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haben, die sich unfern im pfälzischen Frankenthal, im hessischen Hanau und zeitweise auch in Frankfurt selbst niedergelassen hatten. Seine ersten kleinen, vielfigurigen Gemälde, darunter zwei vielleicht noch 1598 bei sei nem kurzen Aufenthalt in München gemalte Bildchen „Johannespredigt im Walde“ in Hamburg und München - außer graphischen Blättern wohl die frühesten Arbeiten Elsheimers, die erhalten blieben -, zeigen ihn als Nach ahmer dieser flämischen Meister der Kleinmalerei und als Manieristen, der sich in der Bildanlage dem Zwang unterworfen fühlt, alle Teile des Ge mäldes mit Leben und Bewegung zu erfüllen. Ist es hier ein Waldesdüster mit dichtem, ausladendem Geäst und durch die Baumkronen sickerndem Licht, so ist es in anderen, zum Teil bereits in Rom entstandenen Frühbildern ein schreckenvolles und ausführlich geschildertes Naturereignis, unter dem sich die Menschen im Bildvorder- grund zusammendrängen („Sintflut“ in Frankfurt, „Schiffbruch des Paulus“ in London, „Brand von Troja“ in München). Eine Neigung zu wirkungs: voller Beleuchtung durch verschiedene aufblitzende Lichtquellen bemerkt man schon in den nächtlichen Szenen dieser ersten Schaffenszeit. Die Wanderjahre führen den jungen Deutschen über München bald nach Venedig, wo er fast zwei Jahre bleibt. Hier kann er Eindrücke italienischer Architektur sammeln, mit deren Bau formen er nun die Hintergründe figurenreicher Darstellungen schmückt („Paulus in Lystra“ in Frankfurt und „Die Jagd nach dem Glück“, die nur in Stichen und Kopien auf uns ge- kommen ist). Vor allem lernt er hier eine Landschaftsmalerei kennen, die ihm hilft, sich nach und nach von dem verquälten Vielerlei der niederländi schen Manieristen zu befreien. Die Landschaften Giorgiones, Tizians, Schiavones und Bassanos vermitteln ihm die reife venezianische Stim mungskunst, in der Figur und Land schaft in jahrhundertlanger Übung zu harmonischer Einheit verschmolzen sind. In Venedig trifft Elsheimer zu dem seinen Landsmann Hans Rotten hammer, und der junge, noch unreife Frankfurter gibt sich auch dem Ein fluß des Müncheners hin, in dessen Werkstätte er einige Zeit arbeitet. Er malt ein paar Täfelchen mit größeren Figuren, wie die „Taufe Christi“ in London und die schon meisterliche „Ruhe auf der Flucht“ in Berlin, in denen die reizendsten Engelkinder in der Art Rottenhammers über dem Täufling und der hl. Familie schweben. Es ist verständlich, daß des Freundes Vorbilder Tintoretto und Veronese den werdenden Meister gleichfalls be einflussen. Im Jahre 1600, dem Jubeljahr der römischen Kirche, ist Els heimer in Rom, wo er bereitwillig wieder neue Anregungen aufnimmt und mit den führenden Künstlern des italienischen Barock, mit dem Caravaggio- Kreis und mit Annibale Carracci und seinen Anhängern, sowie mit den Flamen Bril und Rubens in nahe, zum Teil freundschaftliche Beziehungen tritt. Er heiratet 1606, läßt sich zum katholischen Glauben bekehren und erhält Unterstützungsgelder vom päpstlichen Hof. Für seine Bilder erzielt er hohe Preise, aber er versteht nicht hauszuhalten, gerät in Schulden und wird in Schuldhaft genommen, während der er sich eine tödliche Krankheit zuzieht oder gemütskrank wird und schnell dahinsiecht, von seinen zahl reichen Bewunderern und Freunden, vor allem von dem schwer erschütterten Rubens, tief beklagt. Die Berichte über sein tragisches Ende sind allerdings unklar und widerspruchsvoll. Es scheint, daß Elsheimer durch einen zweifel haften Freund, den niederländischen Kupferstecher Ritter Hendrik Goudt, dessen Stichen wir die Kenntnis zahlreicher verschollener Bilder des Meisters und die Zuschreibung mancher der jetzt allgemein anerkannten Tafeln ver danken, in große Schwierigkeiten geraten war. Mag Elsheimer auch in den zehn Jahren seines Schaffens in Rom noch viel von andern aufgenommen haben, so findet er doch bald seinen eigenen, höchst persönlichen Stil und wird neben den beiden richtunggebenden Mei stern Caravaggio und Carracci, mit deren Kunst er sich zunächst ausein andersetzt, auf deren Anhänger er aber auch Einfluß gewinnt, der bedeu tendste Meister des römischen Frühbarock, ja einer der großen Schöpfer des neuen Stiles. Er hat Caravaggios kraftvoll durchmodellierten Halb- figurendarstellungeninseiner,, Judith“ (Dresden) nachzueifern gesucht und die Beleuchtungseffekte des Lombar den auch auf Landschaftsdarstellungen übertragen, besonders in Nachtstük- ken. Zugleich aber hat er in Bildern wie dem „Martyrium des hl. Lauren tius“ (London) gezeigt, daß er sich auch den schönen Gestaltumriß der auf Raffael zurückgreifenden Carracci- Schule anzueignen wußte. Seine eigentliche Bedeutung liegt indes nicht im Figurenbild, sondern in seinen lichtdurchfluteten, klar aufgebauten, mit mythologischen oder biblischen Gestalten oder mit Hirten und Herden belebten Landschaften und in seiner von den Zeitgenossen bewunderten neuen Art der harmonischen Durch- seelung von Landschaft und Staffage. Elsheimer ist in Rom der große deutschrömische Landschaftspoet ge worden, der die dem Deutschen inne wohnende Kraft und Fähigkeit der Naturbeseelung in hohem Maße ver wirklichte. Man mag bedauern, daß der „Meister Adam aus Frankfurt“, wie ihn die Italiener nannten, außer Landes ging und daß sein Naturgefühl sich nicht an deutschen Eichen- und Tannenwäldern, der nordischen Flach landschaft oder den deutschen Alpen entzündete, aber man darf nicht ver kennen, daß er in Deutschland, wo die Tradition der Donauschule (die Landschaftskunst Lukas Cranachs, Albrecht Altdorfers und Wolf Hubers) abgerissen war, sich kaum zu dem Landschafter großen Stiles hätte durchringen können, der er in Rom ge worden ist; ähnlich wie einst Albrecht Dürer bedurfte er, hundert Jahre später, der Berührung mit der hochentwickelten Kunst Italiens. Die Landschaftskunst galt, als sich Elsheimer ihr zuwandte, noch immer als eine Kunst niederen Ranges, obwohl sich ihr seit dem 15. Jahrhundert auch bedeutende Meister gelegentlich gewidmet hatten. Die weltflüchtige Gesinnung des manieristischen Zwischenspiels hatte freilich sogar in den Niederlanden, wo die Landschaft am frühesten entdeckt worden war, das Naturgefühl wieder ertötet oder wenigstens in andere Bahnen geleitet. In einsamer Größe arbeitete hier im 16. Jahrhundert fast allein und ohne be deutende Gefolgschaft an der Poetisierung der heimischen Natur Pieter Bruegel d. Ä., aber auch er der Gesinnung nach im Banne der Weltver neinung stehend. Zur gleichen Zeit war in Italien die landschaftliche Stimmungskunst der venezianischen Hochrenaissance erstorben oder wie im Norden durch den Manierismus aus dem Geleise geraten. Erst das neu erwachte Weltgefühl des werdenden Barock in Italien vermochte wieder an Hans Rottenhammer: Ruhe auf der Flucht. Kassel, Gemäldegalerie