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MGbeilU M AWa MMKH Nr. 143 1928 zu Nr. 47 des .Hauptblattes. Beauftragt mit der Herausgabe Regierung-rat Vrauße in Dresden. e Es Wingen mich doch zu einigen grundsätzlichen Er örterungen. Herr Abg. Siegert hat die Sacke so hingestellt, als oenn es sich heute darum handle, etwa irgendeine Liebedienerei zu treiben sür irgendwelche Orgam- ationen. Ich möchte demgegenüber feststellen, das; nan doch zunächst einmal zn prüfen hat, wie es mit der inneren sachlichen Berechtigung dieser Forderungen aussieht. (Sehr gut! b.d. Soz.) Und wenn man die Vor gänge genauer kennt, weiß man ganz genau, daß nicht nur die Jugend an sich es ist, die in diesen Verbänden zulammengeschlossen ist, die diese Forderungen erhebt, ondern das; ein gut Teil unserer besten männlichen und weiblichen Menschen des reiferen Alters hinter riesen Forderungen steht. Und es sind nicht nur die Jugendverbände gewesen, sondern auch, ich möckte das ausdrücklich feststellen, die ganzen großen Frauen- organuationen des Reick es gewesen (sehr richtig! b. d. Soz.), die sich dahintergestellt haben und einfach aus hrem mütterlichen Empfinden heraus sich diese For- Schon faul!) Es ist uns eine umfassende Darstellung gegeben worden von Forderungen auf erhöhten Jugend schutz, der auch die Grundlage der Anträge des Bericht erstatters gebildet hat. AuSgeaangen ist dieses Programm von Forderungen von dem RcichSverband der deutschen Jugendverbände. ES ist unS nahegelegt worden, diesen; Programm ohne weiteres zuzustimmen^ und zwar mit dem Hinweis darauf, daß diesem Rerchsverband die verschiedensten Richtungen der Jugendbewegung und Jugendverbände angehörten; also mit anderen Worten: alle politischen Parteien müßten um ihrer ihnen nahe stehenden Jugendverbände willen, die dem Reichsverband angehören, diesem Programm ohne weiteres vn bloc zustimmen. Das ist cme Schlußfolgerung, die wir als logisch bindend nicht anerkennen können. Erstens einmal wissen wir überhaupt nicht, wie dieses gemeinsame Programm des Reichsverbandes zustande gekommen ist. Zum anderen: wir wissen auch nicht, ob eine vorher gehende gründliche Beratung der einzelnen Verbände mit den ihnen nahestehenden politischen und wirtschaft lichen Organisationen stattgefunden hat, die sehr wün schenswert und nützlich gewesen wäre. Für uns jeden falls steht fest, daß wir als Deutschnatwnale Fraktwn einfach vor eine vollendete Tatsache gestellt worden sind. Daraus aber nehmen wir anch das Recht für uns in Anspruch, daß wir ganz selbständig auch und un- abhängig von unseren Iugendverbänden Stellung nehmen zu dem Programm und zu seinen einzelnen Punkten. Dieses Jnanspruchnehmen unseres Rechtes wird uns und darf uns die Jugend, die uns nahesteht, nicht verübeln: und wir trauen uns auch den Mnt zu, das unseren Jugendverbänden ruhig zu sagen. Jugendschutzbestrebungen schlechthin entgegenzustellen. Wir wolleil die Jugend geschützt sehen vor all den Ge- ahren, die sie umdrohen, aber auf das, was uns hier o als Einzelforderungen eines großen Programms »räsentiert wird, lassen wir uns nicht ohne weiteres etzt festlegcn. Ich sehe ab von einer ausführlichen Kritik dieser Einzelforderungen; ich sehe davon ab, daß siele dieser Forderungen unleugbar einseitig gestellt ind; ich sehe ab von der Undurchführbarkeit einzelner Forderungen; ich sehe davon ab, daß einige dieser For- deruugen bereits gesetzlich »der mindssts»^ schon all- ;emein in der Praxis durchgeführt worden sink»; ich ehe davon ab, daß einzelne Forderungen ganz selbst- rerständluh sind, denen ohne weiteres zugestimmtwerden änn. Abgesehen von all diesen Dingen wollen wir >azn doch das eine kritisch bemerken: Selbst wenn nese Forderungen alle zusammen erfüllt würden, >ann würde unseres Erachtens die Not unserer deut- chen Jugend mcht gebannt sein. Die Not unserer Jugend — und da allerdings tut sich eine Kluft zwischen uns auf, hier kommen wir nicht hinüber und herüber — liegt nicht allein auf dem materiellen, wirtschaftlichen, gewerblichen oder sonst welchen äußerlichen Gebiete. Man kann dieser Rot unserer Jugend heute nicht mit bloß mehr oder weniger gewerkschaftlichen radikalen Forderungen auf den Leib rücken. (Sehr r;chtig! rechts.) Der Jugendschutz l;egt für uns noch immer im wesent lichen in der Erziehung, in der äußeren und inneren Erziehung unserer Jugend. Die Linke will nicht mehr erziehen, ihre Jugend kann nicht mehr erzogen werden, höchstens zum Parteiprogramm. Aber ich behaupte, die Not der Jugend wird nur gebannt, wenn sie in Erziehung genommen wird und sich in Erziehung nehmen läßt, (Zuruf: Mit dem Knüttel!) Hier liegt die Pflicht der Lehrmeister und Lehrer der Heran wachsenden Jugend und endlich auch die Pflicht unserer Jugend, daß sie wieder im Elternhause mehr und ernster den Rückhalt sucht, den Rückhalt im Eltern haufe in der Ordnmrg, Sitte und Autorität des Eltern hauses. Zweitens sehen wir den Schutz der Jugend vor allen Dingen in der Erziehung zu ernster und fleißiger Arbeit lZuruf links: 12 Stunden!), in der Vorbereitung für den Lebensberuf. Eine Jugend, die ordentlich und fleißig an Arbeit gewöhnt ist, wird von selbst die meisten Gefahren überwinden, auch die Gefahren, die, wie der Herr Berichterstatter gesagt hat, in dem so genannten Milieu des Arbeitslebens angeblich vor handen sind. Drittens: Schutz der Jugend sehen wir auch in der Erziehung zu einem vernünftigen Gebranch der Frei zeit. D;e Beobachtung ist jedenfalls ganz richtig, da manche Jugendliche viel mehr Schaden durch den Mißbrauch ihrer Freizeit erleiden als durch geregelt und geordnete Arbeit. (Sehr richtig! recht») Ich lasse cs mit diesen Andeutungen genug sein. (Zu rufe linkS: ES genügt!) ES genügt für uns, da- wieder einmal offen ausgesprochen zu haben. Wir werden es ablehnen — das ist unsere Stellungnahme zu den Anträgen deS Ausschusses —, un» auf die ein zelnen Forderungen festzulegen. Wir stehen zu den Mehrheitsanträgen Nr. 22 28 und 34, und zwar in der nicht veränderten Form, so wie sie in Druchache Nr. 678 enthalten sind. Wir sind überzeugt, daß damit muh in Sacken de» Jugendschutze» ein guter segcns- reicher Schritt weiter getan wird. Abg. Frau Ulich-Veil (Dem.): Ich hatte an sich lediglich die Aufaabe, zwei Zusatz- bzw. Abün- derungSanträge meiner Fraktion hier zu begründen. Aber die Ausführungen de» Herrn «bg. Siegert »crungen zu eigen gemacht haben. Ich bedauere nur, daß im Ausschuß ein so furcht- rarer Wust von Anträgen zusammengekommen ist. Ick änn nicht sinven, daß diese Blütenlese, die wir vor uns liegen haben, ein sehr reinliches Gebilde darstellt, daS wird sich wahrscheinlich auch bei der Abstimmung an verschiedenen Stellen zeigen. Auf jeden Fall habe ich noch die Pflicht, zwei Abänderungsanträge hier vorzubringen. Wir bitten, in Zisf. 6 an Stelle der 42-Stunden- Woche die Festsetzung einer Arbeitswoche von 48 Stun den usw. anznnehmen. Uns scheint das sinnvoller, und vielleicht ist hier eine Mehrheit des H.iuseS dasür zu bekommen. Tann scheint uns der Antrag Nr. 2 so nicht annehmbar. Wenn man hier schlechtweg sagt: Verbot der Kinder arbeit bis zum 11. Jahr, dann trifft man eigentlich dem Sinne nach sogar Schularbeiten und was sonst noch, landwirtschaftliche Arbeiten. (Abg. Rötzscher: Sind auch gemeint!) Diese Attsdehnung auf die landwirtschaftliche Kinderarbeit macht die Sache für einen Teil unserer Fraktion nicht annehmbar, und wir bitten daher zu sagen: „Verbot der gewerblichen Fabrikarbeit von Kinder« bis zum 14. Jahr." - Heute ist ja der rechtliche Zustand ein anderer, er geht bis zum 12. Jahr. Diese beiden Anträge legen wir Ihnen noch vor und bitten um ihre Annahme. Abg. rittman« (Natsoz. — von lebhaften Zurufen der linken Seite empfangen): Ich darf von vornherein auf den Zuruf „organisierter Müßiggang" eingehen. Wenn irgend etwas diesen Müßiggang, das gesamte Ge triebe charakterisieren kann, so sind e» die Vorgänge heute. Wären die Trckünen nicht von Jugendorgani sationen besetzt, hätten die Vertreter der Linken vielleicht nur 10 Minuten gciprochen. (Lachen und Zurufe b. d. Soz. u. b. d. Komm.) Sie sprecken nur dann und nennen das dann positive Arbeit, wenn die Tribünen von Leuten besetzt sind, denen sie Borträge halten wollen (Zuruf des Abg. Kautzsck), und Herr Kautzsch legt sogar den Jugend- kragen an, wenn er von Jugendfragen sprechen will. lZuruf b. d. Komm.: Sie sind ja meistens nicht da 9 Eben, um diesen organisierten Müßiggang von Ihnen nicht mitzurnachen. (Fortgesetzte stürmische Zurufe b. d. Soz u. b. d. Komm.) Ich bin mir zu schade dazu, hier jeden Lag Kasperletheater mit aufzuführen. (Stürmische Zurufe b. d. Soz. u. b. d. Komm ) Zur Sache selbst sind wir der Meinung, daß bei allen Fragen Jugendlicher bis zu dem Alter, wo sie selbständig im Leben stehen, sich selbst ernähren und damit auch über sich selbst be stimmen können, in erster Linie die Eltern maßgebend sind, und daß gerade, wenn irgend etwa» ein Warnnngs- zeichen war, das starke Eintreten der Linken für die Rebel- lwn der Jugend charakteristisch »st. (Huhu-Rufe n. Lärm b. d. Soz. u. b. d. Komm.) Tie Eltern sollen in erster Linie darüber bestimmen, und so werden wir uns auch gegen den Minderheilsantrag unter II2 wenden, der voisieht, daß jugendliche Kinderarbeit bis zum 14. Jahre verboten wird. Wir lehnen daS darum ab, weil da» ein Eingriff in die Freiheit der Eltern ist. (Lacken und Tumult b. d. Soz. u. b. d. Komm.) Anderseits werden wir für den von der Demokratischen Partei abgeänderten Minderheitsantrag Nr. 6 stimmen. Das ist das wenige, was wir unserseits zu erklären haben. Wir lehnen es auch für die Zukunft ab, diese Phrasendrescherei, die hier üblich ist, die man als po sitive Arbeit bezeichnet, mitzumachen. Wir werden ab und zu, wenn eS erforderlich ist, Stellung nehmen, und im großen und ganzen werden wir froh fein, wenn Sie unS auch weiter als organisierte Müßiggänger und Ihre Tätigkeit als organisierten Mäßigung bezeichnen. (Ironisches Bravo! und Gelächter b d Soz. n. b. d. Komm.) Abg Siewert (Komm ): Zu den Ausführungen deS Herrn Abg. Tittmann ernsthaft Stellung zu nehmen, ist wirklich schwer. (Sehr richtig! b.d. Soz) Nur eins möckte ich feststellen, e» ist gut, daß er als Vertreter keiner Partei hier offen zum Ausdruck brachte, daß man den Antrag, der die Ausbeutung der Sinder unter 14 Jahren verhindern will, nicht -ustimmen kann. Ich glaube, diese Tatsache allein, daß der Vertreter der Völkischen Partei für die Ausbeutung dar kdtudar HG der Jugend stimmen mochten. Die Förderungen der sächsischen Jugendverbände, zusammengefaßt in dem Anträge der Sozialdemokratischen Partei, zusammen gefaßt jetzt in dem Anträge deS Haushaltausschusses Nr. t,78, sind das Mindestprogramm dessen, was die Jugend braucht, damit sie daS Leben aufbauen kann, das die erwachsene Generation von ihr verlangt. (Sehr wahr! b. d. Soz.) Herr Kollege Voigt hat vorhin auf den Punkt 1 des Antrages Nr. 678 hingewiesen und moniert, daß dort die Angestellten vergessen seien und daß man die Schutz- bestimmungen auch für Lehrlinge über 18 Jahre forderte. Wir fordern nur den Schutz; vor gar nicht langer Zeit, als hier die Forderungen der Beamten beraten wurden, hat Herr Kollege vr. Gelfert beantragt, daß sür alle Kinder bi» zum 25. Lebensjahre, sofern sie noch in einem Lehrverhältnis stehen, die Kinderzulage gewährt werden soll. Damals, als eS sich um den Mammon handelte, wollten die Herren das Jugcndalter bis zum 25. Jahre ausdehnen; heute, wo es sich darum handelt, die menschliche Arbeitskraft zu schützen, haben Herr Lippe und Herr Blüher darin herumkorrigiert, und Sie können Ihre Forderung theoretisch vertreten, in der Praxis wird das Gegenteil getan. Die sächsische Jugend mag erkennen, daß sie mit diesem Parlament, vor allen Dingen mit den Parteien, die auf der Rechten dieses Hames sitzen, ihre Fordernngen nie erreichen wird. Wenn die Jugend etwa» erreichen will, so muß sie sich draußen zusammenschließen, muß durch ihre Organisa tionen Einfluß zu gewinnen suchen anch auf die Par teien und muß versuchen, mit Hilfe ihrer Macht und ihrer lebendigen Kraft ihre Forderungen zu verwirk lichen. (Beifall b. d. Soz.) Abg. Siegert lDnat.): Ich will lediglich ein paar Sätze »ur Motivierung unserer Stellungnahme sagen. Ich gehe auf die Anwürfe, die vom Vorredner gekommen sind, nicht ein (Ironische» Bravo l b d. Soz. u. Komm.), e» ist mir mehr um die Sache zu tun. (Abg. Menke: Zn den; ganzen Problem nur ein paar Sätze! ! denkt kein Mensch von uns daran, sich irgendwie den Landtazsvtrhandlnngen. (Fsrtfetzung der »8. Sitzung bau Die«»tag, den 21. Februar 1928.) Abg Kautzsch (Soz. — Fortsetzung): In der Zeitschrift „DaS junge Deutschland" in; lb. Jahrgang Heft 9—10 findet man Männer und Frauen aller Parteirichtunaen, die Stellung nehme»; zu dem Problem, das wir heute behandeln, und ob eS sich um Vertreter der Deutschnationalen handelt, ob eS sich um Vertreter der Deutschen BolkSpartei oder der christ- lichen Organisationen handelt, überall das gleiche über einstimmende Bild, daß es so, wie c» jetzt ist, nicht weitergehen kann, daß der gesetzliche Schutz für die Jugend nicht in; entfernteste»; ausreicht, sondern daß auf gesetzgeberischem Wege eingegrissen werde»; muß, damit die Jugend nicht vollends verkümmert. Ich weiß ganz genau, die Herren von rechts sind festgelegt, man kann sie nicht durch Worte überzeuge;;. ES war vielleicht vor einem halben Jahre, da haben wir hier im Hause — cs war bei der Etatberatung — einen Antrag der bürgerlichen und Koalitionsparteien zn behandeln ge habt, größere Geldsummen für die Errichtung des HygienemuseymS zur Verfügung zu stellen. Meine Fraktion hat sich ablehnend verhalten, nicht, weil wir Gegner diese- Institutes waren oder sind, sondern weil wir unS sagten: erst müssen wir die Voraussetzungen jchaffen, daß man auch die Hygiene treiben kann, die das Museum propagiert. ES wurde uns damals bitter angekreidet, hauptsächlich auch von der Deutsche»; Volks partei, daß wir für diese Forderung nicht eintraten. Im Verlage dieses Deutsche»; HygienemuseumS, dessen Ehrenvorsitzender, wenn ich nicht irre, Herr Kollege vr. Blüher ist, ist ein kleines Büchlein in Band 19 er- sä ienen, in dem ei»; vr. Franz Neubert über das Problem „Freizeit" schreibt. Das sind auch unsere Wünsche! Wir möchten jetzt an die Herren der bürgerlichen Parteien, die damals so warm für die Hunderttansende eintraten, de»; Wunsch und die Bitte und die Forderung richten: Lassen Sie es nicht nur bei Worten bewenden, bauen Sie nicht nur große Paläste, wo Sie die Forderungen der Jugend schön graphisch darstellen, sondern schassen Cie mit die gesetzliche»; Voraussetzungen, damit die Jugend ihr Leben selbst gestalten kann! ES ist vorhin von Herrn Kollegen Voigt in bezng auf die Freizeit auch darauf hingewiesen worden, daß die Jugend eigentlich heute viel schlechter oder viel bösartiger sei als in der Vergangenheit. Der Universitätsprofessor vr Walter Hoffmann, Leipzig, sagt, daß jeder Anhalt dafür fehlt, dag im Durchschnitt unsere Jugend schlechter veranlagt sei als früher. Der Sachverständige in; Krantz-Prozeß, vr..Magnus Hirschfeld, sagte, man soll nicht fragen, wer ist schuld, sondern man soll die Frage aufwerfen, was ist schuld? So wiederhole ich das, was ich vorhin bereits ernmal ansührte, helfen Sic mit, die Voraussetzungen zu schaffen, damit eine gesunde Jugend heranwachsen kann. Gestern ist der LandesauSschuß der sächsischen Jugendverbände, nicht eine einseitige politische Organi sation, sondern die Zusammenfassung aller Jugend- organisationen, religiöse und unreligiöse, sreigewerk- schaftlich und christlick Organisierte, noch einmal an die gesamte sächsisck e Presse herangetreten mit dem Wnnsche, dafür eiuzutreten, den Landtag zu beeinflussen, daß die Vertreter aller Parteien heute für die Forderungen