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Oie unvergeßliche Schlußfeier TUNDERTTAUSEND farbenfroh gekleidete I Menschen füllten das herrliche Stadion, diese I wundervolle Stätte so vieler prachtvoller Kämpfe, Idiese Stätte höchsten Glückes und herber Ent täuschungen. Die Sonne strahlte vom wolkenlosen matt blauen Himmel. Vom Ozean her wehte eine erfri schende Brise. Die sonst so nüchternen Amerikaner ver standen es, den Schlußakt dieser so glänzend organisierten Spiele zu einer machtvollen, tiefen Feier für den olympi schen Gedanken zu gestalten. Und auch die Deutschen erlebten noch erhebende Augenblicke. Nach einer endlosen Serie von Siegeszeremonien stieg am mittleren der 3 Fahnenmasten für die Siegerehrungen die deutsche Fahne allein hoch. Es war das einzige Mal während der ganzen Veranstaltung, daß nur dieser Mast eine Flagge trug, weil es Zweite und Dritte bei der nun folgenden Ehrung nicht gab. Sie galt den beiden Gebrüdern Schmid, von denen der eine nicht mehr unter den Leben den weilt. Die Leistungen dieser beiden waren vielleicht größer als alles das, was zweitausend Olympia-Kämpfer in den 16 Tagen eines beispiellosen Rekordolympia voll brachten. Die Gebrüder Schmid erkletterten unter un glaublichen Strapazen (ohne Anfeuerung und ohne Publikum) die schwierige Nordseite des Matterhorns. Jetzt feierte man sie am großen Schluß tag der größten olympischen Spiele. Ihnen wurde eine goldene Medaille gegeben und nie war der Leiter und Führer des deutschen Sportes Exz. Dr. Lewald stolzer bei einer Siegerehrung, als hier, da er die Medaille für diese Pioniere in Empfang nehmen konnte. Ergriffen sahen Einhundertundfünf- tausend zu dieser Fahne em por, die ein leichter Wind stoß des Stillen Ozeans ent faltete. Einer der Gebrü der Schmid wird nicht mehr vernehmen können, daß die Sportenthusiasten einer gan zen Welt sich von ihren Sitzen erhoben und schwei gend die deutsche Hymne, die so selten an diesen Tagen erklungen, anhörten. Nachdem die Reiter im Preis der Nationen noch einmal durch ihre Kunst begeistert hatten, marschierten die Fahnen aller Länder auf, noch einmal schlossen sie sich zusammen. Unter den Klängen der olympischen Ka pelle wurde die olympische Flagge eingeholt, acht weiß- gekleidete Studenten trugen sie in gemessenem Gleich schritt um denPlatz. Auf dem kleinen Podium vor der Ehrentribüne übergab der Holländer van Rossem ein kleines, olympisches Banner mit den 5 verschlungenen Ringen, an den Grafen Baillet- Latour, den Vorsitzenden des internationalen olympi schen Komitees, und der Graf, in grauem Cut. und grauem Zylinder, über reichte das Symbol der olympischen Spiele dem Ober bürgermeister John C. Porter von Los Angeles, der sie im Rathaus sorgfältig zu bewahren versprach. Hoch oben vom Turm schmetterten die Fanfaren, am Fuß der olympischen Fackel, in der ewigen Sonne funkelnd; wundervoll hoben sich die weißen Gestalten der Bläser vom hohen blaugrünen Himmel. Wer wird es nicht verstehen, daß allein diese erhabene Verwirklichung der Ideen des Baron de Coubertin den überwältigten, der das Wachsen der olympischen Spiele durch die Jahrzehnte mit angesehen hat. Da saß der berühmte schwedische Schriftsteller und Dichter Torsten Tegner und schluchzte wie ein Kind. Der Mann hat in seinem Leben 6 Olympiaden erlebt, als Kritiker Mißstände scharf getadelt und herrliche Worte des Lobes für große Leistungen gefunden. In jedem Leben kommt einmal der Moment, wo man die Distanz zur Arbeit verliert und sich hemmungslos der Minute hingibt. Für den Sportschriftsteller Tegner war es die Abschieds stunde des 10. Olympias. Der Chor der 1200 Stimmen, alle Sängerinnen und Sänger in weiß gekleidet, sang so machtvoll und so er greifend, daß die Masse der Hunderttausend sich noch mals spontan erhob und in tiefer Stille verharrte. Fünf Kanonenschläge kündeten das Ende der glanzvollen X. Olympischen Spiele. Unter den feierlichen Klängen des Riesen-Orchesters verlassen die Bannerträger in würde vollem Gleichschritt diese herrliche, von der unterge henden Sonne noch einmal vergoldeteKampfstätte.Fern die Silhouetten der Berge, in Dunst gehüllt. Noch einmal durchbraust der Chorgesang diese Stätte so vieler prachtvoller Kämpfe. Matter und matter wird der Gesang, als letzte ver schwindet die amerikanische Flagge. Am Hauptmast steigt die griechische Flagge als Ehrung des Volkes, das vor Tausenden von Jahren der Menschheit den Gedan ken der olympischen Spiele geschenkt hat. Daneben rechts das Sternenbanner für die X. Spiele in Los Angeles, und auf der an deren Seite Deutschlands Flagge, auf die XI. Olympi schen Spiele in Berlin wei send. „Möchte der olympische Gedanke sich seinen Weg bahnen durch die Zeiten"er- scheint auf der Riesentafel, die 15 Tage lang zur Ehrung der Sieger gedient hatte. Zum letztenmal klingen die Fanfaren, leise absterbend; die Sonne versinkt und mit ihr die X. Olympischen Spiele. Der Vorsitzende des Internationalen Olympischen Komitees, Graf Baillet Latour, übernimmt die olympische Fahne von Van Rossem- Holland und übergibt sie dem Bürgermeister von Los Angeles, der sie 4 Jahre aufbewahren soll.