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ÄMGiÄU W WWn ÄMMW Nr. 121. zu Nr. 17 des Hauptblattes. 192H. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauhe iu Dresden. Landtagsverhandlungen. (Fortsetzung der 58. Sitzung von Dienstag, den 17. Januar 1828.) Abg. Nebrig (Soz.): Ich will nur noch ein Wort an die Regierung richten zur Frage des Bahnbaues Zöschen—Leipzig. Wenn man auf der rechten Seite hört, wie sie jammern über das Elend, daß in Berlin die sächsische Regierung keine Beachtung findet, daun muh man immer an das Sprichwort denken: Sie spotten ihrer selbst und wissen nicht wie! Dabei sind es ihre eigenen Parteifreunde, die m Berlin scheu und kaltlächelnd über die sächsischen Ansprüche hinweggehen. Die Frage des Bahnbaues Zöscheu ist tatsächlich eine Notwendigkeit für die Stadt Leipzig und zu einem gewissen Teile auch für die Gemeinde«. Die unliebsame Verzögerung, die dnrch den Einspluch der Reichs- regierung entstanden ist, hat heute schon die Folge, daß der Bahnbau weit über */, Mill. M. mehr kostet. Die Finanzierung der Bahn soll »ungelegt werden auf die beteiligten Kreise. Dabei ist eins ganz besonders beachtlich. Die Landbeschafsung dieser Bahn will man dem Leipziger Bezirksverband aufhalsen. Der Vertreter der Stadt Leipzig hat, soviel mir bekannt ist, sich ge weigert, diese Landbeschafftmgskostcn und die allgemeine« Koste»» für de« Bah«ba« einzubeziehe«, u«d auch der Vertreter des sächsischen Wirtschastministeriums. Die Verlängerung der Strecke von Leipzig nach Zöschen wird 13 kn» lang und für daS sächsische Gebiet ungefähr 7^4 Km lang. Nun rechne «»an ein,«al «ach, welche Belastung das für den Bezirksverband Leipzig, von dem ungefähr nur 2 bis 3 kleine Gemeinden überhaupt an der Bahn beteiligt sind, ausmacht, welche Last dem Bezirks- verband daraus entstehen würde, wenn »«an ihn» die Kosten für die Landbeschafsung von 7^ Km Bahnstrecke aufhalsen wollte. Wir stehen auf den» Standpunkte, daß solche lebenswichtige Unternehmen für die Körper- schäfte», des Staates auch in geeignetem Maste vom Wirtschaftsministerin,« gefördert werden sollen, und dazn gehört natürlich, daß bei den» Umlageverfahren oder bei der Berechnung der Kosten für den Bahnbau der Staat auch die Landbeschaffungskosten im Rahmen der Gesamtkosten mit übernimmt. Ich möchte den dringende« Wnnsch a« die Regierung richten, das ihrer seits im Auge zu behalte»», damit die Sache uicht «och einmal ein Jahr verschleppt wird und auch schließlich noch eine halbe Million Mark Kosten mehr verursacht. (Sehr richtig! u. Beifall b. d. Soz) Hierauf wird abgcstimmt. Der Minderheitsantrag Schreibe» (Lberwnrschniy) wird abgetehnt. Der Antrag des Hau/shaltansschnsses wird ebenfalls abgelehnt. Damit ist der Antrag Drucksache Nr. 11b angenommen. Der Antrag Drucksache Nr. 523 über den Bau einer Eisenbahnlinie Adorf—Hof wird einstimmig an den Hanshaltansschutz U verwiesen. Der Antrag Drucksache Nr. «26 über die Ltockuugcu und Störungen im Eisenbahnverkehr vor Weihnachten wird in sofortiger Schlnßberatung einstimmig an genommen. Abg. Liebmann (Soz. — zur GeschäjtSordttlmg) beantragt, die beiden letzten Punkte der Tagesordnung, die Anfrage des Abg. Kaiser und Gen-, wegen Beschlag nähme des ersten Dczcmberblattes der „Grund- und Hausbcsitzerzeitung" für Sachsen und die Anfrage des Abg. Arzt und Ölen., das Verhalten des Ministerialrats vr. Zieger vom Justizministerium im Wohnungsausschuß des Reichstags betreffend, heute von der Tagesordnung abzufetze« und als ersten Punkt aus die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. (Lebhafter Widerspruch b. d. Regierungsparteicn) Dieser Antrag wird abgelehut uud in der Dages- ordnung fortgefahren. Punkt 10: Anfrage des Abg. Kaiser u. bleu, wegen Beschlagnahme de» ersten Dezcmberblatte» der „Grund, und Hansbesitzerzeitnug für Lachsen'. (Druck- fache Nr. 5twZ Es ist niemand zur Begrimdung der Anfrage gemeldet. - Letzter Punkt der Tagesordnung: Anfrage des Abg Arzt n. Gem, das Verhalte« des Ministerial rates vr. Zieger vom Jupizministerinn» im Wohnung-, banauSschutz des Reichstags betreffend. (Drucksache Rr. 57t» ) Die Anfrage unter Nr. 570 lautet: Nach Zeitungsberichten ist der Beauftragte der sächsischen Regierung, Ministerialrat Zieger vom sächsischen Justizministerium, in» WohnungsauSschuß des Reichstags für ein soziales Miet- und Wohnung-- recht eingetrcten. Kegen dieser Stellungnahme wird er in dem offiziellen Organ der sächsischen Wirtschaft-- Partei, der »Grund- und LauSbesitzerzeitung für Sach- sen", aus das heftigste angegriffen. Es wird behauptet, daß Zieger nicht im Auftrage der sächsischen Negierung gehandelt habe, und es wird ihm sogar unterstellt, daß er sich nicht von sachliche», Gesichtspunkten, sondern von Streberei und Absicht habe leiten lassen, einen guten Posten im Reichsjustizministerium zu erhalten. Wir fragen deshalb die Regierung: 1 Ist cs richtig, daß Ministerialrat Zieger in, Reichs tag nicht im Auftrag der sächsischen Regierung gehandelt hat: 2 . gedenkt sie ihren Beauftragte», gegen die Ver unglimpfung der „Grund- und HauSbesitzerzeitu«g" in Schutz zu nehmen? Abg. Edel (Soz. — zur Begründung): ES ist be zeichnend für das Parlament, daß ein Vorgang von eminent politischer Bedeutung behandelt wird, nachdem andere wichtige Tagesordnungspunkte den Landtag den ganzen Tag über beschäftigt haben. Noch bezeichnender »st eS, daß die Partei, die sich in einer Anfrage über die Beschlagnahme ihrer Zeitung beschwert hat, nicht einmal den Mut zur Begründung ihrer Anfrage findet. (Lache», b. d. Wirtsch.) Tas kennzeichnet und charakteri siert dieses so seltsame Gebilde, das sich Regierung des Freistaates Sachsen nennt. (Lebhaftes Sehr richtig! links) Die Angelegenheit, die heute noch in der Abend stunde verhandelt werden muß, ist nur ein Symptom für die Entwicklung, die hinter uns liegt und die wir noch eine Weile werde», auf uns nehmen müssen. Es handelt sich in dieser besonderen Frage darum, daß unter allen Umständen der Versuch unternommen worden ist, die Bürgerblockpläne in, Reiche zuungunsten der breiten Massen der Be völkerung, zuungunsten der Mieter durchzusetzen, zu unterstützen durch die sächsische Regierung. Daß das Gegenteil geschah, daß ein Beauftragter der sächsischen Regierung nicht in, Sinne der Reaktion, der äußerste», Reaktion tätig wurde, genügte, die Wirkungen aus- zulvscn, die cs doch zu besprechen gilt. Tie Bürger blockpläne im Reiche aus Knebelung der Mieterschaft zuuugunsten der breite», Masse der Bevölkerung sind ja gezeichnet durch eine lange Entwicklung, die wir des öfteren kritisiert haben. Im Vorjahre ist der reak tionäre Kurs gegenüber den breiten Massen der Bevölkerung boso»»ders scharf in Erscheinung ge- treten durch die Lockerung des Mieterschutzes. Tie Nachteile sind ungeheuer. An Stelle der Klagen, die bis dahin möglich waren, soll das einfache Kündigungs- Verfahren trete«. Ta ist «un ein interessanter Vorgang vorhanden. Tiefe Forderungen der Reaktion sollen deshalb ver wirklicht werden, weil sie die Wirtschaftspartei in, Reiche wünscht, aber die einzige Negierung, in der die Wi»t- schastspartei als Partner beteiligt ist, ist die sächsische Regierung. Tie sächsische Regierung läßt durch ihre Beauftragten erklären, daß die Forderungen der Reaktion auf Lockerung des Mieterschutzes durchaus abwegig sind, durchaus nicht im Interesse des Volkes liege«. Diese Stellungnahme des sächsische», Ministerialrats Zieger in, Wohnungsausschuß des Reichstags hat das Ent setzen der sächsischen reaktionären Vertreter ausgelöst. Er betonte, daß er sich entschieden gegen die Pläne der Bürgcrblockregierung in, Reiche auf allgemeine Lockerung und Beseitigung des Mieterschlitzes wenden nnisse. (Zuruf rechts: Wo steht den« das?) Er be tonte, cs sei richtig, daß nach der letzten Lockerung des Mietcrrechtes in Sachsen die Beschaffung eines Ersatz raumes für die herausgesetzten Mieter anßcrordcntlicbe Schwierigkeiten gemacht habe (Hört, hört! b. d. Soz ), denn die herausgesetztcn Familien hätten zum Tcil in alten Elsenbahnwage»», in Schuppen, in Schulen usw. untergebracht werden müssen (Hört hört! b. d. Soz ), weil andere Räume nicht zur Verfügung waren. Er betonte weiter die praktische« Schwierigkeiten der Durchführung des Mahnverfahrens. Er wendete sich da gegen, daß für die Entscheidung über einen Kündigungs antrag Gerichtsfchreiber maßgebend gemacht werden sollten. Er betonte, daß es sich bei den Pläne« im Reiche um eiue Verschlechterung der Rechtslage der Mieter handelte, und schließlich betonte er, daß er ein- treten müßte und es als erstrebenswert halte, daß ein neues Wohnrecht geschaffen werde. Wir haben politisch nicht das mindeste mit Herrn Ministerialrat Zieger gemem. Wir betonen aber, daß die Auffassung, wie ich sie eben kurz skizzierte, aller dings auf dein Wege liegt, die die Sozialdemokratische Reichstagsfraktion in der gegenwärtigen Situation im Interesse der breiten Masse deS Volkes für die gegebene hält Tab diese Stellungnahme erfolgte, genügt aber, nm zu den wüste», Anslcgeleien dieses, wie ich glaube, politisch ziemlich rechtsstehenden Herrn Zieger Anlaß zu geben, um ihn in der schlimmsten Weise persönlich zu ver unglimpfen, in dergemeinstenWeise öffentlichherabzusctzen. Ick» nehme an, daß es dann die Aufgabe des Herrn v. Fnmetti sein wird, seinen Beauftragten in der ent sprechenden Weise in Schutz zu nehmen. Jedenfalls ist cs bezeichnend für den gegenwärtigen RegierungSznstand, daß etwas derartiges überhaupt möglich ist. WaS uns politisch an dein Vorgang interessiert und unS besonders angeht, ist, daß in ganz entschiedener Weise be stritten wird, daß Herr Ministerialrat Zieger im Auftrag der sächsischen Regierung gehandelt habe. Da- müssen wir wissen. Ist es denkbar, daß ein Ministerialrat, wie hier vermutet wird, au» persönlicher Lanküne. au» iraend- welchen persönlichen Gründen nach Berlin reist und de», Reichstagsabgeordneten etwas erzählt? Liegt ei« Auftrag der sächsischen Regierung vor, und wenn ein solcher Auftrag vorliegt, wie ist es möglich, daß ei« derart angegriffener Ministerialrat in der Öffentlichkeit nicht in Schutz genommen wird? (Sehr richtig! b. d. Soz.) Ta stoßen wir aus denselben Vorgang, der» wir immer schon bei diesem Problem gesunden haben, den selben Vorgang, der eS auch ausgelöst hat, daß die Aufwertler sowohl wie die Demokraten ihre eigene« Anlräae zum Schutze der Mieter auf die lauge Bank geschoben haben. Ta stoße», wir auf de« Vorgang, daß man die tiefen Risse, die durch die Koalition klaffen, verkleistern »nächte, und daß diese Risse es nicht ge statten, daß auch nur in, mindesten etwas, was etwa zugunsten der breiten Masse sein könnte, festgehalte», wird. Aus diesen Gründe», die persönliche Berun- glimpfttng, aus der Verärgerung heraus, daß ausgerechnet die Regierung, in der die Wirtschaftspartei vertreten ist, die sächsische Regierung, etwas gegen die Bürgerblock- reaktion im Reiche sagte. Es können sich ja manche Leute eine», politischen Standpunkt nicht anders er klären, als daß der Betreffende damit persönliche Vor teile verbindet. Tas hat so die Korruption in Sachsen ausgelöst. Nun ist ja die Zeitung der Wirtschastspartci deshalb beschlagnahmt worden. Tagegen muß ich doch auf das entschiedenste Verwahrung einlegeu, daß die Herre», sich bei ihrer Frechheit uud zur Entschuldigung ihrer Zeitung auch «och auf die Meimmgssreiheit und aus die sozial demokratischen Zeitungen beziehen. Ich erinnere daran, daß wir gerade in diesem Hause dagegen Klage führe« mußten, daß sozialdemokratische Redakteure Wege», de, Wiedergabe von Parlamentsredei, drei Monate Ge fängnis zudiktiert erhielten. Tavon hat man in einen, solche», Falle allerdings nichts vernommen. Tiese drei Monate Gefängnis wurden sozialdemokratische», Redak teuren zudiktiert auf Anweisung des Ministers. Nun sagt man natürlich zur Entschuldigung, daß auch in der sozialdemokratischen Presse sonst Beleidigungen gestände»» hätten, und wiederum benimmt »na», sich bei dieser Gelegenheit etwas kindischer, als hier schließlich im politischen Leben verantwortet werde», kann. Wen», z. B. ausgerechnet auf ei», Zitat aus Wilhelm Busch, das im Zusammenhang mit der Besprechung der Tätig- keit eines Ministerialdirektors, des Herrn Vr. Wulffen, in Sachsen gebraucht worden ist, Bezug genommen wird, so kann das wohl nur von der heiteren Seite verstanden werden. ES steht fest, daß tiefgehende Meiiiungsdifferenzen. vielleicht unüberbrückbare Meinungsdisferenzen im Schoße der sächsischen Regierung vorhanden waren, die man aber deshalb nicht auszutragen wagt zuun gunsten der arbeitenden Bevölkerung, »veil man Angst hat, daß die sächsische Regierung in die Brüche gehe« könnte. Ich sage, das ist insofern für uns ei», poli tischer Vorgang: es ist ei», außerordentlich snmpto matiscbcr Vorgang, und in diesem Zusammenhänge gewinnt cs eine besondere Beleuchtung, daß immer wieder auS durchaus glaubwürdige», Quellen und iinmer mehr verdichtet die Feststellung gemacht wird, daß sehr bald der Zeitpunkt bevorsteht, wo trotz aller gegenteiligen Beteuerungen das Arbeite- u«o da! Wohlfahrtsministerium abgebaut werde», soll. Schon jetzt tritt ja dieses Ministerium in einem soziale», Sinne gegenüber den Forderungen der Reaktion, gegenüber de« Forderungen der Wirtschastspartci fast gar nicht mehr in die Erscheinung. Es ist selbstverständlich, daß wir die Notwendigkeit vor uns haben, einer solchen Korrupton gegenüber und einer solchen Verlegenheit zugleich gegenüber aus der Misere heraus;,«kommen, unsere politische Gegnerschaft zu diesem System ganz besonders in die Erschei nung treten zu lasse«, und daß wir unsere politische Gegnerschaft einem solchen Sustem der Korruption gegenüber ganz besonders betonen Tiefe Affäre, die Preisgabe der Interessen der breite« Massen der Bevölkerung, ist allerdings eine neue Leidens- stativu für die Mafien des arbeitenden Volkes in Sachsen, ei», neuer Beweis für die Notwendigkeit, auch mit aller Schärfe dieses System so schnell wie möglich mit alle»» politisch zweckmäßigen Mitteln zu beseitigen. Ich glaube, die heutige Verhandlung wird dazu beitragen. Instizminister vr. v. Fumetti: Meine Damen und Herren ! Tie Anfrage Nr. 589 und die Anfrage Nr. 579 hängen zusammen, und ich möchte sie deshalb gemeinsam beantworten. Herr Ministerialrat Vr. Zieger hat in, amtliche», Auftrage der Sitzung des Wohnungsausschusses des Reichstages an, 17. November 1927 bcigewohnt. Die von ihm zur RcichstagSdruchache Nr. 3172 gestellten Anträge entsprechen der ihn, von den, Mini- stcrium der Justiz und dem Arbeits- und Wohlfahrts- Ministerium erteilten Instruktion. (Zuruf link-: Nicht der sächsischen Regierung!) Tas ist in diesein Falle dasselbe, da cs nur die beiden Ressorts betrifft. Auf Veranlassung de- Justizministeriums hat die StaatSanwaMckwft Dresden bei dem Amtsgericht Dresden am 1. Dezember 1927 gemäß 8Z 94, 98 der Reich-straf- prozeßordnung den Antrag auf Beschlagnahme der Nummer 23 deS 20.JahrgangeS der „Grund- und Haus besitzerzeitung für Sachsens erste- Dezemberblatt 1927, erste- Blatt, wegen de» in dieser Zeitung enthaltene»» Aufsatze» »Der Stein der Reisen* gestellt. Da» Ami»-