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November 1648 bis über die Mitte des Jahres 1651 hinaus dauerte und erst auf dringliche Mahnungen Philipps abgebrochen wurde. Es sind skizzen hafte Darstellungen aus den Gärten der Villa Medici in Rom, in der Velz- quez bereits 1630 zwei Monate gewohnt hatte, weder heroisch noch lyrisch gestimmte Naturbilder, wie man sie damals in Rom liebte, sondern scheinbar willkürliche, eigentlich nicht besonders reizvolle und jedenfalls zu jener Zeit sonst durchaus nicht für abbildungswürdig gehaltene Ausschnitte aus einer künstlich geordneten Gartenanlage. Aber diese mit einigen kleinen Figuren belebten Gartenstücke sind so flüssig und leicht in zarten silbrig-grünen Tönen hingemalt, so sehr auf die knappste, zusammenfassende Wiedergabe des farbigen Seheindrucks hin angelegt, daß sie auf die impressionistischen Künstler des 19. Jahrhunderts wie Offenbarungen wirken mußten. Hauptsächlich ist Veläzquez in Rom mit Bildnissen beschäftigt. Er be kommt den ehrenvollen Auftrag zu einem Papstbild. Angeblich um sich auf die Darstellung der unschönen Züge des Kirchenfürsten vorzubereiten, porträtiert er zunächst seinen häßlichen Sklaven Juan de Pareja, einen Mulatten, der heimlich und gegen den Willen seines Meisters selber Bilder malt; das bemerkenswerte Gemälde befindet sich in englischem Adelsbesitz. Erst jetzt, nach der erneuten Berührung mit der venezianischen Malerei, hat Veläzquez den neuen malerischen Stil gefunden, zu dem er sich seit seinem ersten Italienaufenthalt nur hingetastet hatte. Er geht nun nicht mehr auf olastische Wirkung und auf zeichnerische Nachbildung körperlicher und kostümlicher Einzelheiten aus, sondern betrachtet Gesicht und Haare, . Hände, Gewandstoffe und Hintergrund als eine Einheit, die malerisch in die . Fläche zu bannen ist. Nicht körperliche Vergegenwärtigung wird jetzt er strebt, sondern es soll nur wiedergegeben werden, was sich der Netzhaut des Künstlerauges einprägt. So malt er den olivenfarbenen Wuschelkopf des Dieners und seine fleischige Hand ohne Rücksicht auf die Struktur der einzelnen Teile, aber mit feinstem Ge fühl für die Oberfläche der Haut und für die farbigen Veränderungen durch benachbarte Töne. Das Leningrader Kopfbild des Papstes dürfte als Stu die dem hier wiedergegebenen lebens großen und fast ganzfigurigen „Bild nis des Papstes Innozenz X.“ (1,40 X 1,20 m) in der Galleria Doria-Pam- phili in Rom vorangegangen sein. Es stellt den damals 75jährigen Mann in seiner ganzen abstoßenden Häßlich keit dar, während das große Gemälde den Ausdruck etwas mildert. Der Papst soll sein Bildnis als „zu wahr“ empfun den haben, übergab aber trotzdem dem Meister als Zeichen seiner Aner kennung eine goldene Kette mit Bild nismedaillon und ließ ihm ein Geldge schenk anbieten, das Veläzquez jedoch stolz zurückwies, „weil der König, sein Herr, es ihm eigenhändig auszahle“. Des Meisters Bild hält den Zug stets wachen Mißtrauens, den man dem langsam denkenden, immer schwei gend beobachtenden Papst nachsagte, treffend fest und verdeutlicht ihn durch die Kerbfalten der Stirn zwischen den Augen, die hart und temperament voll blicken und die Neigung des Man nes zu Zornausbrüchen verraten. Eine unförmige Nase, ein roher Mund, des sen Oberlippe etwas vorsteht, ein schüt terer Bart, eine unreine, stark ge rötete Haut über gedunsenem Fleisch vereinigen sich zu einem unsympathi schen Gesamteindruck. Das unheim lich Dämonische des Grecoschen Kar ¬ dinals (vgl. Abb. S. 41), mit dem man das Papstbild immer vergleichen möchte, fehlt diesem Innozenz freilich. Fast behäbig sitzt der noch sehr rüstige Greis im Sessel und hält in der Linken ein Blatt, auf dem eine Wid mung des Malers an Seine Heiligkeit steht. Der Übermächtigkeit der roten Farbe in der Papstkleidung sucht der Meister nirgends auszuweichen, im Gegenteil, er fügt noch einen roten Sesselbezug und einen nur wenig nuan cierten roten Vorhang hinzu und läßt die an sich schon rote Haut des Ge sichtes noch Reflexe von Rot annehmen. Auf die starken schwärzenden Schatten, die er in den Jahren vorher so gern verwendet hat und die hier das Leuchten des Rot hätten mildern können, verzichtet er. Nur das Gold an der Sesselverzierung und dann das ausgebreitete Weiß des mit Kragen und Är meln versehenen Chorhemdes und des gleichsam hauchzart hingestrichenen Spitzentuches auf dem Schoß wirkt dem starken Rot entgegen. Großartig ist aas Flimmern der Spitzen durch wenige stärker aufgetragene weiße Farb striche erzeugt, ohne daß ihr Ornament nachgebildet wäre. Mit offenen Ärmen wieder in Madrid aufgenommen, muß der Meister nun von neuem seinen langweiligen König malen, der inzwischen im Ausdruck noch wässeriger geworden ist. Fast menschlich ergreifend wirkt die dünkel hafte Leere des einst so herrschermäßig stolzen Antlitzes des vom Schicksal schwer getroffenen Monarchen auf den Bildnissen, die Veläzquez jetzt in seinem neuen Stil malt. Aber in die Gleichförmigkeit des Hofzeremoniells ist neues Leben gekommen, denn Philipp hat nach dem Tode seiner ersten Gattin (1644) und dem frühen Hinsiechen seines einzigen Sohnes Baltasar Carlos (1646), dessen Braut, die erst 14jährige Maria Anna von Österreich, zu seiner zweiten Gemahlin gemacht. Veläzquez porträtiert sie 1652 in einem lebensgroßen Gemälde (im Prado) von herrlichstem Farbenzusammenklang in schwarzem, mit silbergrau schimmernden Spitzen besetztem Reifrock, mit Goldschmuck auf der Brust, roten Schleifchen an den Handgelenken und großem roten Schmuck im mächtigen Haaraufbau; viel Rot umgibt die Ge stalt außerdem alsVorhang,Tischdecke und Sesselbezug. Die 1638 geborene Tochter der ersten königlichen Ge mahlin, die InfantinMariaTeresa, spä tere Königin von Frankreich, die nur drei Jahre jünger war als ihre zweite Mutter, wird jetzt ebenfalls öfters dar gestellt; ihr schönstes Bildnis (von 1653) besitzt das Wiener Museum, andere befinden sich im Besitz New Yorker Privatsammler. In einem einzigen, da für aber besonders köstlichen Bildnis ist uns der neue Kronprinz, der In- fant Philipp Prosper, der schon im Alter von vier Jahren starb, erhalten (Wien), mehrmals dagegen, fast aus jedem Jahr, die reizende Tochter aus der zweiten Ehe, die 1651 geborene Infantin Margarita. Eines der bewundernswer testen Porträts des Meisters, ein ganz- figuriges Gemälde von brillantester Farbenzusammenstellung (1659/60; Prado), zeigt sie in einem Riesenreif rock von silbrig schimmerndem Rosen rot mit großem silbernen Besatz und wunderbar hingehauchten Spitzen ärmeln vor einer tiefroten Vorhang draperie, und in die Symphonie von Rot und Silber sind noch einige Far benakzente von besonderer Feinheit gesetzt: leuchtend rote Schleifchen, seidig glänzendes Goldhaar und ein schwarzer Samtstreifen am Halsaus schnitt. Aus der gleichen Zeit stammt ein ähnlich delikates Farbenwunder in Blau, Weiß und Schwarz, das noch Diego Veläzquez: Die Hoffräulein. Madrid, Prado 46