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Ass W dir Aegl'erlmM!dung. Der Reichsaußonminister als Führer der Deutschen Dolkspartei hat den ihm gewordenen Auftrag des Neichs- prüsidenten zur Bildung einer neuen Regierung gemäß dem Ergebnis der letzten Reichstagsvuchl wieder in die Hände des Reichspräsidenten zurückgelegt. Diese Stellungnahme des Reichsaußenministers wurde bedingt durch die Erklärung der Deutschen Volkspartei, euerseits an dem Gedanken des sogenannten Bürgerblockes festzuhalten unter Ablehnung eines Wiederauflebens der sogenannten „Großen Koalition", <n unerseits durch den Beschluß des Zentrums, an keiner Re gierung sich zu beteiligen, die in ausgesprochenem Gegensatz zur Sozialdemokratie steht. Das heißt mit anderen Worten: Vis Lage ist zur Stunde ebenso bös ungeklärt wie vordem. Ob, wenn diese Feilen zu Gesicht unserer Leser kommen wer den, sich schon die Umrisse einer neuen Regierungsbildung im Reiche zeigen werden, kann man nicht wissen. Immerhin er- scheint eine baldige Klärung der nicht erfreulichen Krise mehr wünschenswert als wahrscheinlich. Ob sich das Zentrum dazu entschließen wird, mit den Demokraten und der Sozialdemo kratie zusammen eine Minderheitsregierung zu bilden, sicht im gegenwärtigen Augenblick noch nicht fest. In einem solchen Falle würden die Sozialdemokraten entweder eine Kanzler schaft vr. Wirths oder aber die Rückkehr des Reichskanzlers vr. Marx wünschen. Daß ein Sozialdemokrat den Kanzler- Posten übernimmt, erscheint vorläufig nach Lage der Dings noch fast ausgeschlossen. Die Situation kann mit jeder Stunde sirre neue Gestalt annehmen, leider ist aber verzweifelt wenig Aussicht vor handen, daß man diese neue Gestalt als eine Art gesunder Klärung wird anfprechen können. Erschwert wird diese Lösung, über die sich das Ausland, besonders Frankreich, bereits lustig macht, wesentlich durch zwei Punkte: einmal da durch, daß sich logischer Weise die beiden Hauptfronten, der Nechtsblock uns der Linksblock, geschlossen feindselig gegen- überstehen, ohne selbst über eine alleinige ausreichende Mehr heit zu verfügen, zum anderen Male dadurch, daß der ruhende Pol bei dieser Regierungsbildung im neuen Deutschland, der Reichspräsident, dem man bei der"Regierungsbildung im Mas — ob mit Recht oder Unrecht, sei dahin gestellt — einen nicht unerheblichen Einfluß zuschob, augenblicklich durch den uner- fraulichen Ma^debur^r Prozeß immerhin soweit moralisch belastet erscheint, daß sein diplomatisches Wirken in dieser Frage sicherlich stark behindert wird. Das Zentrum hat in der Sitzung der Reichstagsfraktion, die wesentlich mit zu dem Ablehnungsbeschluß des Reichsaußenminifters beitrug, festge legt, daß es sich an einer istechtskoalition schon darum nicht beteiligen könne, weil es dann gewissermaßen ein Anhängsel der Deutschnationalen und der Deutschen Bolkspartei sein würde. Ob nun aber das Zentrum bereit sein wird, ebenso einseitig nach ihrer Rechnungsaufmachung sich auf Seite der Linken zu stellen, ersä-eint immerhin recht zweifelhaft. Das Zentrum wird bei einer derartigen Politik immerhin mit einem recht starken Widerstand in seinen eigenen Reihen zu rechnen haben. Und dieser Widerstand dürste wiederum ohne jeden Zweifel ein« nicht zu unterschätzende Zuspitzung er fahren, durch die unangenehmen Begleitumstände, die der Magdeburger Prozeß in die an und für sich schon recht ge- wiiterühme re Atmosphäre getragen hat. Was nun aber auch das Zentrum tun wird — es ist jetzt das Zünglein an der Wage in des Wortes verwegenster De- deutung — so viel steht wohl zur Stunde fest: wir können uns in unseren parlamentarischen Reichsgeschäften auf eine langer«, latente Krise einrichten. Der Reichspräsident hat nun am Donnerstag vormittag den Führer der Bayrischen Bolkspartei, Leicht, und den bisherigen Reichskanzler vr. Marx als Vertreter des Zentrums empfangen. Die einzelnen Fraktionssitzungen jagen sich im Reichstage. l)r. Marx begab sich bald nach seiner Unterredung mit dem Reichspräsidenten in den Reichstag, um mit den einzelnen Parteiführern noch mals Fühlung zu nehmen. Wenn es auf der einen Seite also nicht unwahrscheinlich erscheint, daß wir nun in eine Linksregierung hineinmanövriert werden, so kann man eben so mit der Wahrscheinlichkeit rechnen, daß man bei den un sicheren Mehrheitsverhältnissen nach der Linksortentierung wieder zum Gedanken der Nechtskoalition wird zurückgreifen müssen. Keine Aussicht auf eine uns so dringend nötrge Stetigkeit, sondern nur Aussicht auf latente Krisen. Das Ausland, an der Spitze Frankreich, macht sich be reits, wie eingangs dieser Zeilen erwähnt, über diese Schwie rigkeiten bei der neuen Regierungsbildung in Deutschland weidlich lustig. Dl« Pariser Presse stellt höhnend fest, dass keine der politischen Parteien die Verantwortung für die" Uebernahme der RegierungsgLschäste übernehmen wolle. Ja sie, die Treiberin im Streit dieser Tage, schämt sich nicht, höhnend zu sagen: „Keine Partei wolle für eine Verlange- rung der Besetzung Kölns verantwortlich gemacht werden/ Und im „Gaulois" heißt es ebenfalls sehr sarkastisch: „Deutschland fehle entweder ein Diktator aus der Schul« Bismarcks oder ein Diplomat von der Art Bülows, um das schwierige Problem zu lösen. Noch sei dieser seltene Vogel nicht gefunden und es sei wenig wahrscheinlich, daß Präsident Ebert denselben entdecken werde." Wir Deutsche haben in unserer gegenwärtigen Notlage auf nationalpolitischem wie wirtschaftlichem Gebiete keine Veranlassung, uns mit diesen derben Ungehörigkeiten Frank reichs, außer einer Registrierung, weiter zu befassen; aber wir wollen doch mit aufrichtigem Bedauern feststellcn, daß es wiederum trotz der Not der Zeit nickt aelungen ist, sine äni- gende Linie der Auffassung der Dinge zu finden. Die Vergewaltigung des Deutschtums in Südtirol. Vor dem Frieden von St. Germain, als das deutsche Süd tirol noch österreichisches Kronland war, gab es in den italieni schen Gebietsteilen Südtirols eine Menge italienischer Kinder gärten, Volksschulen, Gymnasien und Lehrerbildungsanstalten mit italienischer Unterrichtssprache. Ja, sogar eine besonders italienische Rechtsfakultät errichtete man auf rein deutschem Boden. So kam man damals der nationalen Minderheit entgegen. Was aber tut der Faschismus heute, nachdem das deutsche Südtirol an Italien gefallen ist? Folgenden Auf schrei lesen wir in Nr. 93 des „Burggräflers", der in Meran erscheinenden deutschen Zeitung vom 19. November: „Wo ist, fragen wir, ein ähnliches Entgegenkommen der italienischen Regierung und Negierungskreise unserer deutschen Bevölkerung innerhalb der neuen Grenzen des Königreiches gegenüber je zu spüren gewesen? Eine eigene Universität haben wir niemals gefordert. Aber gibt es vielleicht an einer einzigen Universität Italiens Lehrkanzeln für deutsche Parallelvorlesungen für die studierenden Söhne unseres Landes? Wie würde etwa die Antwort lauten, wenn wir eine solche Forderung stellten? Wir deutsche .Bürger' des Königreichs Italien müssen ganz anderes er leben. Wir sehen die Axt an die Wurzeln unserer Mittel schulen gesetzt, unsere Lehrerbildungsanstalten vernichtet, unsere deutschen Volksschulen ausgerottet, d. h. in italieni sche umgewandelt, ja selbst die Kinderbewahranstalten und Kindergärten, in die die Kleinen geschickt werden, die erst noch wenige Laute der eigenen Muttersprache zu lallen ver mögen, zu Zerstörungs- und Vernichtungsanstalten gegen unsere Sprache und unser nationales Leben umgebaut. Unsere Lehrer, Lehrerinnen und Kindergärtnerinnen wer den stellenlos, an ihre Stelle treten volks- und sprachfremde Leute mit der Aufgabe, unsre Sprache und unser Volkstum bereits im Kindlein, im Kinde, in ver Jugend zu verdrängen und zu ersticken und durch eine Sprache zu ersetzen, die die eigenen Eltern nicht kennen und nickst verstehen. Der ita lienische Staat hat sogar die Errichtung und Erhaltung von Privatschulen mit deutscher Unterrichtssprache verboten", straft sogar deutsche Eltern, wenn sie Kinder in eine deutsche Schule auswärts schicken, wie es im Unterland geschehen ist. Und wir müssen das alles, was man uns antut, mit unseren im Schweiße unseres Angesichts hart erarbeiteten Steuer geldern selber bezahlen." Dieser Notschrei unserer deutschen Brüder reiht sich an die vielen anderen, die aus deutschen Grenzgebieten zu uns üringcn. Ueberall sehen wir das Recht der deutschen Minder heit in brutalster Weise vergewaltigt, ohne daß sich auch nur eine Stimme gegen den unerhörten Bruch des einst von Wil- son feierlichst gepriesenen Sslbstbestimmungsrechts der Völker erhebt. Vor smer neuen Marokkokrise. Kaum ist die Unheils chwangere Atmosphäre, in der sich dis ungelösten politischen Probleme bewegen, durch dis Bei legung des Zwischenfalles in Kairo von einein — so scheint es cvcnigstens — Explosivstoff besait, da leuchten schon wieder zuckende Blitze am weltpolitischen Himmel auf. Täglich hören wir durch die französische Presse von dem Rückzug der Spanier in Spanisch- Mo - okko , dLL_ei"«r völligen NiederlaW-SElLllL-alM. kommt. Allerdings wollen wir berücksichtigen, daß all diese Meldungen sicher mit einem stacken Ton französischer Presse färbung durchsetzt sind, aber so sehr auch die spanische Zensur darauf bedacht ist, die wirklichen Tatsachen zu verschleiern, dis zweifellos auf die innerpolitischen Verhältnisse in Spanien von weittragender Bedeutung werden, so ist doch kein Zweifel mehr, daß Spaniens Marokkopolitik zusam mengebrochenist. Doch nicht genug damit. Aus diesem spanischen Zusammenbruch scheint sich ein neues inter nationales Problem herauszukristallisieren, ein Problem, an dem die meisten europäischen Großmächte interessiert werden. In Frankreich steht zurzeit die Marokkofrage vor allen anderen weit im Vordergrund. War es schon auffallend, daß gerade Frankreich vom ersten Tage an über den spanischen Rückzug lang« Berichte gab, so scheint jetzt Las wahre Gesicht, das sich dahinter verbarg, hervorzukommen. Die aufstän dischen Stämme Ler Andjera bedrohen bereits Tetuan und Tanger und bilden eine große Gefahr für die spanischen Rück- zugsstraßen. Der Häuptling Abd el Krim ist Herr der Lage. Unter diesen Verhältnissen beginnt auch die Lage für Frank- reich in Französisch-Marokko bedrohlich zu werden. Die Rif- kabylsn haben in ihren Kämpfen gegen die Spanier genügend Waffen erobert, um zu einem Angriff auf Französifch-Marokko gerüstet zu sein. Die spanische Macht kann als völlig ge- brachen angesehen werden. Damit beginnt die Marokkokrise zu einer internationalen zu werden. In dem Algeciras» Abkommen und auch dem Vertrage von 1912 verpflichtete sich Spanien, die Sicherheit in Spanisch - Marokko au frecht» zuerhaltsn. Die spanische Macht scheint dazu nicht mehr im stande. Somit scheint sich die Frage zu ergeben, ob nicht dis Mächte, die das Algeciras-Abkommen unterzeichneten, zu einer Intervention schreiten müssen. In Marokko treffen namentlich die Interessen Spaniens, Frankreichs, Englands und Italiens zusammen. Vor allem ist Frankreich darauf bedacht, seine Macht in Marokko nicht sich schmälern zu lassen, ja, wenn möglich, das Gebiet, das es 1912 nur ungern Spanien überließ, wiederzuerhalten. Frankreich ist also der Hauptinteressent. Daneben könnte sich aber auch in Eng land die alte Sehnsucht nach Tanger wieder melden. Tanger liegt dem englischen Stützpunkt Gibraltar an der Meerenge gegenüber und würde als englischer Besitz von unschätzbarem Wert sein für die völlige Beherrschung der Einfahrt in das Mittelländische Meer. Italien wiederum sucht neues Kolonialland und würde vielleicht gern das Erbe Spaniens in Marokko antreten. Deutschland und Oesterreich-Ungarn haben sich durch die Friedensverträge jeglichen Rechtes in diesen Fragen begeben. Der Augenblick ist also außerordent lich günstig, eine Neuverteilung des Gebietes in Marokko vorzunehmen, und somit wird auch Frankreichs Ruf nach einer neuen Algeciras-Konferenz, in der es für seine Äachtpolitik neue Erwerbungen erstrebt, verständlich. Wir sehen hier also Probleme, die die internationale Politik ernstlich beschäftigen könnten, und wenn nicht alles täuscht, wird Marokko da« größte weltpolitische Problem der nahen Zukunft sein. vr.ÄH Oer Aufstand in Albanien. Der Aufstand in Albanien trägt den Charakter einer sorgfältig vorbereiteten Bewegung. Di« letzten Meldungen bestätigen, daß AchEö Bei Zogu die Führung des Aufstandes übernommen hat. In einen, Aufruf fordert er die Bevölke rung auf, sich dem Kampf gegen die Untersuchung an zuschließen. In der Gegend von Tirana spielt« sich ein heftiger Kampf ab. Die Regierungstrupven haben sich auf Tirana zurückgezogen, das von Norden her von den Truppenabtei- lungen Zena Beis bedroht wird, die bereits den Ort Kroea, 20 Kilometer von Tirana entfernt, besetzt haben. Die letzten Nachrichten aus Albanien besagen, daß die Aufstands- bewegung siegreich fortschreitet. Wie verlautet, seien der Finanzminister und der Ministerpräsident aus Tirana, dessen Kapitulation als unmittelbar bevorstehend angesehen werde, M üchütt,, .. Oeutschittuos Enttechtmig. Im Januar des IcruflnLLn Jahres war zwischen der deut schen Regierung und der Pepko eine Metnungsverschiedeuheii über dis Auslegung des Artikels 200 des Versailler Vertrages entstanden, der nach Auffassung der Repro bestimmt, daß dir deutschen Interessen im Auslande und in den früheren deutschen Kolonien auf sie übertragen werden. Die deutsch- Regierung vertrat den entgegengesetzten