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einzustellen. Das sah man in seinem Kampf mit dem Finnen Bärlund, einem der schwersten Schläger der Welt. In der ersten Runde war der Finne fast nicht vorhanden, in der zweiten kam er schon beinahe gleichauf, doch in der dritten wurde er, viel zu offen, von Links- und Rechts treffern des aalglatten Schwarzen nur so zugedeckt und der leichtsinnig werdende Lovell fing zwei Bärlundsche Rechte ein und beide gingen groggy durch den Kampf. Auch dieser dunkle Held scheint also verwundbar, sogar an dem, bei Negern berühmt harten Kopf. Auch gegen den Italiener Rovati siegte Lovell durchaus verdient, ja überlegen, aber der starke Rovati hatte sich vorgenom men, über die Distanz zu kommen, deckte gut und schlug nicht schlecht und der Argentinier hatte Arbeit, um so mehr als Rovati in Rechtsauslage kämpft. Der beste Boxer. Man kann bei hundert Kämpfern in wenigen Tagen, nach wenigen Kämpfen (auf den einzelnen kamen ein bis zwei im Durchschnitt) kein abschließendes Urteil fällen. Wie irreführend fiele das beispielsweise bei Ziglarski aus. Deutschland stellte in Bernlöhr einen Mann, der sich um den Titel des besten Boxers des Turniers hätte bewerben können, da man aber wahrscheinlich unter den Siegern wird wählen müssen, entscheide ich mich für den kana dischen Bantamgewichtler Horace Gwynne. Mag sein — man ist immer nur so gut, wie es einem der Gegner gestattet —, daß Ziglarski ihm zuviel Gelegenheit gab, sich geschickt zu zeigen. Wie er geschlossen, zielbewußt, genau und kalt kämpfte, war gewiß eine der besten Lei stungen des ganzen Boxturniers. Wiederum Nippon. Die japanischen Boxer hatten keinen Erfolg. Man muß wohl schreiben noch keinen Erfolg. Man war manchmal ehrlich überrascht, soviel konnten diese Neulinge bereits. Der Bantamgewichtler Nakao ist schon ein Mann von guter, internationaler Klasse und auch die übrigen Japaner zeigten gute Schulung und Veranlagung. Wir werden uns nicht wundern, wenn beim nächsten Olympia in Berlin auch die Boxer Japans bereits Preise erkämpfen. Kleine Statistik für Abergläubische. Die Kämpfer bekamen einen grünen bzw. roten Gürtel umgelegt. Das machte sie leicht kenntlich und machte es möglich, der Menge jeden Mann unmißverständlich vor zustellen. Die Programmnummern wurden zusammen mit der „Farbe“ auf Tafeln aufgezogen und so wußte jeder, wen er vor sich hatte. Für Abergläubische: Fünfmal verlor in der Endrunde der Träger von grün, dreimal der von rot. Die drei Deutschen Ziglarski, Schleinkofer und Campe waren alle drei „grün“. Am stärksten vertreten von allen Nationen waren wohl die Italiener. Man fand Träger italienischer Namen in zahlreichen Mannschaften, so bei den Amerikanern, Kanadiern, Mexikanern und sogar bei den Italienern. Sehr frei von der Feder und Leber weg äußerte sich eine Zeitung in Los Angeles mit folgenden Worten: „... Ama teurboxer in Amerika pflegen im allgemeinen nichts anderes zu sein als eben Amateurboxer. Das ist ihr Ge schäft, ihr Handel, ihr Schab (rackef). Andererseits sind die Ausländer im allgemeinen wirkliche Amateure, Boxer nur nach ihrer Arbeitszeit... “ Das passiert andern auch. Viel herbere Fehlentscheidungen als sie den deutschen Boxern widerfuhren, trafen manchen anderen Kämpfer. Der Italiener Rossi hatte das Halbschwergewicht eher gewonnen als sein Gegner, der Südafrikaner Carstens. Diesmal entschied man für den klareren Boxer gegen den überlegenen Fighter. Rossi trugs mit Wut und Würde. Das kann man von dem Argentinier Azar nicht behaupten, der im Mittelgewicht gegen Barth-U. S. A. verlor. Auch hier hielten die Kampfrichter den kalten, genauen Boxer für besser als den erfolgreicheren, wenn auch wilderen Angreifer Azar. Der Argentinier hatte ziemlich klar ge wonnen. Als man ihm den Sieg nicht gab, verließ er den Ring, ohne sich auch nur mit seinem Gegner gemeinsam photographieren zu lassen. Ein horizontaler Sieger. Das waren nur die Ereignisse am Haupttage, am Abend der Endkämpfe. Im Ring gab es jedenfalls keinerlei Trubel und keinerlei Mißton, ganz anders wie in Amster dam vor vier Jahren. Nur als der Mexikaner Romero disqualifiziert wurde, setzte es beinahe Skandal. Fünfmal hatte Romero den Engländer Dave Mc. Cleave am Boden, das fünfte Mal freilich durch Tiefschlag, wie zwar nicht der Ringrichter, aber der deutsche Punktrichter hatte feststellen können. Der Mexikaner war schon zuvor ver warnt worden und wurde nun disqualifiziert, wobei es ohne lebhafte Proteste nicht abging. Vielleicht tröstete es den so unglücklich Unterlegenen — Romero war seinem Gegner turmhoch über —, daß er eine Stunde später schon einen Professionalkontrakt vorgelegt erhielt. Er war der einzige Mann mit überzeugender Schlag kraft im Turnier und vielleicht hätte er Mexiko eine Gold medaille verschafft, denn sein Bezwinger unterlag nur recht zweifelhaft gegen den späteren Endsieger Flynn- U. S. A., wie wir gleich hören werden. Sie waren objektiv. Einer der Betreuer der amerikanischen Boxer beklagte sich bei einem bekannten amerikanischen Sportjourna listen über das Urteil, daß den U. S. A.-Bantamgewichtler Lang um erste Chancen brachte. Erregt rief der Mann: „Haben Sie schon jemals eine so falsche, haarsträubende, unmögliche Entscheidung gesehen ?“ Der Biedermann und Chauvinist entfernte sich entsetzt, als er zur Antwort erhielt: „Doch, doch. Denken Sie nur an das Kampf gericht, das Flynn den Sieg über den bessern Mc. Cleave zusprach.“ So war es nämlich wirklich. Nicht selten glichen sich die kleinen, unbeabsichtigten Ungerechtigkeiten doch einiger maßen wieder aus, wenn man statt nach Einzelboxern, nach Nationen maß. Im Weltergewicht kamen in Flynn und Campe wahrscheinlich die beiden besten Leute in die Entscheidung, aber wie der Amerikaner gegen den Briten, so hatte unser Campe vorher gegen Jensen ein ganz klein wenig Glück. Das braucht man zum Leben und zum Siegen oder Weiterkommen erst recht. Gibt es verschiedene Stile? An wenigen Tagen trugen Boxer aus fünfzehn Völkern eine große Zahl Kämpfe aus. Da gab es genug Gelegen heit zu Beobachtungen, da konnte man versuchen, nationale Eigentümlichkeiten herauszufinden, Unter schiede in der Kampfweise festzustellen ... so sollte man glauben. Wenn man aufrichtig ist, wird man nicht be haupten, daß solcher Versuch erfolgreich war. Man sah