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Sächsische Staatszeitung : 06.07.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480731217-192207062
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480731217-19220706
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480731217-19220706
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-07
- Tag 1922-07-06
-
Monat
1922-07
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 06.07.1922
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LMKilW zm AWm ZlacheilW Nr. 158. r« Nr. 155 de« Hauptblatte«. 1922. Beauftragt mit der Herausgabe: Regierungsrat DoengeS in Dresden« Landtagsverhandlungen. 114. Sitzung. Dienstag, den 4. Juli 1922. Präsident Fräßdorf eröffnet die Sitzung 11 Uhr 7 Minuten vormittags» Am Ministertische Ministerpräsident Buck, und die Minister Heldt,Fellisch,Fleißner, Lipinski und Ristau mit einigen Regie« rungSvertretern. Vor Eintritt in die Tagesordnung wird auf Vorschlag der Präsidenten beschlossen, mit dem ersten Punkt der Tagesordnung: Besprechung der in der 113. öffentlichen Sitzung am 28. Juni 1922 abgegebenen Regierungserklärung, die den gleichen Gegen stand behandelnden Anfragen Ebert (Kam.) Nr. 733, Hofmann (Dtschnat.) Nr. 781, Blüher (Dtfch Bp) Nr. 790 und die An träge Ebert (Kom.) u. Gen. Nr. 791 und 792 zu behandeln, die letzten beiden An träge, obwohl die Frist, die für Behand lung von Anträgen durch die Geschäftsord nung bestimmt ist, nicht eingehalten worden ist Die Behandlung der Anfragen und An träge soll in der Form erfolgen, daß die Anfrager und Antragsteller nicht besonders das Wort zur Begründung erhalten, sondern eS soll in der Aussprache darauf zurückge griffen werden. Ferner teilt der Präsident mit, daß mit Rücksicht auf die am heutigen Tage statt findenden Demonstrationen, an denen eine größere Anzahl Mitglieder der Hause- ein Interesse haben, von 2—4 Uhr eine Pause in den Verhandlungen eintreten werde Weiter wird vor Eintritt in die Tages ordnung durch den Schriftführer Mucker (Unabh.) folgender Schreiben verlesen: Nachdem durch den Beschluß des Landtags vom 22. Juni 1922 der staatliche Anteil an dem Glundkapiial der LandeSsicdlungsgesellschaft „Sächsisches Heim" um 2895 000 M. vermehrt worden ist, stehen dem Staat nunmehr 7 Sitze im Aufsichtsrate der Landessiedlungsgesellschaft zu. Bei der Beratung der Vorlage in den ver einigten Ausschüssen des Landtages ist der Wunsch ausgesprochen worden, die noch offenen 4 Sitze im Aufsichtsrate mit Mitgliedern des Landtages zu besetzen. Die Regierung ist bereit, dem ge- äußerte» Wunsche nachzukommen und bittet daher ergebenst, 4 Mitglieder des Landtages als Vertreter des Staates im Aufsichtsrate der Landessiedlungsgesellschaft „Sächsisches Heim" und weitere 4 Mitglieder als Stellvertreter zu benennen. Der Stellvertreter des Minister präsidenten. gez- Lipinski. Die Wahl soll in einer der nächsten Sit zungen stattfinden. Punkt 1 der Tagesordnung: Besprechung der in der 113 öffentlichen Sitzung am 28. Juni 1922 abgegebenen Regierungs erklärung. Die mit Punkt 1 verbundenen Anfragen bzw. Anträge lauten: Nr. 733 Anfrage. Von Tag zu Tag tritt die Konterrevolution wie in ganz Deutschland so auch in Sachsen immer offener hervor. Seit den Gründungen der „Orgejch", dem „Silbernen Schild" usw. wurde von diesen Organisationen alles unternommen, um ihren Einfluß zu steigern. In Plataten und Veranstaltungen, unterstützt von der bürgerlichen Presse, sind sie ununter brochen bemüht, ihre Organisationen zu stärken und den Geist der Reaktion auSzubreiten. Als Mittel zum Zweck vollziehen die Konterrevolutionäre über das ganze Reick Zusammenschlüsse von RegimentLvereinen der Regimenter des früheren Heeres, die ihre öffentliche Propaganda durch Regimentstage «sw ausführen. Bei derartigen Veranstaltungen steht der konterrevolutionäre Charakter dieser Bereinigungen ohne weiteres fest. Die von ihnen geübte Tätigkeit nimmt an Ausdehnung zu und bildet eine ständig steigende Bedrohung für die Arbeiterschaft. Bus allen Veranstaltungen werden die vorrevolutionären Zustände gepriesen und für ibre Wiederherstellung gesprochen. Dieselben Ziele verfolgt der „Bund national gesinnter Soldaten". Anläßlich des Geburt-- tages des früheren Königs von Sachsen wurde am HimmelfahrtStage in Dresden eine neue Gruppe dieser Organisation gebildet, bei welcher Korvettenkapitän v. Abendroth für die Bild» g einer nationalen Einheitsfront sprach und den Kan,Pf mit allen Mitteln zur Wiederherstellung der alten Zustände ankündigte. Am 10. bi» 12. Juni fand in Dresden ein Gardereitettag statt, bei welchem die 6. Schwadron diese» Re- giment» vor dem Denkmal der Gefallenen mit Pferden und Lanzen demonstrierte. Am 7. Mai fand in Leipzig ein RegimentS- tag der 107 er statt, der jetzt Anfang Juli wieder holt werden soll. Ebenfalls findet Anfang Juli in Freiberg der RegimentStag der 182er statt, zum 2. und 3. Juli ruft da» Jnsantene-Regi- ment 104 seinen RegimentStag nach Chemnitz ein. Am 17., 18. und 19. Juti ist Pioniertag in Leipzig, am 22. und 23. Juni 23 er Tag in Dresden usw. Für den 28. Juni ist ein allge meiner Germanentag angesagt. Zur Demonstra tion an diesem Tage wird jetzt schon von der „Vereinigung vaterländischer Verbände" in Tha randt aufgeruse». Die Arbeiterschaft ist entschlossen, diesem Treibe» der Konterrevolutionäre nicht länger zuzusehen, sie wird alle Mittel anwenden, um diesen Treibereien ein Ende zu machen. Wie stellt sich die Regierung zu dielen Provo kationen der Arbeiterschaft durch die Konter revolution ? Was hat die Regierung getan, um diesem Treiben der Reaktion entgegenzuwirken? Ist die Regierung bereit, die Regimentstage zu verbieten? Ebert (Kom.) u. Gen. Nr. 78l, Anfrage. Bei den Demonstrationen der drei Linkspar teien am Dienstag, den 27. Juni zur Bekundung der Trauer üoer die Ermordung vr. Rathenaus und der Treue zur Reichsverfassung sind im Lande eine Reihe von unerhörten Gewalttaten und Erpressungen begangen worden. Weshalb hat die Regierung keine Bottehrungen gegen die sicher zu erwartenden Ausschreitungen getroffen, zumal in der sozialdemokratischen Presse Anreizungen zu diesen gegeben worden waren? Ist die Bestrafung wegen dieser Gewalttaten eingeleitet? Was hat die Regierung zur Ermittlung dieser Täter getan? Wie gedenkt die Regierung in Zukunft die Staatsbürger vor der Beeinträchtigung ihrer staatsbürgerlichen Rechte zu schützen? Hofmann (Dtschnat.) u. Gen. N'. 790, Anfrage. Am 17. Juni d. I. abends fand am Bismarck turme im Crimmitschauer Wald zu Chemn tz eine Sonncnwendfeier, die zugleich eine Dankeskund- gcbung für die im Weltkriege Gefallenen sein soll e, statt An ihr nahmen eine größere Anzahl Chemnitzer Einwohner mit Frauen und K-ndern teil. Alls den, Wege zu chrem Ziele wurden die ruhig ihres WegeS marschierenden Festzugs- teilnchnier plötzlich von einer 200 bis 300 Mann starken Rotte meist junger Leute, wie festgestellt ivurde Kommunisten, überfallen. Mit heraus gerissenen Zaunlatten, Straßenabsperrungsschil- der» und Pflastersteinen schlugen und warfen die Angreifer in rohester Weife auf die Zugteil, nehmer ein, von denen eine Anzahl, darunter Frauen und kleine Kinder, verletzt wurden. Militär« und Gesangvereinsfahnen suchte man ihren Trägern zu entreißen. Während und nach der Feier am Turme sind die Teilnehmer in der gemeinsten Weise beleidigt und beschimpft worden. Es ist sestgcstellt, daß der Überfall geplant und vorbereitet war. Insbesondere hatte der kommunistische „Kämpfer" die kommunistische Arbeiterjugend zu einer Geländeübung an jenem Nachmittag aufgesordert. Die dieser Aufforderung gefolgt waren, befanden sich unter den Land friedensbrechern. Was gedenkt die Regierung zu tun, um solche Vorfälle unmöglich zu machen? Blüher (Dtfch. Vp.) u. Gen. Nr. 791, Antrag. Der Landtag wolle beschließen,' die sächsische Regierung zu beauftragen, bei der Reichsregierung die Durchführung folgen, der Maßnahmen auf Grund der Ausnahme. Verordnung der Reichsregierung dringend zu beantragen: I. sofortige Inhaftierung folgender mon- archaischer Führer: 1. den Begründer der antirepublikanischen Organisation Escherisch (Orgesch), Hrn. Forstrat Eschen ch, 3. die altbekannten bayerischen Mvnarchisten- führer von Kahr, Poehuer und Roth, 3. Aufhebung der Jmmunit t und sofortige Inhaftierung des ideologischen Anstifters der Morde an Erzberger und Rathenau und der nationalistischen Anschläge auf die Republik, den ehemaligen kaiserlichen Mi. nister Helfferich, 4. wegen Unterlassung der Bekämpfung'.mon- archistischer Nmsturzbestrebungen in der Reichswehr in höchster amtlicher Stellung der Republik, den Reichewehrminister Geßler, 5. wegen offener monarchistischer Propaganda und teilweise offener Beteiligung am Kapp. Putsch, wegen Vorbereitung und Durch, führung der Regimentsfeiern mit dem Zweck der Sammlung der monarchistischen Kräfte zum gewaltsamen Sturz der Re publik, die ehemaligen kaiserlichen Generäle Ludendorff, Hindenburg, v. Seeckt.Maerker; II. sofortige Auslösung und Verbot aller mon. archistischen und antirepublikanischen Ber. bände: 1. Organisation Escherich, 2. Organisation Consul, 3. Arbeitsgemeinschaft Roßbach, 4. verband nationalgesinnter Soldate«, 5. Jungdeutscher Orden, S. Organisation Rungler, 7. Organisation Kornblume, 8. Schießverein Kornblume, 9. Reichsoss,ziersbund 1920, 10. Deutscher OifizierSbund, 11. Deutschvölkischer Schutz, und Trutzbund, 12. Deutschvöllische Jugend, 13. Liga zum Schutze der deutschen Kultur, 14. Alldeutscher Verband. 15. Stahlhelm (Bund der Frontsoldaten), 16. Deutschnationaler Jugendbund, 17. Nationalverband deutscher Offiziere, 18. Bund der Aufrechten, 19. Bund der Kaisettreuen, 20. Jungsturn», 21. Christliche Pfadfinder. III. sofortige Amtsenthebung aller Staatsan. wälte und Richter, die in der Führung von Pro. zessen unterlassen haben, die Interessen der Re. publik nachdrücklich zu wahren, und die durch ihre Urteile die monarchistische Konterrevolution unterstützt und gefördert haben. Es kommen hierbei in Frage insbesondere die Staatsanwälte und Richter in folgenden Prozessen: 1. Killinger-Prozeß. 2 Prozeß gegen Leutnant Kroll, 3. Marloh. Prozeß, 4. Prozeß gegen die Marburger Studenten, 5. Aulock-Prozeß, 6. Prozeß Runge, Plugck-Hartung usw. Ebert (Kom.) u. Gen. Nr. 792, Antrag. Der Landtag wolle beschließen: Auf Grund der Berliner Vereinbarungen der Spitzenorganisationen des Proletariats (ATGB., Afa, SPD., NSP-, KPD ) die Re- gierung zu beauftragen: 1. alle mcnarchis.ishen und antirepullikani- fchen Druckerzeugnisse innerhalb Sachsens zu verbieten und zu beschlagnahmen („Sächs. LanLeszcitung", „Krone" usw.); 2. das Hissen von schwarz-weiß-roteu Fahnen und das Anbringen von Wappen und Ab- zeichen aller Art mit diesen Farben zu verbieten; 3. den General Maerker, den Orgeschführer Korvettenkapitän v. Abendroth, die Führer der Organisationen Stahlhelm, Silbernes Schild zu inhaftieren; 4. die reaktionären Polizeidirektoren in Leip zig und Dresden, die durch ihr Vorgehen gegen die Arbeiterschaft die Monarchist,» fchen Strömungen gestärkt haben, sofort zu entlassen; 5. die sofortige Inhaftierung solcher Personen, die gegen Gesetze zum Schutze der Repu blik verstoßen, anzuordnen; 6. die Beamten, die sich an der Hetze gegen die Regierung beteiligt haben, sofort zu entlassen; 7. bei allen Behörden Komrollkommissionen aus Angehörigen der Arbeiterorgani sationen zuzulassen, welche mit der Kon- trolle der Durchführung obenstehender Forderungen betraut werden. Ebert (Som ) u. Gen. DaS Wort erhält an erster Stelle Abg. Wirth (Toz.): JmjAustrage der Sozialdemokratischen Fraktion habe ich zu erklären, daß wir mit der Erklärung, die die Regierung am 28. Juni in diesem Hause abgegeben hat, und mit den Maßnahmen, die sie zum Schutze der Republik getroffen hat, einver- standen sind. -Wir sind auch einverstanden mit den Maßnahmen, die die Reichsregierung zum Schutze der Republik getroffen hat, aber wir wünschen dringend von der sächsischen Regierung, daß diese Maßnahmen nicht nur auf dem Papier stehen bleiben, sondern auch durchgefühtt werden. (Sehr richtig! bei den Soz.) Denn wie war eS denn möglich, daß solche Zustände in Deutsch land einreiben konnten, wie wir sie jetzt erle ben? Da können wir auch die sächsische Regie- runa nicht ganz frei sprechen. Sie hätte diesem Treiben schon längst einmal mit aller Scharfe entgegentreten müsse» und Hütte den Vorderes- tungen, die man zu diesen Mordorganisationen getroffen hat, und vor allen Dingen den Be schimpfungen der Republik in der bürgerlichen Presse und den Beschimpfungen der führenden Männer, wie wir sie in dieser Weise in Deutsch land noch nicht erlebt haben, schon längst mit aller Schärfe entgegentreten müssen. Wir wün schen, daß in dieser Beziehung etwas schärfer vorgegangen wird. Die Verhältnisse, wie sie sich heute in Deutsch land herausgebildet haben, müssen un» auch draußen im Auslande in unserem Ansehen als Deutsche auf da» Schwerste schädigen. (Sehr richtig! auf allen Seiten des Hauses.) Sie alle kennen die Sozialdemokratische Partei, Sie wissen, auf welchem Boden wir stehen, Sie wissen, was wir in Deutschland zu erdulden hatten. Eie werden uns aber niemals nach weisen können, daß wir uns trotz aller Drang salierungen von dem gesetzlichen Boden entfernt hätten. Wir stehen heute noch auf dem Stand punkt, daß wir niemanden in seiner Überzeugung beengen wollen, daß jeder seine Anschauung in Deutschland frei und offen vertreten kann, aber in dem Rahmen, in dem man das von einem anständigen Menschen verlangen kann. Dieser Rahmen ist überschritten worden. Es haben sich in Deutschland Morderorganisationen gebildet, die den Meuchelmord propagieren, und bedauer licherweise haben sich zu dieser Propagierung eine ganze Reihe von bürgerlichen Zeitungen hergegeben, die nicht davor zurückgeschreckt sind, sie zu unterstützen und in Schu^ zu nehmen. Da» ist da» allerbedauerlichste. Deshalb stehe« wir auf dem Standpunkte, daß man gegen jene Leute in der schärfsten Weise vorgehen muß und daß nicht nur diejenigen, die den Meuchelmord in die Tat umsetzen und die Organisationen propagieren, scharf bestraft werden müssen, son dern auch diejenigen Parteien und Zeitungen, die diese Leute unterstützen und in Schutz nehmen. ES lvürde in diesem Falle nichts schaden, wenn unsere heutigen Staatsmänner, die Vertreter der Republik, sich einmal ein kleines Beispiel an ihren Vorgängern, den monarchistischen Staatsmännern, nehmen würden Sie könnten in dieser Beziehung oft recht viel von ihnen lernen Ich erinnere an daSJahr 1878, in den« das Ausnahmegesetz gegen die Sozial- demokratie beschlossen wurde, das Schandgesetz, welches zwölf Jahre auf einer Pattei gelastet hat, die niemals den rechtlichen Bode» verlassen hatte. Ich erinnere daran, wie damals die monarchistischen Staatsmänner gearbeitet und ihre Macht ausgenützt haben bis auf das äußerste, um Thron und Altar zu schütze» und unsere junge, aufstrebende Pattei, die auf dem gesetz lichen Boden stand, zu vernichten und in ihrer ganzen Betätigung zu beschränken. Aber nicht nur während des Sozialistengesetzes, nein, auch später hat man der Sozialdemokratie die größten Hindernisse in den Weg gelegt. Es war ja damals ausgerechnet das Neine indu strielle Sachsen das Probierland für alle reak tionären Maßnahmen in Deutschland. (Sehr richtig! links.) Ich erinnere nur an das damals bestehende sächsische Vereinsgesetz, das sog. „Juwel". Erstens einmal war es uns ja gar nicht möglih, Versammlungen abzuhalten, denn sämtliche Säle wurden uns abgetrieben. Wenn schon einmal der Inhaber eines Saales bereit war, uns sein Lokal zur Verfügung zu stellen, dann kamen die Behörden und machten ihn auf die Folgen aufmerksam, so daß der Mann dann seine Zusage zurückuahm, oder wenn er wirklich einmal den Mut besaß und sich nicht lleinkriegen ließ, dann kamen di: Behörden und hab:» sie die Türen ausgemessen, da wurde festgestellt, daß die zu schmal waren, da waren die Treppen für solche Massenversamm lungen nicht tragsähig, da waren nicht genügend Notausgänge vorhanden und was sonst noch alles. In dieser Weise versuchte man, es unt unmöglich zu mache.,, in Versammlungen unsere Ideen zu propagieren. Wenn wir dann aber in Ermangelung geschlossener Räume einmal draußen im Freien einen Platz bekamen, um dort eine Versammlung abzuhalten, da kamen die Behörden auch wieder und fauden alles mögliche und machten uns auch das unmöglich. Ich will weiter daran erinnern, daß ja damals in jeder Versammlung eine polizeiliche Über wachung vorhanden war, und wehe dem armen Teufel, der sich einmal in Redensarten verging, ein Wort vielleicht herausbrachte, das dem Gesetz nicht standhielt — sofort wurde er schwer bestraft mit Gefängnis oder hohen Geldstraf:». Aber nicht nur in dieser Beziehung, auch wenn wir Flugblätter austrugen, wurden wir verhaftet und eingejperrt. (Zuruf links: Und verprügelt!) Unsere Flug blätter wurden beschlagnahmt, trotzdem keine ge setzliche Handhabe dazu vorhanden war. Was kümmerte man sich damals um Gesetz, um Recht, man hatte zunächst doch einmal die Sache un schädlich gemacht; die Flugblätter bekamen wir natürlich erst später wieder, wenn sie leinen Wert mehr hatten. Das waren die Zustände, die damals herrschten. Damals beim Sozialisten- gesetz hat man Hunderte von Familienvätern inS Zuchthau» und Gefängnis gesperrt, Hunderte von Familienvätern ausgewiesen, die Familien wur- den dem größten Elend überantwortet. Das waren die Zustände, die bis zum Kriege existiert haben, und es ist notwendig, daß wir diese Ber- hältnisse heute wieder einmal von dieser Stelle aus dem Volke inS Gedächtnis zurückrusen. (Sehr richtig! bei den Soz.) Aber nicht nur, wenn wir politisch auftraten, nein, auch wenn die Arbeiter sich einmal ein Vergnügen gönnen woll ten, kamen die Polizeibehörden und machten uns die allergrößten Schwierigkeiten, verlangten, daß wir da» Programm einreichten, und überall hatte man etwa» daran auszusetzen. Und wenn es endlich nach vielen Bemühungen gelungen war, ein solches Vergnügen zustande zu bringen, so wurde auch noch eine polizeiliche Überwachung hingestellt, damit ja alles in Ordnung ginge, wie man es wünschte. Diese Zustände, das betone ich, wollen wir nicht wieder haben, sondern wir wollen, daß jeder Deutsche sich frei und wohl fühlt, daß er seine Ideen propagieren kann. Aber das, was heute geschieht, ist kein geistiger Kampf mehr auf po litischem Gebiete, da» ist ein Meuchelmordkampf, wie ihn Deutschland noch nicht erlebt hat, und man sollte annehmen, daß es keinen Deutschen gäbe, dem nicht die Schamröte ins Gesicht steigt, wenn er solche Dinge heute sieht. Und jene Meuchelmordorgantsationen heute werden nicht von Arbeitern propagiert und geschaffen, der Mord wird nicht von Arbeitern ausgeübt, sondern das geschieht von jenen Kreisen au», die sich bisher als etwas Besseres dünkten (Abg. Menke: Die sich deutnational nennen!), die die l bessere Schulbildung genossen haben, genossen haben auf Kosten de» allgemeinen Volkes. (Leb haftes Sehr richtig! links.) Wenn da» der Er folg der höheren Schulbildung sein soll, dann möchte ich schon sagen, c» ist besser, wenn das Geld zu etwas anderem angewendet wird. (Lebhafte Zustimmung link» ) Aber an wa» liegt denn da»? Ich sage e» ganz offen und ehrlich: e» wird höchste Zeit, daß die deut-
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