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- IN 8MMU Ml 6WiA stMitiq Nr. 38. zu Nr. 63 des Hauptblattes. 1927. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauße iu Dresden. Lan-taqsvtrhandl««ken. (Fortsetzung der 18. Sitzung von Donnerstag, 1«. März 1827) Abg. Härtel (Fortsetzung). Eine schnelle Behebung der Wohnungsnot würde dies zur Folge haben, und es würde damit auch eine völlige Aufhebung der Zwangswirtschaft eintreten können. Naci; allem, was ich gesagt habe, scheint eine Auf hebung der Zwangswirtschaft oder auch eine Lockerung der Zwangswirtschaft vollständig verfrüht. (Zurufe b. d. Loz: Na nu!) Nach unserer Meinung müßte die Wohnnngszwangswirtschaft gleichen Schritt halten mit einer gerechten Aufwertung. Eine Lockerung der Woh nungszwangswirtschaft könnte sich nach unserer Auf fassung höchstens auf das Wohnungsmangelgesetz be schränken. Vollständig unberührt must das Neichsmieten- geseh und das Mieterfchuhgcseh bleiben. Es wäre letzten Endes etwa zu erwägen, in den Fällen, wo große und teure Wohnungen freiwillig aufgekündigt und geräumt werden, die freie Vermietung zuzulassen. Ferner wäre unter der gleichen Voraussetzung dies auch auf die gewerblichen Räume uud Läden auszudehuen bis zu einer bestimmten Mieizinsgrenze unter Berück sichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gewerbe- rämneabmieter. Einer Erhöhung der Hauszinsßeuer können wir nicht vorbehaltlos zustimmen. Wir müssen aus dem Standpunkte bestehen bleiben, daß jede Er höhung der Hauszinssteuer den Hhpothekengläubigern zugute kommen muß. Sonst müßte unbedingt ge fordert werden, daß sie voll und ganz dem Wohnungs bau zugeführt wird. Zu den Wohuungsbauprogrammanträgen haben wir zu bemerken, daß zu prüfen ist, ob unter Zuhilfenahme von verlorenen Zuschüssen aus der produktiven Erwerbs- loscnfürsorge eine Verbilligung der Biustoffc zu er möglichen ist. Als überwundener und vollständig volkswirtschaftlicher Fehlscylag muß die Siedlung von Einfamilienhäusern bezeichnet werden (Sehr richtig! b d. Wirisch.). Wir müssen dafür eintreten, daß künftig derartig unwirtschaftliche Bauteil unterbleiben. Zn den einzelnen Anträgen behalten wir uns im übrigen unsere Stcllunguahme vor. (Zuruf b. d. komm: Zum Umfallen!) Die Verpflichtung der von der Zwangswirtschaft befreiten Grundstückseigentümer, einen entsprechend höheren Prozentsatz zur Aufwertung der Hypotheken bcrcitzustellcn, müßte gesici ert werden. Im übrigen betrachten wir die freie Wirtschaft als die Stütze des gesunden Wirtschaftslebens und müssen für deren Wiedererrichtung voll und ganz eintreten im volkswirt schaftlichen Interesse. Wir stellen uns bei allen dielen Anträgen auf deu Staudpunkt: gleiches Recht für alle! (Bravo! rechts.) Abg. Bethke (Soz.): Meine Parteifreunde stehen auf dein Standpunkte, daß an der Zwangswirtschaft des Wohnungsbaues nichts geändert werden kann, ohne daß ungehenerc Erschütterungen in der Wirtschaft die Folge sind. Deshalb werden meine Parteifreunde da gegen stimmen, daß hier irgend eine Lockerung eintritt. Nun ist durch die Erklärung der Regierung eine gewiße Perspektive auf die Umgestaltung der bestehen den Zwangsverhältnisse eröffnet worden. Wir werden die Frage, ob es möglich ist. bei den hohen Mieten, wie ja angedcutet worden ist, von einer bestimmten Grenze eine Lockerung stattfindeu zu lassen, ernstlich im Ausschuß prüfen. Wir werden zu erwägen haben, ob das nicht den Wohnungssuchenden scha det, uud vor allen Dingen, welchen Einfluß es auf die Gesamtlockerung der Wirtschaft hat. Dieselbe Stellungnahme werden wir gegenüber der angedeutetcn Lockerung der Zwangswirtschaft in Bezug auf die Ge schäftsräume ciunehmen. Im übrigen möchte ich grundsätzlich erklären, so un möglich cs gegenwärtig ist, eine Lockerung der Miet- zinswohnungen vorzunehmen, so sehr bin ich mir bewußt, daß angesichts der Lockerung im ganzen Reiche, Sachsen auf die Dauer nicht als Oase in der Wüste wird bleiben können, wenngleich cs eine besondere Stellung infolge seiner starken Industrialisierung cinnimmt. Ich habe manchmal ernstlich gefragt, ob ein Wirt schaftsproblem von dem Ausmaße, wie cs das Bau- Problem ist uud vor dem Kriege war, mit staatlichen Mitteln, wie es j-tzt immer geschieht, auf die Dauer gelost wcrdcu kann. Ich habe ganz offen das Gefühl, daß die Summe vou Werten, über die em Staat verfügt, viel zu gering ist, um eine Privatwirtschaft von solchem Ausmaße, wie sie sich vor dem Kriege dargestellt hat, zu ersetzen. Tie Hauptfrage ist nur, daß die Existenz der Ar beiterschaft an die neuen Mieten angepaßt wird. Und das ist nur möglich unter einer gewaltigen Steigerung der Löhne. (Sehr richtig! rechts.) Also auf die Dauer wird dieses Problem von Staatswegen nicht gelöst werden können. (Znruf links: Und Sie nennen sich alter Sozialist!) Diese Tinge haben überhaupt mit Sozialismus nichts zu tun. Ich komme also zu dem Ergebnis, daß wir zunächst nicht lockern können und nuht wollen und daß, soweit eine Lockerung für die teuren Lvohnungen und Wirt schaftsräume in Frage kommt, wir ernstlich prüfen werden, ob da- ohne Schaden kür die interessierten Kreise erfolgen kann. Sollte daS der Fall fein, werden wir der Lockerung zustimmen; sollten wir die Über zeugung gewinnen, daß das nicht im Interesse einer gesunden Wohnungspolitik liegt, so werden wir dem zu begegnen wissen. (Lebh. Zurufe b. d. Komm.) Damit ist die Aussprache erschöpft. Nach deu Schluß worten der Abgg Müller (Planitz) (Toz) und Renner (Komm.) erhält das Wort zu einer persön lichen Richtigstellung Abg. Dennhardt (Soz.): Ter Herr Finanzminister hat auf meine Ausführungen hin erklärt, daß im ReichS- verdingungsausschuß Arbeitervertreter sehr stark mit gewirkt hätten. Mir ist dagegen bekannt, daß Arbeit- nehmervertreter im Reichsverdinguugsausschuß nicht mitwirken und dort überhaupt nicht vertreten sind, sondern daß außer alleu Wirtschastsparteien dort nur Angestelltenvcrtrctungen anwesend sind. (Widerspruch.) Gegen die Architekten habe ich mich nur insoweit gewendet, als sie für den schabloncnmäßigen Wohnungs bau im freien Wettbewerb nicht mehr nötig sind und nur zur Erhöhuug der Unkosten beitragen. Ich werde auch in Zuknnft dafür eintreten, daß Baugenossen schaften derartig unproduktive Ausgaben zu vermeiden suchen. Gegen die Architekten in den Bauümtern der Behörden rind dergleichen habe ich mich in keiner Weise gewendet. Ich erkenne deren Tätigkeit zur Kontrolle der Durchführung guter Arbeiten durchaus an. Weiler verweise ich bezüglich der Reichsverdingnugs- ordnung auf die „Sächsische Bauzeitung", wo Herr Regierungsbaurat Müllner nachweist, daß darin jeder Willkür bei der Vergebung von Arbeiten Tür und Tor geöffnet ist, und daß daher für die Zukunft gemein- nützige und gemcinwirtschaftliche Unternehmungen ohne weiteres ausgeschlossen werden, wenn es den Herren, die die Vergebung vorzunehmeu haben, gefällt. (Abg. Großmann: Grade nmgedreht ist es!) Herr Großmann hat die Bauhütte in Leipzig mit dem Regicbaubetrieb der Stadt Leipzig verwechselt Wir treten nicht allgemein für die Regiearbeit ein. Es ist klar, daß in kleinen Gemeinden die Regiearbcit ab solut nicht dnrchführbar ist, sondern nur in großen Städten, wo es möglich ist, einen Baubetrieb dauernd zu uuterhalten und mit Arbeit zu versorge». (Zuruf rechts: Durch Zuschüsse!) Dort liegt die Regiearbeit im Interesse der Allgemeinheit und dient zur Verbilliguug der Arbeiten zur Erstellung von Wohnungen. Hierauf werden einstimmig die Anträge auf Drucksache Nr. 12,107,108,154, 53, 80 Ziff. II, 82, 124, 214 und 231 dem Recht sau sschusse, die Anträge auf Drucksache Nr. 42, 75 und 80 Ziff. I dem HaushaltauSschuß überwiesen. (Schluß der Sitzung 7 Uhr 46 Minuten nachm.) 18. Sitzung. Dienstag, 15. März 1927. Präsident Schwarz eröffnet die Sitzung 1 Uhr 6 Minuten nachmittags. Am Regierungstische Ministerpräsident Heldt, sämt- .iche Minister mit Ausnahme von vr. Kaiser und eine ^Anzahl Regierungsvertreter. Vor Eintritt in die Tagesordnung erhält zunächst das Wort zu einer Erklärung Abg. Bauer (Dnat.) Die Gemeinde Brunn bei Auerbach im VogUande hat mich gebeten, in ihrem Namen in diesem Hause folgende Erklärung abzugeben: In Nummer 27 der Landtagsbeilage zur „Sächsischen Staatszeitung" haben wir feststellen müssen, daß der Abgeordnete der Volksrechtspartei Herr Göttliug in seiner Rede Hum Etat u. a. in kritisierender Weise über unser Gemeindebad sprach. Diese Behauptungen deS Herrn Abg. Göttling ent sprechen nicht i»l geringsten den Tatsachen und sind vollkommen aus der Luft gegriffeu. Wir erachten hierin eine Irreführung der Öffentlichkeit und schil dern daher im nachfolgenden den wahren Sachverhalt. Unsere Gemeinde hat rund 1200 Einwohner und liegt in nächster Nähe der Stadt Auerbach i. Vgtl. Den Haupterwerbszweig bildet die Stickerei- und Wäschcindustrie. Diese Industrie ist in der Haupt sache als Heimindustrie vertreten. Schon seit Be endigung des Krieges setzte eine Krisis ein, die nach und nach zur völligen Lahmlegung des gesamten Industriezweiges führte. Die Folge davon war, daß der größte Teil der Arbeiter auf Erwerbslosenunter- stützuug angewiesen war. Im Herbst 1923 wurde der Höhepunkt erreicht, indem allein in unserer Gemeinde mehr als 70 Proz. der Bevölkerung aus der Erwerbslosenfürsorge unterstützt werden mußten. Diese traurige Tatsache zwang auch unser Gemeinde verordnetenkollegium. Notstandsarbeiten in Angriff zu nehmen. Mit Rücksicht darauf, daß eine Umstel lung der hiesigen Industrie undurchführbar, aber in unserer Gemeinde, die in nächster Nähe deS bekannten Bades Reiboldsgrün gelegen ist, die notwendigen Vorau-sc tzungen als Sommerfrische und Luftkurort als gegeben erschienen, kam man auf den Gedanken, ein Sommerbad mit Parkanlagen zu errichten. Bei diesem Bau haben etwa 50 bi-100Erwerbslose IV.Jahr lang lohnende Beschäftigung gefunden. Wir baden nicht nur unsere Leute, sondern auch Arbeitslose der umliegenden Gemeinden, ja sogar welche aus der 20000 Einwohner großen Stadt Auerbach beschäftigt. Der Grund und Boden wurde von einsichtigen Grund besitzern uns zur Verfügung gestellt. Unser Bad liegt sehr schön in einer Talmulde von Nadelwal dungen umgeben, hat ein strandmäßig gebautes Badebecken mit einer Wasserfläche von etwa 9000 Quadratkilometer. Infolgedessen kann es im Früh jahr und Herbst als Gondelteich eingerichtet werden. Umgeben wird das Becken auf der einen Seite von einer Waldparkanlage und auf der audereu Seite von einem Platz für Sonnenbäder, von einen: Sportplatz und einem Gartenrestaurant. Vorhanden sind drei Gebäude von Holz mit den allernotwen digsten, einfachsten Ausklelderäumen, einem Bade meisteraufenthaltsraum,einem einfachen Restaurations gebäude, sowie zwei kleinen Eingangskassenhäuschen. Wie der Herr Abg. Göttling dazu kommt, diese Anlage als Luxusbad zu bezeichnen, ist einfach un verständlich. Den von ihm besonders betonten Musikpavillon, sowie die Tanzdiele wird er vergeb lich suchen müssen. Die weitere Behauptung des Herrn Abg. Göttling, daß die Baukosten dreiviertcl Million betragen, ist vollkommen aus der Luft gegriffen: wir können ihm zur Beruhigung sagen, daß dank des Entgegenkommens der Grundbesitzer und des Umstandes, daß wir einen großen Teil der Materialien in der Inflationszeit mit entwertetem Geld gekauft haben, die gesamte Anlage nur ruud 165 000M. kostet. Wir habeu die Anlage nicht etwa um deswillen gebaut, um, wie Herr Göttling anführt, Geld zu ver schleudern, sondern um: 1. Arbeit für die große Zahl der Erwerbslosen zu schaffen nnd 2. die landschaftlich schöne Lage der Gemeinde nutz bringend zu verwerten und damit den Austakt zur weiterenEnlwicklungnnserer Gemeinde als Sommer frische zu geben. Daß damit die Gemeindevertretung nicht falsch ge rechnet hat, beweist die Tatsache, daß in letzter Zeit Grundstückskäufe getätigt wurden und die Errichtung eines Erholungsheimes bcvorsteht. Weiter erhält das Wort zu einer Erklärung Arbeitsminister Elsner: Ter Herr Abg. Lieberasch hat in der letzten Landtagssitzung behauptet, ich hätte meine amtliche Stellung dazu mißbraucht, mir eine Hypothek bei der Landesversicherungsanstalt billiger zu lerschaffen, als es anderen Schuldnern möglich gewesen ei. Ich habe sofort am Freitag veranlaßt, daß eine amtliche Auskunft der Landesversicherungsanstalt erfolgt. Diese ist heute eingegangen, uud ich will Gelegenheit nehmen, sie dem Landtage vorzutragen. Die Landes versicherungsanstalt schreibt: Das Grundstück Blatt 713 des Grundbuches für Cossebaude ist von der Landesversicherungsanstalt im Jahre 1924 mit einer erststelligen Hypothek von 10000 Goldmark zum damals für Wohnungsbaudar- lchen vom Gesamtvorstande beschlossenen Zinssatz von 12 v. H. besiehe» worde». Durch weitere Beschlüsse des Gejamtvorstandes ist der Zinssatz für alle ans- gegebenen Wohnungsbaudarleheir vom 1. Januar 1925 ab auf 8 Proz. und von: 1. Januar 1927 ab auf 6 Proz. herabgesetzt worden. Da für die auf das Grundstück deS Herrn Ministers Elsner in Cossebaude gegebene Hypothek dieselben Zinssätze eingehoben worden sind, hat eine persönliche Bevorzugung nicht stattgefunden. (Hört, hört! rechts.) Zur Bestätigung dieser amtlichen Mitteilung lege ich gleichzeitig das Schriftstück von: November 1924 auf den Tisch des Hauses nieder, damit sich die Damen und Herren des Hauses überzeugen können, daß mir auch danials diese amtliche Auskunft von der Landesversiche rungsanstalt gegeben worden ist. (Hört, hört! rechts.) Hierauf wird in die Tagesordnung eingelreten, und inErledigung von Punkt 1 und 2 werden die Einstellungen in Kap. 75 — Staatsrechnungshof — und Kap. 20 — Oberverwaltungsgericht— d.o. St. H.Pl. f.1927nach kurzen Bemerkungen der Berichterstatter ohne Aussprache einstimmig genehmigt. Punkt 3: Zweite Beratung über Kap. 57 — Ober bergamt Nnd Bergämter — des ordentlichen Staats haushaltplans für das Rechnungsjahr 1927. (Münd- sicher Bericht des Hallshaltausschusses Drucksache Nr. 208.) Der Antrag Nr. 208 lautet: Der Landtag wolle beschließen: die Einstellungen bei Kap. 57 des ordentlichen Staats- haushaltplanS für 1927 nach der Vorlage zu ge nehmigen. Berichterstatter Abg. K uuath (Wirtsch.) empfiehlt diesen Antrag deS HaushaltausschusseS zur Annahme. Abg. Herrmann (Soz.): Im Dezember 1925 wurden zur Förderung der Sicherheit im Bergwerk-betrieb« vom alten Landtage Richtlinien beschlossen, die durch- geführt werden sollten, bi- ein Reichsberaarbeiterschutz-