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IN! ÄMMv M AAW AmhBüüg 8t 326. zu Nr. 96 des Hauptblattes. 1926. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauße in Dresden. Landtagsverhandlungen. (Fortsetzung der 18L. Sitzung von Donnerstag, den 22. April.) Abg. Renner (Komm.) (Fortsetzung): Man kann sehr wohl, ohne eine Erhöhung der jetzt bestehenden Mieten durchzuführen, den Gemeinden dennoch 20 Proz. zum Wohnungsbau geben, wenn man den jetzigen Zustand bestehen läßt, aber keine Mittel aus der Mietzinssteuer für den allgemeinen Finanz» bedarf verwendet. (Finanzministervr. Dehne: Das schreibt doch das Reich vor!) Das Reich schreibt das nicht bindend vor, und wir bestreiten nach wie vor, das; die Auslegung des § 26 durch die Regierung richtig ist. Die gesamte Steuerpolitik der sächsischen Regierung, die ja bei den Beratungen der Grund und Gewerbesteuer noch einige Male recht eingehend, auch nach einer anderen Seite hin besprochen werden müßte, diese Steuerpolitik zeigt, daß jeder Abgeordnete, der für die Interessen der breiten Massen kämpfen will, der nicht eine einseitige Belastung der arbeitenden Massen dulden will, dem Anträge der Kommunistischen Fraktion auf Beseitigung des Minister präsidenten und dieser Regierung zustimmen müßte. Wir haben hier schon oft dagegen protestiert, daß die Regierung die Gelegenheit von 14 Tagen Landtagsferien dazu benutzt, um mit irgendeiner Notverordnung die Rechte, die Befugnisse der von den Arbeitern hierher gesandten Vertreter zu beschränken und zu hemmen. Machen Sie nur bis zum Herbst mit der Mietzinsstener, mit Grund- und Gewerbesteuer und mit einer Anzahl anderer Maßnahmen so weiter, sorgen Sie nur durch Ihre Gesetzgebung ein bißchen dafür, das; draußen den Arbeitermassen einmal klar lind deutlich die Augen ge öffnet werden, dann werden Sie, wenn Sie jetzt selbst der Entscheidung ausweichen, wenn Sie sich fürchten sich zur Wahl zu stellen, dann doch eine Antwort be kommen, die Ihnen sehr unangenehm werden wird! Abg. Edel (SPD ): Tie Kommunistische Fraktion hat versucht, aus dem, was erklärt worden ist, Material agitatorischer Art für ihre Partei herauszuschlagen. Aber wenn die Absicht besteht, Spekulationen auf eine Spaltung der Sozialdemokratischen Partei vorzunehmen (Abg. Böttcher: Ihr seit doch schon gespalten!), dann sage ich, hier ist der Wunsch der Vater des Gedankens sowohl bei den Herren Kommunisten als auch bei jenen bürger lichen Zeitungen, die sich jetzt bemühen, die Sachlage in Sachsen so darzustellen, als könnte es möglich sein, die Sozialdemokratische Partei irgendwie zu zerrütten. (Zuruf rechts: Das ist nicht nötig, das ist sie schon!) Wenn der kommunistische Redner sich in Rätselraten und Prognosen über die Absichten, wie er sich aus drückte, der linken Führer der Sozialdemokratie erging, so kann ich nur sagen: die Sozialdemokratie weiß sich allen Anstürmen gegenüber ihrer Haut zu erwehren. (Beifall b. d. SPD.) Wenn man die Stellungnahme der Gewerkschaften zu den in Sachsen jetzt innerhalb der Sozialdemokratischen Partei statt- findendcn Debatten kritisch verfolgt, so sieht man, daß die Spekulation der KPD. einen Resonanzboden nicht hat. Infolgedessen erübrigt cs sich auch, zumal bei dieser vorgerückten Stunde (Sehr richtig ! b. d. Ttschnat.), unsere Stellung zur Regierung im einzelnen darzulcgen. (Sehr richtig! b. d. SPD.) Ich darf mich beziehen ans die Erklärung der sozialdemokratischen Fraktion in der Sitzung vom 20. April. Es wird genügen, wenn ich sage, daß der Parteivorstand und der Parteiausschuß der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands diejenigen Schritte vollinhaltlich gebilligt hat, die von der sozial demokratischen Fraktion des Landtages hier öffentlich verkündet worden sind (Abg. Arzt: Sehr richtig!) Daraus ergibt sich auch die Stellungnahme, die die sozialdemokratische Fraktion der Negierung des Landes gegenüber einzunehmen hat. Mr unterstützen das Mißtrauen gegenüber der Regierung, das wir selbst in unserer Erklärung in jeder Form begründet und zum Ausdruck gebracht haben. Ausgehend von der Verantwortlichkeit dem Lande gegenüber, müssen wir bei der konkreten Frage der Not verordnungen über die Fortzahlung der Grund- und Gewerbesteuer und über die Mietzinsstener sagen, daß hier dieselbe Tendenz zum Ausdruck kommt, die wir auf anderen Gebieten vom sozialdemokratischen Standpunkt aus aufs schärfste zurückweisen müssen. (Abg. Arzt: Sehr richtig.') Es vereinbart sich nicht mit den Gesetzen der Demokratie, mit den Geboten des Parlamentarismus, wenn eine Taktik angcwendct wird gegenüber dem Landtage, die lantet: Wir werden den Landtag nach Hause schicken, und hinterher wird er vor die Notwendig keit entweder gestellt, eine Lücke in der Gesetzgebung zu schaffen oder die Notverordnung, wie sie von der Regierung geschossen ist, anznnehmen. Die Wohnungsnot soll behoben werden. Aber vom Staate ans hat man nichts übrig für diese Notwendigkeit, und auf dem Wege der Notverordnung wird, obwoh ein reichsgefetzlichcr Zwang nicht vorlag, der auf eine Erhöhung der Mietzinsstcucr in den jetzigen Monaten hinwies, eine Erhöhung der Miete vorgenommen, die beinahe an die Friedensmiete heranreicht. Mit Absicht ist auf Initiative der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion beschlossen worden, daß wegen der besonderen Krisen- zustande im Volke, wegen der besonderen Notlage der breiten Massen der Termin für die volle Friedensmiete hinausgeschoben werden sollte; und wenn nun auf dem Wege der Notverordnung der Satz der vollen Friedens miete schon vor dem reichsgesetzlichen Zwang erreicht wird, so bedeutet das in Wirklichkeit nichts anderes als eine Umgehung der Beschlüsse des Reichstages. Es steht fest, daß das Land Sachsen die Möglichkeit hatte, die sozial und wirtschaftlich unbedingt zu erhebende Forderung nach der Förderung des Wohnungsbaues dadurch zu unterstützen, das; vom Lande selbst Mittel für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt wurden. Das ist nicht der Fall gewesen, und deshalb haben wir auch gegen die Regelung, die nun getroffen ist, nicht nur die schwersten Bedenken zu erheben, sondern die schärfste Gegnerschaft für die Beratung im Rechtsaus- schuß anzukündigen. Diese Stellungnahme muß sich verschärfen, wenn man bedenkt, daß in derselben Notverordnung Steuer geschenke der, wie ich glaube, unerhörtesten Art vorge sehen sind. (Sehr richtig! b. d. SPD ) Es war niemand anders als ein Vertreter des Ministeriums des Innern, der bei der Beratung des Wegfalls der Zugliersteuer in der letzten Sitzung des Rechtsansschusses darauf hin wies, daß die Besteuerung der landwirtschaftlichen Ge bäude in die Kalkulation der Regierung eingeschlossen gewesen ist und daß man deswegen eine Vertagung der Vorlage über den Wegfall der Zugtiersteuer befür worten müsse. Wir können es bei der Gesamtlage des Staates rind wenn wir die Notlage aller Schichten im Volke gerecht abwägen, nicht verantworten, einer gesetzlichen Regelung die Zustimmung zu geben, die derart einseitig ist. Wir sind auch dagegen, das; in der Notverordung, wie schon in der Gesetzesvorlage der Regierung, der Anteil des Staates an der zu erhöhenden Mietzinssteuer erhöht wird von 10 auf 11 Proz., sind vielmehr der Meinung: wenn schon auf Grund rechtsgesetzlichen Zwangs eine so unsoziale Steuer erhoben wird wie die Mietzinssteller, so ist es nötig, aus dieser Steller zum mindesten soziale Aufgaben zu erfüllen. Wir schließen uns durchaus dem Protest des Landesverbandes Sachsen im Bunde Deut scher Mictervereine all, der dahin geht, daß es im höch sten Maße bedauerlich ist, daß die Freilassung der wenigen mit Hypotheken belasteten Grundstücke in einem größereil Maße verfügt ist, als das den: reichsgesctzlichen Zwange entspricht, daß auf diese Weise einseitig der Hausbcsitz gegenüber allen sonstigen Kapitalsbesitzern bevorzugt wird, größer noch bevorzugt wird, als das ohnedies schon der Fall ist. In krassem Gegensatz zur Stenerschonnng der Kreise, die am ehesten imstande wären, Steuern aufzubringen, steht der Umstand, daß die steuerfreie Grenze in dnrchaus ungenügender Form Erledigung gefunden hat. Es ist zwar mit einer gewissen Befriedigung festzustellen, das; der Satz von 2400 M., der in der Gesetzesvorlage vorgesehen ist als stellerfreie Grenze, auf 2800 M. herauf gesetzt ist. Doch hatten wir in; Rcchtsausschuß den An- trag gestellt, die steuerpflichtige Grenze unter bestimmten Bedingungen auf 3200 M. festzusetzen. Es handelt sich dabei um Ansnahmefälle, die einen großen Steueraus- fall nicht bedeutet hätten. Aber dieser Notwendigkeit ist man nicht nachgekommen. In der Gesamtheit betrachtet, müssen wir sagen, daß hier eine Regelung gefunden ist, die den berechtigten Interessen, die an diese Vorlage gestellt werden konnten, nicht Rechnnng trägt, und wir müssen sagen, das; infolge dessen die Zustimmung zu dieser Notverordnung für die sozialdemokratische Fraktion nicht verantwortet werden kann. (Sehr richtig! b. d. SPD ) Auch die andere Notverordnung muß trotz der vor gerückten Stunde mit einem Wort Erwähnung finden. Es ist eine Vorlage über die Forterhebung der Voraus zahlungen für die Grund- und Gewerbesteuer. Wir haben vor kurzem den Antrag gestellt, eine 30proz. Erhöhung der jetzigen Sätze für die Grund- lind Ge werbesteuer vorzunehmen. Da hat inan uns im Aus schuß verhöhnt (Abg. Arzt: Sehr gut!) und uns Gesetzes- unkenntnis vorgeworfen, weil wir nicht beachtet hätten, das; es sich um Vorauszahlung handle. Nunmehr aber bringt es die Regierung, die durch ihre Vertreter Nach weisen wollte, wie unsinnig unser Antrag sei, fertig, ausgerechnet eine Notverordnung dem Landtag zu unter breiten, in der die vorläufige Weitererhebnng der Vor auszahlungen für die Grund- und Gewerbesteuer vor gesehen ist. Daraus ergibt sich: inan wollte lediglich keine Erhöhung dieser Sätze, die wir durchaus für möglich gehalten hätten, zumal wir eine Schonung der minderbemittelten Einkommen vorgesehen hatten. Man wollte lediglich, das; die Besitzenden mit Steuer- crhöhungen nicht getroffen werden. Es war nur eine Spiegelfechterei, was man gegen unseren Antrag ein gewendet hat. (Präsident: Sie dürfen der Regierung keine Spiegelfechterei vorwerfen.) Ich habe das nicht der Regierung vorgeworfen, sondern den Herren, die dieses Argument vorzubringen die Stirn gehabt haben. (Präsident: Sie haben erklärt: „Die Vertreter der Re gierung".) Es zeigt sich, wie berechtigt es gewesen wäie, die sozialen Belange des Staates von denen tragen zu lassen, die am eheste»» dazu imstande gewesen wären. Wenn man sich dieses Steuersystem ansieht, so muß man zu der Überzeugung kommen, daß sich auch bei diesen Sterrerfragen die ganze Unhaltbarkeit des gegen wärtigen Zustandes zeigt. Im Bewußtsein unserer Verantwortung dem Lande gegenüber werden wir bei diesen wirtschaftlichen, bei diesen Steuerfragen die Arbeiterinteressei» iir der schärfsten Form vertreten. Wir werden gegen die Regierung votieren, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß die Sozialdemokratische Partei mit einer solche»» Einseitigkeit zugunsten der Besitzenden nichts gemein haben kam». (Sehr richtig! b. d. Komm.) Wenn wir auf die Beseitigung der heutigen Verhältnisse hi,»arbeiten, so verkörpern wir nur den Willen der hinter uns stehenden arbeitenden Massen. Wir sind stolz darauf, daß wir als Dolmetsch der arbeitenden Massen, die wir vertreten, die sozialen Belange des Volkes zu»»» Aus druck bringen. (Beifall b. d. SPD.) Abg. Beutler (Ttschnat.): Ich habe meine Stellung zu der Aufwertungssteuer bei der erstmaligen Beratung der Vorlage kundgegeben, sie hat sich unterdessen nicht verändert. Wir halten diese Aufwertungssteuer für nn- sozial und wenig angenehm, aber wir wissen, daß in großem Umfange durch die Reichsgesetzgebung vorge schrieben worden ist, Steuern zu erheben. Ans den Rede»» des Herr»» Abg. Renner habe ich mit Bedanern feststelle», müssen, daß er trotz der klaren Auseinander setzung, die ich selbst im Rcchtsausschuß gegeben habe, heute immer noch nicht weiß, wie die Sache eigentlich zlyammenhängt (Sehr richtig! rechts), und immer noch denkt, er kann hier eine Gesetzgebung loslassen, die sich über die Reichsgesetzgebung hinwegsetzt. Daß eine Notverordnung überhaupt erlassen worden ist, war notwendig. Ich als Mann der Opposition liebe Notverordnungen nicht. Aber hier, das weiß vielleicht Herr Abg. Renner auch nicht, lag die Sache so, daß an, 31. März die Möglichkeit, die Auswcrtungssteuer oder Mietzinssteuer zu erheben, aufhörte. Wenn nun die Herren Abg. Renner und Edel geahnt haben, daß diese Notverordnung kommt, dann hätten sie ja eine Dauer sitzung im Rcchtsausschuß Vorschlägen können (Abg.Eoel: Das wollten wir auch!), damit schnell noch diese Ge setzesvorlage erledigt wurde. Möglich war es aber nicht. Zeitlich war es unmöglich, diese Vorlage noch zu er ledigen, nicht allein im Ausschuß, vor allen Dingen auch im Plenum. Wenn also die Negierung, die ich gar nicht zu verteidigen habe, im Interesse des Woh nnngsbaues von dein Rechte der Notverordnung Ge brauch gemacht hat, so war das „»eines Erachtens ein Fall, gegen den sich etwas Ernstliches nicht einwenden läßt. Ich bedaure aber, daß sich die Regierung bei Erlas; dieser Notverordnung nicht durchgängig an das Bestehende gehalten hat. Ich bedaure, daß sie zweimal 5 Proz. Aufschlag zur Friedettsmiete in Anspruch nimmt. Ich meine, man hätte die Aufregung, die dadurch in weiten Kreisen des Volkes entstanden ist, vermeiden können. Ob die Herren da drüben, insbesondere die um Herr», Edel herum, ii» der Tat riskiere»» werden, diese Not Verordnung aufzuheben und dadurch den» Staate vor läufig überhaupt nichts zu gebe»», sonder»» ihn» die Mittel für den Neubau von Wohnungei» abzuschneideu, das möchte ich erst noch eimal sehen. Wir werde»» es nns jedenfalls, obwohl wir auch Opposition sind, noch einmal überlegen, »vir werden den Mut für eine der artige Verzweiflungstat wahrscheinlich nicht aufbringcu. Herr Abg. Edel beschwerte sich dann darüber, daß der Landwirtschaft zu weit cntgegengekommen sei. Ich will nur feststellen, daß nach meiner Auffassung von» Notverordnungsrecht in dieser Notverordnung nur daS Notwendigste verordnet werde»» durfte, nur das, was den» rechtliche»» Zustande entsprach, wie er damals bestand, und darüber hinausgehen durfte nur in besonders dringenden Fällen. Bis dahin hat die Landwirtschaft für die Betriebsgebäude keine Mietzinssteuer bezahlt. Es wäre meines Erachtens eine außerorventlich willkürliche Maßregel der Regierung gewesen, wen»» sie an diesem Rechtszustand auf dein Wege der Notverordnung etwas geändert hätte. Wir werde»» für die Verweisung dieser Not verordnung an dcir Rechtsausschuß stimmen. Heute den» Mißtrauensvotum gegen den Minister Präsidenten Hcldt zuzustimmen, das lehne»» wir ab. Sic kennen ja unsere Stimmung. Wen»» Herr Abg. Böttcher wieder einmal das Bedürfnis hat, Agitationsredei» zu halte»» und in» Landtage eine große Sache loszulasseu, dazu sind wir nicht da. Wir könne»» Herr,» Heldt, nach dem »vir ihn fo lange ertrage»» haben, auch noch die 4 Monate ertragen. Wer da»»»» Ministerpräsident wird, das werde»» wir ja sehen. Nach den» Schlußwort des Abg. Böttcher (Komm.) wird die Vorlage Nr. 223 zur weitere»» Beratung an den Rechtsausschuß verwiesen. Der kommunistische Mißtrauensantrag gegen den Ministerpräsldenten Heldt wird mits den Stimmen der Alten SPD, der Dcmokraten, der Deutsche»» Volkspartei und der Deutschnationale»» abgelehnt. Die beiden letzten Punkte werden von der Tages ordnung abgesetzt. (Schluß der Sitzung 8 Uhr 8 Min. uachm.) Druck von B.G. Teubner in Dresden.