Volltext Seite (XML)
Streiks. Rus Mett Gebieten des deutschen Reiches kommen Mel dungen, daß die verschiedensten Gruppen der Arbeitnehmer Lohnforderungen erheben und mit Streiks drohen. Stellen- weise ist es bereits zu recht umfangreichen und bedeutsamen Arbeitseinstellungen gekommen, nachdem in den letzten Mo naten schon eine gewisse Konsolidierung und Beruhigung am Arbeitsmarkt eingetreten zu sein schien. Fast hat cs den Anschein, als stünden wir vor einer neuen großen Streik welle. Sicherlich begünstigt der Wahlkampf neue Streiks. Daneben kann man wohl alle die verzettelten kleineren und grösseren Streiks und StreUprvbrn als Proben für die kom- mrnden großen Entscheidungen auffassen. Kann es doch keinem Zweifel unterliegen, daß der letzte Kampf um die Frage des Achtstundentages und die Ratifizierung des Washingtoner Abkommens, ebenso wie der Kampf nm dis künftige Richtung der Politik des Reichsadbeitsministeriums auf dem Gebiete der Sozialpolitik und des Tarif- und Schlich tungswesens, in. Kürze auszutragen sein wird. Es fehlt un- geachtet der vielen ruhigen und objektiven Stimmen auf beiden Seiten nicht an Scharfmachenr, die durch Streiks und durch Aussperrungen die wirtschaftlichen Probleme des Ar beitsrechtes, des Arbeitseinkommens und der Arbsiterwühl- fcchrt als reine Machtfragen lösen wollen. Gerade in dem Augenblick aber, wo das deutsche Volk durch einen Wahl kampf ohnehin zerrissen und verhetzt wird, wo an seine Arbeitsleistung und Opferwilligkeit durch die Durchführung des Dawesplänes besonders starke Anforderungen gestellt werden, und wo schon die ersten Teilstreiks wieder deutlich dis verhängnisvollen Folgen für die Beteiligten und die Aussenstehenden zeigen, wo schließlich in Belgien wie in Oesterreich große Streiks das ganze Wirtschaftsleben gefähr den, sollte man unter allen Umständen versuchen, Wege zur Einigung zu finden und den radikalisierten Arbeitermassen ebenso wie einigen zu temperamentvollen UWernehmerver- tretcrn die Gefahren ihres Tuns vor Augen halten. Gerade zur rechten Zeit hat das Neichsarbeitsdlatt seine übliche Jahrssstatiftik Wer dis Streiks und Aussperrungen beendet und veröffentlicht. Diese Statistik ist nach mancher Richtung hin sehr lehrreich. Im Jahve 1923 haben danach in Deutschland 2209 Streiks oder Aussperrungen stattge- funden, von deurn 31611 Betriebs betroffen wurden. Der dculschen Wirtschaft sind dadurch über 15 000 000 Arbeitstag« oder mehr als 120 000 000 Arbeitsstunden verloren gegangen. Auf Aussperrungen entfielen aber davon nur 1,3 Millionen Arbeitstage oder 8,76 Prozent. D>s landwirtschaftlichen Arbeiter rvarsn mit 1,82 Millionen Arbeitstagen beteiligt. Gewiß bedeuten alle diese Zahlen eine Besserung gegen die letzten Jahre, denn in dem schlimmsten Streikjahre 1920 be trafen 8800 Arbeitsstreitigkeiten rund 198 000 Betriebe, und es gingen 34,3 Millionen Arbeitstage verloren. Danach ist im letzten Jahre die Zahl der Streiks und deren Umfang aus ein Viertel jenes schlimmsten Jahres schon fast gesunken, aber immer noch sind die Zahlen um mehr als das Dreifache hoher als in der Vorkriegszeit. Im laufenden Jahre waren die ersten Monats sehr mchig, und abgesehen von einigen wenigen sehr umfangreichen Streiks schon wieder den Vorkriegszeiten angeblichen? Wenn jetzt in den Kreisen der Arbeiter eine Anzahl radikaler Führer glaubt, Lurch eine neue Streikwelle dis Luz» der Arbeiterschaft verbessern zu können, wenn sie an Stelle der Politik der Negierung und der Arbeitgeber nicht Reallohnstrigerung durch Preisabbau und Mehrleistung, sondern sofortig« ziffernmäßig« Lohnerhöhung und möglichst leichte Arbeitsbedingungen verlangen, so sollen bisse Kreis« sich die Erfahrungen der Streikstatistik und der Wirtschafts geschichte der letzten 20 Jahre vor Augen halten. Bis jetzt hat sich noch immer ergeben, daß große Streikwellen preis- steigernd und lobsnshaltungverteuernd wirken. Das ist ja auch gar nicht ander» möglich, weil mit'ihnen zwangsläufig gewaltige Einbußen in der Erzeugung verbunden sind, und weil eine erfolgreiche Streikwelle fast immer inflationsLhn- liche Erscheinungen zeitigen muß. Zunächst bringt der Streik einen Ausfall an Erzeugnissen und dann ein« Mehrbelastung der Herstellungskosten, die sich in den Preisen auswirken muß. Wohl kann der Streik einer einzelnen Arbcitergrrcppe viel leicht deren Lage verbessern, aber eine allgemeine Streikwelle ist dasselbe wie die Revolution, als sie in den rrsien Monaten zur Lohnbewegung gestaltet wurde: «in Versuch, mit Gewalt jedem mehr zu geben, ohne daß mehr zu verteilen da ist. Man sollte aber etwas «Weres nicht vergessen: «ben beginnt Deutschland wieder auf den Weltmärkten in stärkerem Um fang« als Wettbewerber «nrfznkreM, Mk erst W MM Deutschland wieder als kreditfähig und als gleichberechtigten Vertragspartner anerkannt, und jeder Tag bringt Beweise, daß endlich das Zutrauen in die Leistungsfähigkeit der deut schen Wirtschaft und in die Zuverlässigkeit deutscher Firmen wieder die Oberhand gewonnen hat. Eine neue Streikwelle Sann sehr leicht dazu führen, daß das kaum gewonnene Ver trauen des Auslandes wieder erschüttert wird, daß uns also wieder Aufträge und Kredite verlorengehsn und daß damit dis Arbeitslosigkeit wieder den entsetzlichen Umfang annimmt, dessen wir uns alle noch m" ^'»»ck»n erinnern. N. Linsers Reichsbahn. Die neue deutsche Reichsbahn, unsere alte Neichseisen- Dahn, steht wieder einmal im Vordergrunds des Interesses. Mit den Gehältern ihrer leitenden Leute und den unzuläng lichen Einnahmen ihrer unteren Angestellten, mit den viel zu hohen Tarifen und dem Rätselraten über die Finanzlage beschäftigen sich die Spalten der Zeitungen aller Partei- richtungsn. Der Eisenbahnerstreik in Oester- reich mit seinen verhängnisvollen Einwirkungen auf den Reiseverkehr und das Wirtschaftsleben hat noch einmal deut lich gezeigt — was wir aus dem Frühjahr 1923 zur Geniige wissen —, wie entsetzlich für ein Volk heute ein Lisenbahner- streik sich auswirken muß und wie sehr er unbedingt als ein Verbrechen betrachtet werden muß, das Wer die Möglichkeiten und erlaubten Grenzen gewerkschaftlicher Kampfmittel hinaus- geht. Andererseits ist die Stellung des deutschen Volkes einer seits und der Nsichsbahn-Angestellten und -Beamten und der Reichsbahnarbeiter andererseits zur Reichsbahn eine wesentlich andere geworden, als die Durchfichcung Les Dawes- planes aus dec vorherigen reichseigenrn Tran Sportgemein schaft eins internationale Erwerbsgesellschüst gemacht hat. Leute muß sich der deutsche objektive Kritiker mehr denn je fragen, ob die Tarife der Reichsbahn, ob also ihre Einnahmen un- dis von ihr bewilligten Gehälter, Lohne und Material preise, also dis wesentlichen Ausgaben^ in einem tragbaren Verhältnis zur deutschen Wirtschaftslage stehen und ob sic danach zu rechtfertigen find oder ob staatliche Eingriffe in die nrvMpolHitschen Maßnahmen einer privaten Erwerbsgosell- schast gefordert werden müssen. Don Ler einen Seite ist Kritik an den Gehältern geübt worden. Was Lie Gehälter der untergrordneten Bahn- beamtsn und -arbeiter angeht, so tritt hi«: mit dem lieber- gang in die privatwirtschastliche Form und zuprivatwirtschaft- lichrn RentWilitätsforderungsn ein neuer Bkrßsiab ein: Mit steigenden Leistungen und verbesserter Organisation können steigende Gehälter gezahlt werden. Die Gehälter und die Löhne dürfen aber nur eine Höhs erreichen, die das Unter- nehinen rentabel bleiben läßt. Die Höhe dieser Löhne uW Gehälter kann sich natürlich nur aus der Gesamtheit der Leistungen an das Personal ergeben, sie muß unter dem Landesdurchschnitt bleiben, wenn Pensionsberechtigung oder sonstig« Las Unternehmen wirtschaftlich belastende Vorrechte als Leistungen an das Personal in die Wagschals fallen. Bus schlaggebend bleibt, daß die Preise und Tarifs des mit Monopolrechten ausgestaltcien Derkchrsuniernehmens für die Bürgschaft des Landes tragbar bleiben. Hier liegt -er wunde PiMtt für die NeichsLahngesellschast. Es kamc ja keinem Zweifel unterliegen, daß die Ver- b>hrs- und Persoinntarife der deutschen Reichsbahn heute trotz der Ermäßigung im Oktober noch viel zu hoch und ans dem besten Wege sind, in Gestalt eines Zusammenbruches -er Wirtschaft Lie Henn« zu schlachten, die die Eier legen soll. Bus den unzähligen Beweisen, dis sich an führen liessen, seien nur einige ku^ erwähnt. Das Verhältnis der Einnahmen aus Personen- und Gütertransport hat sich, trotzdem Ler Per- sonLnverkchr geringer ist als vor dem Kriege, gang ungeheuer zugunsten der Einnahmen aus dem Personenverkehr ver schoben, die heut« verhältnismäßig fast die Hälfte der Ein nahmen ausmachsn. Aber diese Tatsache beweist ohne west teres, wie absurd die heutige Vertercerung der Personsntarifc ist — paradox und ein besonders trauriges Kapitel in der Frage des Preisabbaues ist, daß die Hols«: Personentarife, soweit es den lokalen Personenverkehr angcht, vielfach aus dein Druck der Länder und Kommunen beruhen, dis bei einer Verbilligung der Vahntarife ihre ungeheuerlichen Straßen - und Vororidahnkarifs nicht mehr ausrcchtcrhaltcn können. — Ein zweites Moment ist, daß in einer Zeit, wo dis Wirtschaft so darnisdergelegen hat und noch Larniederliegt, daß Aus- und Einfuhr auf einen Bruchteil zurückgsgangen sind, also dis Transporftnena«« und TranLnoctMve nur »in Mini-mnn dMMen, tnMz« der W-wrm hohen Mrffe bl« Ämiahnwn der Reichsbahn so gewachsen sind, daß es ihr möglich war, aus laufenden Einnahmen nicht nur dis früheren Schulden und die laufenden Ausgaben, sondern darüber hinaus ge waltige Neuanlagen zu decken, für die man früher langfristige Anleihen ausgenommen hätte. Es ist danach verständlich, wenn aus der Wirtschaft immer erbitterter auf das wird schasts- und staatsfeindliche Verhalten der Reichsbahn hin- gewiesen wird, und es muß betont werden, daß die Reichs, dcrhnvecwal tung auch den radikalsten Gehaltsforderungen gegenüber keine stichhaltigen Ablehnung »grün de besitzt, so lange der Höhe ihrer Tarife eines der besonders orüisfreibsr.drn Moments und eines der öestverdienenden Unternehmen in dem notleidenden Deutschland ist. Es geht nicht an, sap die Reichsbahn die Reparationen bezahlh Thesaurierungspslktft tvolbt und darüber hinaus noch groß« Gewinne anrsichert, während Volk und Land dadurch zugrunde gehen. NnerikLKffchsS. Das Unterste zu oberst k«hvrn, alles auf den Kopf stellen^ das ist ein außerordentlich probates und sehr empfehlens-, wertes Mittel, um die Langeweile zu vertreiben und dem sich automatisch abhaspelndcn Leben einen neuen Geschmack ab«! zugswinn-en. Es kommt vieles Ungewohnte, abrr manchmal auch etwas Gutes dabei heraus, und nrkt diesem neuen Guten belastet, schreitet dann die Menschheit vorwärts, wie man sich pflichtschuldigst auszudrücken beliebt. Die New Porter, -es ewigen Einerleis müde — morgens Sport, dann NoAns^s, am Abend »upper und Gesellschaft —, haben dis Methode des Aufdemopfstellens angewandt und sich dadurch wieder neue Lebensfreuden Mschasfen. Man macht jetzt nicht mehr morgens sein Golfspiel, wie gewöhnliche Sterbliche das tun, sondsrn man spielt in der Nacht Golf. Dis großen Rasen- platze, die New Port für diesen Zweck hat, haben riesige Be- leuchtungsauiasen bekommen, erstrahlen jede Nacht tagcÄWl und sind von einem viel lustigeren Völkchen belebt als sonst am Vormittag. Doch was tut man nun mit der freien Feit am Morgen? Dag Verkehrteste: nmn ladet sich Gesellschaft ein — zum ersten Frühstück. Diese Sache hat sehr viels gute Seiten. Das früh« Aufstehen ist nicht so schlimm. Wenn man es eines Lanoausfluges wegen tun kann, bann man es auch einer Gesellschaft wegen tun. Außerdem sind di« Vor bereitungen für ein noch so sorgfältig zubrrsiietes erstes Früh stück längst nicht so zeitmubmd wie für ein Abendessen, uns, erfrischt vom Schlaf, können sich Gastgeber und Gäste viel mehr miteinander freuen, als wenn sie durch die Sorgen und Er müdungen Les Arbeitstages hin-uvchgegangrn sind. Wer be zweifelt das? Die vielen Vorteile einer solchen Sitte haben dazu geführt, doß auch schon in England die Ide« der Früh- siiicksgescllschast unter den Junggesellen un- Iunogssellinnsn Boden gewonnen hat. Dis ersten fröhlich und angeregt ver lebten stunden des Tages bilden eine gute Vorbereitung aus die darauffolgende Arbeit. Ein weiterer Vorteil der Früh, gesellschastsn liegt auch Larin, daß der Gastgeber nicht erst durch mehr oder weniger verstecktes Gähnen erkennen lassen muß: Geht nun nach Hause. Hier kann höchsten? brr Schmerz enisichen, daß die Gäste -u früh opsbreünm Ein Attcntotsplan xege» d«» ungarischen OrllbsverwLs-r. Nach Meldungen aus Budapest hatte dis ungarische Paalizei in Erfahrung gebracht, daß eine aus Komminnpwr bestehende organisierte Bande gegen den Rsichsverweser Horthy eis: Attentat plante. Im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit befinden sich bereits drei Personen, auf der Oberstadthauptmannschaft in Hast. Die eigentlichen Urheber befinden sich außerhalb Ungarns. Im Interest« der Unter- suchung gibt di« Polizei vorläufig keine weiteren Auf klärungen. 100 ovo M. für das UrberschwemmungsgebieL Wiesbaden. Zur Linderung der Not im Ueberschwemmungsgebict des Regierungsbezirkes Wiesbaden sind dem Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau von der Preußischen Staatsregierung 100 000 Mark zur Verfügung gestellt wordem Fepprlinvrrkthr New Jork—Lauds«. Laut einer Pariser Meldung aus Washington zieht dis amerikanische Regierung die Möglichkeit in Betracht, W. R. HI" für einen, rege!- mäßigen Luftverkehr zwischen Amerika und Europa, insbc- sondere zwischen New Bork und London, zu verwenden. AebermL auf ein» Miris-bM. . Mcchere Versimen dran-