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Jacob Jordaens: „Wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen.“ Paris, Louvre zuweilen unter Beihilfe bedeutender Künstler, wie Frans Snyders und Jan Fyt, bewältigt. Der Wohl stand, der ihm hieraus erwächst, erlaubt ihm, schon 1618 in Antwerpen ein Haus und nach zwanzig Jahren mehrere Grundstücke zu erwerben, auf denen er sich Wohnhaus und Arbeitsstätte in präch tigen Barockformen erbaut. Mit Decken- und W and- dekorationen, die sich zum Teil erhalten haben, hat er sein Heim selber ausgeschmückt. Im Jahre 1615 wird Jordaens als Wasserfarben maler in die Lukas-Gilde aufgenommen. Seine frühesten Arbeiten dürften mit Wasserfarben auf Leinwand gemalte Darstellungen, die an Stelle der teureren Wandteppiche als Wandbehänge verwen det wurden, und Vorlagen für Teppichweber ge wesen sein; spätere Teppichkartens haben sich er halten. Die ersten datierbaren Gemälde sind die „Kreuzigung“ von 1617 in der Paulskirche zu Ant werpen und die ein Jahr später gemalte lebens wahre „Anbetung der Hirten“, ein Halbfiguren bild, das heute das Stockholmer Museum bewahrt. Selbständiger als in diesen und anderen religiösen Gemälden erscheint er jedoch in dem Familienbild von 1622 (Madrid), auf dem er sich mit seiner jungen Frau, seinem Töchterchen und einer Dienst magd dargestellt hat, sowie in mehreren mytho logischen Szenen und Allegorien, die er gern mit geringen Abweichungen wiederholt. Ein Muster beispiel dieser Art ist das frühe Bild „Satyr und Bauer“ (in Antwerpener Privatbesitz, ferner in den Museen von Kassel, München u. a.), in dem er Äsops Fabel vom Landmann, der warm und kalt bläst, nacherzählt. Diese Szene weiß er immer wie der amüsant zu gestalten. Der Satyr, ein echter Waldschratt mit Bocksfüßen und Teufelshörnchen, den der Bauer an seine Tafel geladen hat, legt belustigt, entrüstet oder erbost seinen Löffel weg, weil sein unheimlicher Gastgeber, der jetzt mit unglaublich dümmlichem Gesicht dasitzt und seine Suppe kalt bläst, vorhin erst mit demselben Atem seine frierenden Hände warm geblasen hat. Fast alle diese Darstellungen und andere Szenen aus der antiken Mythologie sind im Grunde nur Vorwände, um die kraftvollen und üppigen Leiber flämischer Männer und Frauen in dichtgedrängter Fülle und überschäumender Daseinslust vorzuführen. Größere Volkstümlichkeit als diese Szenenbilder hat eine andere Gemälde gruppe des Meisters erlangt, seine ohne mythologische oder biblische An spielungen seit 1628 geschaffenen Sittenbilder, Schilderungen ausgelassener, eß- und trinkfroher Familienfeiern, die unter den Namen „Bohnenfest“, „Dreikönigsmahl“ oder „Der König trinkt“ in vielen Fassungen (Kassel, Paris, Brüssel, Leningrad, Wien u. a.) verbreitet sind. Zunächst sind diese reichlich bunten Bilder allzu vollgestopft, erst später gelingt es Jordaens, die drangvolle Enge der Figuren aufzulockern; Einzelheiten entlehnt er dabei gerne Gemälden Adriaen Brouwers. Zu dieser Bildergruppe gehören auch die ebenfalls oft wiederholten Tafelrunden, die gleichsam Illustrationen der sprichwörtlichen Redensart „Wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen“ sind (Antwerpen, Paris, Dresden, Berlin, München u. a.). Unsere Abbildung zeigt das Gemälde im Louvre (1,54X2,08 m), das um 1640 ent stand. An reich gedecktem Tisch sitzt eine kleine Familie des wohlhaben den Bürgerstandes zu fröhlichem Singen vereint. Die Hauptfigur ist der Großvater im pelzverbrämten Hausmantel, der mit dem Deckel einer Zinn kanne den Takt schlägt, während die Großmutter im hohen Korbstuhl ein Blatt hält, auf dem „Een nieu Liedeken“ steht. Die junge dralle Mutter, kostbar gekleidet, Perlen und Blumen im goldblonden Haar, blickt mit weinseligen Augen drein, und die Kinder spielen auf zierlichen Flöten. Im Hintergrund steht neben einer grölenden Magd, die ein Kind auf dem Arm trägt, ein Dudelsackpfeifer, Jordaens selbst, der mit vollen Backen in sein Instrument bläst. Alle haben gut geschmaust und getrunken, und jeder lärmt nun auf seine Weise munter drauflos. Haushund, Eule und ein Stieg litz im Käfig ergänzen die lustige Szene, die warmes Sonnenlicht freundlich bestrahlt. Auf einer Kartusche liest man eine lateinische Aufschrift, die den Sinn des flämischen Sprichworts wiedergibt. So schwerfällig noch die An ordnung der Figuren bleibt, so meisterhaft ist die Behandlung der Ober flächen menschlicher Haut, bunt leuchtender Kleiderstoffe, glänzenden Felles und all der Kleinigkeiten, die etwas aufdringlich ausgebreitet werden. In den dreißiger und vierziger Jahren entstehen wiederum mythologische Bilder, wie „Die Ernährung des jungen Jupiter durch die Ziege Amalthea“ (Paris und Kassel), „Merkur und Argus“ (Lyon), „Triumphzug des Bacchus“ (Brüssel und Kassel) und „Diogenes, mit der Laterne einen Menschen suchend“ (Dresden), ferner bürgerlich behäbige Porträts, wie die des vor nehmen Kaufmanns Jan Wierts und seiner Gattin (Köln) und das prächtige Familienbild (Kassel), das den Künstler mit seiner Frau, seinen Geschwistern und Schwiegereltern zeigt. Aber alle Errungenschaften dieser glücklichen Jahre erweisen sich als verloren und vergessen bei seinem weiteren Schaffen, das ein auffallendes Nachlassen der künstlerischen Kraft erkennen läßt. Selbst das Hauptwerk der Spätzeit, das riesige Wandbild, das Jordaens zur Ausschmückung des Huis ten Bosch, des Oranierschlößchens im Haag, 1652 vollendet, „Der Siegeszug des Prinzen Friedrich Heinrich“, wetteifert ver geblich mit Rubens’ großartigen Triumphbildern und ist bei aller Kühn heit des Vorwurfs und bei allem Reichtum blühender Farben nur ein un geheures verwirrendes Dickicht von Menschen- und Tierleibern, Architektur- und Blumenstücken. FRANS SNYDERS (vordem 11. XI. 1579 bis 19. VIII. 1657). Das Stilleben hatte bereits in der niederländischen Malerei des 16. Jahrhunderts als Sonder gebiet eine gewisse Rolle gespielt. Unter den Künstlern, die schon früh diese Gattung pflegten, ragte der von Amsterdam nach Antwerpen eingewanderte Pieter Aertsen (1507/08-1575) mit seinen Küchenstücken und Marktszenen hervor, in denen er nahrhafte Dinge aller Art im Vordergrund allmählich zu wahren Bergen aufschichtete. Tote Fische, Wild und Geflügel, aber auch lebende Tiere treffen wir bei ihm und den anderen in Flandern tätigen Stillebenmalern nicht selten an, und ebenfalls sind im 17. Jahrhundert Still lebenmaler zumeist gleichzeitig auch Tiermaler. Zum reinen Stilleben oder Tierstück ohne menschliche Figuren kommt aber auch Frans Snyders, der