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allegorischen Kompositionen hat, genügen ihm nicht. Beim Karneval 1639 tritt er als Stegreifkomödiant in einem Theater auf und wagt dabei sogar Ber nini, Roms größten Barockbaumeister und Bildhauer, zu verhöhnen. Ein Ruf an den Hof der Medici kommt gerade zur rechten Zeit, um ihn vor den Folgen dieser Frechheit zu bewahren. In Florenz wird das Haus des viel seitig begabten Emporkömmlings bald der Sammelplatz aller Künstler und Gelehrten, und in der von ihm gegründeten „Accademia dei Percossi" („Aka demie der Verprügelten“) versteht er als Schauspieler und Musiker, als Schrift steller und Improvisator zu glänzen. Aber auch der zweifelhafte Ruf eines „Universalgenies“ vermag den unruhigen Geist in der Stadt seiner größten Triumphe nicht zu halten. Ende 1648 übersiedelt Rosa nach Volterra und wenig später wieder nach Rom, wohin es ihn unwiderstehlich zieht. Rosas Temperament findet seinen stärksten Ausdruck in der Schlachten malerei, die er zur großen Kunst erheben will. Unter düsteren Wetterwolken, angesichts zerklüfteter Felsengebirge und ver witterter Ruinen to ben furchtbare Reiter kämpfe, deren ver- knäulte Massen aufge- wirbelter Staub um hüllt; die besten Bilder dieser Art befinden sich im Palazzo Pitti, im Wiener Museum und im Louvre. Seine Vor liebe für alles Phanta stische zeigt sich nicht minder auf dem Gebiet der Landschaftskunst. Aber statt der „gleich mäßigen schönen Voll endung“ der Carracci- Schule herrscht bei ihm leidenschaftliche Be wegung, statt heroi scher Ruhe dämoni sche Unrast. Der Him mel droht mit furcht baren Wettern, mit heulenden Stürmen und zuckenden Blit zen ; geborstene Burgen und zerzauste Bäume, zerrissene Bergschrün- de und grausige Ein öden künden den ewi gen Aufruhr dergroßen Natur. Die beiden „Seehäfen“ und die „Landschaft mit der Brücke“ im Palazzo Pitti, die Küstenbilder in der Florentiner Galleria Corsini und in der Londoner National Gallery sowie einige romantische Landschaften in römischen Sammlungen sind die besten Stücke, fast alle aus Rosas florentini scher Zeit. Neben den Gemälden dieser Art stehen zahlreiche religiöse und allegorische, historische und mythologische Darstellungen. Das bedeutendste mythologische Bild des Meisters ist das hier wiedergegebene Wiener Gemälde „Astraias Abschied von den Hirten“ (1,38 X 2,09 m), das eine Episode aus den „Verwandlungen“ des römischen Dichters Ovid wiedergibt. Die Göttin der Gerechtigkeit, die bei den Landleuten ihre letzte Zuflucht gefunden hat, ver läßt die Erde, um als Sternbild nur noch am Himmel zu glänzen. Das farben prangende Bild ist ein prächtiges Beispiel für den malerischen Barockstil Ita liens vor der Jahrhundertmitte. Es ist ganz in der flockigen, temperamentvollen Art gemalt, die den Künstler kennzeichnet und in der die Gegenstände der Natur und die Bauwerke im Umriß fast aufgelöst erscheinen. Zugleich belegt es glänzend die hohe Meisterschaft Rosas in der Kunst der Landschafts schilderung. In einem Selbstbildnis, das die Uffizien bewahren, zeigt sich der einstige Freund von Schmugglern und Wegelagerern als selbstbewuß ter Grandseigneur und Hofmann mit Sammetrock und Spitzenkragen. ITALIENISCHER MEISTER (Mitte des 17.Jahrhunderts). Italien hat im Barockzeitalter keine bedeutenden Spezialisten der Bildnismalerei hervorge bracht, als Hofporträtisten bevorzugten die italienischen Fürsten im 17. Jahr hundert deshalb meist Ausländer. Gleichwohl ist kaum einer unter den großen Meistern der italienischen Barockmalerei, der nicht das eine oder andere glän zende Bildnis gemalt hätte. Zwei so bedeutende unsignierte, aber unzweifel haft italienische Porträts, wie das hier wiedergegebene charaktervolle „Bildnis eines dicken Herrn, des sog. Feldhauptmanns Alessandro del Borro“ (2,03 X 1,21 m) im Berliner Museum und sein in der Auffassung und in den Maßen etwa mit ihm übereinstimmendes Gegenstück „Bildnis eines schreitenden Herrn“ (bisher in Berliner Privatbesitz), haben daher der Forschung nach dem Künstler, der sie geschaffen haben könnte, unlösbare Rätsel aufgegeben. Alle Versuche, vor allem das „Borro“-Bild einem der bekannten Meister, wie dem Römer Andrea Sacchi (1599-1661) oder dem genialen Bildhauer und Baumeister Giovanni Lorenzo Bernini (1598 bis 1680) oder sogar Vel äzquez oder Ribera zuzuschreiben, müssen als gescheitert ange sehen werden. Auch die Bezeichnung des Dargestellten als Feldhauptmann Ales sandro del Borro ist zweifelhaft. Dieser Bor ro war ein kriegslusti ger Abenteurer, der, 1600 in Arezzo gebo ren, den Dreißigjähri gen Krieg auf kaiserli cher Seite mitmachte, dann auf verschiede nen Kriegsschauplät zen in Italien focht und 1646 in spanische Dien ste trat. Er wurde schließlich geadelt und bekam den Titel eines Marchese. Im Kampf gegen die Türken ist er im Jahre 1656 ge fallen. Wie der selbst bewußte, wohlgenähr te Mann unseres Bildes zwischen den Säulen einer Halle gutmütig und doch unverschämt von oben herab lächelnd vor uns steht mit seinem mächtig gewölbten Bauch und den fast unmöglich dicken Backen, erinnert er eigentlich mehr an eine Komödienfigur, etwa den Falstaff in Shakespeares „Heinrich IV.“, oder an eine der bramarbasierenden Gestalten der Abenteurer-Romane des 17. Jahr hunderts. Allerdings liegt zu seinen Füßen eine eroberte Fahne, deren Wappen dem der Barberini gleicht, und mit dem Haupt dieser Familie, dem Papst Urban VIII., lag Borro 1641-1643 als Feldhauptmann des toskanischen Her zogs in Fehde. Jedenfalls wird der Dargestellte ein ganzer Kerl und ein lustiger Bruder gewesen sein, und die glanzvolle Darstellung dieses Hau degens rechtfertigt die Aufnahme des Gemäldes in unsere Sammlung, auch wenn der Künstler nicht bekanntgemacht werden kann. Jede Darstellung der italienischen Barockmalerei muß bruchstückhaft blei ben, da die künstlerische Produktion im 17. Jahrhundert ins Unübersehbare anschwillt. Auch hier konnten nur wenige führende Meister und eine kleine Auswahl ihrer bedeutendsten Schöpfungen Platz finden, aber es sind die Künstler und Werke, die die Kunst aller anderen Nationen reich befruchtet haben. Die Deutschen wie die Franzosen, die Spanier wie die Niederländer, sie alle gehen in die Schule der Italiener, und es sind nur wenige, die sich diesem übermächtigen Einfluß auf die Dauer entziehen können. Salvator Rosa: Astraias Abschied von den Hirten. Wien, Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums