen. Punkt 10: Anfrage de» Abg. Böttcher «. Gen. über die Wendenbewegung. (Drucksache Rr. 180.) Die Anfrage 180 lautet: Nach Pressemeldungen haben in der Amtshaupt-- Mannschaft Bautzen zwischen dem wendischen Volts rat und Vertretern der sächsischen Regierung Bespre chungen stattgefunden, mit dem Ziel, der Wenden- politik der sächsischen Regierung „einen neuen Kurs zu geben", über den materiellen Inhalt der Besprechun gen ist in der Öffentlichkeit nichts bekannt geworden. Die Regierung hat sich zu dieser Frage ebenfalls nicht geäußert. Von der Politik der sächsischen Regierung gegenüber den wendischen Minoritäten hängen in um fassender Weise die Interessen der wendischen Arbeiter- bevölkerung, Kleinbauern und Kleingewerbetreibenden ab. Wir fragen deswegen: Ist die Regierung bereit, dem Landtag Aufklärung über den politischen und sach lichen Inhalt der Besprechungen der Regierung und ihrer Beauftragten mit dem wcndiichen Volksrate zu geben? LanRaMtrhandliMM. (F-rNe-un- der 38. Litzmig van Mittwoch, de« 22. Jmii 1927.) Die Punkte 9 und 10 werden verbunden. Punkt S: Erste Verat««g über de« Antrag des Ab-. Böttcher «. Gen. über die Wendenbeweg««-. (Drucksache Rr. 17» ) Der Antrag Rr. 179 lautet: Die falsche Politik der sächsischen Regierung gegen- über der wendischen Bevölkerung der sächsischen Qber- lausitz hat zu einem starken Anwachsen der faschistisch, nationalistischen Cokolbewegung unter der wendischen Bevölkerung geführt. Wie bekannt geworden ist, haben zwischen der preu ßischen und sächsischen Regierung wegen der Bekämp fung der Wendenbewcgung Besprechungen stattgefun den. Die großbäuerlichen und großkapitalistischen Führer der wendischen Minoritätenbewegung sind nicht die Wahrer der Interessen der wendischen Arbeiter, Klein bauern und Kleingewerbetreibenden. Im Interesse dieser Bevölkerungsfchichten ist eine grundsätzliche Ände rung der Wcndenpolitik der sächsischen Regierung zu fordern. Ter wendisch-sprechenden arbeitenden Bevölkerung muß die Möglichkeit gegeben werden, die ihrem Volts stamm eigentümlichen und nützlichen sprachlichen und kulturellen Werte zu erhalten und zu entwickeln. Alle sozialen und politischen Nachteile, die der wen disch-sprechenden Bevölkerung infolge ihrer geogra phischen Einschließung in deutschsprachigem Gebiet entstehen, sind sofort zu beseitigen. Der Landtag wolle daher beschließen: worden, und sie wird um so mehr getroffen, weil ein Tei von ihnen nicht genügend Deutsch zu sprechen versteht und bei den Behörden deswegen, weil fie wendischer Na tionalität sind, fchlechter behandelt wird, als das mit Angehörigen der sächsischen Bauernschaft geschieht. Tie Klagen dieser Leute darüber sind sehr mannigfaltig. Ein Zeichen dieser Unterdrückungsmaßnahmen gegen die , Wenden war ja auch vor etwa einem Jahre der Kampf, der in Königswartha um die Besetzung der dortigen Pfarr- stclle ging. Man wendet hier gegen die Wenden dicfelbc Methode an, die die Imperialisten auf der ganzen Welt gegen alle Minderheiten anwenden. Wir wenden uns gegen die Unterdrückung dieser nationalen Eigentümlich keiten deswegen, weil wir uns gegen jede Unterdrückung wehren, die im Grunde eine soziale Unterdrückung dar- stell und einen Angriff auf die soziale Selbständigkeit bildet. Es sind zwei Fragen, die hier berührt werden müssen, nämlich die eine, die wendischen Kulturwertc zu erhalten, und die andere, dem wendisch-sprechenden Teil der Ar beiter und kleinen Bauern zum mindesten die Möglichkeit zu geben, ihre Rechte und Interessen vollständig und ohne Rückhalt zu vertreten und in ihrer Sprache mit den Lr- ganen zu sprechen, mit denen sie innerhalb des Staates zu tun haben. Vor allem darf keine weitere gewaltsame Unterdrückung der wendischen und kein gewaltsames An lernen der deutschen Sprache durchgeführt werden. Pis jetzt stehen doch wohl die Tinge fo, daß die eigentliche Schulsprache die deutsche Sprache ist und daß man bei den Schulkindern anfängt, schon im ersten Schuljahre den Schulunterricht in deutscher Sprache zu erteilen, während die wendische Sprache nur ein Nebenfach ist. Wenn man die Erhaltung der wendischen Kultur und der wendischen Sitten haben wollte, müßte es umgekehrt sein. Darüber, ob in den höheren Schulklassen, in der Fortbildungsschule oder in der Berufsschule, die deutsche Sprache als Unterrichtssprache benutzt werden kann, ließe sich eher reden, und zwar aus dem Grunde, weil, wenn ein wendischer Arbeiter aus der Wendei nach anderen deutschen Gebieten geht, er überwiegend Deutsch sprechen muß und die Frage der Notwendigkeit des vollen Be herrschens der deutschen Sprache mit den notwendigen Fachausdrücken seines Berufes gestellt ist. Nun haben die nationalen Führer in der Wendei ja noch nie daran gedacht, die wendische Frage wirklich ernst haft vom sozialen und kulturellen Standpunkte aus zu stellen, sondern sie stellen sie bloß deswegen, weil sie mit dieser wendischen Geschichte ein nationales Geschäft für sich machen wollen, weil sie in den wendischen Banken mit Aktien beteiligt sind und weil sie sich im Ruhme eines nationalen Glanzes sonnen wollen. Tie meisten Vertreter aus dem wendischen Nationalrat kommen sich vor wie kleine protegierte Könige eines Staates, den sie zu einem selbständigen Staate erheben wollen. Gegen diese Hand habung und gegen diese Haltung wenden wir uns natür lich mit aller Entschiedenheit und verlangen eine Rege lung, wie wir sie in unserem Anträge niedergelegt haben. Nun gibt es sehr wohl Möglichkeiten, diese Selbstän digkeit und die nationale und kulturelle Eigenart zu wah ren und zu erhalten. Tas zeigt die Sowjetunion, in der alle einzelnen selbständigen Nationen ihre Selbständig keit auch weiterhin behalten und in der die Eigenart einer jeden einzelnen Nation gepflegt wird, in der aber trotz dem ein sehr starkes und festes Zusammenarbeiten erzielt worden ist, ein Zusammenarbeiten mit dem freiwilligen Zusammenschluß dieser Union. (Abg. Tobbert: Georgien!) Ter Zuruf von Georgien ist wohl ein klein bißchen depla ciert. Tie georgische Bevölkcrung denkt nicht im gering sten daran, (ich aus dem Rahmen der Sowjetunion los zulösen. (Abg. Tobbert: Sie verlangt aber ihre Selb ständigkeit!) Zum Schluß möchte ich noch ausführen, daß es ganz klar ist, daß innerhalb eines kapitalistischen Staates die , Frage der Selbständigkeit anders steht. Sie wird immer fo gestellt, daß die selbständige Stellung aucb das soziale Sclbständigkcitsgcfühl heben muß. Tie Sowjet-Union hat gegenüber der georgischen Arbeiterschaft lein Inter esse daran, daß das soziale Selbstäudigkeitsgefühl der georgischen arbeitenden Bevölkerung unterdrückt wird, sehr wohl aber hat die deutsche kapitalistische'Gesellschaft ein Interesse daran, das Sclbständigkeitsgcfühl aller Minderheiten in Deutschland zu unterdrücken. Jetzt ist also die Frage so gestellt, daß man zeigen kann, ob man nicht nur die kulturellen, sondern auch die sozialen Selb- ständiglcitsbestrebungen der Wenden unterstützen will. Ich ersuche, diese Anträge heute dem Rechtsausschuß zu überweisen. Ministerialdirett»r vr. Schulze: Meine Damen und Herren! Ich würde meine Vollmacht überschreiten, wenn ich dem Herrn Vorredner auf seinem Ausflug nach Sowjet- rußland und Georgien folgen wollte. (Aba. Röllig: Sehr gut k) Es sei mir deshalb gestattet, mich auf die Wenden zu beschränken. Ich werde aber dem Herrn Vorredner dann folgen, daß ich zunächst seine Anfrage beantworte und dann zu seinem Anträge Stellung nehme. Was die Anfrage anlangt, so ist folgendes zu sagen. Am 2. Januar d. I. fand in Belgrad aus Anlaß der An wesenheit der beiden Fräulein Schmaler aus Bautzen, Töchter des Hauptschristleiter« der in Bautzen erscheinen- den wendischen Zeitung „Serbske Nowiny", eine große politische Kundgebung für die Lausitzer Wenden statt, die m ganz Deutschland mit Recht unliebsame« Aufsehen er regte. Diese Kundgebung veranlaßte einige Wortindrer der »enden, an ihrer Spitze den Rechtsanwalt Justizrat vr. Herrmann in Bautzen, au« eigenem Antrieb« der