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Sächsische Staatszeitung : 22.01.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480731217-192201225
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480731217-19220122
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480731217-19220122
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-01
- Tag 1922-01-22
-
Monat
1922-01
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 22.01.1922
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ÄMGdÄU W AlhW StWtUitlU 10^. vcanslragt mit der Herausgabe: RegierangSrat Doenge» tu Dresden. 1922 Landtagsverhandlungen. (Fortsetzung der Sitzung vom 19. Januar.) Abg. Donath (Dtsch. BP ): Was den vorliegenden Antrag anbetrijit, so habe ich namens meiner Fraktion zu erklären, daß wir dcmjelben durchaus sympathisch gcgen- überstehen und für ihn cintreten werde». Wenn man in der heutigen Zeit, und ztvar ganz mit Recht von der Landwirtschaft fordert, daß sie die Produktion der landwirtschaftlichen Erzeugnisse soweit wie irgend möglich steigert und ander seits die Landwirtschaft bereit ist, au ihren: Teile diese Ausgabe zu erfülle», so meinen wir, ist es anch die Pflicht der Staatsrcgicrung, diese Be strebungen soweit als irgend möglich zu unter stützen. Tas wird nach unserer Auffassung neben anderen Massnahmen, die getroffen werden müssen, am besten dadurch geschehen, dass man unsere laudwirtjchastliHen Schulen vermehrt, vor allen Dingen aber wert besser ausbaut, als wie cs bisher geschehen ist. Es ist wiederholt schon darauf hingcwieseu worden, daß für die Für- derung der Landwirtschaft in Sachsen insgesamt nur 300000 M. in den Staatshaushaltplan ein gestellt worden sind. Tieje Summo halten wir selbstverständlich für viel zn gering, wenn cS sich darum handelt, daß nicht nur diese Schulen ver mehrt, sondern auch entsprechend ausgebaut werde» müssen. Wenn anch die Landwirtschaft gern bereit ist, für den Ausbau und für eine Vermehrung unserer landwirtschaftlichen Schulen bedeutende Opfer zu bringen, so ist sie doch ganz außerstande, die gewaltigen Summen allein aus zubringen, die erforderlich sind, um unsere land wirtschaftlichen Schulen jo auszubaucn, wie es dem heutigen Stande der Wissenschaft und der Praxis entspricht. TaS wird nur geschehen kön nen, wenn der Staat dementsprechende Mittel zur Verfügung stellt. Nun sind ja bekanntlich die landwirtschaftlichen Schulen seit dem 1. April vorigen Jahres von dem Landeskulturrat über nommen worden. Wir hallen diese Maßnahme durchaus für einen Fortschritt und begrüßen sie lebhaft; denn es haben sich im Laufe der letzte» Jahre, wo unsere landwirtschaftlichen Schulen de» zuständigen landwirtschaftlichen Kreisvereinen unterstellt waren, verschiedene Mißstände er geben, deren Beseitigung dringend erwünscht ist. Es ist im Laufe der letzten Zeit vorgckommen, daß Maßnahmen der Direktoren an einzelnen landwirtschaftlichen Schulen von jeiten der zu ständigen Kreisvcreine in einer Weise korrigiert worden sind, ja man kann sagen, daß diese Di rektoren in einer Weise bevormundet worden sind, die dem Schulbetriebe jedenfalls abträglich ist. Dadurch wird die Arbeitssreudigkeit dieser Direktoren keineswegs gefördert, sondern geradezu untergraben. Was die Gründung landwirtschaft licher Schulen anbetrifft, so stehen wir allerdings aus dem Standpunkte, daß es sich bei den ge spannten finanziellen Verhältnissen, wie wir sie gegenwärtig im Lande haben, weniger um viele Neugründnngen handeln kann, sondern daß es vor allen Dingen erwünscht ist, daß nnserc land wirtschaftlichen Schulen besser als bisher aus- gebaut werden und daß vor allen Dingen eine Reform des Lehrplanes erfolgt. Soweit das östliche Sachsen in Frage kommt, stehen wir auf dem Standpunkte, daß die beiden landwirtschaft lichen Schulen in Bautzen und Zittau vollständig dem Bedürfnis genügen. Was aber für das östliche Sachsen notwendig ist, ist das, daß dort eine landwirtschaftliche Haushaltungsschule errich tet wird, und da haben wir allerdings den Wunsch, daß diese Schule, wenn irgend möglich, in der Stadt Zittau errichtet werde. Was die Wünsche der Lehrerschaft anbetrifft, so will ich Henie hier nicht darauf cingchen. Ich behalte mir daS für die Deputationsberatungen vor. (Bravo? rechts und in der Mitte.) Abg. Schnirch (Unabh.): Nachdem der Antrag auf Ausschußberalung bereits gestellt ist, werden wir Gelegenheit nehmen, an jener Stelle nnsere Bedenken bzw. unsere Forderungen zum Vortrag zu bringen. Ich will hier nnr erklären: Man könnte sehr wohl zu dem Schluß kommen: Aus dem Verdienste, den die Bauern in den letzten Jahre,» aus den Taschen der Allgemeinheit gezogen haben, wäre die Unterhaltung der Schulen sehr wohl möglich. Aber wir erkennen an, daß wir, wenn wir diesen Weg gehen würden, Standesschnlcn dadurch züchten würden. Wir sagen daher: Weil wir nicht cinzusehen vermögen, daß die Bauern allein darüber entscheiden sollen, wer jene Schulen besuchen soll, um deswillen müssen die Schulen auf eine andere Grundlage gestellt werden, als es früher der Fall gewesen ist. Der Forderung, daß die Regierung den Fehlbetrag von 163 000 M. übernimmt, können wir zustim- men. Aber der anderen Frage, die gestellt worden ist, daß man nind 2 Mill. M. zur För derung der sächsischen Landwirtschaft fordert, könnten wir nicht zustimmen, wenigstens auf keinen Fall in der Form, wie cs hier gefordert wird. Es muß zunächst meiner Auffassung nach darüber Klarheit geschaffen werden: Wie ist der Haushaltplan der Lehranstalt ausgestellt? Und da sind wir der Meinung: Wenn man Einsicht darein genommen hat, wird man die Möglich- leit erwägen können, wie hoch sich der Regie- rungszuschuß belaufen kann. Weiter aber erkläre ich, daß wir, soweit es sich um die Schulen im allgemeinen h mdclt, der Auffassung, die von dem Hrn. Kollegen ElauS vorgebracht worden ist und der sich Hr. Abg. Schembor «»schloß, bcipflichten, daß wir mit theoretischer AuSdildung allein nicht» erreichen können, daß im Gegenteil Theorie und Praxi» sich ergänzen müssen. Und e» ist ein ! Wahrzeichen, daß Hr. Abg. Donath die Ausfüh- j rungen machte, daß cs dringend notwendig er scheine, daß an den landwirtschaftlichen Schulen durchgreifende Reformen vorgcnommen werden, weil in den letzte»» Jahren außerordentlich weniy davon zu merken gewesen sei. (Sehr richtig! bei den Soz) ES darf gehofft werden, daß der künftige Einfluß des Landeskultnrrates und der andere»» ansschlaggebenden Stellen dazu bei tragen wird, daß in dieser Beziehung endlich Wandel geschaffen wird. Abg. NammelSberg (Dtjchnat.j: WaS meine Stellung zu den Beispielwirt* schäfte»» anlangt, fo ist sie hinlänglich bekannt. Ich sage nur das eine, unsere Bauernsöhne können auf den großen Beispiciwirtschafte»» für ihre kleinen Betriebe nichts lernen, sonder»» sie müssett ai» kleinere Betriebe angcschult »verden, wem» sie etwas lernen solle» Tie Großbetriebe könne»» vielleicht umgekehrt nach der Richtung segensreich wirken, daß man a» ihnen sieht, wie man cs bei den» bäuerliche!» Betriebe nicht machen muß. Was die Neuordnung der Schulen anbciaugt, jo wird hier der Vorwurf gemacht, unsere Schulplüne seien rückständig. Ter Herr, der das gejagt, weiß nicht Bescheid. Tenn jedes Jahr ist eine Konferenz in Dresden, auf der ständig die Lehrpläne einer Besprechung unter zogen worden sind. Wenn daim weiter von Hru. Abg. Schnirch gesagt wurde, daß die Bauen» bei den Einnahmen, die sie hätten, ganz gut die Schulen selbst erhalten könnten, so sage ich nnr das eine: über diese Einnahmen und Gewinne ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Wenn »vir die stcue»lichc Belastung der land wirtschaftlichen Einrichtungen ins Auge fassen und wenn »vir auf der anderen Seite die un- achcure Arbeit, die diese Landwirte leisten, die Überstunden, die sie leisten, auch mit bcrücksich- tigen, dann kann von einem übergroßen Gewinn nicht die Rede sein. Und trotzdem sind viele Landwirte nicht in der Lage, jetzt die Kosten für den Schulbesuch ihres Sohnes zu tragen, weil die Koste»» ins Nngcmeffenc steigen und weil die Arbeitsverhältnisse so schlecht sind, daß er tatsäch lich seinen Soh» ge.r nicht in die landwirtschaft liche Schale gehen lasse»» kann. ^Wir wollen auch diese»» Umstand heute bcrückjiwtigcn, denn das ist von Einfluß ans die ganze Schulsrage. Was den Vorwurf der rein theoretische»» Ausbildung der Landwirtschaft.lchrcr anlangt, so kann der Hr. Abg. Schnirch beruhigt lein. Tie Landwirt- schaftslehrcr müssen praktische Landwirte und Theoretiker sein. Sie können nicht studieren, ehe sie nicht in der Praxis die Landwirtschaft kennen gelernt haben. Jeder Tirektor einer landwirtschaftlichen Schule wird bemüht sein, Theorie und Praxis in der richtigen Weise mit einander zu vereinbaren. Ich wiederhole: ES gibt keine bessere Ausbildung und Beratungs- Möglichkeit für unsere Landwirte in Sachsen als die landwirtschaftlichen Schulen, und da sie sich in der Vergangenheit und in der Gegenwart so segensreich gezeigt haben, ist es unsere Pflicht, mit allen Mitteln ihre Arbeit zu förden». (Bravo! rechts.) Nach einem kurzen Schlußwort des Abg. Friedrich (Dtschnat.) wird der Antrag gegen die Stimmen der Kommunisten auf Antrag des Abg. Beutler (Dtschnat.) dem HauS» Haltsausschuß zur Weiterberatung über wiesen. Punkt 4 der Tagesordnung: Beratung über die Eingabe des Bauingenieurs Fr. P. Beuge in Berlin-Neukölln gegen den Mädchenhandel. (Mündlicher Bericht des Prüfungsausschusses, Drucksache Nr. 493.) Der Antrag des Prüfungsausschusses lautet: Der Landtag wolle beschließen: 1. den Beschluß des Prüfungsausschusses vom 1. Dezember 1921 aufzuheben und die Eingabe aus Grund von § 43 Abs. 1 unter ä und Abs. 3 der Geschäftsordnung für unzulässig zu erklären; 2. die Regierung zu ersuchen, bei der Reichs - regierung dahin vorstellig zu werden, daß diese ») unbeschadet der endgültigen Regelung der Frage des Mädchenhandels durch das zu erwartende Strafgesetz sofort Übergangsbestimmungen schaffen möge, durch die den» Mädchenhandel mit de»» schärfsten Maßnahmen entgegengetreten wird, b) durch geeignete Regiernngsmaßnahmen die aus Beseitigung dieser Schmach gerichteten internationalen Bestrebun gen nachdrücklickist zu fördern. Berichterstatterin Frau Abg. Bültmann (Dtschnat.): Abgesehen von der Besprechung im Prüfungs- auSschuß und den» dort gefaßten Beschluß über die Eingabe des Bauingenieurs Beuge in Berlin zur gänzlichen Erledigung des Mädchenhandels, die außer an den sächsischen auch an den bay rischen Landtag'gerichtet ist, vertritt meine Frak tion die Ansicht, diese so tief bcdauerlichcn und veiabscheuungSwürdigcn Zustände zur Aussprache im Plenum vorzubringen, um weite Kreise darauf aufme»ksam zu machen. In der Eingabe wird betont, daß der Mädchen handel schlimmer als Mord ist. »veil er Leib und Seele der Mädchen langsam vernichtet. Diese Wahrheit kann wohl niemand in Abrede stellen. Der im Prüfungsausschuß einstimmig angenom- § »neue Vorschlag unter Zisf. 2» des Antrags ent spricht den Wünschen meiner Fraktion, besonders da »vir »vissen, daß das kommende Reichsgesctz ein verschärftes Strafmaß für diese verbrecherische»» Untaten vorsieht. Außerdem aber treten wir dafür ein, daß in allen Lehr- und Erziehungs- anstalten den Kindern der oberen Klassen Auf klärung über den Mädchenhandel, seinen Zweck und seine Folgen gegeben wird. Wieviel Un heil und Leid könnte dadurch verhindert werden! Rednerin gibt sodann einen Überblick über die Geschichte des Mädchenhandels seit seiner Be kämpfung und weist auf die Erfolge der Be kämpfung durch das „Deutsche Rationalkomitce zur internationalen Bekämpfung des Mädchen handels" und seine verschiedenen LandcSkomitees sowie der großen Anzahl anderer Korporationen hin und fährt dann sort: Von dem neuen Straf- gesetz crtvarten wir, daß die jetzigen haltlosen Zustände, die wieder von neuem cingcrisfen sind, geregelt werden. Für diese neue Gesetzesvorlage, die hoffentlich bald erscheinen wird, hat die abolitionistische Föderation und ebenfalls der deutsche Verband zur Hebung der Sittlichkeit — beiden Verbänden steht Frau Ur. Scheven in Dresden vor — eine großartige Für- und Vor sorgearbeit schon geleistet, und durch ihre un ermüdliche Arbeit ist cs gelungen, in mancher Beziehung schon viel zu erreichen. Auch von den» neuen Reichsjugendwohlsahrt-gcsetz erhoffen wir Gutes. Berufene Persönlichkeiten werden sich finden, die daS in vielen Mädchen glücklicher weise stark vorhandene Gefühl für Anstand und Sittlichkeit festigen und stählen werden. Wie die Zentrale für Jugendfürsorge, jo arbeitet auch die Kinderschutzkommijsion und Jugendschuy- fürjorge für Dresden und Umgebung in vorzüg lichster Weise für die Heranbildung der Kinder in ihre»»» sittliche»» Verhallen und für die Er kenntnis der sie umdrohenden Gefahren. Tie deutsche Liga für Fraucnschuy und Fraucn- rettung in München hat ein Geleitwort für junge Mädchen, betitelt „Hinaus ins Leben", heraus- gegebcn, das eil» wahrer Talisman ist, und man sollte niemals vergessen, cs jedem jungen Mäd chen mitzugebcn, das die Schule durchlaufen hat und sich einem Berufe widmen will. Kei» Mäd chen sollte in einer ihr fremde»» Großstadt, in der sie nicht Verwandte oder Freunde besitzt, und erst recht nicht iin Auslands eine Stellung annehmen, ohne genaue Erkundigungen durch die deutschen Konsulate einzuziehcn. Tie Pileac- ämter sind es ganz besonders, denen wir für de»» Schutz unser weiblichen Jugend gar nicht genug danken können. Gerade sie können cs jein, die den Mädchenhandel durch ihre» Zu sammenhang »nit den Polizeibehörden seiner end lichen Erledigung entgegenführen. Rednerin entwirft dann ein erschütterndes Bild von der Art und Weise des Mädchenhandels und den Gefahren, denci» insbesondere auch unsere deut schen Mädchen dabei ausgesetzt sind, und schließt mit den Worten: Möge sich aber in Deutschland in allen Kreisen die Ansicht durchringen, daß es »nit dem neuen Reichsgesctz zur Bekämpfung des Mädchenhandels nicht allein getan ist, sondern daß Vorsorge- und Fürjorgcarbeit in allergrößtem Maßstabe zu leisten ist? Es gilt, der bnitalcn Willkür roher Ausbeuter, die den Menschenhandel betreiben, entgegenzutretcn und eine sittlich Willensstärke Jugend heranzubilden, die den Menschenhändler vergeblich nach Losern suchen läßt. Aus voltsmoralrjchcu, ethischen und sozialen Gründen bitte»» »vir alle Fraktionen des Land tages und die Regierung, Mitarbeit in der Be kämpfung des Mädchenhandels zu leisten und den Antrag des Prüfungsausschuües anmnchmcn. (Bravo!) Präsident: Ich glaube, das ist ein Gegenstand über den in» Landtage keine Meinungsverschiedenheiten bestehen. (Sehr richtig!) Was hier so lebhaft und mit Recht kritisiert worden ist, berührt uns alle bis ins Innerste. Ich möchte deshalb emp fehlen, die Debatte hierüber abzukürzen, denn daß der Antrag angenommen wird, halte ich für selbstverständlich. Abg. Frl. I>». Hert»l« (Dtsch. Hp.,: Wir unterstützen natürlich den Antrag des Prüfungsausschusses, denn auch wir stehen auf dein Standpunkte, daß schärfste Maßnahmen er griffen werden müssen, um die furchtbaren Zu- stände, die in bezug aus den Mädchenhandel bc- stehen, zu bekämpfen. Wenn auch durch die neue»» Strafbestimmungen und internationale Abkommen die Möglichkeit einer schärferen Ber- solgung des Mädchenhandels teils gegeben, teils in Aussicht genommen ist, so bleibt doch auch den einzelnen Ländern innerhalb Deutschlands noch manches zu tun übrig, um bei Ausdeckung solcher Verbrechen »nitzuarbeiten, und lvas noch wichtiger ist, Maßnahmen zu treffen, um derar- tige Verbrechen zu verhüten. Tas kann und muß geschehen durch dauernde Zusammenarbeit zwischen Regierung, Polizei, dem Landeskomitee für Sachsen und den Vereinen, die sich die Für- fo»ge der sittlich gefährdeten Mädchen zur Auf- gäbe gestellt haben. Bor allen Dingen aber »nutz die weibliche Jugend immer »vieder auf« geklärt und vor den Gefahren des Mädchen- Handels gewarnt werden. (Sehr richtig!) Das sollte in den Fortbildungsschule»» geschehen, ge schieht auch in den Jugendvcreinen und ist natür lich auch eine Aufgabe all der Frauenvereine, die sich »m besonderen die Hebung der Sittlich keit und die Fürsorge für die weibliche Jugend zur Ausgabe gestellt habcn. (Bravo!) Abg. Frau Vüttncr (Soz.): Ich möchte daran erinnern, daß Bebel der erste gewesen ist, der den Mädchenhandel in einem Parlainentc zur Sprache brachte. ES liegt ja auch ganz nahe, daß die Sozialdemokra tie diejenige sein mußte (Große Heiterkeit rechts. — Abg. Beutler: Machen Cie sich nicht lächer lich!), die jeder Ausnützung eines Mensche»» öffentlich zu Leibe rückte. Die starken alten Parteien hätten es ja sehr leicht gehabt, früher durch ein Etaatsgcsetz, nicht durch Zureden oder kleine Hilfsmittel hier einen Tamm vorzuschieben. Tann aber möchte ich betonen, daß es mich be sonders freut, daß heute die Frauen über dieses Thema reden können, »veil ja die Rechtsparteiei» bis jetzt der Meinung waren, daß es das Scham gefühl des weiblichen Geschlechts überhaupt ver letze, von solchen Dingen zu sprechen, weswegen sie auch in das Gerichtswesen als Juristinnen nicht zuzulassen seien, auch nicht a!s Geschworene und Schöffen. Gerade in solchen Fragen gegen über Mädchenhändlern oder gegenüber den Ver hältnissen der Mädchen, die aus Bordells ent flohen sind, zu urteilen, sind die Frauen beson ders geeignet. Deshalb ist es sehr notwendig, daß die Frauen in die Gerichte »nit hineinlom- men. Ter Mädchenhandel und das Bordell- Wesen stehen in innigstem Zusammenhänge, denn wenn cs leine staatlich l.onze sionierten Verkauss- anstalten für Menschcnsleisch gäbe, würden diese Mädchen nicht als Ware behandelt werden. Es ist deshalb eine Heuchelei schlimmster Art, wenn diejenigen auf den Mädchenhandel schimpfen, die anderseits die Bordelle, die voi» den Mädchenhändlern die Ware beziehen, lassen wollen, und das ist doch hier die Frage. Tie Prostitution ist ja uralt, so daß mau nicht sagen kann, sie sei eine Erscheinung der kapita listischen Zeit, aber die Form und die Aus dehnung. die sie heute bat, das ist die Kehrseite der heutigen widerwärtigen tap.taliftischcn Ver hältnisse, und die Notwendigkeit, daß die Mäd chen den elenden Arbeitsverdienst zum Teil noch ergänzen durch ihre Hingabe, das »st das Furcht bare; außerdein aber das srecbe Breitmachei» des Luxus und des Reichtums, der ihnen fort während vor den Augen herumgauielt, sic ver führt und die Luft in ihnen weckt, nicht so kärg lich dahinzuleben. Erst wenn wir aus der Welt geschafft haben, daß der Unterschieo zwischen übermäßigen» Reichtum, zwischen Ausmachung und Glanz auf der einen Seite und Armut und Mittellosigkeit auf der andere»» beseitigt »ft, erst dann werden »vir die Grundursache zu den» Übel aus der Welr ceichafft haben. (Lebhaftes Bravo!) Abg. Frau Salinger (Tcm.): Ich möchte darauf Hinweisen, daß der Kampf gegen den Mädchenhandel von Teutschland allein gar nicht geführt »verden tann (Sehr richtig?), sondern international geführt »verden muß. (Sehr richtig? links.) Leider hat der Krieg alle diese Arbeiten unterbrochen. Aber die Frauen habe»» cS verstanden, dresc inter nationalen Fäden »vieder zu spinnen. Auch das Reich hat ja längst anerkannt, wie wichtig diese Bekämpfung ist. Ich darf daran erinnern, daß das Reichswanderungsamt, dessen Zentrale in Beilin Wanderungsämtcr in den Ländern ein gerichtet hat, wir haben in Trcc-den auch ein solches Amt, versucht, »nit Erfolg den» Mäd chenhandel zu begegnen. Tas sächsische Wande rungsamt hat es begrüßt, daß die Vereine, die seit 20 Jahre»» den Kamps gegen den Mädchen handel führen, mit ihm zusammcnarbeiten. Tiefem Zusammenarbeiten möge es gelingen, etwas Wirksames gegen den Mädchenhandel zn tun. (Bravo!) Abg. Frau Thümmel (Unabh.): Die Frage des Mädchenhandels ist nicht bloß eine Frage, die die Frauenwelt allein anginge. cS ist eine Frage, die das Volkrganze angeht, »»nd eine Frage, die hauptsächlich die Schichten der Bevölkerung angeht, die am meisten unter der wirtschaftlichen Not leiden, denn diese Dinge sehen und bekämpfen wollen heißt auch der Ur sache nachgehcn. Und da ist es wohl niemanden» ein Geheimnis, daß die Hauptursachc nicht nur die wirtschaftliche Not ist, die die Mädchen auf die Bahn deS Verderbens treibt, sondern vor allen Dingen auch eine geistige Rot ist. Ich unterschätze die Bercinsarbeit gegen dei» Mädchenhandel nicht, ich habe alle Hochachtung vor ihr, aber ich »nutz doch sagen, daß mit der Bercinsarbeit das Übel nrcht beseitigt »verden kann, sondern daß es eine Erziehungsfrage ist, eine Frage der Jugendfürsorge. Man muß sich die Lektüre der heutigen Jugend, die Romane einmal näher anseheu, die heute gelesen »verden und die derartig auf die Phantasie der Mädchen clnwirken, daß sic den Verführungen, die an sie herantrcten mögen, leichter zugänglich sind. (Zu« n»f: Kino!) Auch die Kinos! Wir sind dafür, daß man mit gesetzlichen Maßnahmen vorgeht, aber man darf nicht vergessen, die Erz»ehung anders zu gestalten, nicht nur die Erziehung der weiblichen Jugend, sondern auch die Erziehung der männlichen Jugend. (Bravo!) Nach dem Schlußwort der Berichter statterin wird -er Ausschußantrag ein stimmig angenommen. Punkt 6 der Tagesordnung: Anfrage der Abgg. vr. Reinhold, vr. Seyfert und Gen., betreffend die Zusammenkünfte der Minister aus Sachsen, Thüringen und Braunschweig (Drucksache Nr. 498.)
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