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schwärmen, anbringen lassen. Auch das hellste Licht und die stärksten Farben sammelt er auf diese Stelle des Gemäldes, der er die breiten Schiffsrümpfe und hohen Masten der anderen Segler gerne als fein silhouettierten Dunkelkon trast mit wenigen Farbakzenten gegenüberstellt. Der vorderste Grund wird nach alter Weise als dunkelste Stelle behandelt und mit einem kleinen Boot oder mit Strandfischern belebt, die sich schwärzlich vom helleren Meer ab heben und ebenso wie die raumüberspannenden Wolken den Zug in die Tiefe veranschaulichen. Solche Vordergrundfiguren hat ihm meistens, und wohl auch hier, sein Bruder Adriaen in das Bild gemalt. Ein anderer Schüler Simon de Vliegers, der reiche Amsterdamer Industrielle Jan van de Capelle (1624-1679), der aus reiner Freude am Bildermaien zwischen 1649 und 1660 Seestücke und Flußbilder geschaffen hat, übertrifft ihn und die anderen berufsmäßigen Seemaler oft an Feinheit und Zartheit der Stimmung. PAULUS POTTER (vor dem 20. XL 1625 bis vor dem 17. I. 1654). Aus Enk- huizen, weit nördlich von Amsterdam am Westufer der Zuidersee gelegen, stammt einer der bedeutendsten hol ländischen Spezialisten, ein Maler der Viehherden und Viehweiden, der frühreife und frühvollendete Paulus Potter. Seine erste Ausbil dung erhielt er in der Werk- stattseinesVaters, des Genre- und Stillebenmalers Pieter Potter, der sich 1631 in Am sterdam niederließ; wem er seine weitere Schulung zu danken hat, ist umstritten. 1646 wird er Mitglied der Künstlergilde in Delft, 1649 zieht er nach dem Haag und 1652 nach Amsterdam, wo er zwei Jahre später stirbt. Potters erste Arbeiten sind Bilder des heimatlichen Flachlandes, der fetten Wie sen und Weideplätze, deren Tier- und Menschenstaffage manchmal durch eine bi blische Legende, später auch wohl durch ein mytholo gisches Thema motiviert wird. Aber schon bald lenkt er alle seine Kräfte auf die Beobachtung und Darstellung der Tierwelt, vor allem der Haustiere. Fleißig und sorgfältig zeichnet und malt er ohne den Ehrgeiz, malerische Wirkungen zu erzielen, Rinder und Pferde, Schafe, Ziegen und Schweine, und indem er sich ganz in das Eigenleben und die Eigenart dieser gutmütigen, behäbi gen und nützlichen Geschöpfe vertieft, wird er geradezu „Tierporträtist“. Die peinliche Genauigkeit, die sich in der naturgetreuen Wiedergabe aller Einzelheiten, der Felle und Häute, der Blätter und Gräser, nicht genug tun kann, nimmt dem Künstler nicht selten den Blick für die Gesamtkompo sition. Die Grenzen seines Könnens zeigen sich allemal, wenn er sich an roße Formate wagt, menschliche Figuren einbezieht, wilde Tiere oder agdszenen darstellt. Selbst sein berühmtestes Bild, das 31/2 m breite Ge mälde „Der junge Stier“ von 1647 im Haag, das er als 22jähriger malt, ist im Aufbau mißlungen, so viel Bewunderung die prächtige Wiedergabe des kraftstrotzenden Tiers und der weiten Ebene mit dem Gewittersturm auch verdienen mag. Potters reifste Schöpfungen sind seine kleinen, einfach ge haltenen Arbeiten, namentlich die reinen Tierbilder. Das hier wieder gegebene Gemälde „Stier und Kühe“ von 1649 im Berliner Museum (23X 29 cm) ist ein Musterbeispiel seiner schlichten und ehrlichen Art. Der trotz der Kleinheit des Bildes monumental wirkende Stier hebt sich pracht voll von der leuchtenden Wolke ab, während die Landschaft nur angedeutet ist. Außer Adriaen van de Velde ist Potters vollendeter Tiermalerei nur einer nahe gekommen, der vielseitige Dordrechter Aelbert Cuijp (1620-1691). PHILIPS WOUWERMAN (vor dem 24. V. 1619 bis 19. V. 1668). Zu einem der fruchtbarsten und vielseitigsten „Figurenlandschafter“ Hollands entwickelt sich Philips Wouwerman, ein Haarlemer, der mit seinen beiden Brüdern Jan und Pieter die erste Ausbildung durch seinen Vater Paulus Joosten Wouwerman erhalten hat und 1638/39 in Hamburg bei einem un bedeutenden Meister tätig gewesen ist. 1640 tritt er als Meister in die Haar lemer Lukas-Gilde ein, doch scheint er auch kurze Zeit in Italien und Frank reich gewesen zu sein, bevor er sich in Haarlem dauernd niedergelassen hat. Allein 60 von seinen ungefähr 700 Gemälden besitzt die Dresdener Galerie. Wouwerman beginnt mit schlichten Darstellungen der heimischen Natur, mit Dünenwegen, winter lichen Dorfszenerien, ein fach gehaltenen Tierstücken, mit Halteplätzen vor Wirts häusern, aus denen ein fri scher Trunk gebracht wird, und Bildern vom Ausritt zur Jagd, landschaftlichen Ge mälden also, in denen das Figürliche zunächst nur Staf fage ist. Die Komposition wird allmählich bereichert, und an die Stelle tief bräun licher Färbung tritt in der reifen Zeit der fünfziger Jahre, der seine besten Wer ke angehören, ein feiner Sil berton, aus dem die Lokal farben kräftig hervorleuch ten. Von nun an entstehen in unabsehbarer Folge jene fi gurenreichen, immer neu artig erdachten und geistvoll durchgebildeten Szenen, in denen der Künstlervom krie gerischen und friedlichen Leben seiner Zeit anschau lich und unterhaltsam wie kein anderer erzählt. Wou werman malt packende Bil der aus dem Soldaten-, Rei ter- und Reiseleben, Reiter schlachten und Überfälle, Plünderungen und Zwei kämpfe, Zeltlager und Mar ketenderbuden, Pferdeschwemmen und Gasthofställe. In ihnen wird die sturmvolle Zeit des Dreißigjährigen Krieges, die er miterlebt hat, lebendig. Aber auch wenn er unkriegerische Themen behandelt, wenn er die Feld arbeit des Landmannes, Schmieden und Märkte, Erntefeste und Volks belustigungen, Landpartien, Jagdgesellschaften und Reitschulen vorführt, erweist er sich stets als glänzender Beobachter und fesselnder Gestalter, als feinsinniger Landschaftsmaler und als Farbenkünstler von sehr hohem Rang. Als Probe seines Schaffens reproduzieren wir die Berliner „Jagd gesellschaft am Fluß“ (35X39 cm). Vornehm gekleidete Reitersleute, dar unter wie fast immer einer auf einem prächtigen Apfelschimmel, haben nach lustiger Falkenbeize haltgemacht, um kurz zu rasten und die Pferde zu tränken. Braunhäutige Knaben baden im Flüßchen, das von einer italienischen Brücke überspannt wird. Italienisch ist auch der übrige Charakter der Landschaft, der Fernblick links über ein leicht gewelltes Ge lände und die impressionistisch gemalte Ortschaft im Durchblick des Brückenbogens. Die diagonale Anordnung im Vordergrund wird von den Wolken aufgenommen und bis in die obere Bildecke fortgeführt. Schon in diesem reizvollen Bilde, noch merklicher aber in Wouwermans Spät werken kündigt sich der Übergang zum leicht beschwingten Rokoko an. Paulus Potter: Stier und Kühe. Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum