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WttzMU M AWa ZlaMDH Nr. 118. zu Nr. 2S7 des .Hauptblattes. 1927. Beauftragt mit der Herausgabe Regieruugsrat Brauße in Dresden. Lan*l«iMtrlMdllMktn. (F-rtfetzm^ der S7. Sitznug vo» Dienstag, den 2». Dezember 1827.) Aussprache über die Punkte 1—3 der Tages ordnung. Abg. Hartjch (Soz.): Der Herr Abg. Euterleiu hat in seiner Erklärung recht warme Worte für die neue Vesoldungsregelung gefunden (Zurufe b. d. Wutsch, u. a.: Mit Recht!). Ich kanu ihm auf diesem Wege nicht folgen. Die Freude der Regierungsparteien und der Regierung kann ich verstehen, aber sie hat einen sehr metallischen Beigeschmack, denn es ist nicht zu leugnen, das, gerade die Bcamtengruppen, die direkt über indirekt mit der Regierung in einer engeren Ver bindung stehen, diejenigen sind, für die man bei dieser Regelung sehr viel übrig gehabt hat, während die anderen Besoldungsgruppen sehr schlecht weggctommen sind. (Lebhaftes Sehr richtig! b. d. Soz.) Die Beamtenschaft kämpft seit ungefähr 3 Jahren um eine neue gerechte Bcsoldungsordnung, und cs wäre wahrscheinlich auch dem jetzigen Reichsjinanzminister nicht gelungen, des Rätsels Lviung zu finden, wenn die Beamtenschaft selbst nicht einmal erfreulicherweise ein klein wenig energischer uachgeholscu hätte. Trotz- dem müssen aber heute die Beamten, vor allen Dingen die mittleren und unteren Beamten, seststcllen, das; cs eine Wahrheit ist, die in dem Worte eingeschlossen liegt: Kreißend erbebte der Berg, und geboren wurde eine lächerliche Maus. Tie Neuordnung der Besoldungsregelung sollte vor allen Dingen zwei Ziele verwirklichen. Einmal sollten die Bezüge der Beamten der wirtschaftlichen Entwich lung, den Preiövcrhältnissen angepaßt werden, und znm anderen erhoffte die Beamtenschaft von dieser neuen Bcsoldungsordnung auch die Bereinigung verschiedener fragen sozialer und rechtlicher Art, unter denen die Beamtenschaft schon seit längerer Zeit gelitten hat. Ich must feststellen: Beide Ziele sind in diesem Bc salonngsgesetze nicht erreicht worden. (Sehr richtig! links.) Wie steht cs mit der Angleichung der Beamten gehälter an die wirtsä-aftlichen Verhältnisse? Im Jahre 1924 hat sich die deutsche Wirtschaft bewogen gefühlt, die sogenannte Stabilisierung der Währung herbeizuführen. Es must noch einmal ausgesprochen werden, das, die Leidtragenden, die Opferbringenden dieser Stabilisierung lediglich die Arbeiterschaft, die Angestellten und die Beamten gewesen sind. Aus einer Preissenkung ist eine Preissteigerung ge worden, der Ausgleich zwischen dieser Preissteigerung und den Bcamtengehültern ist aber in dieser Bejol- duugsordnttug nur dort erfolgt, wo er nicht notwendig gewesen wäre» bei den höheren Beamten. Bei diesen beträgt die Steigerung des uencn Anfangsgchaltcs im Verhältnis zum alten z. B. bei der Besoldungsgruppe 1 -1926 M. und die Steigerung im Endgehalt 3296 M. Temgegenüber sind die entsprechenden Zahlen bei einem Taubstummeulehrer der Gruppe 9 616 M. und Il6 M. im Endgehalt bzw. Anfangsgehalt und bei einem Beamten der Gruppe 19, den ich natürlich ganz willkürlich herausgegrisfen habe, 376 M. bzw. 502 M. chört, hört! li^kS.) AnS dieser Differenz von 1926 M. bis zu 376 M. ersieht man, das; man tatsächlich auf der falschen Seite zugclegt hat. Nun wird man mir natürlich entgegnen und sagen, das ist die absolute Lumme, aber prozentual gesprochen sieht das Bild ganz anders aus. Aber mit Prozenten kann man natürlich alles machen Ta kann man auch sagen, daß die Zulage für die unteren Beamten genau so hoch, vielleicht noch höher sei als die der oberen Beamten. Dabei liegt es in Wirklichkeit so, daß die Beamten der Gruppen 19 und 20 für die Lebensmittel genau so viel bezahlen müssen wie die Beamten der Gruppe 3, 2 oder 1. Das ist der erschreckend unsoziale Zug, der in dieser Besoldungs- ordnung enthalten ist. (Sehr wahr! links.) Dann liegt es auch noch so, das; mitunter die Besoldung gerade im umgekehrten Verhältnis zu der sub jektiven Leistung steht. Ich erinnere in diesem Zu- sammenlmng daran, das; ein Lokomotivführer, rein subjektiv gesprochen, doch eine ungleich größere körperliche Leistung aufzubringen hat als ein Be amter, der sehr ruhig und zufrieden anf seinem Lessel in irgendeinem gutgcheizten Bureau sitzt. Mau must bei dem Unterschiede in der Besoldungs- ordnung vor allen Dingen die Bedeutung irgend eines Beamten für die Allgemeinheit werten, und da zeigt sich, daß diese Bcsoldungsordnung eine reine .Klassen- ordnung darstellt (Sehr richtig! Imks), daß diese Be- soldungsordnung die eines ausgesprochene» Klassen- staatcs ist. (Sehr wahr! links.) Ein Polizechauptmaun wird in unserem Staate höher besoldet als ein Jugend- bildncr. Ein Polizeiobcrst wird höher besoldet als der Leiter eines Mütter« und Säuglingsheims, als der Direktor einer großen Heil- und Pflege anstatt. (Hört, hört! links.) ES wäre sehr verlockend, darauf ein- zugchen, wie man GcwcrbcaufsichtSbcamtc, Kinder- gäuncrinuen, Fürsorgerinnen usw.-in dicker BckoldungS- vrdnnng bewertet. Ich will aber nur einen Vergleich zwischen einem VottSschullchrer und einem höheren Lehrer anstellen. E n Volksschullehrer bezieht vom 21. bis 65. Lebensjahre insgesamt 825 374 M. Ein kommen. Ein höherer Lehrer bezieht vom 86. Lebens jahre an, also fünf Jahre seiner Lebenszeit weniger gerechnet, bis zum 65.Lcbenjahre 337692?),., das beißt eine Differenz von I1L318 M. Diese unsoziale Spannung erhöht man noch durch das System der Stellenzulagen. Man hat für diese Stellenzulagen auch den Gedanken im Ausschuß mit in die Debatte geworfen, sie seien gewisse Repräsentations- gelber, die notkveudig seien. Nun sehe ich unter diesen Stellenzulagen z. B> auch den Leiter der Staatszeitung. Ich weiß nicht, waS der sächsische Staat mit dem Herrn für großer» Staat machen will. Der wissenschaftliche Hilfsarbeiter bei der StaatSzettung, der früher in der X war, wird jetzt wie die Beamten der alten Gruppe XI besoldet. Der Verwaltungsdirektor bei der Staats zeitung, der vielleicht ein Personal von 3—4 Köpfen unter sich hat, wurde früher nach der Gruppe X bc- soldet, jetzt ist er eingestust wie die Beamte»» der früheren Gruppe XI. Wenn man sich diese Dienst stellung vor Augen hält, must man schon sagen, daß hier lediglich politische Gesichtspunkte maßgebend gewesen sind. Eine weitere Tatsache dafür, daß diese Spanne zu groß ist, bildet die Aufwandsentschädigung, die man durch die Vorlage Nr. 35 eingesührt hat. Ein weiteres großes Unrecht, das durch die neue Besoldungsordnung hätte unbedingt beseitigt werden müssen, bezieht sich auf die Altruheständler. Es ist für einen Mann, der mer Jahrzehnte im Dienste des Staates gestanden lütt, eil» außerordentlich beschämendes Gefühl, wenn er sehen muß, daß er als alter aufgebrauchter Mensch immer wieder bei solchen Neuregelungen ver- gesfen wird. Es ist das nicht nur eine Frage der Alt ruheständler, sondern eine Frage der Beamtenschaft schlechthin; dem» die, die heute noch Beamte sind und in der Vollkraft ihrer Jahre stehen, sind in absehbarer Zeit au») Altruheständler. Hier hätten die Aufwertlcr einmal den Beweis liefern können, daß sic tatsächlich eine Aufwertungspartei sind. Die Negicrun g hat eS ferner versäumt, sich mit den Gewerkschaften in Verbindung zu setzen. Tas ist ein Unterfangen, das mau bei anderen Vcrtretergruppen nicht anschlägt. Aber warum tat man das hier nicht? Weil die Beamtengewerkschasten zur rechten Zeit in der Öffentlichkeit darauf hingewiesen hätten, daß hier nicht Beamtensorgen, sondern Regierungssorgen das ausschlaggebende Moment sind. Weiterhin möchte ich feststelleu. daß die späte Zu leitung der Vorlagen an die Abgeordneten zunächst einmal geschehen ist, um der sogenannten Opposition willen, man wollte unter alle»» Umständen die Links parteien möglichst lange im unklaren lassen. Tann hat mau auch ganz eigentümliche Verhandlungsmethoden eingeschlagen. Nachdem eint ganze Reihe von Anträgen gestellt wäre»», haben es die Koalitionsparteien immer für richtig befunden, am nächsten Tage uns als Extrakt aller dieser Dinge einen sogenannten Koalitionsantrag vorzulegen, der, teilweise auf den Anträgen der Links parteien fußend, teilweise mit neuen Anregungen aus ihre»» Reihen selbst abgefaßt, uns vielfach vor ganz neue Situationen stellte. Die Folge war, daß die Ver handlung außerordentlich erschwert war. Ter Herr Innenminister hat bei der ersten Beratung der Vorlage erklärt: die Regierung sieht der Kritik e,»»gegen, die von allen Parteien kommen wird, und ist bereit, im Ausschüsse diese Kritik durchzuarbeiten. Ich muß fest stellen, daß von dieser Bereitwilligkeit, unsere Anträge durchzuarbeiten, eigentlich nicht allzuviel zu spüren ge wesen ist. fHvrt! hört! b. d. Coz.) Das übelste, was mau gegenüber der Opposition angewcndet hat, ist der dauernde Truck, den man immer mit der Begründung ausgeübt hat: wenn wir ausführlich und gründlich nach jeder Hinsicht eingehend verhandeln, dann riskiert ihr, daß V»e Vorlage vor Weihnachten nickt fertig wird. (Sehr richtig! b. d. Soz ) Mir fehlt der parlamen- torische Ausdruck für ein solches Beginne«. Dann sollten die Beamter» vor Weihnachten in den Besitz der Gelder kommen. Jetzt »Seroen ihnen vor Weihnächte»» nur 80 Proz. der D,fierenzbcträgc aus- gezahlt. Wenn man Gewicht darauf legte, daß die Beamte,» in den Besitz von Geldern kommen, dann hätte inan die vollen IVO Proz. auszahlen lassen müssen. Es gibt Beamte, wo 1'0 Proz. 19 Pf. be tragen. (Hört, hört! b. d. Soz.) Die Aushilfslchrer z. B. bekomme»» vor Weihnachten überhaupt keine Ver rechnung, sonder,» erst im Januar. Wir habe« in diesem Hause schor» öfters daS selt same Schauspiel erlebt, daß die Koalition recht brüchig ist und bedenkliche Sprünge aufweist. Wir Koben tchen müssen, wie die Regierungsparteien gegen Regicrungs- antrüge gestimmt haben, ja sogar, wie ein Minister gegen seine eigene Regierung mit gestimmt hat. Im Besoldungsansschusfe ist die Brüchigkeit der Koalition ganz hervorragend in die Augen getreten. Die Wirtschaftspakte! hat vorhin dnrch ihren Ver treter hier eine außerordentliche Sparsamkeit kund- gegeben. Wenn Sie wirklich sparen wollen, wir sind mit bei der Partei, aber sparen Sie dort, wo cs sich lohnt. Eie bewilligen für 7 Minister Aufwands entschädigungen »n Höhe von 210VV M Da hätte», Sie sparen können! Eine ganz besondere Rolle haben unsere Freunde von der Demokratischen Partei dabei gespielt. Für die gegenwärtige Situttion enibindet kein Gott und kein Teufel die Demokratische Fraktion von der Verantwortung, die Entscheidung in der Hand zu haben (Lebhaftes Sehr richtig! b. d. Soz. — Zuruf deS Abg. Clauß), und sic ist anf jeden Fall die Partei, die ihre Hauptwähler auö den Beamten- und Lehre»kreisen heranSholt Die Regierung käme schließlich zum Fall. Ich muß in diesem Zusammenhänge noch auf eine Tatachc Hinweisen, und das ist die. daß diese Besol- dunasorduung vor allen Dingen deshalb eine so starke soziale Ungerechtigkeit darstellt, weil sie nach dem Willen ihrer Väter eine Regelung auf lange Dauer ist, eine Regelung auf lange Sicht. Ich glaube, daß ich »sicht zuviel behaupte, wenn ich sage, es wird kein Viertel jahr überS Land gehen, und »vir werden bereits in, Besoldungsausschuß sitzen, um die ersten Eingaben wegen der Härten dieser Besoldungsordnung zu be handeln. Ich habe zum Schluß noch folgende Erklärung »»»einer Partei bekanntzugeben: Tie Sozialdemokratische Landtagsfraktion stellt zu der Vorlage Nr. 33, die Vorlage für der» Entwurf eines Beamtenbesoldungsgcsctzes betreffend, fest: 1. Tie Negierung hat die Vorlage dem Landtag erst am 6. Dezember 1927 Überreicht und damit eine gründliche Durchberatung zur Unmöglich keit gemacht: 2. die Gewerkschaft von der Mitarbeit fern- gehalten: 3. in den» Entwurf ein Besoldungstlasfettsystem geschanen, das jeden soziale»» Geist vermisse», läßt; 4. durch daS Lystem der Stellenzulage, Ministerial zulage und Tienstauiwa,»dsentschädigungen die unsoziale und ungerechte Regelung verschärft und damit die Gegensätze in der Beamtenschaft vertieft. Tie Sozialdemokratifche Fraltiou hat im Bcsol- dungsausschuß mit aller Kraft versucht, durch eine große Anzahl von Anträgen daS Gesetz sozialer aus- zugestalten. Ter Bürgerblock hat alle unsere Anträge abgelehnt. Ter unsoziale Charakter des Gesetzes wird verstärkt durch die Tatsache der beabsichtigten langen Tauer dieser Regelung. Ans diesen Gründen muß die Sozialdemokratische Fraktion die Verantwortung für das Gesetz ab- lehneu. Sie wird bei der Endabstimmung gegen das Gesetz stimmen. (Lebhaftes Bravo! b. d. Soz.) Abg. Rötzscher (Komm.): Bei dieser Veamteubesol- dungSberatung geht es um die Kraftprobe für diese Regierung, und es geht weiter um die völlige Aus schaltung des Landtags und um die völlige Ausschal tung derjenigen Organisationen, die bei derartig wichtigen Fragen beteiligt sind. Praktisch ist die Aus schaltung der Gewerkschaften trotz der Erklärung de» Herrn Ministers erfolgt. (Sehr richtig! b. d. Komm.) ES ist das vom Herrn Minister selbst festgestellt worden. Ter Ausschuß, der die Vorlage gemacht hat, hatte eigentlich weiter nichts zu tun, als die Unterschrift unter die Anträge zu geben, die Herr Ministerialrat Schulze gestellt hat. Und es ist vor der Öffentlichkeit festzustellen, daß als emsiges Mittel, das vielleicht lwtte wirken und vielleicht auch den Beamten noch eine Hilfe hätte »ein können, das Mittel der Obstruktion hier in dieser Situation das ein.ig Angebrachte gewesen wäre. Wir hoffen aber, daß die Beamten uns die Mäßigung, die sich die Opposition in diesem Falle hat auserlegen müssen, danken wird. Nicht sachliche Momente waren hier maßgebend für eine Turchardeitung, für einen Ausbau und für die Verabschiedung einer Besoldungsordnung, wnbern einfach das Gefühlsmoment, dem allerdings der wesentliche Teil der Beamten unterliegt: es handelt sich hier um eine Weihnachtsgratifikation, und der Beamte ist leider „och so, daß er nicht mit Entschiedenheit sein Recht erkämpft, sondern tatsächlich nock froh ist, wenn er diese kleine finanzielle Hilfe, die sich hier ausdlückt, bekommt, und die Regierung weiß solche Stimmungen auszunützen. An sich ist eine Aussprache über die Besoldungs ordnung hier im Plenum genau so wie im Ausschüsse aussichtslos, denn der Block, den die Regierung dar stellt — das muß man ruhig anerkennen — war so gefestigt, daß gar nicht der Wille zu einer Ausiprache vorhanden war, und man kann bestenfalls, obgleich eS besaämend für die Opposition ist, sagen, daß die Opposition geduldet worden ist, um einige Anträge dort vorzulegen, und die Begründungen der Oppo- sitionsanträze, die auch für die Koalitionsparteien stichhaltig waren, wurden auf sehr billige Weise von den Regierungsparteien in Anspruch genommen. Ticsc Besoldungsordnung ist eigentlick nichts anderes als eine Nachzeichnung unserer Gesellschaftsordnung. Sie zeigt, daß in den overen Gruppen, die an manchen Stellen m geradezu unverantwortlicher Wci»c auf- gebessert worden sind, die Gebcfreudigkeit der Re gicrung und Regierungspacteien beinihe keine Grcnzeu gesunder» ha», daß aber in deir unteren G»uppcn gefeilscht worden »st um jeden Pfennig. ES ist beachtlich, vaß beispielsweise der Beruf des Erziehers, und zwar deijcmgen Erzieher, die eS mir den Bedürf.»gsten, den geistig Minderwertigen, den körperlich Mlndelwersigei» und vielleicht auch den Kranken zu tun haben, in einer Art und We»»c besoldet, die weder oer Arbeit nock der Wirtschaftslage dieser Leute entspricht. Ich erinnere daran, daß eS Mühe gemacht ha», die Kindergärtne rinnen um eine lächerlich geringe Summe in die Höhe zu stufen. Es ist sonderbar, daß gerade ein Vertreter dec Koalitionsparteien, Herr Kollege Enterlcin, auf die Sparsamkeit hinacwwsen hat. er als Vertreter eine«