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101 8MMU zur 2WW sl»tzkitW Nr. 10^. zu Str. 26^ des Hanptblattes. 1927. Beauftragt niit der Herausgabe Regierungsrat Brau he in Dresden. L«»dt<Merh>ndl«nfttn. L». «Litzung. D-»»er»ta-, den 17. November 1üL7. Stellv. Präsident Id. Eckardt eröffnet die Sitzung 18 Uhr 21 Minuten. Am Regieruugstische die Minister Elsner, vr. krujg v. Nidda, später zeitweise Ministerpräsident Heldt, sowie Regiernngsvertreter. Stellv. Präsident Id. Eckardt begrüßt zunächst den an Stelle deS auSgeschiedcuen Abg. Mücke (Natsoz.) neu in den Landtag eingetretenen Abg. Ur. Grobe (Natioz), pratt. Arzt in Colmnitz der Freiberg und gibt einige Veränderungen in der Besetzung der Ausschüsse bekannt. Mit Punkt 1 der Tagesordnung: Anfrage de» Abg. Arzt «. Gen. üder die Nichtdurchführmig von randtagddefchlüffen, NolftandSdeihitfen für ftaatliche Waldarbeiter nnd anderes (Drnckfache Nr. .»1«) »eerden verbunden der ... Antrag Arjt'(r»z.f u. Gen. anf Dnrchführnug de» Landtag»befchlnffetz vom t». März 1927 wegen Sonder- beihitfen an Fiirforgeverbände nnd Gemeinden (Drnck- sache Nr. »39), die Anfrage Wirth (Altsoz.) n. Gen. auf Durch führung de» Landlagobeschlusse» vom 14. Auni 1927 wegen Gewährung besonderer Beihitfen an Arbeite rinnen, die entbunden haben (Drucksache Ar. Siti), nnd der Antrag Arzt Soz.) «. Gen., denselben Gegen stand betreffend (Drucksache Ar. 541) Ter Antrag Nr. 516 lautet: 1. Der Landtag hat in seiner Sitzung vom 16. Mai 1927 beschlossen, den staatlichen Forstverwaltungsarbei lern die Notstandsbeihilfe in derselbe,» Höhe auszu zahle«, wie sie ^ie «brrgen staatlichen VerwattlMgs mbertsr erhatto,» habe»t. 2. In derselben Sitzung beschloß der Landtag, die Regierung zu beaustragen, die Verordnung des Wirt schaftsmmisteriums vo,n 32. Januar 1927 — die Lehr- lingrhaltung im Fleischcrgcwerbe betreffend — auf zuhebeu. 3. Ferner wurde beschlossen, die Regierung zu ersuchen, dafür zu sorgen, das, künftig während der Leipziger Messe die Ladengeschäfte an den Sonntagen nicht mehr geöffnet werden. 4. In seiner Sitzung vom 19. Mai 192« beschloß der Landtag, das; die nach der sächsischen Gebührenord nung für Ärzte und Zahnärzte vom 15». November 1925 den Krankenkassen zu gewährenden Nachlässe in Höhe von einem Fünftel der Mindestsätze bestehe,» bleiben sollen. 5» . In derselben Sitzung beschloß der Landtag, die Regierung zu ersuchen, die Aktiengesellschaft Sächsische Werke zu veranlassen, dafür zu sorgen daß dieArberts zeit in allen Betrieben der Aktiengesellschaft Sächsische Werke 8 Stunden pro Tag und 48 Stunden in der Woche nicht überschreitet. Die Regierung hat alle diese Beschlüsse deS Land tages nicht durchgeführt Arr fragen deshalb die Regierung: 1. Warum ist sie deu Beschlüssen des Landtages nicht nachgekommen; 2. wie gedenkt sie die bisherige Nichtachtung der Landtagobeschlüsse zu rechtfertigen: 3. gedenkt sie in Zukunft die Landtagsbeschlüsse zubeachten? Der Antrag Nr. 53t) lantet: Der Landtag hat in seiner Sitzung vomMärz 1927 beschlossen, die Regicrnng zu ersuchen, für Sondcrbei- Hilfen an Fürsorgeverbände und Gemeinden, ins- bewndere für Wohlfahrtsunterstühnngsempfängcr 31550MRM. bereitzustellen und unbeschadet der Ver abschiedung deS HauShaltplanes 1927 zu verausgaben. Die Regierung ist diesem Beschluß des Landtages nicht nachgekommen,sondernhatlndenHaushaltplan nur 1 Million cinges» tzt mit derErmächtigungancasArbeits nnd WohlfahrtSministcrium, die Summe bis zum .11. Oktober 1927 nm höchstens 209090 RM. zu über schreiten. Der Landtag wolle daher beschließen: dicRegierungzu ersuchen, den BeschlrißbeSLandtages vom 9. Mürz 1927 umgehend dnrchznführen. Der Antrag Nr. 541 lautet: Der Landtag hat in seiner Sitzung vom 14. Juni 1927 beschlossen, die Regierung zu ersua.cn: 1. in den Etat für 1927 Mittel einzustellen, die eS ermöglichen, den in der Krankenversicherung erfaßten A»bcitnehmcrinnen im Freistaat Sachsen, die entbunden und 8 Wochen vor der Niederkunft die Arbeit aufgegeben haben, eine besondere Bei Hilse von 1,50 RM. für jeden Kalendertag der Nichtmbe'tSzeit bis zur N ederkunft zu gewähren, 2. diese Beihilfen tn den Fällen zu gewähren, in denen nach den Vorschriften der ReichSversichenrngS- vrdttung die Wocheuhilssleljtttugeu gewährt werden, »ind 3. mit deu krankeukasseu durch ihre Spitzeuverbäude in Verbindung zn treten, damit durch diese die Auszahlungen vorgenommetl und alle notwendigen Bedingungen geregelt werden. Die Regiert,ng ist diesem Beschlusse des Landtags 'nicht nachgekommcn. Deru Landtage ist eine Mitteilung darüber nicht zugegangeu. Der Landtag wolle beschließen: die Regierung zu ersuchen, den Beschluß des Laud tageS von» 14. Juni 1927 umgehend durchzuführen. Abg. Liebman» (Coz. — zur Bcgrüuduug): Es ist bezeichnend, daß bei der Behaudlnug einer Anfrage und einiger Anträge über mcht durchgeführte Land tagsbeschlüsse der Herr Ministerpräsident, der verant wortliche Chef dieser Regierung, durch Abwtsenheit glänzt. (Hört, hört! b. d. Soz.) Außer den in nuferer Anfrage uud in unseren Anträge», die zur Tagesordnung stehen, bezeichneten Beschlüssen sind noch eine Reche aucercr Beschlüsse des Landtages von der Regierling nicht durchgesührt worden, z. V. der Beschluß, den Achtstundentag in den Pfleganstalten cinznführeu, ferner der Beschluß gegen die Lehrlingszüchtcrei in Plauen. Es ist eine Per- letzung der Verfassung, wenn die Regierung die Be schlüsse nicht durchführt, zu deren Durchführung sic nach den Bestimmungen der Verfassung verpflichtet wäre. In Art. 34 und 35 ist ausdrücklich geregelt, was die Regiermlg zu tun hat, wenn sie Beschlüsse des Landtages, soweit sic Gesetze betreffe», »licht ausführcu will. Sie tau» dann den m Art. 43 vorgejchricbeucn Weg gehen, d. h. bei Fragen, die den Haushaltplan erhöhen wolle», eine Wiederhol»»» eines Beschlusses (»eantrageu. Die Regierlmg hat sich glatt über die Bestimmungen der Verfassung hiuweggesetzt, sic geholte von Rechts wegen ans die Antlagcbanl wegen Per fasmngsbruchs. Tw Beschlüsse des Landtages, um die eS sich hier handelt, waren Beschlüsse, die für Schutzmaßnahmen und Hilfsmaßnahmen für die Notleidenden bestimmt KM HL bei» Ärmsten der Lr»mm helfen solle« und die eigentlich den sozialen Elmratter deS Landtages nnd den sozialen Eharaktcr der Regierung heranSstrcichen tollen, wenn sic nämlich durchgesührt werden. Tie Titfachc aber, daß sie nicht durchgesührt worden sind, bewelst den reaktionären Charakter dieser Regierung Damit die Verwaltungsarbeiter um ihre Nolstands- unterstützung, die der Landtag bewilligt hatte, geprellt werden konnten, damit die Lehrlinge im Fleischcr- gewcrbe ohne Schatz bleiben maßten nnd weiter der schrankenloien Ausbcutnug preisgegeben winden, damit die Handelsangcstelltcn in Leipzig and nenerdingS auch in Baatzen an Messetagen ausgcbeutct werden sollen, damit der Achtstundentag in den Sächsische» Werke» »icht durchgesührt wird, damit schwangere Arbeiterinnen nicht gesetzlich geschützt and entsprechend unterstützt werden, damit die Fürsorgecmpfängcr nicht die Unter stützung bekommen, die nach den Beschlüssen des Land tages ihnen Zugcsprochen wnrden, am all dieser Tinge wegen bricht die Regierung die Verfassung. Bei der Beratung über Gewährung von NotstmidSbcihilfeu für Forstarbeiter hat die Regierung, nachdem im Ansschuß oicsc Dinge wieder angeschnitten worden sind, erklärt, man müsse auch bedenken, daß seit der Beschlußsassnug dreiviertel Jahr ins Land gegangen seien und ein Be-' dürsnis »licht mehr vorliege. Welch ein Hohn liegt darrn für die armen Leute, die Monat am Monat auf die Ausführung des Landtagsbeschlufses warten. TaS ist eine dreiste Verhöhnung (Sehr wahr! lmts), eine solche Begründung zn geben. (Der stellv. Präsident Id. Eckardt macht den Abge ordneten darauf anfmerkjam, daß er dcr Regierung eine dreiste Verhöhnung nicht vorwersen darf.) Den gleichen reaktionären Eharaktcr wie der von mir behandelte Antrag trägt die Verordnung des Wirt- schaftsministcriumS über die Lehrlingshaltung im Fleiichcrgewcrbe. Der Herr Wirtschaststtiinistcr v». Wilhelm der inzwischen wegen absoluter Unfäh-gkeit in der Versenkung verschwunden ist (Zuruf rechts: Unerhört! — Der stellv. Präsident macht den Abgeord neten daraus ausmcrksam, daß diese Kritik unzulässig ist.) Obgleich der Landtag beschlossen hat, daß diese Verordnung aufgehoben wird, haben sich weder der Herr WinschaftSminister 0,. Wilhelm noch der Wirt schastsmimster, der chm nachgefolgt ist, zur Aufhebung der Verordnung bereit gesunden. Zn der gleichen Richtnng geht der Beschluß über die Gewcrbckamn er Plauen. Die Regierung denkt auch in diesem Falle nicht daran, dem Landtagsbcschlus; Geltung zu ver schaffen. Noch schlimmer ist eS mit dem Beschluß, deu der Landtag gefaßt hat in bezug auf die Leipziger Messe, daß die Läden nicht mehr ossen bleiben dürfen. Tic Regierung jedoch gibt dem Rat von Leipzig die Ans- tunst: ihr habt in Zukunft im geordneten Instanzen wege über die Offenhaltung der Läden zu entscheiden. (Unerhört! b. d. Soz.) Ter Rat hat auf einen Antrag hin beschlösse», die Beschäftigung von P.r- onal am ersten Sonntag der Frübjihrs- und He» bst- Mustermesse eines jeden IahrcS m der Zeit von 13 bis 18 Uhr in offenen Verkaufsstellen zu genehmigen Am Ik» August 1927 haben die zuständigen gewerl- schaftlichen Orqanisationsvertrcler gegen diesen Beschluß bei der Kreishauptmamrsckaft Rekurs eingelegt. Die Kreishauptmannschast hat am 22. August 1927 unter Aushebung des RatebeschlusfeS eine Entscheidung dahin gefällt, daß nur dw Zigarren-, Schokoladen- und Kon- ditonvarcngeschäste am erstell Mebtag von 13 bis 18 Uhr geöffnet fein dürfen. Auch gegen diesen Bcschlust, der immerhin eine Einschränkung des ersten Ratsbeschlusses war, haben die GewerkichaftSmstanzen Aussichtsbcschwerbe bei der Regierung erhoben und haben beantragt, das: dieser Beschluß aufgchoben wird. Die Regierung über geht, daß eS sich nm eine Beschwerde handelt, sondern erklärt sich zu Besprechungen bereit. Interessant sind die Verhandlungen, die dann im Ministerium stattgefunden habe». Ter Herr Wirtschafts- Minister Id. Krug v. Nidda hat erklärt, daß er von dem Lmchtagsbeichlnß, der im Mai gefaßt worden ist, erst im August Kenntnis erhalten habe und daß rhm deshalb Vie Sache etwas überraschend gekommen wäre. (Hört! hört'. b. d. Soz.) Ter Herr Wirtschaftsmknistcr hat sich daraus berufen, daß der Rat ja die Möglichkeit habe, nach 8 105» der Gewerbcoronnug selbständig zu ent- scherdeu, daß an 6 Sonntagen die Ladengeschäfte geöffnet fei»r tönneu. Wenn aber der Landtag bcichlosfen hat, daß an diesen bestimmten Tagen d»e Ladengeschäfte nicht geöffnet werden können, dann hat er zu bewirke», daß sie eben »icht geöünet werden. Tie Regierung hätte also der Beschwerde der Antrag steller Rechnung tragen müssen. Tas hat sic nicht getan. Inzwischen ist ia eine neue Sache bekannt ge worden, bei der es sich um das Bun)cskeglerscst m Bautzen handelt, also um eine Sache, die sich mit der wütlchasillchcu Bedeuiung der Leipziger Messe gar nicht vergleichcu läßt. Tie Keglerfreunde haben in Bautzen am 20. Oktober das Buudesteglcrfest ab- gehalten. Ter Verband für Handel und Gewerbe hat gewünscht, daß an diesem Tage die Läden offen bleibe» solle». Tie Kreisbanptmauirsckaft war ver nünftig gemig und bat gesagt, wir haben bisher die Praxis gehabt, daß wir für V.reinsjubiläen und ähn liche Gelegenheiten ein dringendes Bedürfnis, wie es nack> der Gewerbeordnung erforderlich ist, wenn Alts- nahmebestimmungcrt gewährt werde» sollen, nicht au- erkenne» könuc». Also das Bundes kegle» fest recht- fertigt nützt, die Bestimmungen der Gewerbeordnung zu Anspruch zu uchmru. Taraufhii» fährt der Lyndi kus dieser Organisation zu dein Henn WirtschastS- mmister. Ter Helt die Entscheidung dcr Kreisbaupt- Mannschaft auf, ohne diese auch nur noch einmal darüber zu hören. (Hört, hört! b. d. Soz.) Darüber beschwere« sich mm selbstverständlich die Gewerkschaftsvertreter, sie gehe» zum Münster und wollen bei ihm vor stcllig werden. Ter Herr Wirtschaftsmiuistcr lehnt es ab, die Vertreter der Gewerkschaften überhanpt zu empfangen. Tic Herren worden bann an den Sachreferenten iu dieser Angelegenheit, Herrn v. Buch, verwiesen, der ihnen nnttcilt, daß er tcinc Zeit habe, da er zu Verhandlungen müsse. Ebenso ist dcr Herr Ministerialrat Michael in kcr gleiche,» Weife unt deu Gewerkschaftsvertretern umqespruugeu, auch er hatte keine Zeit. Tas passiert in einer Nc gicruug, deren Ehcf ein Altsozialdcmokrat ist.' Tann ist in unserem Anträge noch die Geschickte mit der Gebührcnorbuuug für Ärzte nnd Zahnärzte er- wähnt." Ter Landtag hat befchtossen, daß der 20pro- zentige Nachlaß der Gebühremätze für Ärzte nnd Zahn ärzte bestehen bleiben soll. Am 7. September hat der Herr Innenminister entschieden, daß diese 20 Proz. ans 10 Proz. herabgesetzt werden. Er hat also den Wille« des Landtags aus eigener Machtvollkommenheit um d»c Hälfte torrigiert. Uud das ist ausgerechnet noch der Herr Innenminister, der doch Demokrat ist. Aho auch hier eine Entscheidung der Regierung, die sich stritte gegen den Beschluß des Landtags auflehnt, eiuc Ent- jcheidung, die sich im übrigen auch reaktionär auswirkt mwferu, als sie ja ciue schwere Belast»»»« der Krankeil kassen mit sich bringt. (Sehr richtig! links. — Abg. vr Grobe: Niemals!) Tatsache ist, baß die Kranken kassen alljähilii» immer mehr an Honoraren zahlen müssen. (Abg. Id.Grobe: Air BeamtengehäUeru!) Die Krankenkassen haben jetzt viel höhere Ausgaben als vor dem kriege, und diese Mehrausgaben kommen restlos den Ärzten zugute. (Sehr richtig! links. — Abg. Id Grobe: Nem!) In dem Anträge Nr.54l bandelt eS sich ganz eindeutig darum, daß 1 Million für die vor» dcr Krankenversicherung erfaßte» Wöchnerinnen zur Pc» sügung gestellt werden. Dcr Bejchlnß des Landtages gebt dahin, daß alle, die von der Krankenversicherung erfaßt sind, vcur dieser Erhöhung den Vorzug haben sollen. Tie Regierung aber spricht von beihUfebcdürftigen Wöchnerinnen. DaS bedeutet praktgch: die Behörde kann macken damit, waS sie will. Und nun das andere! Bei dcr Behandlung hat das Finanzministerium zu diesem Bcsck luß erklärt, baß eS Bedenken getragen habe, diesem Beschlusse beizutreten, lveil eS an Mitteln zur Durchführung fehlt. Nun ist für einen solchen Fall extra der Art. 43 in der Verfassung geschaffen worden. Die Regicrnng denkt aber nicht daran, die Verfassung durchzuführen. Sie erklärt einfach, die Cache ist für uns erledigt, wir haben kein Geld In der gleichen Lage sind »vir bei dem Anträge Nr. 539. Damals handelte eS fick uin einen sozial demokratischen Antrag, dcr mehr oder weniger ein ZufallSbesckluß war, 10 Millionen für die Zwecke der Fkrwrgennterftützuna an die Beztrts-