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EIN AMERIKANER LÄUFT ZWISCHEN ZWEI FINNEN CIIIU: FORTIUS ALT1QS Die festlich geschmückte Hauptstraße in Los Angeles, voll von Nationalflaggen und -färben der 50 Nationen. Um Brustbreite nach 5 Kilometern. Die 5000 Meter waren eines der aufregendsten Rennen. Man hatte nicht geglaubt, daß nach den Kämpfen des großen Dreigestirns Nurmi-Ritola-Wide schon der nächste olympische Wettbewerb über diese Strecke neue Rekorde, neue Sensationen bieten könnte. Lehtinen hatte Nurmis Weltrekord nicht nur verbessert, sondern gerade zu erniedrigt (14: 17), Virtanen war wenig langsamer. Der Pole Kusoczinsky startete nicht, weil er sich bei seinem Siegeslauf über 10 Kilometer die Füße wundgelaufen hatte. Wer also könnte den Finnen gefährlich werden, wer könnte sie zu neuer Rekordzeit treiben ? Niemand. Das Rennen war vor dem Startschuß so gut wie gelaufen. Man tröstete sich mit der Hoffnung, interessante Stilstudien machen zu können und vielleicht einen Kampf um den dritten Platz zu erleben, vielleicht Syring auf diesem enden zu sehen. Es kam anfangs auch alles ganz erwartungsgemäß. Leh tinen nahm die Spitze, lief 200 Meter in 31 Sekunden, die 400 Meter in 63,6, zwei Runden in 2:12 und ließ bei 1000 Metern (2:47,5) Virtanen statt seiner in Führung gehen. Die Schweden Petterson und Lindgren lagen hinter den Finnen, der Neuseeländer Savidan war der nächste, während sich der Deutsche Syring einstweilen auf dem neunten Platz herumtrieb. In 4:15 passierte man die 1500 Meter, nach 5 :4z den zweiten Kilometer und in 8:39 den dritten. Virtanen und Lehtinen lösten sich vorne ab. Sie hatten offenbar ihren Kampfplan verabredet, wollten scharfe Fahrt halten, um sich gegen jede Über raschung zu sichern. Monate zuvor hatte Nurmi erklärt, seine jungen Landsleute seien Läufer von größter Klasse, doch mangle ihnen das so wichtige Spurtvermögen. Vielleicht war Lehtinen sich dieses Mangels bewußt, vielleicht hatte er seinen strategischen Auftrag von der finnischen Führung, auf jeden Fall ließen die beiden nicht locker und sorgten für Tempo, sich selbst möglichst schonend, indem sie einander die gröbste Arbeit wechsel seitig abnahmen. Plötzlich Riesenjubel! Der wahnwitzige Zwischenspurt. Gleich nachdem dreitausend Meter durchlaufen waren, löste sich aus dem Hinterfeld eine lange Gestalt, ein weißgekleideter Läufer ... Startnummer 433 ... wer war denn das ? ... ach ja richtig, Hill. Er hatte bei den Aus wahlkämpfen in Palo Alto die 5000 Meter in knapp unter 15 Minuten gewonnen, er war nie besser gelaufen als 14: 55. Der wollte sich mit den Finnen messen? Lächer lich 1 Die Zuschauer jubelten, weil sie jede kämpferische Tat genossen und bedankten. Hill machte lange Beine. Er lief in einem richtigen Spurt außen die lange Läuferkette entlang. Bis die Kurve kam, war er angelangt, wo er anlangen wollte. Er ordnete sich als Dritter hinter den dunkelblauen Leibchen Virtanens und Lehtinens in die Reihe ein. Die Menge konnte sich nicht beruhigen. Man liebt in den U. S. A. die langen Strecken nicht, man hat keine Leute und keine Geduld dafür, doch diesmal durchfieberte man die Viertelstunde, die der Lauf währte, besonders die letzten fünf Minuten. Wir sahen, wie leicht dieser Hill dahinlief. Sein langer, flacher Schritt, seine lockere, nicht übertrieben aufrechte Haltung, seine eher tiefe leichte Armführung waren völlig verschieden von jenem Stil, den Nurmi eingeführt, stachen noch ab von dem natürlich laufenden Lehtinen. Man fühlte, dieser Mann war frisch, man wußte plötzlich — während andre Kenner noch dachten, hier spiele sich eine unterhal tende,aber für die Gesamthandlung bedeutungslose Episode ab —, hier bereite sich eine dramatische Steigerung vor. Als man sich den 4000 Metern näherte (10: 34), hatte Lehtinen schon wieder die Spitze genommen. Der lange IO