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Ofy^mpischen Qj^interspiele in Vake Klacid EISHOCKEY EISSCHNELLÄUFEN EISKUNSTLÄUFEN PAARLAUFEN SKILAUFEN BOBRENNEN OLYMPISCHES TAGEBUCH Lake Placid, im Januar 1932. D IE Täler und Höhen der Adirondacks liegen grau in grau: die III. Olympischen Winterspiele haben trübe Vorzeichen. Eisspiele bei Tem peraturen über Null kann man sich nur mit unbekümmertem amerikanischem Optimismus vor stellen. Die Leute haben 600 000 Dollar ins Geschäft ge steckt und vorläufig wenig Hoffnung, etwas davon zu retten. Die Europäer sind skeptisch, sie denken an St. Moritz 1928, wo das Programm nicht ganz durchgeführt werden konnte. Vorsorglich baute man hier in Lake Placid einen „Eispalast“, der 3000 Personen fassen soll; Eishockey und Kunstlaufen sollen ihn amortisieren. Die Bobbahn wurde von dem deutschen Ingenieur Zentzytzki neu angelegt. Lake Placid, den 31. Januar 1932. Weltmeister Zahn ist beim Training mit seinem Vierer bob „Deutschland I“ verunglückt. Die Temperaturen waren wieder gefallen und gaben Anreiz zu schnellen Trainingsfahrten. Zahn hat die sogenannte Zick-Zack- Kurve, die im schnellsten Teil der Bahn liegt und nur dadurch gefährlich wird, etwas zu hoch genommen. Der Schlitten wurde über die Kurve getragen, flog 50 Meter durch die Luft und landete zwischen Gestrüpp und großen Felsblöcken. Zahn erlitt einen Armbruch, Dr. Mehlhorn eine Augenverletzung und eine gebrochene Hand und Rossner eine Wirbelsäulenverletzung. Die amerikanische Organisation versagt vollkommen, weder Arzt, Sanitäter noch Verbandszeug sind an der Bahn. Der Schlitten ist hin, Deutschland um eine Hoffnung ärmer. Lake Placid, den 1. Februar 1932. Zahn’s Befinden ist gut. Die deutschen Bobs müssen umbesetzt werden: 1. Viererbob: Führer Grau, Hopmann, Rossner, Bremser Brehme. 2. Viererbob: Führer Kilian, Ludwig, Mehlhorn, Bremser Huber. 1. Zweierbob: Führer Kilian, Bremser Huber. 2. Zweierbob: Führer Huth, Bremser Ludwig. Lake Placid, den 2. Februar 1932. Nun ist auch der zweite Viererbob, von Grau gesteuert, mit 100 km ins Unglück gerast. Die vereiste Bahn ist einfach zu schnell. Der Schlitten sauste aus der Kurve heraus, 20—30 Meter durch die Luft, und blieb in einem Baum hängen. Der Bremser Brehme ist schlecht abgekom men, Atmbruch, Gehirnerschütterung, Quetschungen; Grau: Bruch des Schulterblattes, Hüftgelenkverletzung; Hopmann: Fleischwunde am Bein, mit 20 Nadeln genäht. Dem Deutschen Zahn geht es besser. Dr. Mehlhorn hofft, wieder mitmachen zu können. Lake Placid, den 3. Februar 1932. Das „Dorf“ bevölkert sich immer mehr. Aus allen Gegenden kommen Extrazüge. Die Mienen der Ver anstalter werden heiter. Von 330 Teilnehmern stellt 85 Amerika. Die Europäer werden einen schweren Stand haben. Das Wetter bessert sich. Der Deutsche v. Mumm, bislang nur Zuschauer, hat eine neue Mannschaft für einen zweiten Viererbob zusammen getrommelt. In einem Schlitten amerikanischen Formats werden die Herren von Mumm und Bismarck, Bock und Giessling sitzen. Alle diese Herren außer v, Mumm, haben noch kein Bobrennen gefahren und sind nicht im Training. Was soll das also ? Oder ist Bobrennen eine so einfache Sache ? Es ist herzlich gut gemeint, aber mit Enthusiasmus allein werden keine olympischen Siege erfochten. Lake Placid, den 4. Februar 1932. Der feierliche Eröffnungsakt wurde heute vom Gouver neur Roosevelt vorgenommen. Seine Rede betonte die Mission des Sportes, die Völker einander zu nähern. Der Südpol-Flieger, Admiral Byrd, nahm den olym pischen Schwur der Vertreter von 17 Nationen entgegen. Die Tonfilmleute störten sehr. Die ganze Filmgesell schaft benahm sich, als ob die Zeremonie nur der Auf nahmen wegen arrangiert sei. Überhaupt, richtige Feierstimmung bringt der Amerikaner nicht auf. Der kleine Stich ins Komische wird vielleicht nur noch von der nüchternen Zweckmäßigkeit überboten. Für den Einmarsch der Nationen ist blankes Eis als Lauffläche nicht sonderlich geeignet. Wenn Athleten beim ersten Aufmarsch Mühe haben, die Balance zu halten, dann ist vom Erhabenen zum Komischen ein kleiner Schritt. Das Publikum amüsierte sich. Weshalb sollte es auch nicht lachen ? Lachen gehört zum Sport. Einige Nationen erhielten neben Amerika einen Sonder beifall, der bei den Deutschen zum Orkan anschwoll, als die beiden Verletzten, Zahn und Dr. Mehlhorn, jeder den Arm in der Binde, erschienen. Gleich am ersten Tage holte sich Amerika 2 Gold medaillen. Der neue Stern heißt Shea. Lake Placid, den 5. Februar 1932. Ich habe noch nicht erzählt, daß der finnische Schnellauf- Weltmeister Thunberg nicht startet. Thunberg ist gegen den Massenstart. Es wird sich zeigen, ob seine Be fürchtungen berechtigt sind. Gefühlsmäßig möchte man Thunberg recht geben, doch man soll Amerikas Argu mente nicht leichtfertig beiseite schieben. Massenstart bringt Kampf; der Einzelstart mag den einwandfrei Schnellsten deutlicher aufzeigen, der sportliche Kampf