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Nicolaes Maes: Alte Frau beim Äpfelschälen. Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum dam gekommen und hier um 1640/41 zu Rembrandt in Beziehung getreten, wahrscheinlich als sein Schüler. Man kennt nur eine kleine Anzahl Werke von seiner Hand und weiß auch sonst sehr wenig von ihm. Immerhin er fährt man, daß er schon 1643 in Amsterdam Witwer ist, 1650 in Delft eine neue Ehe eingeht, 1652 als Ortsfremder in die Delfter Lukas-Gilde auf genommen wird und daß er Hofmaler des zeitweilig in Delft residierenden Prinzen von Oranien gewesen ist, und schließlich noch einiges über Zah lungsschwierigkeiten. Bei der Explosion der Delfter Pulvermühle hat er im Alter von 32 Jahren zusammen mit einem Schüler den Tod gefunden, wäh rend er gerade ein Bildnis malte. Außer seinem Hauptwerk, einer perspek tivischen Stadtansicht als Wanddekoration für ein Delfter Gelehrtenhaus, von der das Bildchen „Musikalienhändler vor seinem Straßenladen“ (1652; London) eine Vorstellung geben kann, sind gewiß auch andere Arbeiten von ihm unter den Trümmern begraben worden; ein großes Familienbild verbrannte überdies 1864 in Rotterdam. Die ihm einst zugeschriebene stim mungsvolle biblische Szene „Der blinde Tobias mit seiner Frau“ (Innsbruck, Ferdinandeum) gilt heute als Werk des Bruders. Seine Bildnisse zeigen eine von Rembrandt abweichende Porträtauffassung, denn Fabritius stellt seine Personen dunkel vor leuchtenden Grund. Vor heller Wand steht auch auf dem eigenartigen kleinen Gemälde „Der Distelfink“ (1654; Haag) der an gebundene Vogel auf seinem braunen Kasten, auf dem er seine noch heute in Holland beliebten Kunststücke ausführen soll, um seine Intelligenz zu beweisen. Das gleiche Kennzeichen weist auch der wiedergegebene „Tor wächter“ in Schwerin (68 X 58 cm) auf, der ebenfalls im Todesjahr des Künst lers entstanden ist. Fabritius wählt ein einfachstes Motiv: einen Winkel am Tore, ganz willkürlich ausgeschnitten, so daß sogar das Torrelief und die Wachtstubentür nur halb sichtbar werden, ein Spitzweg-Motiv, wie es sich nicht biedermeierlicher denken läßt. In diesem stillen Gassenwinkel, dessen malerisch verputztes Mauerwerk im Sonnenglanz eines späten Nachmittags farbig aufleuchtet, sitzt der Wachtposten, ausruhend und lässig der Musketen reinigung hingegeben. Diese köstliche Malerei sucht nicht große Wirkung' zu erzielen oder die Vorstellung von der Größe des Menschen zu erhöhen, sie erlebt die Welt vielmehr passiv, impressionistisch und genießerisch als schöne Augenweide und schwelgt im Entdecken verborgener Schönheit des Alltags. ADRIAEN VAN OSTADE (vor dem 10.XII. 1610 bis vor dem 2.V. 1684). In Haarlem findet sich gegen Ende des dritten Jahrzehnts des 17. Jahr hunderts unter den Augen des großen Frans Hals und unter Führung seines Bruders Dirk Hals (1591-1656) eine Gruppe von Künstlern zusammen, die das „Gesellschaftsstück“ pflegen. Ihre meist kleinfigurigen Gemälde schil dern den gehobenen Bürgerstand bei geselliger Unterhaltung mit hübschen Frauen. Der Schauplatz ist seltener die Bürgerwohnung als der Salon eines Hauses, dessen weibliche Insassen auf den Zuspruch reicher Kaufleute oder eleganter Offiziere rechnen. Unter dem Einfluß des einige Zeit in Haarlem weilenden Flamen Adriaen Brouwer (vgl. S. 63), der auch mit Frans Hals in Beziehung tritt, blüht daneben das „Bauernstück“ auf, das den Landmann nicht bei der Feldarbeit oder harmlosen Vergnügungen aufsucht, wie das einst in den Heimatschilderungen Pieter Bruegels geschah, sondern meist als heruntergekommenes Pack in wüsten Szenen der Lächerlichkeit preisgibt. Der bedeutendste holländische Vertreter dieses Genres ist der Haarlemer Adriaen van Ostade. Bei dem Holländer, dessen Dörfler nie ganz so gar stig sind wie bei seinem Vorbild, werden bei wachsendem Wohlstand des holländischen Bürger- und Bauerntums um die Jahrhundertwende die Land leute allmählich gesitteter, die Räume, in denen sie leben, wohnlicher. Von der karikierenden Darstellung wendet sich Ostade alsbald zur objektiv beobachtenden Sittenschilderung. Adriaen van Ostade ist seiner Heimatstadt Haarlem zeitlebens treu geblie ben. Hier wurde er als das dritte Kind eines aus Ostade nahe der Weberstadt Carel Fabritius: Torwächter. Schwerin, Museum 79