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Frans Snyders: Stilleben mit Wildbret. München, Pinakothek bedeutendste flämische Spezialist dieser beiden Gattungen, nur selten. Unter den übrigen Meistern, die sich den beiden Sondergebieten widmen, ist nur einer, der sich mit Snyders messen kann: Jan Fyt (1611-1661); er über trifft ihn manchmal in Bildern bescheidenen Umfangs, wie dem tonigen Berliner Gemälde „Tote Vögel“. Der in Antwerpen geborene Snyders war um 1592/93 bei Pieter Bruegel d. J., dann bei Hendrik van Baien (1575-1632), dem späteren Lehrer van Dycks, in die Lehre gegangen und ist, nachdem er 1602 Meister geworden, bis 1608 in Italien gewesen. Wieder in Antwerpen, heiratet er eine Schwester des Cornelis de Vos. Mehr als von seinen Lehrherren hat er indessen von Jan Bruegel d. Ä. (1568-1625) gelernt, den wir als. Freund und Mitarbeiter des Rubens bereits erwähnt haben. Am meisten aber verdankt er Rubens selber, der ihn seit etwa 1613 für Blumen, Früchte und Tiere gerne und oft heranzieht. So malt Snyders in den „Prometheus“ des Meisters (um 1613) den prachtvollen Adler hinein und führt im „Früchtekranz“ (um 1615/16) und in der „Heimkehr der Diana von der Jagd“ (um 1619) die Früchte und Blumen sowie die Jagdbeute und Hunde aus, wobei er sich dem großen Landsmann in williger Unterordnung verständnisvoll anpaßt. Vor allem aber ist dem Meister die Mitarbeit des Spezialisten bei seinen Jagdbildern wert voll. Ebenso hilft der Große auch dem Kleinen, mindestens mit Ratschlägen. In der gleichen Weise hat Snyders mit Jordaens, van Dyck und vielen klei neren Meistern zusammen gearbeitet, die seine Geschicklichkeit gerne be nutzen und ihm Gegendienste leisten. Als Probe seines Könnens bringen wir das Münchener „Stilleben mit Wild bret“ (1,35X2,01 m), eines der großartigen Prachtstücke, mit denen sich die eßfrohen flämischen Bürger die Speisezimmer ausstatteten. Snyders hat in solchen umfangreichen Tafeln den Dekorationsstil des Manierismus noch nicht überwunden. Er verteilt die Leckerbissen in großer Aufmachung über die ganze Bildfläche, begnügt sich oft'nicht mit der Ausbreitung der Nah rungsmittel auf einem langen Tisch wie hier, sondern behängt auch gerne noch die Wände mit Geflügel oder aufgereihten Fischen. Auch auf unserem Bilde schichtet er mehrere Eßwaren übereinander und stopft selbst in die Lücken noch einiges hinein. Unter der Decke des Tisches lugt überdies schnuppernd ein Hund hervor, rechts kommt eine Katze lüstern herange schlichen, und links bewegt sich, dicht vor dem Knaben, ein Hühnerpaar. Auch in den toten Gegenständen zeigt sich das Bestreben, recht lebhaft zu wirken, nicht nur in dem aufgesperr ten Wildschweinsrachen, den gespreizten Reh beinen und dem Weingerank, sondern auch in der Verteilung der Farben, die das ganze Bild in starke Aktion setzen. Immerhin zeigt sich ge rade bei diesem Münchener Gemälde schon et was von der Konzentration, die im Barock auch in dieser Bildgattung das Nebeneinander ver drängt; denn nach den Rändern hin nimmt die Buntheit ab, und der Blick wird auf die Mitte mit dem rotleuchtenden Hummer und der weiß blauen Delfter Fayenceschale gesammelt. Wenn Snyders sich in kleineren Bildern, wie beispiels weise dem „Stilleben mit gerupften Hühnern, Tonschüsseln und Spargein“ in Mannheim, auf wenige kulinarische Dinge beschränkt, erreicht er bei aller Farbenpracht eine viel geschlossenere Wirkung. In den dramatisch auf den Endkampf zugespitzten Tier- und Jagdbildern, bei denen er auf menschliche Figuren verzichtet, wird da gegen seine Schwerfälligkeit und übertriebene Pathetik gelegentlich störend bemerkbar; am besten gelingen ihm Hahnenkämpfe, von denen das Berliner Museum ein ausgezeichnetes frühes Bild von 1615 besitzt. CORNELIS DE VOS (um 1585^9.^1651). Der tüchtigste Vertreter der flämischen Porträt malerei nächst Rubens und van Dyck ist Cor nelis de Vos, der aus Hulst bei Antwerpen stammt. Er ist bei einem unbedeutenden Antwerpener Künstler in die Lehre gegangen und 1608 als Meister in die Lukas-Gilde in Antwerpen aufgenommen worden. Dem Alter nach steht er zwischen den beiden Großen, erscheint aber im Vergleich mit ihnen noch ziemlich altertümlich, zuweilen sogar nüchtern und trocken und einigermaßen hilf los, wenn er sich an Aufgaben wagt, die ihm nicht liegen. Aber dem ge wissenhaft arbeitenden Maler, der die Errungenschaften der weltmänni schen Meister nach bestem Vermögen seiner bürgerlichen Kunst nutzbar zu machen sucht, gelingen ein paar vorzügliche Leistungen, die seine Be liebtheit erklären. Im Anschluß an Rubens, der die ihm nicht genehmen Porträtbesteller oft an de Vos weiter verweist, malt er 1615-1620 mehrere Familienbildnisse, deren bekanntestes, „Die Familie von Hutten“ in der Münchener Pinakothek, einen vornehmen, adligen Herrn mit seiner Ge mahlin und drei kleinen Töchtern im Festtagsstaat zeigt. Einem im Barock vielgebrauchten Schema folgend, bilden eine Säulenarchitektur, ein pomp haft gebauschter Vorhang und dahinter eine weite Parklandschaft mit stol zem Schloß den Abschluß der Komposition, die allerdings durch die klein liche Art der zeichnerischen Durchbildung etwas steifund gezwungen wirkt. Aus der stattlichen Reihe der Einzelporträts, die in den folgenden Jahren entstehen, ragt das um 1620 gemalte Bildnis des bärbeißigen Abraham Gra- phaeus in Antwerpen hervor, das ein ganzes Lebensschicksal verrät. Pracht voll wie die Erfassung der Physiognomie ist die Wiedergabe der kostbaren Tafelgeräte, die der Alte, ein gescheiterter Maler, als Hausmeister der Lukas- Gilde zu betreuen hat. Reizvoller als die Herren- und Damenporträts sind indessen die Kinderbild nisse, in denen sich Rubens’ belebender Einfluß am stärksten bemerkbar macht. Sobald de Vos die Kleinen malt - das zeigt sich schon in den Familien bildern -, streift er alle Schwerfälligkeit ab, beginnt er eine freie und natür liche Sprache zu sprechen. Voran stehen die Kinderporträts in Londoner Privatbesitz, im Städelschen Institut in Frankfurt a. M. (1627) und im Hannoverschen Provinzialmuseum (1633), das Meisterwerk aber ist un streitig das hier wiedergegebene um 1627 entstandene Bild „Die Töchter des Künstlers“ (78x92 cm) im Berliner Museum. Mit welcher Liebe und Sorgfalt sind diese kleinen Damen in ihren vornehmen metallisch glänzen den Kostümen gemalt, mit welchem Verständnis ist ihr unschuldiges Wesen