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Adriaen van Ostade: Bauerngesellschaft. Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum „Bauerngesellschaft" (35X43 cm), das etwa 1647 entstanden sein mag, hat sich das in den Gemälden der dreißiger Jahre undurchdringlich gewordene Raumdunkel bereits gelichtet, der Raum selbst sich geweitet, die Figuren sind biederer ge worden und verteilen sich mehr und tiefer in der Scheune, die allerdings noch immer viel Gerümpel aufweist. Ein von Rot gewärmter brauner Einheitston umgibt die Gruppe der ramsnäsigen Bauern am Tisch, die ihre Karten beiseite ge schoben haben und einem herumziehenden Flötenspieler zuhören. In dem feinen, jetzt von Rembrandt beeinflußten Helldunkel der durchleuchteten Raumschatten gewahren wir drei Männer am Kamin und einen anderen, der eine kleine Treppe hinauftapst. In den fünfziger Jahren wird Ostade in sorgfältig durchgearbeiteten Bildern farbiger, während im nächsten Jahrzehnt das Helldunkel die Farben zugunsten des braunen, aber kühleren Gesamttons wieder aufsaugt und in den letzten Werken sich eine gleichmäßige bunte Helligkeit über das ganze Bild breitet. Aus den spelunkenhaften Schen ken sind inzwischen heimelige Wirtsstuben mit ordentlicher Gaststubeneinrichtung und Butzenscheiben geworden, und die entrümpelten Wohnräume haben anständige Möbel er halten. Selbst vornehme Bürgersleute werden geschildert und in zahllosen Halbfigurenbildern städtische Berufe dargestellt, schließlich malt der Meister auch das eine oder andere Por trät und Gruppenbildnis. Das religiöse Bild dagegen ist fast ganz aus dem Interessenkreis der Maler und Käufer ge schwunden; wenn es ein- oder zweimal auch bei Ostade auf taucht („Verkündigung an die Hirten“, vierziger Jahre, Braunschweig; „Anbetung der Hirten“, 1667, Privatbesitz in London), so hat es den traulichen Charakter einer hollän dischen Dorflandschaft oder einer bäuerlichen Wohnzimmer szene, und seine Figuren sind einfache, biedere Dorfleute. Eindhoven (Nordbrabant) eingewanderten Kleinbür gers geboren. Um 1627 mag er als Schüler zu Frans Hals gekommen sein und etwa gleichzeitig auch Adriaen Brouwer kennengelernt haben. 1634 tritt er in die hei mische Lukas-Gilde ein, in der er später Ehrenämter übernimmt, 1638 heiratet er, 1642 wird er Witwer, und 1657 geht er mit einer wohlhabenden Amsterdamer Bürgerstochter eine zweite Ehe ein. Er ist ungemein fleißig bis ins hohe Alter hinein und gelangt schließlich zu Wohlstand; an die goo-iooo meist signierte und oft datierte Gemälde haben sich nachweisen lassen, und dazu kommen noch zahlreiche Zeichnungen, Aquarelle und 50 Radierungen. Sein früh verstorbener, sehr viel jüngerer Bruder Isack (1622-1649), der sein Schüler war, hat etwa dieselben Motive gemalt wie er, mit Vor liebe aber Szenen im Freien, vor einem Bauern- oder Wirtshaus, an dem ein Reiter oder ein Fuhrwerk mit einem Schimmel haltmacht. Adriaen beginnt mit kühlen, blaßfarbenen Bildern - das früheste Datum, 1631, findet sich auf einem „Bauern- interieur" im Louvre -, in denen sich wie in Brouwers Gemälden derbe, häufig gnomenhaft häßliche Bauern tölpisch oder rüpelig bewegen, saufen, raufen, rauchen, tanzen und torkeln; schlampige Weiber, greisenhafte Kinder, struppige Köter erhöhen den Lärm, und ärm liches, brüchiges Mobiliar, meist Fässer und aus rohen Latten gezimmerte Bänke und Tische, vervollständigen die malerische Unordnung. Ein anfangs unruhiges, später gesammeltes Licht aus unsichtbarer Quelle be leuchtet die Figuren und läßt den Raum nach den Rändern zu dunkler werden. Das Flämisch-Derbe weicht dann einer gemütvolleren Auffassung, die dem Holländer mehr hegt. Auf unserem Berliner Bild Jan Steen: Heiratsvertrag. Braunschweig, Museum