Volltext Seite (XML)
, . ?— —* ;— . - j Michelangelo da Caravaggio: Amor als Sieger. Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum hier seine höchste Steigerung. Der Bildaufbau erscheint nüchtern errechnet, jede Bewegung versteinert, die Farbgebung hart und kalt, aber der feier liche Gesamteindruck ist doch erstaunlich. Im Jahre 1621 folgt Gentileschi einem Ruf nach Genua, wo um 1624 wiederum ein bedeutendes Altarbild entsteht, die „Verkündigung“ für die Kirche S. Siro (jetzt in der Turiner Pinakothek), deren zartes Helldunkel die holländische Interieurmalerei vor zubereiten scheint. In den späteren Werken, die der Künstler noch in Ita lien, dann auf Einladung der Maria de’ Medici in Frankreich und zuletzt am Hofe Karls I. in England schuf, erstarrt sein Können immer mehr zur Manier. Gentileschis Erbe übernahm seine begabte Tochter Artemisia, deren Darstellungen leidenschaftlich bewegter Vorgänge und starker Gemüts bewegungen keine weiblichen Züge verraten und deren Porträtschaffen in London sogar den Ruhm ihres Vaters übertraf. ANNIBALE CARRACCI (Okt. 1560 bis 15. VII. 1609). Annibale, der bedeutendste aus der Bologneser Künstlerfamilie der Carracci, wurde ebenso wie sein Bruder Agostino (1557-1602) nach beendeter Lehrzeit bei einem der einheimischen Meister in die Werkstätte seines Vetters Ludovico (1555 bis 1619) aufgenommen, als dieser von seiner mehrjährigen Ausbildungs reise nach Bologna zurückgekehrt war. Ludovico Carracci wußte sein ein gehendes Studium der florentinischen und venezianischen Malerei, nament lich aber der allgemein bewunderten Kunst des Parmesaner Meisters Cor reggio sowie der Mantuaner Fresken des Raffael-Schülers Giulio Romano klug zu nutzen. Sein und seiner Vettern viel gerühmter und geschmähter „Eklektizismus“ (Verschmelzung fremder Stilelemente) war kein geistloses, unorganisches Zusammentragen der verschiedenen Anschauungsweisen, sondern ein selbständiges, schöpferisches Umgestalten zu etwas Neuem. Annibales Gemälde der in Bologna verbrachten Frühzeit sind meistens An betungsbilder. Den heiligen Personen sind hier höchste Würde, edelste Schön heit, anmutigster Ausdruck verliehen, den Anbetenden innigste Hingabe und pathetisch gesteigerte Gebärden. Über den in stimmungsvolle Land schaften eingebetteten Szenen schweben die reizendsten Engelkinder, blicken voll ernster Trauer von Wolken herab in den Bildern der „Beweinung Christi“ oder musizieren in hingebungsvollem Eifer über einer „Taufe Christi“. Der junge Meister verfügt dabei über alle Stufen der Empfindung von zartester Lyrik bis zu höchster Dramatik und besitzt „das neue laute Pathos, das ein gesteigert Seelisches nur durch ein gesteigert Körperliches auszudrücken vermag“. Mag der Propagandageist in diesen Werken uns oft verstimmen, mag die zuweilen allzu deutliche Absicht, Rührung zu er wecken, uns sogar abstoßen, so müssen wir doch gestehen, daß der Adel der Gestalten, die Macht der Beseelung und die Kraft und Wucht der Bewegung uns oft zur Bewunderung mitreißen. Gegen Mitte der außeror dentlich fruchtbaren neunziger Jahre liefert Annibale für das bei Parma gelegene Reggio, das viele Bilder bei ihm bestellte, ein vielfiguriges, aber klar gegliedertes Historiengemälde „Almosenspende des hl. Rochus“ (heute in Dresden). Gleichzeitig malt er Landschaften von zarter lyrischer Stimmung in der Art der Venezianer (die schönste in Leipziger Privatbesitz, andere im Louvre), eine kleine Anzahl Madonnenbilder und einige Porträts sowie mythologische Szenen. Außerdem ist er während der Dauer seines Aufent- Orazio Gentileschi: Lautenspielerin. Wien, Liechtenstein-Galerie 19