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41V 8MMU M AWn ÄOplW Nr. 120. zu Nr. I« des Hauptblattes. 1928. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauße m Dresden. Landtagsverhandlungen. (Aortfetzmrg der 58. Sitzung von Dienstag, den 17. Januar 1VL8.) Die Punkte 5 bis 9 werden in der Beratung ver bunden. Punkt 5: Zweite Beratmrg über den Antrag der Abgg. Schmidt, Röllig u. bten., die Aufstellung von Warenautomaten in Eisenbahnwagen usw. betr. — Drucksache Ar. 11». — (Mündlicher Bericht des Hans- Haltausschusses N, Drucksache Rr. 55» ) Der Antrag Rr. 550 lautet: <Dte Mlndsrhstlsantrttgr sind durch > belonderi bejkichnst l der Landtag wolle beschließen: I. » die Regierung z»l ersuchen, auf die Neichsbahn- verwaltung einzuwirlen, daß die Verpachtung der Klosettbetricbe an Privatunternehmer gelöst und die Benutzung der Anlagen dem Publikum un entgeltlich zur Verfügung gestellt wird; für sani täre Einrichtungen ist Sorge zu tragen: Schreiber lOberwürschnitz). II. den Antrag Drucksache Nr. 110 abzulehnen. Ber.-Erst. Abg. Beck (D. Vp ): Ter Antrag Nr. 110 beschäftigt sich mit der Aufstellung von Warenautomaten, mit der Frage von Verkaufsstellen in Bahnhöfen und auf Bahnsteigen und mit der Reklame innerhalb der Bahnhöfe. Es wurde im Ausschuß grundsätzlich hervor gehoben, daß die Reichsbahuvcrwaltung ein Verkchrs- unternchmen, aber kein Handelsunternehmen sei. Das Recht und die Notwendigkeit einer Verkaufstätigkeit auf den Bahnhöfen im Interesse des reisenden Publikums wurde voll anerkannt, diese Tätigkeit darf aber nicht den Charakter selbständiger Handelsunternehmungen an- nchmen, die keinem wirklichen Bedürfnis entsprechen. Als Schulbeispiel wurde das Unteruehmen der Klein- automaten in den Eisenbahnwagen eingehend behandelt. Von einem Bedürfnis dafür unter dem reisenden Publi kum kann keine Rede sein. Ein solches Unternehmen bedeutet einen Eingrisf in den regulären Handel und fördert im wesentlichen nur die Näscherei, besonders unter der Schuljugend. Punkt 6: Erste Beratung über den Antrag der Abgg. Boigt, Schmidt, vr. Fracht u. Gen. über den Ban einer Eisenbahnlinie Adorf—Hof. (Drucksache Rr. 52Z.) Der Antrag Nr. 526 lautet: Der Landtag wolle- beschließen: die Negierung zu ersuchen, gemeinsam mit der bay- rischen Landesregierung den Bau einer Eisenbahn linie Adorf—Hof als Fortsetzung der Strecke Chemnitz- Aue—Adorf in die Wege zu leiten, nm dadurch u. a. günstige Verbindung zwischen den: dicht besiedelten, stark gewerblichen Erzgebirge, sowie dem Verkehrs- technisch vernachlässigten oberen Bogtlande nnd Bayern zu erzielen. Abg. Boigt (DVp. — zur Begründung): Die Be strebungen auf Errichtung der von uns beantragten Eisenbahnlinie sind nicht neu. Bereits im Jahre 1867, ehe der Bau der Eisenbahnlinie Chemnitz—Aue—Adorf begann, traten Bemühungen hervor, die genannte Strecke bis nach Hof hin fortzusetzen. Es fehlt hier jede Quer verbindung mit dem Nachbarlandc Bayern. Wenn man von Adorf nach Hof will, muß man den sehr beträcht lichen Umweg über Plauen nehmen. Das ist eine Strecke von 82 km. Die in unserem Antrag begehrte Linie Adorf—Hof dagegen hat nur eine Länge von etwa 31 km. Cs wird leicht erkennbar, welche riesige Frachtcrsparnis durch den Bau der genannten Bahn erzielt wird. Hierzu tritt die absolute Verbilligung des Personenverkehrs, vor allen Dingen auch die Verkehrs- beschlennigung und die sicher unbestreitbare Verkehrs-, Handels- und Wirtschaftsbelebung jeder Art. Es handelt sich dabei nicht nur um vogtländische Interessen, sondern das ganze Erzgebirge ist lebhaft an diesem Bahnban interessiert. Wenn es sich um andere Landesteile handelte, könnte vielleicht als Ausweg auf den Autoverkehr ge wiesen werden. Dazu sind aber die Wege- und Straßenverhältnisse in dem dortigen Gebiete zu ungünstig. Freilich, wenn sich der Bahnbau Adorf-Hof etwa wider Erwarten noch längere Zeit verzögern sollte, muß auch zu diesem Mittel gegriffen werden, und wir haben das dringende Ersuchen an die Re- gierung zu richten, bei der Sächsischen Kraftverkehrs, gesellschaft die erforderlichen Vorbereitungen hierfür zn unterstützen. Beim oberen Bogtlande handelt es sich um eine Gegend, die unsere Förderung besonders verdient. Es ist inr allgemeinen ein armes Gebiet, das im Laufe der letzten Jahre wiederholt als landwirtschaftliches Notgebiet hat anerkannt werden müssen. Gerade der Abiatz landwirtschaftlicher Produkte ist wegen des Fehlens einer Eisenbahn dort sehr schwierig, und den landwirtschaftlichen Interessen würde wesentlich ge dient sein, wenn das von uns beantragte Bahnprojekt zur Durchführung käme. Die Industrie ist im allgemeinen willens, üch zu dezentrali irren, wenn das Land durch Schienenwege aufgeschlossen würde. Das obere Vogtland bietet von Natur riesige Lager an Steinen, Kalk und Sand, also an Baustoffen für die großen Städte des VogtlandcS, und die in diesen großen Städten vertretene Industrie würde gern Filialen in die Landgelnete hnrauSlegen, und die auf dem Lande bereits vertretenen Jndustrr^ ansätze würden sich weiterhin entfalten können. Ich hatte mehrfach Gelegenheit, mich von der wirtschaft lichen Bedeutung des oberen Vogtlandes und seiner Industrie zu überzeugen. Man denke bloß an die Her- stellung und den Versand von Musikinstrumenten in Markneukirchen, Klingenthal, Schöneck, Erlbach, Sieben- brunn, Zwota und Brunndöbra! Die Muslkmstru- mentenindustrie ist in der Hauptsache auf Export ange wiesen, der gerichtet ist über Süddeutschland nach der Schweiz, nach Italien nnd nach den übrigen süd- lichen Staaten. Das Fehlen einer unmittelbaren Bahnverbindung von Adorf nach Hof ist von allen Kreisen, namentlich aber von der Geschält^ Welt bisher als nachteilig empfnnden worden. Auch andere Gewerbezweige, die im oberen Bogtlande hauptsächlich beheimatet sind, wie dieTeppichfabrikatwu, hat solche Bedürfnisse. Es wäre für den gesamten Arbeitervcrkehr die Durchführung der von uns beantragten Bahn außerordentlich förderlich. Auch die Interessen unseres Staatsbades Elger spielen hier herein. Ich denke ferner an die schulischen Verhältnisse. Tie weitab und ohne moderne Verkehrs mittel von den Großstädten gelegenen Landorte ver mögen heute kaum ihre Kinder an höheren Schulen unterzubringen. Mit der Eisenbahn würden dann doch zahlreiche Familien ihre Kinder nach Hof oder Adorf schicken können. Die Linie würde außerdem eine große Entlastung der Strecke Hof - Plauen bedeuten und den Verkehr nach Chemnitz ganz erheblich vereinfachen und verkürzen. Ein Wort zur Linienführung! Wir möchten uns sehr ernstlich dafür anssprechen, daß die Linienführung nur über deutsches Gebiet erfolgt. Die meiste Stimmung unter den Beteiligten ist für die nach meiner Ansicht zweckmäßige Linienführung von Adorf über Ebmath und Regnitzlosau nach Hof. Tas ist fast die genaue Luftlinie und wohl auch diejenige Strecke, die das bequemste Baugelände bietet. Wir möchten ferner dafür eintreten, daß die Bahn zweigleisig gebaut wird, und wenn das nicht gleich möglich wäre, wenigstens der Unterbau entsprechend geschaffen wird. Nun ist dem Reichstage von der Reichsrcgierung eine Aufstellung in der letzten Zeit zugefertigt worden, die das „Reichsbahnbauprogramm für 1927" enthält. Darin ist für Sachsen auch die Strecke Adorf-Hof genannt, und Zeitungsmitteilungen wußten schon davon zu berichten, daß nun in absehbarer Zeit die Strecke Adorf-Hof erstehen würde. Wenn man aber die Denkschrift der Reichsrcgierung näher prüft, findet man sehr wesentliche Einschränkungen. Mau macht eine freundliche Geste, erklärt aber, daß jetzt keine Mittel vorhanden sind, um dieses Programm durchzuführcn. Uber diese Eisenbahnwünsche sind wir unserem säch sischen Volke und der gesamten sächsischen Wirtschaft gründlichste Beratung schuldig. Teshalb möchten wir auch bitten, unseren Antrag dem Haushaltausschuß R zu überweisen. Wir meinen, es könnten im Haushalt- ausschuß L bei Beratung dieses Antrages dann ans breiterer Grundlage einmal insgesamt die Wünsche für Eiscnbahnfragen, die auch in anderen Gebieten unseres Landes spielen, mit erörtert werden. Ich denke an die begonnene Bahn, die von Reichenbach durch das Göltzsch- tal nach Greiz gehen sollte. Ich denke an eine bessere Ver bindung von Zwickau mit Leipzig. Es handelt sich nicht nur um die Stadt Zwickau, sondern um die ganze Amts- hauptmannschaft, um Großzwickau, das ganze Hinter- land, das einen großen Teil des stark industriellen Erz gebirges mit umfaßt. Die Hauptlinie Leipzig Hof - München führt bekanntlich direkt vor den Toren Zwickaus vorüber und streift diese Stadt nicht. Zwickau ist der bedeutendste Jndustriepunkt; das Gebiet Zwickau hat die höchste Eiedlungszisfer, ich glaube noch über die- jenigen des Ruhrgebietes hinaus, anfzuweisen. Es meldet sich ein weiterer Teil des Erzgebirges mit der Bahn Ncuhausen-Bienenmühle als Fortsetzung der Flöha- Talbahn, 10 km, unter Anschluß an die Muldentalbahn. Man muß zugeben, und ein Blick auf die Landkarte lehrt es immer wieder: es ist eine Unnatur für den ganzen Bezirk der Amtshauptmannschaft Marien- berg, wenn man über Flöha fahren muß, um nach Dresden zu gelangen. Es liegen hier dieselben Interessen, die gleichen Gesichtspunkte vor wie etwa bei dem Projekt Sayda-Heidersdorf-Niederseiffenbach. Es han delt sich um den Wettbewerb mit der Konkurrenz in der Tschcchci, wo viel günstigere und billigere Pro duktionsverhältnisse vorliegen. Wir werden im Aus- schuß bei der Behandlung dieser Cisenbahnangelegen- heitcn auch das Projekt Schmiedeberg-Rchefeld Moldau mit zur Besprechung ziehen und ferner die Lockwitz talbahn und die Müglitztalbahn, von der wir immer wieder betonen niüssen, daß sie seinerzeit, wenn die anderen Boraussetzungen erfüllt sein werden, als Boll- spurbahn ausgebaut werden möchte. Chemnitz wartet ungeduldig auf die Verwirklichung des Bahnhofsbaues in Schönau, der durch den Antrag unseres Kollegen vr. Frucht vom 1S. Mal 1927 gefördert werden sollte 1911 hatten schon die sächsischen Ständekammern in dieser Beziehung günstige Beschlüsse gefaßt, und wir möchten heute nochmals zum Ausdruck bringen, daß die Sacke keinen Aufschub mehr leidet. . Bei dem Übergang der sächsischen Staatsbahnen auf das Reich hat das Reich im ttbernahmevertrage zu gesagt, den Bau neuer Bahnstrecken nach Maßgabe der verkehrswirtschastlichen Bedürfnisse der Länder und der verfügbaren Mittel durchzuführen und bisherigen Absichten der Länder möglichst Ruckpcht zu nehmen. Wir müssen sagen, daß diese Gesichtspunkte für Sachsen reichlich außer acht gelassen worden find. Sebr richtig! b. d. Dtsch. Vp) Auch auf das Bahn- Projekt Schwepnitz-Straßgräbchen Myt das zu. Wir hatten von der Verreichlichung der Eisenbahn allerhaud Verbesserungen erwartet. Tarin sind w»r in Sachsen sehr schwer enttäuscht worden. Wenn ich recht sehe, besteht trotz mehrjähriger Verreichlichung der Bahnen noch die alte preußische Eigennützigkeit und Abkapse- lung, sie ist noch nicht im mindesten unterdrückt. Wenn ich nach Leipzig blicke, trifft das bestimmt zu. Tw Hoffnungen, die wir gehegt hatten für Leipzig, und m nichts zerronnen. Leipzig wird von der Reichsbahn noch ebenso vernachlässigt, wie vorher, als wir die sächsische Eisenbahn hatten. Tie Schnellzüge von Bcrlm nach Bayern und dem übrigen Cüddeutschland werden in der Hauptsache noch über Halle geführt. Ein dringendes Bedürfnis ist auch die seit vielen Jahren angestrebte Durchführung des den Hauptbahnhof zu Chemnitz quer durchschneidenden Tunnels, um am anderen Ende einen Ausgang mitten in das Lstviertel von Chemnitz hinein zn finden und dort auch einen Fahlkanenverkauf anzulegen, um dadurch auch den Hauptbahnhof nicht unwesentlich zu entlasten. Mit den vorgetragenen Punkten sind die sächsischen Einzelwünsche in bezug auf unser Eisenbahnwesen natürlich noch lange nicht erschöpft, ich wollte nur einige Beispiele besonders herausgestellt haben. Wir möchten im Ansschuß darauf zukommen, daß uns die Regierung eine umfassende Ansstellung an die Hand gibt, aus der ersichtlich wird, welche Projekte in Sachsen gelegentlich auf Verwirklichung rechnen dürfen, welche Projekte sind früher schon von unseren Landesparlamenten beschlossen worden, welche sind dringlich, auf welche legt die heimische Wirtschaft etwa besonderen Wert usw. Ick denke, wir tun in mehrfacher Beziehung unserer sächsischen Wirtschaft, unserem gesamten heimischen Leben einen großen Dienst, wenn wir als Landes parlament wieder einmal umfassend an die Behandlung dieser Bahnprojckte in Sachsen Herangehen. (Lebhaftes Bravo!) Ministerialdirektor Or. Klien: Meine Tarnen und Herren! Auf Grund einer Denkschrift, die der Aus schuß für den Bahn neuban Adorf —Hof beim Wirtschaftsministerinm eingereicht hat, hat das Mini sterium in Anerkennung der Wichtigkeit dieser Strecke bei der Reichsbahndirektion Dresden und im Ein vernehmen mit dem Bayerischen Handelsministerium beim Reichsverkehrsministerium Vorstellungen erhoben. Beide Stellen haben sich zunächst ablehnend verhalten (Hört, hört!), und zwar wegen der Aussichtslosigkeit, die erheblichen Mittel, die erforderlich sind, aufzubringen. Trotzdem ist es dein Wirtschaftsministerium gelungen, in den letzten Tagen eine Besprechung über den Bahn bau mit der bäuerischen Regierung und Vertretung der Reichsbahn im Reichsverkehrsministerium herbeizu führen. ES ist dort beschlossen worden, daß die Reichs bahnverwaltung zunächst einmal Vorarbeiten wegen der Linienführung und der voraussichtlichen Kosten sowie der Aussichten für die Rentabilität der Linie anstellt, damit, falls sich die Möglichkeit der Finanzierung ergibt, diese Arbeiten bereits vorliegen. Tie Regierung ist gern bereit, diese und andere wichtige Verkchrswünsche, die der Herr Berichterstatter erwähnt hat, insbesondere auch die für Leipzig im Ausschuß zu behandeln und zu erörtern, und ebenso bereit, die von ihm gewünschte Aufstellung im Ausschuß zu überreichen. (Bravo! b d. Ttjck. Vp.) Punkt 7 der Tagesordnung: Anfrage der Abgg. Röllig. Ui-. Bünger, I). Hickmann, Lippe n. blen. wegen Wiederaufnahme des Vahnbaues Leipzig — Leuna — Merseburg. (Drucksache Rr. 571.) Tie Anfrage Nr. 571 lautet: Ter Bahnbau Leipzig—Leuna—Merseburg ist bei dem Torfe Zöschen nahe der sächsischen Landesgrenze vollständig inS Stocken geraten. Was gedenkt die Regierung zu tun, damit der von allen Seiten als dringend notwendig anerkannte Bahnbau Leipzig—Leuna —Merseburg wieder aui- genommen und baldigst durchgeführt wird? Abg. Röllig (D Vp.— zur Begründung): Schon Herr Kollege Boigt hat auf die Unzulänglichkeit der Eisen bahnverhältnisse in Westsachsen und in Leipzig besonders hingewiesen. Unsere Anfrage, die wir heute an die Regierung stellen, betrifft nur eine Epezialfrage, und zwar die Verbindung von Leipzig nach den Leuna- Werken bis Merseburg hinüber. Man kann wohl sagen, daß es sich hier in dieser ganzen Eifcnbahnangelegenheit um ein Kuriosum handelt, wie man es schlimmer eigent lich niemals wieder finden kann. (Sehr gut! b.d. D.Bp ) Die Leuna-Werke, die während de» Krieges an- gelegt wurden, beschäftigen heute ungefähr 26000 Ar-