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LMKilU M ZWßa AutUilW 178. zu Nr. 153 des Hauptblattes. 1928. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauße in Dresden. Landtagsverhandlungen. (Fortsetzung der 83. Sitzung von Donnerstag, de« 28 Juni 1928.) Abg. Böttcher (Komm.) — (Fortsetzung): Die Regierung hätte das merken und von sich a S auf eine Änderung des Beschlusses drängen müssen. Aber darüber hinaus ist es unzureichend, nur diesen Beschluß selbst aufzuheben, sondern diese Angelegenheit gibt Veranlassung, das Problem der gesamten ärztlichen Standesorganisation überhaupt zu behandeln, die Frage der Ärztekammern. Es ist ganz klar, daß diese Ärztekammern als besondere Standesorganisationen nur dazu da sind, reaktionäre Maßnahmen der Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse zu legalisieren. Bon diesem Standpunkte aus hätte die Regierung die Aufgabe, die alten Gesetze, die seit Jahrzehnten bestehen, zu überprüfen, inwieweit sie über haupt noch in der gegenwärtigen Zeit in Einklang zu bringen sind. Aber selbst diese ganz einfachen, vom Standpunkte des bürgerlichen Liberalismus notwendigen Maßnahmen können von der Bürgerblockpolitik nicht durch, geführt werden aus dem einfachen Grunde, weil jch auch dke Tätigkeit der Ärztekammer und der ärztlichen Bezirksorganisationen in das System der allgemeinen Bürgerblockpolitik hineingehört. Sie braucht diese beruf, lichen Standesorganisationen, weil sie sie benutzt als Hilfs- mittel im Kampfe gegen die Arbeiterklasse. Von diesem Punkte aus, als Bürgerblockregierung gesehen, ist die Regierung auch nicht in der Lage, die Ehe- und Sexual- beratung im proletarischen Sinne zu regeln und den proletarischen Interessen bei der Ehe- und Sexual beratung Geltung zu verschaffen. Das kann nur geschehen durch die selbständige Arbeit des Proletariats, indem das Proletariat aus eigener Kraft in seinen Organisationen, in den großen Verbänden für Volks- gesundheitspslege, in den Sportorganisationen diese Frage mehr als bisher behandelt und darüber hinaus dafür sorgt, daß die eigentliche Ursache der Ehe- und Sexualnot, die kapitalistische Wirtschaftsform, beseitigt wird. (Beifall b. d Komm ) Abg. Frau Schilling (Soz): Wir haben zu Kap. 31 noch einen Antrag eingebracht, der Ihnen vorliegt und folgendermaßen lautet: Der Landtag wolle beschließen: die Regierung zu ersuchen, das Gesetz über die Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Hebammen vom 6. Oktober 1921 dahin gehend zu ändern daß alle die Hebammen, die infolge einer im Dienst zugezogenen Krankheit erwerbsunfähig ge worden sind, Anspruch auf vollen Ruhelohn haben. Dieser Antrag entspricht im wesentlichen dem Anträge, den die Hebammenvereinigung an den Prüfungsaus- schuß gerichtet hat Der Antrag der Hebammen wollte nur syphilitische Infektion berücksichtigt haben. Wir möchten aber, daß sich der Antrag auf alle Leiden erstreckt, die eine Hebamme sich im Dienste zugezogcn hat und durch die sie erwerbsunfähig geworden ist. Nachdem Schlußwortder^Ber-Erst. Frau Abg. Schla g (Soz.) wird in der Abstimmung daS Kap. 31 nach der Vorlage genehmigt mit Ausnahme des Dit. S, Heb» ammenwefen, der von 24VVV9 RM. auf 32«««« RM. erhöht wird. Die MinderheitSanträge der Linken ebenso wie der Ergänzungsantrag Schilling, Hebammen betr., werden abgelehnt. Die Eingabe Rr. 212« wird der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen. Die Mchrheitsanträge Drucksache Rr. 701 werden angenommen, die MinderheitSanträge abgelehnt, mit Ausnahme des Antrages unter IV, 2, die Presse» berichterstattung über Gerichtsverhandlungen betr., der ebenfalls angenommen wird. Die Anträge Rr 2««v und 2V73 werden auf sich beruhen gelassen. Der Antrag Rr. 81« wird dem RechtSauSschuß über» wiesen. Nächster Punkt: S. Zweite Beratung über Kap. 5 Dit. 1 — Reingewinn der Salk» und Haristeinwerke — de» ordentliche« LtaatShauShaltpla«» für das Rechnungsjahr 1928. (Mündlicher Bericht des HauS» haltauSschnsfeS v, Drucksache Rr. 849.) Der Ausschuß beantragt: Der Landtag wolle beschließen: I. Kap. b Tit. 1 des ordentlichen StaatShauShaltplanS für 1928 nach des Vorlage zu genehmigen; LI. a) lm außerordentlichen Staatshaushaltplan für 1928 einen neuen Tit. 6» einzustellen:' »Kapitalbedarf der Kalk- und Hartsteinwerke 800000 RM.", d) in der ErläuterungSspalte einzufügen: „Tit. 6». 400000 RM. zur Verstärkung des Be triebskapital-, 400000 RM. zu Neuanschaffungen." Der Autrag Rr. 849 wird Hue Berichterstattung «d ««»spräche einstimmig genehmigt. Punkt 6: Zweite Beratung über Kap. S7 — Ober» bergamt und Vergämter — de» ordentlichen Staats» hauShaltplanS für da» Rechnung»jahr 1928. (Münd licher Bericht des HauShaltanSschusseS Drucksache Rr. 824.) Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Landtag wolle beschließen: 1. die Einstellungen bei Kap. 57 des ordentlichen StaatShauShaltplanS für 1928 nach der Vorlage zu genehmigen; 2. die Regierung zu ermächtigen, über diese Mittel bereits vor der endgültigen Verabschiedung des Staatshaushaltplans zu verfügen. Ferner liegen folgende Anträge vor: H. . Der Landtag wolle beschließen: I. die Regierung zu ersuchen, die Bergämter anzu weisen, sofort bei allen Werken der sächsischen Steinkohlenreviere, bei denen ausländische Arbeiter beschäftigt werden, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, Maßnahmen zu treffen, daß die Be stimmung des 8 158 der allgemeinen Bergpolizei- Vorschriften von 1901 für Sachsen durchgeführt wird. Herrmann (Soz.). II . Die in, Kap. 57 Tit. 15 angeführte Summe um 60000 RM. auf 330000 RM. mit der Maßgabe zu erhöhen, daß diese Summe für die noch im Be trieb befindlichen Erzgruben im Freiberger Gebiet verwandt wird. Tempel, Herrmann (Soz.). v. Der Landtag wolle beschließen: 1. die Rechte der Grubenkontrolleure dahin zu er weitern, daß a) bei der Feststellung von Mißständen, die das Leben und die Gesundheit der Bergarbeiter bedrohen, die betreffenden Betriebspunkte bis zur Beseitigung der Mißstände stillzulegen; b) selbständig Strafen bis zur Höhe von 100 RM. zu verhängen; o) selbständig Strafantrag gegen die Grubenver waltung bei Vernachlässigung der Sicherheit bei der Staatsanwaltschaft zu stellen. 2. Die Anwerbung ausländischer Arbeiter für den sächsischen Steinkohlenbergbau wird verboten. Die bisher angeworbenen Arbeiter sind auf Kosten der Werke in ihre Heimat zurückzuführen. 3. Die Eingabe Nr. 2119 der Regierung zur Berück sichtigung zu überweisen. Böttcher, Rötzscher, Schreiber (Komm.). Ber.-Erst. Abg. Kunath verzichtet. Abg. Herrmann (Soz.): In den Bergwerksämtern und dem Oberbergamt Freiberg sitzen die Arbeiterbei räte, die sogenannten Grubenkontrolleure, und verrichten dort ihre schriftlichen Arbeiten. Ihre Hauptarbeit liegt aber draußen auf den Werken über Tag und unter Tags bei der sogenannten Kontrolle. Diese Einrichtung besteht bereits seit 1922, und die Zusammenarbeit zwischen den Bergamtsbeamten und den Arbeiter beiräten ging bis vor Monaten ziemlich reibungslos vor sich. Neuerdings gibt es aber junge Bergamtsbeamte, die glauben, dazu berufen zu sein, den Beiräten bei der Ausübung ihrer Pflichten und der Erfüllung ihrer Aufgaben Schwierigkeiten zu bereiten. Es wäre erwünscht, wenn einmal von der Regierung nach dem Rechten gesehen und verlangt würde, daß die Arbeiter, beiräte behandelt werden, wie es jeder anständige Mensch fordern kann. Im März 1928 wurde im Landtage ein Beschluß gefaßt, daß die Beiräte bei den Bergämtern und dem Oberbergamt Freiberg amtlich anzustellen sind. Bis heute hat man noch nichts davon gehört, daß dieser Beschluß von der Regierung durchgeführt worden wäre. Ich möchte die Regierung deshalb ersuchen, daß recht bald ein diesbezügliches Gesetz herausgegeben wird. Im sächsischen Steinkohlenbergbau werden seit einigen Monaten eine Anzahl ausländischer Ar beiter beschäftigt, die weder Deutsch schreiben, noch sprechen, noch lesen können. Dieser Zustand bedeutet nicht nur für den fremden Arbeiter eine große Gefahr, sondern auch für seine einheimischen Arbeitskameraden und eine große Gefahr für die Grubensicherheit im allgemeinen. Wir haben aus diesem Grunde einen Antrag gestellt, den ich Sie anzunehmen bitte. Ein weiterer Antrag, den wir gestellt haben, ist noch etwas ergänzt worden und lautet nunmehr: Der Landtag wolle beschließen, die im Kap. 57 Tit. 15 angeführte Summe um 60 000 RM. von 270000 RM. auf 330000 RM. mit der Maßgabe zu erhöhen, daß diese Summe für die noch im Betrieb befindlichen Erzgruben im Freiberger Gebiet unter der Bedingung verwandt wird, daß der Staat dieser Summe entsprechend am Besitz der Gruben beteiligt wird. ES handelt sich hier um die Grube KleinvoigtSberg in Freiberg. DaS ist gegenwärtig, die einzige Grube, welche im Freiberger Gebiet meiner Information nach noch im Betriebe ist. Diese Grube kämpft um ihren Fort bestand, wegen Mangel an Mitteln kann sie aber den technischen Au-bau der Grube nicht vornehmen. Die Belegschaft wurde schon stark vermindert, und es besteht die Gefahr, daß die Mannschaft dieser Grube noch weiter verringert wird, so daß der Betrieb vielleicht gan- eingestellt wird, wenn nicht Mittel zur Verfügung ge stellt werden. Nicht das private Interesse dieses Gruben besitzers hat uns veranlaßt, diesen Antrag zu stellen, sondern wir wollen mit unserem Anträge verhindern, daß die Grube vollständig zum Erliegen kommt und eine große Anzahl Arbeiter weiter arbeitslos werden. Dem kommunistischen Anträge unter 1», der uns vor liegt, stimmen wir zu, weil es notwendig ist, daß gerade auf diesem Gebiete die Rechte der Grubenkontrolleure erweitert werden. Ziff.1l> und o des kommunistischen Antrages werden wir ablehnen, der Ziff. 2 und 3 da gegen wieder zustimmen. Im übrigen bitte ich Sie, unsere Anträge anzunehmen. Abg. Schreiber (Oberwürschnitz — Komm.): über die Zustände im sächsischen Steinkohlenbergbail insbesondere rst hier schon sehr viel Material vorgetragen worden. Bisher kann man aber in keiner Weise feststellen, daß die staatlichen Stellen, in diesem Fall das Oberbergamt und die Bergämter, sich um die Zustände nur im geringsten gekümmert haben. Jeder Fall, den wir bisher vorgetragen haben, wurde immer abgelehnt mit dem Hinweis: man kann das nicht kontrollieren, die Sache ist ganz anders usw. usw. Kurz und gut, man muß feststellen, daß die staatlichen Instanzen, die Aufsichteorgane, die die Polizeigewalt über den Berg bau ausüben, mit den Unternehmern gemeinsam gegen die Arbeiterschaft stehen. Es ist nicht zu viel gesagt, daß jetzt der Steinkohlenbergbau in Sachsen, nachdem Tausende und aber Tausende von fremden, der deutschen Sprache nicht mächtigen Bergarbeitern herangezogen worden sind, für die einheimische Arbeiterschaft zu einer Hölle geworden ist. Wer sich die Zustände jetzt in den Gruben ansieht, wird feststellen müssen, daß die Tendenz der Abwanderung für die Bergarbeiterschaft von Monat zu Monat noch mehr um sich greift, so daß in emer ganz kurzen Zeit, wenn diese Politik so fortgesetzt wird, einheimische Bergarbeiter nur noch in ganz geringem Ausmaße vorhanden sind. Deshalb haben wir be antragt, daß die Dinge dadurch beseitigt werden sollen, daß zunächst die Rechte der Grubenkontrolleure dahin zu erweitern sind, daß bei der Feststellung von Miß ständen, die das Leben und die Gesundheit der Berg arbeiter bedrohen, die betreffenden Betriebspunkte bis zur Beseitigung der Mißstände stillzulegen sind. Wenn der Herr Abg. Herrmann durch seinen Antrag verlangt, daß die Vorschriften über die Bergpolizei in bezug auf die ausländischen Arbeiter eingehalten werden sollen, so ist das wirklich ein Appell, der ungehört verhallen wird. Damit werden wir nichts erreichen, denn wir sehen jetzt schon aus den Maß nahmen der Bergämter, daß nichts geschieht. Zu Hunderten, ja ich möchte beinahe sagen, zu Tausenden sind die fremden Bergarbeiter hereingeholt worden. Wir sind durchaus nicht dagegen, daß aus anderen Ländern Bergarbeiter herangeholt werden, wir gönnen diesen Arbeitern genau so die Arbeit, wie wir der ein heimischen Arbeiterschaft wünschen, daß sie dauernd Arbeit hat, aber gerade im Bergbau, wo bei Nicht beherrschung der Sprache es gar nicht zu umgehen ist, daß die Unfallziffern steigen müssen, daß Leben und Gesundheit der einzelnen aufs Spiel gesetzt wird, muß es verhindert werden, daß in dem Umfange fremde Arbeiter herangezogen werden. Dabei liegen die Dinge eigentlich so, daß die Heran ziehung ausländischer Bergarbeiter nicht einmal ein Ausweg ist aus der Kalamität, in der sich der sächsische Steinkohlenbergbau besindet. Tenn so, wie sie kommen, wandern sie wieder ab. Wenn vielleicht von einem Transport von 70, 80, 100 Mann 10 Mann länger als 5 bis 6 Monate im Revier bleiben, ist das sehr viel. Dieser Weg ist kein Weg, um dem sächsischen Berg bau wieder einen Stamm Arbeiter zuzuführen. Das ist nur möglich durch den radikalen Abtransport dieser fremden Arbeiter, wie wir ihn in unserem Anträge fordern, wenn durch den radikalen Abtransport tue Grubenbesitzer gezwungen werden, die einheimische Belegschaft durch Zahlung höherer Löhne wieder heranzuziehen. Kommen Sie nicht mit der Ausrede, daß das für den sächsischen Steinkohlenbergbau nicht tragbar sei. daß er wirtschaftlich so schlecht dastehe, daß er keine Lohnerhöhung vertragen könne. Dann soll man dort abbauen, wo es möglich ist abznbauen, bei den Direktoren und höheren Verwaltungsbeamten. Als Zweites haben wir im Ausschuß die Erhöhung der 260 000 M. für den Erzbergbau auf 1 Mill. M. verlangt. Leider wurde in der betreffenden Sitzung über diesen Antrag nicht abgestimmt, und hinterher ist die Aufrechterhaltung dieses Antrages als Minderheits antrag unterlassen worden, genau wie hier über den Entschließungsantrag über dre Rechte der Grubenkon trolleure und die Beschäftigung der ausländischen Ar beiter. Die Sozialdemokratische Fraktion hat heute 60 000 M. gefordert für die Grube „Alte Hoffnung Gottes", KleinvoigtSberg. Ich habe mir den Nach weis im Jahresberichte für das Berg- und Hütten wesen angesehen. Die Regierung fordert für „Vereinigt feld" in Johanngeorgenstadt und für „Kobaltfeld" in Schneeberg den Betrag von 270 000 M. Nun muß man feststellen, daß die Arbeiterzahl für „Bereinigtfeld" in Johanngeorgenstadt 50 beträgt, und die Ausbeute ist rund 86 000 M. Beim „Kobaltfeld" in Schneeberg sind 51 Personen beschäftigt, und die Ausbeute ist rund 130 000 M. Bet der „Alten Hoffnung Gotte»" in KleinvoigtSberg sind 61 Mann beschäftigt, und e»