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LMKilU M MW AMitW 1927. Nr. 66. zu Sir. HO des Hauptblattes. Beauftragt mit der Herausgabe RegteruttgSrat Brauße tu Dresden. LandtaMerhandlunken. (Fortsetzung der :w. Sitzung von Dienstag, den 1V. Mai 1927. Abg. Dobbert (Soz.) (Fortsetzung): Ich must schon sagen, daß die Verfasser dieser Denk schrift mit der Logik auf Kriegsfuß stehen. Wenn man den Gesichtspunkt der Logik auf diese Denkschrift anwenden wollte, müstte es heißen, die Staatsgüter sind noch nicht auf der Höhe, sorgen wir dafür, daß alles geschieht, um sie auf die Höhe -u bringen. Die Denkschrift des Wirt schaftsministeriums hat denn auch alle die Herrschaften auf den Plan gerufen, die in jedem staatswirtschaftlichen Betriebe so etwas wie Sozialisierung wittern, und hat alle diejenigen auf den Plan gerufen, deren Spiesterherz schon bei dem Gedanken bebt, es könnte einmal von einem staatlichen Großbetriebe etwas Besonderes geleistet werden. Wir werden alle parlamentarischen Mittel anwcnden, um dem Bestreben, die Staatsgüter zu verpachten, soviel Hemmnisse wie möglich in den Weg zu legen. (Sehr richtig! b. d. Soz.) Wir werden nicht nur kritisieren, denn es ist an den Staatsgütern manches zu kritisieren, sondern wir werden auch positive Vorschläge machen. Wir werden z. B. verlangen, daß dem Landtage baldigst eine Denkschrift zugeleitct wird, die für die Vereinfachung der Generaldirektion, für eine gewisse selbständige Wirt schaftsführung, natürlich im Rahmen der Zentralisation, für die Verwalter der einzelnen Güter gewisse Richtlinien vorschlägt. Wir werden mich dafür sorgen, daß auch die Arbeiter und Angestellten einmal gehört werden. Es kommt darauf an, daß alle Kräfte, die gewillt sind, frendig am Anfbau der Staatswirtschaft mitznarbeiten, auch herangezogen werden, daß man im wahren Sinne des Wortes die Staatsgüter und die damit zusammenhängen den Wirtschaftsbetnebe zn einer Herzenssache des ganzen sächsischen Volkes macht. Und weil wir allerdings das Vertrauen zu dem derzeitigen Wirtschastsminister nicht haben, benutzen wir dieses Kapitel, um unseren Protest gegen eine solche Wirtschaftspolitik zum Ausdruck zu dringen. Wir werden das Gehalt des Herrn Wi.tschastü Ministers ablehnen. Ich möchte zum Schluß noch be merken, daß gerade in der großen Frage der Staatsgüter und der Staatsbewirtschaftung der Landtag eine Mehrheit aufweist, die den Herrn Wirtschastsminister heimschickt, damit er nicht irgendwelche Experimente zum Schaden der sächsischen Wirtschaft machen kann. (Lebhafter Beifall b. d. Soz.) Abg. Berg (Tnat.): Ich möchte die Frage der Staats güter heute nicht behandeln, weil sie erst morgen im zn- stündigen Ausschuß auf der Tagesordnung steht. Jchmöchte zu der Druckiache Nr. 334, die bei Kap. 24 mit be handelt woiden ist, einige Ausführungen machen. Die Frage der Osfenhaltung der Ladengeschäfte an den Meß- sonntagen in Leipzig ist auch eine strittige Frage im Einzelhandel selbst zwischen den kleineren und den größeren Geschäftsinhabern. Aus dem Grunde sollte man die Frage doppelt vorsichtig anfassen, denn man kann nie wissen, welcher Seite man im gegebenen Augenblick Recht zukommen läßt. An sich ist die Frage so, wie sie bisher auf Grund rcichsgesttzlicher Be stimmungen durchgeführt werden konnte, zweckmäßig genug geregelt. Im Zusammenhang mit der Schau messe war vor dem Kriege bereits der Streit in Leipzig. Früher war es vor dem Kriege in Leipzig so, daß generell während der Schaumesse jeder Laden- besitzer seinen Laden am Sonntag auflassen durfte. Weil die Bevölkerung natürlich nach den Lindenau- Wiesen hinansging und gar nicht in der Stadt war, wandten sich die Ladengeschäfte in der inneren Stadt gegen das Osfenlassen, weil sie es für zwecklos hielten. Jetzt ist die Sache w, daß die Geschäftsinhaber in den Vororten Leipzigs während der Engros-Messc kein In teresse haben an der Osfenhaltung ihrer Läden am Sonntag, weil die Bevölkerung aus den Vororten nach dem Stadlinnren strömten, um sich die Ausstellung in den Meßpalästen anzusehen Tie Folge davon war, daß vom Osfenhalten der Läden nun die Geschäfte im Zentrum, insbesondere die großen, einen Nutzen hatten, uno daß nunmehr der Kampf von den Ge schäftsinhabern der Vororte einsetzt. Daß bei dieser Sachlage die Angestellten sagen, das Beste ist, wi»n die Geschäfte überhaupt geschlossen bleiben, ist an sich erklällicb. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, daß ich etwa für den Antrag Liebmann oder für den An trag unter ll Ziff. 3 rede. Den lehne ich ab, und zwar aus folgenden Gründen. Solange und soweit auf Grund der Reichsgesetzgebung die Möglichkeit besteht, e nach den vorliegenden Bedür,nissen zu prüfen und estzustcllcn, was zweckmäßig erscheint nach Wirtschaft- ichen Erwägungen, solange, glaube ich, kann man und darf man nicht verbieten, daß generell jedes Offen- Halten eines Ladens am Mcsseionntag verboten werdei könnte. Wir mußten uns auch gegen den Antrag Voigt wenden, weil er inhaltlich dasselbe sagt, wie der Antrag Liebmann. Was wir wünschen, dürfte in einem inzwi chen eingereichten Kompromißantrag zum Ausdruck gebracht werden, der dahingeht, daß man es auf die Bedürfnisfrage abstcllt, d h., daß man nach Anhörung selbstverständlich der beteiligten Verbände sowohl der Wirtschaftsorganisationen, Ernzelbandel usw., wie auch der Angestelltenvertretungen tue Frage prüft. Abg. Vr. Kastner (Dem.): Ich möchte nicht dem Klagelied, das Kollege Dobbert über die PrerS- prüfungsstellen uns zu hören gegeben hat, sehr viel linzusügen. Aber ich glaube, ich bin mit ihm "»d mä den Herren, die sich in den Preisprüfungsstellen bemüht haben, darin einig, daß vielleicht Erfolg hatten bei kleinen Apfelfrauen auf dem Markte oder bei kleinen Ladengeschäften, die sich um ein paar Pfennige verrechnet hatten, daß sie aber an die großen Zmammenhänge und gerade an die preissteigernden Wirkungen absolut nicht heran können, daß dort ihre Macht restlos gescheitert ist, und daß der Effekt für die aeiamte deutsche Wirtschaft und namentlich für die deutschen Verbraucher absolut gleich Null gewesen rft. Es muß gesagt werden, daß man das mit Theorie und grundsätzlichen Dingen nicht erledigen kann, sondern nüchtern und prakiisch an die Frage Herangehen muß: Wie kann es anders werden? Und was mir mteiestant ist an den Ausführungen von der Linken, war, daß die Sievlungsfrage erst auf Zuruf oder gar nicht erwähnt worden ist. Ich würde mich freuen, wenn man an die Prüfung Herangehen könnte, ob wir vielleicht Kleinsiedelungen mit Hilfe der Wirtschaftshilfe günstig fördern könnten. , .. . Ich weiß nicht, ob es nötig war, mit der Messeirage den Landtag so extensiv zu beschäftigen. Es handelt sich weiß Gott.nicht um einen Verstoß gegen die Sonntagsruhe. Es handelt sich auch nicht um eine Frage, die eine allgemeine grundsätzliche Frage für Leipzig ist, sondern es handelt sich um eine lokal zu erörternde, rein praktisch zu betrachtende Frage, über die man sich rem intern hätte verständigen können. (Sehr richtig! rechts.) Ich möchte weiter sagen, daß eine schroffe Ab lehnung etwa im Sinne des Antrages Liebmann eine Unmöglichkeit darstellt. Ich gebe zu, daß es sich um persönliche Geschäftsinteressen einzelner Inhaber yandelt. Es handelt sich darum, daß in den großen Verkehrs- straßcn an den Tagen, wo Leipzig eine Reihe von Fremden aus ganz Europa und der ganzen Welt hat, die Stadt nicht einen toten Eindruck machen soll. Teshalb muß ich bitten, diese Frage, bei der eine grundsätzliche Differenz zwischen uns nicht besteht, nicht künstlich zu einer grundlätzlichen Differenz zu machen. Stellv. Präsident I)r. Eckardt: Es ist folgender An trag eingegangen. Ter Landtag wolle beschließen, die Regierung zu ersuchen, dafür besorgt zu sein, daß hinsichtlich der Durch- brechung der Sonntagsruhe un Leipziger Handels gewerbean denMeßsonntagenAusnahmebewilligungen künftig! den gesetzlich vorgesehenen Stellen über lassen bleiben und vor Entscheidungen die zuständigen wirtschaftlichen Verbände herangezogen werden. 1>i. Kastner, Röllig, Schmidt, Berg, Lauterbach. Abg. Boigt (D. Bp.): Wir sind, als wir unseren An trag im Haushaltausschuß stellten, vom Sinne der Neichs- versassung ausgegangen, daß der Sonntag und die staat lich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt bleiben. Es ist seit Jahren beobachtet worden, daß Bestrebungen, die nicht zu unterschätzen sind, darauf gerichtet werden, mehr als bisher an Sonntagen und Feiertagen geiverbliche Ar beit wieder einzuführen (Sehr richtig! rechts.), nament lich im Handelsgewerbe. Von einem in dieser Richtung liegenden, angenommenen Anträge wich das Wirtschafts ministerium allerdings ab, als es die Genehmigung er- tcilie, an den Frühjahrs- und Helbstmessesonntagen in Leipzig den Aadengeschäften des Einzelhandels schlecht hin die Berkaufsmöglichkeit zu gestatten. Es ist von dem Herrn Abg. Berg mit Recht darauf verwiesen worden, daß ein Teil der Leipziger Ladeninhaber am Offenhalten der Ladengeschäfte an jenen Sonntagen gar kein Interesse hat, da die Einnahmen die not wendigen Spesen nicht zu decken vermögen. Wie denken aber diejenigen, aus deren Erscheinen im Zu sammenhang mit der Leipziger Messe der größte Wert gelegt wird, abo die Messebefucher, die Messeausstellcr? Eine sicher nicht zu unterschätzende Stimme rst zu finden in der Zeitschrift für Warenhäuser vom 27. März 1927. Dort schreibt ein Aussteller, er möchte darauf auf- merksam machen, daß es für ausstellende Finnen nach teilig sei, daß am Nachmittag des ersten Messe,onntages die Leipziger Tetailgeschäfte geöffnet sind. Nun ist richtig es kann der Einzelhandel nach wie vor an die in der Reichsgewerbeordnung vorgesehenen Stellen heranlreten und Ausnahmen von der Sonntagsruhe beantragen. Das ist zunächst die Polizeibehörde und dann die Kreis- hauptmanuschast. Diese Wege sind bisher auch schon beschritten worden. Es darf nach dem augenblicklichen Stande der Gesetzgebung die Polizeibehörde 6 Sonn tage sreigeben und darüber hinaus die Kreishaupt mannschaft noch 4, also zusammen 10, womit nicht ge- lagt sein soll, daß nun Leipzig erst dann einen idealen Zustanderreicht hätte,wenn es lOAusnahmesonntageauf zuweisen hat. Ter Hinweis, es wäre doch sowieso Brauch, daß ein Teil der Aussteller in Ladengeschäften seine Waren zur Scharr stellt, daß infolgedessen Kaufwillige diese Läden betreten müssen, und daß dann doch von einem ge öffneten Ladengeschäft gesprochen werden könnte, zieht nicht, denn bisher war gelegentlich der Leipziger Messe im allgemeinen der Kleinhandel nicht geöffnet, in den letzten Jahren nur Schokoladen, und Zigarrengeschäfte, und trotzdem haben Au-steller in Ladenräumen ihre Ausstellungen vornehmen können, und wie ich mich in Leipzig selbst erkundigt habe, ist daraus niemals irgend- eine Z oietracht oder eine Kollision entstanden. Mit dem Verschwinden der ortsüblichen Jahrmärkte werden auch die Ausnahmesonntage in Dresden und also dessen Vorrang verschwinden. Des Sonntags sollte nur gearbeitet werden, was unbedingt erforderlich ist. Der stärkste Beweis, der sich gegen solche Forderungen anführen läßt, ist der: die Leipziger Messe ist ja eine sehr alte Einrichtung, und bisher ist es ohne Offen haltung der Tetailgeschäfte gegangen. Nur wäre es noch wichtig, von irgendeiner Seite zu erfahren: haben denn die Messebesucher etwa selber den Wunsch ge äußert : macht die Detailgeschäfte in der Stadt Leipzig am ersten Messe,onntag auf! Nun kann ich mich allerdings nicht gegen den Ein druck wehren, daß der Punkt 3 im vorliegenden Antrag mißverständlich sein kann, wenn davon die Rede ist, daß vie sächsische Regierung dafür bewrgt sein soll, das Osfenhalten der Einzelhandelsgeschäfte an den Messe sonntagen in Leipzig zu unterbleiben hat. Da könnte ein Außenstehender meinen, wir wären der Ansicht, die sächsische Regierung könnie den 81056 der Reichsgewerbe ordnung außer Kraft setzen. Tas könnten wir nicht durch euren Beschluß im sächsischen Landtage über den Haufen stoßen. Infolgedessen möchte ich für den vor liegenden Wortlaut unter 3 einen anderen Vorschlag machen und beantragen: Die Regierung zu ersuchen, dafür besorgt zu sein, daß die Sonntagsruhe im Leipziger Handelsgewerbe auch an den Messesonntagen gewahrt wird, Ausnahme- bewilligungen künftig den gesetzlich vorgesehenen Stellen überlassen bleiben und vor Entscheidungen die zuständigen wirtschaftlichen Verbände herangezogen werden Abg. Hi Lchmincke (komm.): Im Klassenkampf muß selbstverständlich ein bürgerlicher Minister alles tzpn, um die Interessen des Bürgertums zu wahren, und da der Herr Wirtschaftsminister ein Mitglied der Wirtschafts- Partei ist, so muß er natürlich als Mitglied einer bürger- lichen Partei in erster Linie die Interessen des Bürger- lums wahren, und zwar wird er dabei nia-t die Interessen des Mittelstandes, vor allen Dingen des kleinen Mittel standes wahren, sondern er muß und wird unbedingt, weil jetzt die Wirtschaft von dem Großkapital, von dem Großagrariertum geführt wird, die Interessen dieser fühlenden Wirtschastsgruppen wahren. Und wenn er Verordnungen erläßt, welche anscheinend den Mittelstand begünstigen, so sind das im wesentlichen kleine Mätzchen, die gemacht werden, um denMittelstand darüber hinweg zutäuschen. Es sind nun von der Wirtschaftspartei Anträge gestellt worden dahingehend, die Staatsgüter vom 1. Juli d. I. an zu verpachten. Zu welchem Zwecke sollen sie verpachtet werden ? Zu dem Zwecke, damit die Freunde der Herren Pagenstecher uno Schreiber natürlich diese Guter pachien tonnen. Und w,r können aus den Domänen-Berpachtungen m Preußen sehen, welche ungeheuren Profite die Tomänenpächter in Preußen herausgeschlagen haben aus den Domänen. Tie Domänen sind relativ billig verpachtet woiden. Es ist der ganze Besitz, das Inventar auf den Domänen sehr unterbewertet verpachtet worden. Sie Haven dann in schlechten Jahren Subventionen vom Staate verlangt, und auf diese Weise haben sie sich in kurzer Zeit bereichert. Nun will aber doch der Herr Minister einiges für den Mittelstand tun, und zwar für die Handwerker. Tie Handwerker schreien natürlich danach, daß sie die Sonntagsruhe so außeiordcntlich schädigt, und so sehen wir die Durchlöcherung dieser ersten sozialen Einrrch tung, die es rn Europa gibt. Dieser Somppg ist m der kapitalistischen Gesellschaft durchlöchert worden, weck die Kapitalisten auch Sonntags die Arbeiter aus- beutcn wollten. Auf dieser Linie liegt natürlich auch diese Verordnung bezüglich des Ofsenhaltens der Ladengeschäfte an den Messesonntagen. Es ist da unsere Meinung, daß man auch den kleinsten Versuchen, irgendwie an diesen Errungenlchafien der Arbeiterklasse zu rütteln, aufs schärfte entgegentreten muß und sich auf keine Ko upromisse darüber einlassen darf. In Eng land ist ja die Sonntagsruhe trotz des kapitalistiichen Charakters Englands so streng durchgeführt, daß es einem am Sonntag früher ganz unmöglich war, über haupt irgend etwas zu bekommen, selbst im Restaurant oder im Eafö. Wenn aber das Wirtschaftsministerium etwas für den Mittelstand tun wollte, so könnte eS schon etwas tun für die Bauern, die entschied^ rückständig sind gegen über der Landwirtschaft in Holland, Belgien Dänemark und Schweden. Das kommt durch den Hochlchutzzoll, den die Laichwirtschaft genossen hat, der nur un In teresse der Großagrarier lag, welche in erster Linie Ge treide produzierten. Wir sehen in diesen Ländern einen Bauernstand, der wirklich kulturell auf der Höhe ist, der auch wirtschaftlich wesentlich besser steht als unser Bauernstand. Das ist erreicht worden durch eine Standardisierung der Agrarprodukte. Wir haben in diesen Ländern, und das ist gefördert woroen auch von der Regierung dieser Länder, Standardwaren, Standardwaren in Butter, Standardwaren in Käse, Standardwaren in Eiern, kurz alle Agrarprodukte sind standardisiert, sind mit Marken bezeichnet. Das wäre et« Mittel, un, in Sachsen unseren Bauern, die insbesondere im Gebirge außerordentlich leiden, etwa» zu geben, die Standardisierung der Produkte der Landwirtschaft.