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Paolo Veronese: Hochzeit zu Kana. Dresden, Gemäldegalerie Vicenza, 1575 in Padua selbst und 1562 auch außerhalb Venetiens in der malern gehört. Wir kennen Gruppen- und Ein zelporträts von ihm, darunter nur wenige Bilder von Frauen, ferner Stifterbildnisse in den gro ßen Gemälden, beispielsweise der Scuola di S. Rocco, und in Madonnenbildern. Im großen ganzen bleibt er als Porträtist im Rahmen der venezianischen Tradition, sowohl in der allge meinen Auffassung wie im Bildausschnitt, doch legt er in geringerem Grade und seltener als Tizian den Ton auf das Repräsentative, arbeitet mehr das nachdenkliche Sinnen heraus. Das wiedergegebene „Bildnis eines alten Mannes“ (58 X 44 cm) im Berliner Museum gehört wohl der späten Zeit Tintorettos an. Es will nicht mehr sein als ein getreues Abbild eines Men schen, aber trotz seiner Anspruchslosigkeit oder gerade wegen des Verzichts auf alle Äußerlich keiten wirkt es überzeugend als das Charakter bild eines Willensmenschen, dem Enttäuschun gen eines langen Lebens — wie man aus den Zügen herauszulesen glaubt - noch nicht die Festigkeit genommen haben. Zu den ausdrucks vollsten und stärksten Porträts des Meisters ge hört sein ernstes Selbstbildnis im Louvre, das er greifende autobiographische Dokument eines resignierenden alten Mannes, dessen Leben Mühe und Arbeit, dessen tiefstes Wesen die Demut war. PAOLO VERONESE (1528 bis 19. IV. 1588). Der in Verona geborene Zeit genosse Tintorettos, der Maler Paolo Caliari, nach seinem Geburtsort Paolo Veronese genannt, ordnet sich weit weniger einfach als sein venezianischer Widerpart dem Stilbegriff des Manierismus ein, dem er zeitlich als Künstler der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts doch angehört. Überblickt man sein Lebenswerk, das er zum größten Teil in oder für Venedig oder für die venezianische Provinz geschaffen hat, so gewinnt man eher den Eindruck, es mit einem Künstler der sinnenfrohen, genußfreudigen Renaissance oder des prunkhaften, wieder dem Irdischen zugewandten Barock, ja sogar manch mal des leichtlebigen graziösen Rokoko zu tun zu haben, als mit einem Ver treter des düsterernsten Zeitalters der Gegenreformation. Denn weltflüchtig, jenseitsverlangend oder auch nur wirklich religiös kann weder die Lebens führung noch die Gesinnung des Malers festlicher Tafelfreuden und verfüh rerisch schöner Frauengestalten gewesen sein, wenn er sich auch dem Geist strenger Kirchlichkeit zuzeiten hat beugen müssen. Stärker ist bei Paolo Veronese das andere Stilmerkmal des Manierismus ausgeprägt, die Lust oder der Zwang, die Bilder bis in alle Ecken mit Leben und Bewegung zu erfüllen und die Bildanlage nicht nach der inneren Notwendigkeit des Stoffes, sondern nur um der dekorativen Wirkung willen zu gestalten. Ähnlich wie bei Tintoretto wissen wir auch von Paolo Veronese nicht viel Biographisches zu berichten. Er scheint anfangs in der Bildhauerwerkstatt seines Vaters in Verona, dann bei seinem Onkel, einem Maler zweiten Ranges, gelernt und sich schließlich an der Graphik des Parmigianino und im nahen Mantua an den Fresken des Giulio Romano, Raffaels begabtesten Schülers, gebildet zu haben. Seit 1551 finden wir ihn mit veronesischen Altersgenossen erst in einer Villa bei Castelfranco, dem Geburtsort Giorgio- nes, mit allegorischen Fresken beschäftigt, danach mit Historienbildern aus dem Altertum in der von Palladio erbauten Villa Colleoni-Porto in Thiene bei Vicenza, 1552 an Altarbildern für den Mantuaner Dom und wohl schon seit 1553 in Venedig, wo er zunächst mythologisch-allegorische Deckenbil der im Dogenpalast, also an hervorragender Stelle, ausführt. In Venedig bleibt er, nachdem er 1566 die Tochter seines Onkels geheiratet hat, bis an sein Lebensende. Schon bald ist er mit Aufträgen so sehr überhäuft, daß er sie nur mit einer großen Werkstatt bewältigen kann. In denjahren 1555-1560 und wieder 1565 und 1570 liefert Paolo zahlreiche Werke für die Kirche S. Sebastiano. Von ihnen sind am wichtigsten die äußerst lebendigen und mit starken Untersichten und Verkürzungen an die Decke gemalten Sze nen zur Geschichte der Esther (1556) und die Sebastian-Bilder an den Wänden der Chorkapelle (1565), denen man sein eifriges Studium nach Tintorettos „Markuswunder“ anmerkt. Auch in der venezianischen Pro vinz ist er noch weiterhin tätig, 1562 in der Nähe von Padua, 1572 bei Nähe von Mantua. Sein bedeutendstes, nicht in Venedig geschaffenes Werk ist die Ausmalung der schönen Palladio-Villa Barbaro-Giacomelli in Maser bei Castelfranco mit heiter-sinnlichen allegorischen, mythologischen und religiösen Darstellungen. Hier ist, vor allem an der Decke des Kuppelrau- mes, das Rokoko bereits vorgeahnt. Man erblickt im Rundbild der Kuppel die olympischen Götter, in ganz leichtem Schweben auf Wolken hinge streckt, in ihrer Verkürzung glänzend gezeichnet. Aber diese Deckendeko ration beabsichtigt nicht, etwas Wirkliches vorzutäuschen; vielmehr will sie uns nur etwas Anmutiges, Liebliches, durch ihre silbrig kühlen Farben Be zauberndes vorgaukeln. In der auf die Wände übergehenden Wölbung aber läßt der Meister alle Künste der Wirklichkeitsvorspiegelung spielen. Er malt hier Balkonbrüstungen, von denen schwere gedrehte Säulen hochzuragen scheinen, und zwischen den gemalten Säulen die Gestalten der Hausbewoh ner, die prächtig gekleidete Dame des Hauses, begleitet von einer Frau, die ein Hündchen auf die Balustrade gesetzt hat, und von ihrem jüngsten Sohn, der einen Pfau neckt, während gegenüber zwei ältere Söhne mit einem Pavian ihren Scherz treiben. Auch in den Wandbildern der Zimmer über bietet Paolo in der raffinierten Raum- und Wirklichkeitsvortäuschung alles, was man in dieser Art bisher versucht hatte, so wenn er sich selber lebens groß darstellt, wie er alsjäger frisch und keck durch eine gemalte Tür tritt. So phantasievoll und erfinderisch der Maler sich hier erweist und so be glückt man im Hinblick auf die ernste Haltung der sonstigen Malerei jener Zeit vor der zauberhaften Schönheit dieser Werke steht, tiefe Gedanken, ernsthafte Problemlösungen oder starke künstlerische Wandlungen aus inne rem Erleben darf man von ihm nicht erwarten. Man muß ihn sich vielmehr so vorstellen, wie er sich selbst auf seinen bekanntesten Bildern, den Gast- mählern, dargestellt hat, elegant und heiter, stark im Genuß und den Freu den des Lebens fröhlich hingegeben, also menschlich und damit auch künst lerisch in auffallendem Gegensatz zu Tintoretto. Stets verstanden es die Venezianer, Feste zu feiern, und ihre Künstler, sie zu schildern, aber erst Paolo Veronese hat ihnen den Glanz verliehen, der sich nach Jahrhunderten noch in unserer Vorstellung mit dem üppigen Leben in der reichen Lagunen stadt verbindet. Bezeichnend für den Geist der Zeit ist, daß biblische Legen den den Vorwand für die Bilder solcher Art hergeben müssen, bezeichnend für den Künstler, daß er niemals das Abendmahl darstellt, das Ernst und Würde verlangt hätte; in seinen Umformungen religiöser Stoffe wird das Heilige Nebensache. Das erste dieser Bilder ist das für die venezianische Kirche Sti. Nazaro e Celso geschaffene „Festmahl im Hause des Pharisäers Simon“, das sich heute in der Turiner Sammlung befindet. Ihm folgt die von uns wiedergegebene berühmte „Hochzeit zu Kana“ (2,07x4,57 m), eines der um 1557 für die Familie Cuccina gemalten vier Bilder, die der Dresdener Galerie gehören. Die Szene ist eine breite Terrasse zwischen