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ÄckOlmllU M NW« NMilW Nl. 301. zu Nr. 36 des Hauptblattes.' 1926. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauße in Dresden. LaudtagsverhaMungen. 168. Sitzung Donnerstag, den 11. Februar 1926. Präsident Winkler eröffnet die Sitzung 1 Uhr 12 Min. nachm. Am Regierungstisch Ministerpräsident Heldt, die Minister Bünger, vr. Dehne, vr. Kaiser, Müller (Chemnitz), sowie eine Anzahl Regierungsvertreter. Es wird beschlossen, zuerst dcn Pkt. 9 der vorliegenden Tagesordnung zu behandeln. Beratung über den Antrag des Abg. Böttcher u. Gen. auf Auflösung des Landtags. (Drucksache Nr. 1649.) Abg. Böttcher (Komm.) führt in längeren Darlegungen die Gründe der kommunistischen Fraktion für den Antrag auf Landtagsauflösung aus und gibt schließlich im Auf trage der kommunistischen Fraktion folgende zusammen fassende Erklärung ab: Seit Jahren kämpfen die sächsischen Arbeiter für den Sturz der Koalitionsregierung und für die Auf- lösung des Landtages. Auch innerhalb der sozial- demokratischen Arbeiterschaft ist einmütig der Wille vorhanden, die Landtagsauflösung auf dem kürzesten und schnellsten Wege herbeizuführen. Der direkte Weg zur Landtagsauflösung ist die Zustimmung der sozial demokratischen Fraktion zum kommunistischen Auflösungs antrag. In der sozialdemokratischen Arbeiterschaft ist bis zum Landesparteitag der SPD diese Forni der Auflösung täglich propagiert worden. Sogar die links- sozialistische Presse Sachsens hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß die SPD-Fraktion lange genug Zeit gehabt habe, einen Auslösungsantrag zu stellen und daß der kommunistische Auflösungsantrag zu begrüßen sei. Der sozialdemokratische Parteivorstand hat auf dem Landcsparteitag den ursprünglichen Willen der sozial- demokratischen Arbeiter durchkreuzt. Der Landespartei- tag hat die Hoffnungen der sozialdemokratischen Arbeiter nicht erfüllt. Hinter verschlossenen Türen hat die linke Führergruppe der sozialdemokratischen Fraktion ein Bündnis mit dem Parteivorstand und mit den Rechten abgeschlossen. Durch dieses Verwirrungsmanöver ist vor der Arbeiterschaft die ursprünglich eindeutige Si tuation verschleiert worden. Die Kapitulation der linken Führer vor dem Partei- vorstand zwingt dieselben, im Wahlkampfe die Politik des Parteivorstandes zu decken. Auf Kosten der Arbeiter hat sich die Fraktion wieder einmal geeinigt. Der Landesparteitag hat durch die Einigung zwischen Rechten und Linken eine Situation geschaffen, nach der die ge samte SPD für die Koalitionsregierung als Partei verantwortlich ist. Tie Erwerbslosenanträge der SPD in Verbindung mit dem Deckungsantrag sind unter der Maske des Scheinkampfes gegen die Bourgeoisie ein Entlastungs- manöver für die Rechten und die Verbrechen der bis herigen Koalitionspolitik. Der Parteivorstand mißbraucht die sozialdemokratischen Arbeiter zur Vertuschung und Verschleierung der arbeiterfeindlichen Koalitionspolitik. Im Mittelpunkt des Wahlkampfes soll nach der Taktik des Parteivorstandes und der linken Führer nicht die schandhafte Koalitionspolitik der Heldtregierung stehen, sondern die Ablehnung der sozialdemagogischen Anträge der SPD durch die bürgerlichen Parteien. Um den konterrevolutionären und arbeiterfeindlichen Charakter der bürgerlichen Parteien zu brandmarken, ist in den Forderungen dieser Parteien und der mit diesen Parteien eng verbundenen Unternehmerverbände und faschistischen Organisationen tausendfältiges Beweis- material gegeben. Die Politik der Luther-Regierung, die verbrecherische Zoll- und Steuerpolitik, die Beseitigung des Achtstundentages, der ungeheuerliche Lohndruck, Mietwucher und Wohnungselend, die Wirtschaftskrise und Erwerbslosigkeit, sowie der Skandal der Fürsten abfindung sind eine Wahlplattform, wie sie sich die Arbeiter im Kampfe gegen die Vourgcosie nicht besser wünschen können. Aber die Sozialdemokratie ist durch ihre Koalitionspolitik zum verantwortlichen Mitschuldigen an dem Massenelend, der Teuerung und der sozialen und politischen Reaktion auf allen Gebieten geworden. Und diese Tatsache will die Linke im Verein mit der Rechten uud dem Parteivorstand vor der Arbeiterschaft verschleiern durch ihr agitatorisches Manöver mit den Anträgen zur Erwerbslosigkeit und Wohnungsnot. Wir werden natürlich der Grundtendenz dieser Anträge, sollten sie noch zur Erledigung kommen — das schicke ich voraus, — zustimmen; das ist keine Frage. Wir werden aber anderseits auch das Manöver, das dort getrieben wird, restlos entlarven. Die Kommunistische Partei wird ihren Kampf in einer Weise führen, der es der SPD unmöglich macht vor der Auflösung des Landtages und vor dem Sturj der Heldt-Regierung auszuweicken. Die Kommunistische Partei fordert im Interesse der Arbeiterschaft Garantien von der sozialdemokratischen Landtaysfraktion, daß die gesamte Fraktion der SPD einheitlich und geschlossen den Willen des sozialdemo kratischen Landesparteitages durchführt und für die Auf lösung stimmt. (Lachen b. d. Soz.) Diese Garantie können Sie durch eine Erklärung hier abgeben. Die Kommunistische Partei fordert die gesamte Ar beiterschaft Sachiens auf, in allen Gewerkschaften und Betrieben, in Versammlungen und Kundgebungen den Kampf für den Sturz der Heldt-Regierung und für )ie Auflösung des Landtages energisch zu führen, sich , »urch die sozialdemokratischen Verwirrungsmanöver nicht < rremachen zu lassen und in geschlossener Einheitsfi onl l >en Anschlägen der Reaktion gegenüberzutreten. Das s Mißtrauen der sozialdemokratischen Arbeiter gegen die z Beschlüsse des Landcsparteitages der SPD vom t 31. Januar ist in vollem Umfange berechtigt. Das be- l weist die Behandlung der Auflösungsfrage durch die < Sozialdemokratie im Landtage. i Die Situation ist günstig. Die bürgerlichen Parteien l laben Angst vor Neuwahlen, weil sie geschwächt in den l Landtag zurückkehren werden. Neuwahlen in der jetzigen z Situation bieten von vornherein eine Garantie für eme t ommunistisch.sozialdemokratische Mehrheit im neuen l Landtag. Je schneller die Auflösung herbeigeführt wird < und je weniger dcn sozialdemokratischen Führern von i >en Arbeitern gestattet wird, sich in neue Kuhhandels- 1 feschäste mit den bürgerlichen Parteien einzulassen, um i o schlagkräftiger wird die Arbeiterschaft in den Wahl- l ampf ziehen. Der Sturz der Heldt-Regierung, die c Ausschaltung der 23 Rechten, die endliche Durchführung 4 einer Maßnahme, für die die sozialdemokratnchen Arbeiter l eit Jahren einzig den Kampf führen, schaffen die Mög- l ichkeit für die Bildung einer sozialistischen Minderheits- l regierung in Sachsen. Die Kommunistische Partei hat lereits erklärt, daß sie bereit ist, eine solche Regierung )ei der Durchführung der elementarsten Lebensinteressen )er Arbeiterklasse zu stützen. Wenn die sächsischen j Arbeiter gemeinsam mit den Kommunisten im Wahl kampf und vor allen Dingen innerhalb der Betriebe und Gewerkschaften für diese Ziele kämpfen, dann wird es möglich sein, die breiten Massen für die weiteren Ziele zu mobilisieren und der Arbeiterklasse eine neue ' sozialpolitische Position als Ausgangspunkt für neue Kämpfe zu erobern. Deshalb fort nnt dem Landtag, ort mit der reaktionären Heldt-Regierung! Wir beantragen die Besprechung und sofortige Schluß beratung unseres Antrages. (Beifall b. d. Komm.) Ta der linke Flügel der Sozialdemokraten der sosor- tigen Schlußberatung widerspricht, gilt der Antrag auf ofortige Schlußberatung als abgelehnt. Abg.Menke (Soz.): Die Kommunisten glauben wieder einmal die Gelegenheit wahrnehmen zu müssen, durch ihr Vorgehen Wasser auf die Mühlen ihrer Partei teilen zu können. Es muß doch geradezu lächerlich wirken, vie eine Handvoll Kommunisten im Landtage aufsteht md erklärt: Unsere Forderung —nämlich die Forderung )er Kommunisten — läuft darauf hinaus, die Beschlüsse des Landesparteitages der Sozialdemokratischen Partei zu erfüllen. Die Stellung der Sozialdemokratischen Partei zur Frage der Landtagsauflösung ist hinlänglich allgemein lekannt. Hinlänglich bekannt dürfte auch sein — soweit es noch nicht ist, will ich es hier erklären —, daß auch die Stellung der sozialdemokratischen Fraktion hier im Hause vollständig einheitlich ist, und daß sie sich an die Seite der Beschlüsse der Sozialdemokralffchen Partei stellt. (Hört, hört! und Zurufe b. d. Komm.) Wenn wir heute der sofortigen Schlußberatung widcr- prochen haben, so aus dein Grunde, daß wir natürlich Kenntnis haben von der heute vorliegenden Tagesord nung, und auf dieser Tagesordnung stehen so ungeheuer wichtige Tinge, Dinge so gewaltiger Art für einen großen, ja für den allergrößten Teil unserer sächsischen Bevölkerung, der Arbeiterschaft, daß es geradezu srev^nt- lich wäre (Abg. vr. Seyfert: Sehr richtig!), ohne Be achtung dieser Not rein aus partei-politischen Gründen (Abg. vr. Seyfert: Sehr gut!) heute zur Auflösung des Landtags zu kommen. (Lärm b. d. Komm.) Wir wissen, daß nicht nur in der Frage der Arbeitslosen geholfen werden muß, sondern wir wissen auch, daß in der Frage )er Beschaffung von Wohnungen unbedingt und so schnell als möglich etwas geschehen muß. Die Not aller derjenigen, die in Sachsen gar keine, und der übergroßen Masse derjenigen, die keine zulängliche Wohnung haben, schreit geradezu zum Himmel, und da wir auch wissen, daß durch die Belebung des Wohnungsbaues, durch Her stellung von Häusern, von Wohnungen usw. der Arbeits markt belebt wird, ist diese Frage auch für uns von ganz besonderer Dringlichkeit. Wir wissen auch weiter, wenn wir den Antrag meiner Freunde über den Acht- stundentag betrachten und über die Rationierung des Washingtoner Abkommens, daß in der Masse der Arbeiter- schäft draußen tm Lande der allerernstlichste Wille herrscht, hier unbedingt Maßgebendes zu schaffen, und wenn wir das uns vor Augen führen, dann wäre es eine unver- antwortlichelFrivolität von uns, wollten wir heute zur Auflösung des Landtags kommen. Zu dem Anträge, den die Kommunisten gestellt haben, selbst habe ich zu erklären, daß wir im Ausschuß Gelegenheit nehmen werden, zu diesen Anträgen Stellung zu nehmen. Was aber die Auffassung der Kommunisten gegenüber meiner Partei betrifft, darüber mich hier auszulassen, ist zwecklos. Wir fürchten den Wahlkampf nicht, sondern wir freuen uns auch auf den Wahlkampf gegenüber der Kommunistischen Partei, und ohne in diesem überhebenden Ton des Herrn Kollegen Böttcher zu reden, sage ich Ihnen: Bei Philippi sehen wir uns auch bezüglich der Stellungnahme der Kommunistischen Partei wieder! (Bravo I b. d. Soz.) Abg. Lieberasch (Komm ): Gegenüber den starken Tönen des Herrn Abg. Menke gegen die Kommunistische Partei will ich darauf verweisen, daß es erst einige Wochen her ist, daß ein kommunistischer Erwerbslosen anttag in diesem Hause von der Sozialdemokratie gemeinsam mit dem Büraertum abgelehnt worden ist, als die Not der Erwerbslosen bereits sehr groß war. (Sehr richtig! b. d. Komm.) In der Zwischenzeit haben sich die Verhältnisse nicht gebessert. Weiter steht fest zu dem Antrag über die Ratifizierung des Achtstunden tages, daß ebenfalls in diesem Hause, als einmal aus Versehen bei der Verabschiedung des HauShaltplanes ein kommunistischer Antrag angenommen worden war, nämlich den Achtstundentag in Böhlen aufrechtzuerhalten, die sozialdemokratische Fraktion die Hand dazu geboten hat, eine dritte Lesung des Haushaltplangesetzes vor- zunehmen, um bei dieser dritten Lesung den Achtstunden tag in Böhlen abwürgen zu können. «Sehr richtig! b. d. Komm.) Wir werden bei der Beratung dieser Anträge einen Teil dieses Materials der Arbeiterschaft noch unterbreiten. Diese Dinge werden beweisen, daß das, was der Herr Abg. Menke hier vorgetragen hat, nicht im Interesse der Arbeiter getan werden soll, sondern daß es nur ein neues Betrugsmanöver ist (Redner erhält wegen dieses Ausdrucks vom Präsidenten einen Ordnungsruf), um in der Zwischenzeit bei der Land tagswahlbewegung die Arbeiterschaft erneut auf die Leimrute der sozialdemokratischen Führergesellschaft zu locken. (Bravo! b. d. Komm.) Abg. Beutler (Ttfchnat.): Es ist der Antrag gestellt worden, daß dieser Antrag auf Parlamentsauflösung dem Rechtsausschusse überwiesen wird. Es wäre mir lieb, wenn der Antragsteller oder einer im Heuse uns sagen wollte, was wir im Rechtsausschusse mit diesem Anträge machen sollen. (Heiterkeit.) Eine sachliche Er örterung dieses Antrages kann ja im Rechtsausschusse nicht stattsinden. Hier handelt es sich um eine Macht probe, ob wir für oder gegen die Auflösung sind. Im übrigen habe ich zu erklären, daß wir gegen den Antrag auf Auflösung stimmen werden. Wir haben wiederholt die Auflösung selbst beantragt, zu einer Zeit, die wir für gelegen hielten. (Zuruf b. d. Komm.: Aha!) Wir lassen uns aber weder von den Kommunisten, noch von dem sozialdemokratischen Parteitage in dieser Be ziehung irgendwelche Vorschriften machen. Wir halten es für eine Pflicht dieses Landtages, zunächst den Haushaltplan und das Haushaltplangesetz, nicht nur einzelne Positionen, sondern das Etatgesetz zu ver abschieden. Ich habe weiter zu erklären, daß uns nichts daran liegt, ein großes Vakuum «ach der Auflösung des Land tages hervorzubringcn. Wir wollen nicht monatelang durch Notverordnungen regiert sein. Deshalb ziehen wir bei der Kürze der Zeit, die noch bis zu dem natür lichen Ende des Landtages vorhanden ist, es vor, den Landtag sein natürliches Ende finden zu lassen. Nach dem Schlußwort des Abg. Böttcher (Komm.) wird der Antrag auf Überweisung des Antrages Nr. 1649 an den Rcchtsausschuß abgelehnt. Nach kurzer Geschäftsordnungsdebatte wird aus Antrag des Abg. Böttcher (Komm.) einstimmig beschlossen,die zweite Beratung des kommunistischen Antrages auf Landtags- auflösung als ersten Punkt auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung, Dienstag, den 16. Februar 1926, nach mittags 1 Uhr, zu setzen. Es folgt die Beratung des ursprünglich ersten Tagesordnungspunktes. Punkt 1: Zweite Beratung über die Anträge a) des Abg. Jähnig u. Gen. aus gebühren- und stempelfreie Eintragung von Hypotheken, die zur Instandsetzung und Erhaltung von Wohnhäusern aus öffentlichen Mitteln ge geben werden — Drucksache Nr. 1528 —, b) des Abg. Kuntzsch u. Gen., wegen Anwendung der Kosten- und Stempelfreiheit (8176 des Allgemeinen Baugesetzes) auch auf Hand- werkerbaugenossenschaften — Drucksache Nr. 1539 —, e) des Abg. Röllig u. Gen., bett, gebühren- und stempelfreie Eintragung der Grundschuld nach 8 7 des Aufwertungsgefetzes und an deres — Drucksache Nr. 1585 — sowie über eine dazu vorliegende Eingabe. (Mündlicher Bericht des Rechtsausschusscs, Drucksache Nr. 1676). Bezüglich der Anträge Nr. 1528, 1539 und 1585 vergleiche Landtagsbeilage Nr. 285. Der Rechtsausschuß beantragt: Der Landtag wolle beschließen: I. 1. den Antrag Jähnig, Drucksache Nr. 1528, an zunehmen; 2. den Antrag Kuntzsch, Drucksache Nr. 1539, ab zulehnen; 3. den Antrag Röllig, Drucksache Nr. 1585, zu Ziff. 1 abzulehnen, Z,ff. 2 anzunehmen und Ziff. 3 in der Fassung: „die Kosten für Hypothekeneintragung und die Stempelgebühren angemessen herab- , zusetzen- , anzunehmen; : II. die Eingabe Nr. 2280 (Prüfungsausschuß) des - Landesausschusses des Sächsischen Handwerks, r Dresden, für erledigt zu erklären.