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Adriaen van de Velde: Flache Flußlandschaft. Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum Ferne schwimmende Schiffchen, die Brandungswellen und der vom Bild rand angeschnittene Balken links vorne, auf dem Flußbild die Uferlinien des sich windenden Wasserlaufes, die Reihung der Häuser und Bäume und der Pferde und Schafe. Selbst die langen Morgenschatten der weiden den Tiere, der Krabbenfischer und der Spaziergänger aus der Stadt, die ihren Wagen durch die Brandung schicken, tragen zur Verstärkung des Eindrucks einer unbegrenzten Weite bei. Die Frei lichtmalerei der niederländischen Künstler des 19. Jahrhunderts hat an diese fast porträthaft anmutende Landschaftskunst Adriaen van de Veldes wieder angeknüpft. WILLEM VAN DE VELDE D. J. (vor dem 18. XII. 1633 bis 6. IV. 1707). Bei einer Nation, die durch ihre Lage am Meerauf Fischerei und Seehandel angewiesen war, und in einer Zeit, da das religiöse Bild nicht mehr viel galt, erfreuten sich naturgemäß Dar stellungen wie die „Seestücke“ oder „Marinen“ solcher Beliebtheit, daß sich ein ausgedehntes Spezialistentum auf diesem Gebiet ent wickeln konnte. Schon Pieter Bruegel d. Ä. hatte den Meeres sturm geschildert, aber erst die Meister des 17. Jahrhunderts, die nicht mehr das Außergewöhnliche einer sturmgepeitschten See suchen, sondern die Wirklichkeit der täglichen Umgebung ab schildern, entdecken die Stimmung, die sich über glatten oder leicht bewegten Meeresspiegel, über Brandungswellen am seichten Strand, auf breite Strommündungen und auf grünumsäumte Fluß- und Kanallandschaften breitet, den atmosphärischen Dunst, der Himmel und Wasser in zarte Schleier hüllt und die Lokalfarben dämpft. Einem der feinsinnigsten Schilderer solcher Landschaften, dem aus Rotterdam stammenden Simon de Vlieger (1601-1653), der seit 1638 in Amsterdam und dem nahen Weesp eine reiche Tätigkeit entfaltet, gibt der ältere Willem van de Velde um 1650 seinen gleichnamigen Sohn in die Lehre, nachdem er ihm genaueste maritime Kenntnisse selber beigebracht hat. Willem van de Velde d. J. ist in Leiden geboren worden, kommt aber schon als Kind nach Amsterdam, wohin er auch nach seiner Lehrzeit in Weesp zurückkehrt. Zugleich mit seinem Vater ist er von 1672/73 ab in England, zuerst in Greenwich, dann bis zu sei nem Lebensende in London. Beide zeichnen oder malen in könig lichem Dienst die Jachten des Königs und die Fregatten der Kriegs marine sowie für die Reeder die Porträts ihrer Kauffahrteischiffe. Aber während Willem d.Ä. peinlich genau alle Einzelheiten der Seefahr zeuge, ihre Takelung und ihre Deckaufbauten abzeichnet, ist Willem d. J., auch wenn er die Feder zur Hand nimmt, auf malerische Wir kung bedacht; mit wenigen kurzen Strichen und andeutenden Punkten vermag er in seinen Zeichnungen mehr Wirklichkeit hervorzubrin gen als der Vater mit seiner sauberen Strich führung. Sorgfältig ist auch der Sohn in der Wiedergabe des Baues und der Besonderheit eines Schiffstypus, aber stärker interessiert es ihn, in seinen Gemälden das Meer, den weiten Blick über die unendliche Wasserfläche, die Feuchtigkeit der Luft, den Wechsel der Tages zeiten, das Spielen des Lichts, das Blinken der Wellen, die Spiegelung der Schiffe und die leb haften Farben leuchtender Segel und bunter Fahnen zu schildern. Unser Berliner Bild „Der Salutschuß“ (0,86X 1,00 m), das, 1666 gemalt, der besten Zeit des Meisters angehört, zeigt seine Art deutlich. Er hat kein klar erkenn bares Bildschema, nach dem er die Fläche auf teilt, aber er liebt es, wie hier den Blick auf eine Seite zu leiten, ein einzelnes Schiff durch seine Größe im Bildraum und durch die farbige Be handlung gegenüber den anderen hervorzu heben. Die briggartige Fregatte hier wird in ziemlicher Nahsicht gegeben, so daß sich be ¬ lebende Einzelheiten, wie das Reffen eines Segels, das Aufentern der Matrosen, das Lösen eines Schusses mit gewaltigem Pulverdampf, kunstvolle Schnitze reien am Heck und geschäftiges Treiben auf Booten, die das Fahrzeug um- Willem van de Velde d.J.: Der Salutschuß. Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum