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1VN 8MMU Mr AW» NMilmli Nk. 246. Zu Nr. 134 des Hauptblattes. 1925. Beauftrag» mit der Verausgabe: RegterungSrat Brauße in Dresden. LaMagsverhan-lungen. (Kortsetzung der L41. Sitzung von Dienstag, den S. Anni.) Abg. Ur. Dehne (Dem.) (Fortsetzung): Ich glaube, in Wirklichkeit decken sich die beiden An träge. Der Landestierzuchtdirektor kommt nach der Borlage doch nur in Frage, nach § 5 Abs. 5, wonach er den Hauptkörungen mit beratender Stimme beiwohnen kann. Es erscheint uns selbstverständlich, daß, wenn der Landestierzuchtdirektor einer Hauptkörung mit be ratender Stimme beiwohnt, dann die Kosten, die ent stehen, nicht der Landeskulturrat zu tragen hat, sondern daß das staatliche Reisekosten sind, die eo ipuo der Staat trägt. (Wirtschaftsminister Müller: Selbstverständlich!) Es kommen noch in Frage die Vorsitzenden der Kreis- körausschüsse. Es scheint uns ebenfalls selbstverständlich, daß in diesem Falle der Staat die Kosten dieser Be amten zu tragen hat. Der vorn Herrn Abg. Voigt ge stellte Antrag ist nnr insofern etwas klarer, als von einem Tierarzt, also einer ganz bestimmten Person, die Rede ist. (Zustimmung.) Wirtschaftsminister Mütter: Ich kann die Auf- sassnng des Herrn Abg. Dr. Dehne nur bestätigen, das ist auch die Auffassung der Regierung, das ist doch ganz selbstverständlich. Ich möchte noch ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Abg. Schreiber machen, der die Angaben, die ich vorhin über die Höhe der Kosten gemacht habe, bezweifelt hat. Diefe Angaben stammen von den betreffenden Genossenschaften. Sie sind am vorigen Donnerstag durch eine Umfrage von ihnen eingefordert worden, ohne irgendwelche Anweisungen oder Richtlinien, sondern wir haben sie nur gebeten, sie möchten uns mitteilen, wie hoch zurzeit die Um lagen pro Kuh für die Haltung eines Bullen sind. Da haben wir diesen Bescheid bekommen, und wenn er nicht stimmen sollte, müßten uns gerade die Ge nossenschaften die Unwahrheit gesagt haben. Man kann annehmen, daß sie daran kein Interesse gehabt haben. Ich gebe aber zu, daß inan die Koste» von 1,50 bis 2,00 M. für außerordentlich niedrig halten kann, und ich glaube, die Genossenschaften werden etwas mehr, 4 bis 5 M vielleicht, anwendeu müssen, wenn sie eine vernünftige Regelung durchführen wollen. Aber die Angaben stimmen durchaus, und ich wollte nur beweise», daß die Berechnung von 10 bis 15 M. durchaus nicht stimmt. Wenn eine Genossenschaft 8 M. angegeben hat, so handelt es sich um einen Ausnahmefatt, wo vielleicht ganz besonders hochwertige Tiere angeschafft worden sind und besondere Aufwendungen für die Pflege des Tieres gemacht worden sind, die weit über das hinaus gehen, was die Regierung im allgemeinen fordert. Abg. Keltisch (Soz.): Ich habe zur Abstimmung zu erklären, daß wir dafür stimmen werden, daß die Kosten für den Bezirkstierarzt der Staat bezahlt. Wir werden auch unsere Zustimmung zn dem beantragten Härte paragraphen geben und werden weiter der Schaffung von Stellvertretern zustimmen. Im übrigen stimmen wir der Vorlage zu Abg. Schreiber (Dtschnat.): Ich möchte zu den Aus- juhrungen des Herrn Ministers nur folgendes bemerken: Es erscheint uns — und man kann uns doch schon ein sachverständiges Urteil zutrauen — ganz unglaubhaft, daß die Umlagen bei den einzelnen Genossenschaften so niedrig sind. Wir können uns diese niedrige Ziffer bloß dadurch erklären, daß wir annehmen, daß der betreffende Bullenhalter einen Teil seiner Leistungen unentgeltlich geliefert hat. In der Abstimmung werden zunächst der Antrag Pagenstecher, in dem Gesetz überall statt „Landes- lulturrat" „Landwirtschaftskammer" zu setzen, dann die Minderheitsanträge Voigt teils mit Mehrheit, teils ein stimmig, und schließlich der Antrag des Ausschusses gegen 11 Stimmen angenommen. Der Minderheitsantrag Pagenstecher zu § 17 wird abgelehnt. Die Punkte 5—7, dazu der neu auf die Tages ordnung genommene Punkt 9 (Antrag Nr. 1313) werden gemeinsam beraten. Der Dtschnat. Antrag Nr. 1364, der auch zu Beginn der Sitzung auf die Tagesordnung gesetzt war und dahin geht: Der Landtag wolle beschließen: die Regierung zu ersuchen, unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine erfolgreiche Verhütung der Schäden gewähr leistet, welche den betroffenen Gemeinden, den Grund stücksbesitzer» und der Volkswirtschaft und Gesundheit im allgemeinen durch den Bergbau entstehe», — »nd der insbesondere Bestimmungeir schafft, daß 1. vor Inangriffnahme des Abbaues den bedrohten Gemeinden und Grundstücksbesitzern, falls sie dies beantragen, auf Kosten der Abbauberechtigten an anderer Stelle gleichwertige Grundstücke an Gebäuden und Bodenart bereitgestellt werden: 2. die Unternehmer verpflichtet werden, ») den Abbau des Kohlenoberirdifchcn so vorzu nehmen, daß die abgebauten Flächen sofort wieder in derselben Art wie vorher bewirt schaftet und benutzt werden können. b) zurückbleibende Vertiefungen, die nicht nach 2» wieder hergestellt werden können, als nutzbare Wasserflächen einzurichten, o) auch diejenigen Schäden zu erfetzen, welche der Bergbau deu angrenzende» Laud- und Waldflächen durch Grundwasserentziehuirg oder Stauung, durch Rauchschäden, Flugasche u. dgl. verursacht. wird zurückgezogen. Punkt 5: Erste Beratung über den Antrag des Abg. Renner u. Gen. auf Bewilligung von 100000 M. zur Unterstützung der bei der Explo.sions- katastrophe auf der Zeche Dorstfeld bei Dort mund Verunglückten und deren Hinterbliebenen aus Mittel» des sächfische» Staates. (Drucksache Nr. 1323.) Der Atttrag lautet: Auf der Zeche Dorstfeld bei Dortuumd sind am 16. Mai durch eine Explosionskatastrophe erueut Bergarbeiter zugnmde gegangen. Bis zum 19. Mai sind 44 Tote und annähernd 30 Verletzte fcstgestellt worden. Erfahrungsgemäß stürzt ein solches Unglück die Hinterbliebenen in eine fürchterliche Notlage; diese Notlage zu lindern, ist die beste Beileidskund- gebung. Der Landtag wolle deshalb beschließen: Zur Unterstützung der Verunglückten und Hinter bliebene» werde» aus Mittel» des sächsischen Staates durch die sächsische Regierung 100 000 M. znr Ver- fügung gestellt. Diese 100000 M. werde» nicht als Kapital angelegt, sonder» sind unter Kontrolle des Betriebsrates sofort restlos an die Betroffenen auf zuteilen. Abg. Lieberasch (jtomm. — zur Begründung): Ter Landtag hat wirklich auch bei dieser Katastrophe teiu Beileid in Gestalt einer Traucrkundgebung hier zum Ausdruck gebracht. Die Kommuttistschen Partei hat in allen Parlamenten bereits zum Ausdruck gebracht, daß es mit diesen Traucrkundgebungeu nicht abgetan sein kann, sondern daß cs zunächst gilt, die Ursachen solcher Un- glückssälle zu beseitigen. Tie Beseitigung der Ursachen ist damals gegen die Stimmen der komm. Fraktion von allen Parteien gemeinsam abgelchnt worden. Wir haben diesen Antrag deshalb bei dein Unglück auf der Zeche Dorstfeld uicht wiederholt, souderu fordern durch die sächsische Regierung 100000 M. für die Verunglückte» und Himerbliebenen zur Verfügung zu stellen. Wir halten das für notwendig, weil das, was die Hinter bliebenen und Verunglückten an Rente bekommen, keineswegs dem Existenzminimum entspricht, weil die Reuten keineswegs geeignet sind, einen nennenswerten Ersatz für de» Verlust des Ernährers zu bringen. Die Renten in der deutste» Republik sind genau so un genügend, wie sie vor dem Kriege nnter der monar chistischen Regierungsform ungenügend waren. Wir verlangen weiter, daß diese 100000 M. nicht erst als Kapital angelegt werden, sondern an die Opfer und die Hinterbliebenen verteilt werden. Wir lasse» uns dabei von den Erfahrungen leiten, die mit dem Samm lungsergebnis auf der Zeche Miuister Stein gemacht worden sind. Nach einem Bericht des Hinterbliebenen- ausfchusses haben, obwohl über 1 Mill. M. gesammelt worden sind, die Hinterbliebenen in ihrem übergroße» Teile als Zuschuß »ur 20—30 M. für den Monat Unter- stützung erhalten. Hier zeigt sich, daß selbst oie Samm lungen zur Unterstützung der Opfer von der kapitalistischen Profitwirtschaft zu einem kapitalistische» Prositgeschäft vo» bestimmte» Kreisen ausge»ützt werde». Die Nachrichte» über die Urfache» des Unglückes sind verschieden. Eine Ursache für die Explosion über- Haupt soll sein die Zersetzung alter Sprengstoffe. Es ist unserer Auffassung nach unverantwortlich, wen» in einem Steinkohlenbergwerke, wo Explosionsgefahren auf Grund der Schlagwettervorkommen überhaupt vor handen sind, noch ungefähr 23 Zentner Dynamit lagern, und zwar so lange lagern, daß durch diese Zersetzmrgs- erscheiuungeu dieses Sprengstoffes die gesamte Beleg schaft zugrunde gehe» kann. Es ist weiter festgestcllt worden, daß die Unschädlichmachung des Kohlenstaubes und der damit verbundenen Schlagwetterexplosionen auch in der Grube Dorstfeld auf derselben Höhe standen, wie uicht auf der Zeche Minister Stein. Solche Ursachen müssen beseitigt werden. Wenn das durch die Parlamente geschieht, muß es außerhalb derselbe» ge schehen, indem die Arbeiterschaft die Einheit der Ge werkschaftsbewegung herstellt, die Bergwerke enteignet und in die Hand der Arbeiterschaft überführt und fo die Grundlage schafft, auf der dauu eine geordnete Wirtschaft, befreit vom Profitinteresse, geschaffen wird, die nicht mehr wie bisher Monat für Monat Tausende von Arbeitern in Deutschland und Hunderttausende von Arbeitern in der ganzen Welt ans dem Schlachtfelde der Arbeit als Opfer erfordert. Wir beantragen.diesen Antrag Nr.1323 zu besprechen und ihn in Schlußberatung heute zu verabschieden. Punkt 6: Erste Beratung über den Antrag des Abg. Langhorst u. Gen., die alsbaldige Schaffung eines ReichsberggesetzeS betr. (DrucksacheNr. 1325.) Der Antrag lautet: Der Landtag wolle beschließen: die Regierung zu r-rsuchen, bei der Reichsregierung auf die alsbaldige Schaffung eines Reichsberg gesetzes hinzuwirken. In dieses Gesetz sollen zum wirksame« Schutze von Leben und Gesundheit der Bergarbeiter besonders folgende Vorschriften aus genommen werden: I. 1. Im gesamten Bergbau ist eiuer jeden unteren Bergbehörde mindestens ei» Grubenko»trolleur aus de» Reihe» der Bergarbeiter beizuord»en. Vorbedingung für dieses Amt muß eine ent sprechende Tauer bergmännischer Tätigkeit, min destens als Hauer, sein. Diese Grubeukoutrolleure dürfe» i» kei» Beamtenverhältttis gestellt werden, sie sind vo» de» a» de« bergbauliche« Tarif- gememschafte« beteiligte« Bergarbciterorgani- fationc« de« obere« Bergbehörde« zu beireirnen rind müsse« von ih«e« zurückberufen werden können. Diesen Kontrolleure« «ruß das Recht der jederzeitigen selbständigen Befahrung der Gruben unter und über Tage ohne vorherige An Meldung bei deu Betriebsleitungen eingeräumt werden. 2. In den einzelnen Bergbauarten (Stein-, Braun kohlen, Kali-, Erzbergbau) sind nach dem Bor bilde Preußens für den Bezirk jeder oberen Berg behörde Grnbc nficherhei tskommissionen zu bilden, deren Mitglieder zu gleiche« Teile« vo« de« an de» bergbarrliche» Tarifgememschaste» beteiligte» Arbeitnehmer und Arbeitgeberorgaui ialwnen zu berufe» sind und von diesen Orgaui sationen jederzeit zurückberufen werden können. Zn Mitgliedern dieser Kommissionen müssen auch Vertreter der genauute» Organisationen berufen werden können. Deir einzelnen Mitgliedern dieser Kommissionen muß das gleiche Recht wie den in Ziff. 1 geforderten Grubenkontrolleuren eiugeräumt werden. 3 Deu Betriebsräte rr im Bergbari siud die in Zisf. 1 und 2 angeführten Kontrollrechte einzuräumen mit absoluter Sicherstellung gegen Maßregelungen jeder Art. 4. Arbeiten, die für die Sicherheit von Leben und Gesundheit der Bergleute von Bcdcutuug siud, sind besonders zu entlohnen. 5. Beeinflussungen der Tätigkeit verantwortlicher Aufsichtspersonen durch Androhung oder Zufügung von wirtschaftlichen Nachteilen sind zu bestrafen, desgleichen Prämiensnsteme. 6. Im L teinkohlenbergbau ist das Gesteinstaub- verfahren obligatorisch einzuführen und mit der Jnstmdhaltung dieser Einrichtung sindbesondersge schulte Bergle nie zu belraueu. Tie oberen Bergbehör de« könne« ii« Emveruehmen mit de« zustä«dige« Grubensicherheitskommissione« (Ziff. 2) auch andere Arten der Bekämpfung der Kohlenstaubbildung zulasseu. Zur weitere« Bekämpfung der Kohlen staubbilduug ist das Überladen der Förderwagen zu verbiete«. 7. Hinsichtlich der beruflichen Ausbildung der Berg arbeiter ist u. a. folgendes zu bestimme«: Die Hauer und Schießmeister sind für ihren Beruf besonders auszubilde«. Nach erfolgter Ausbildung und Bcfähigungsprüfung ist ein Hauerschein bzw. Schießmeisterschein auszustellen. Im Gesetz ist ein bestimmter Termin festzulegen, von dem ab kein Bergarbeiter ohne Hauerschein bzw. Schießmeisterschein zum Hauer oder Schieß meister befördert werden darf. Bergfremde Arbeiter sind erst dann zur Arbeit unter Tage zuzulassen, wenn sie über die Betriebsgefahreu hinreichend unterrichtet sind. 8. Zur Rettuug Bedrohter bei Grubenuuglücke« müssen aus jeder Schachtanlage im Verhältnis zur Zahl der Belegschaft hinreichend Rettungsgeräte in stets brauchbarem Zustande vorhanden fein. Tie Rettungsmannschaften sind nur aus de» Reihen geschulter Bergarbeiter zn entnehmen. tl Unerwartet der Verabschiedung eines Reichsberg gesetzes wird die Regierung ersucht, dem Landtag umgehend eine Vorlage vorzulegen, durch welche das „Allgemeine Berggesetz für de» Freistaat Sachsen" durch die in Ziff. 1 bis 8 dieses An trages aufgesührte« Vorschriften ergänzt wird Darüber hinaus siud durch Anordnungen des Sächsischen Oberbergamtes Einrichtungen zu treffen zur plaumäßigeu und dauernden Belehrung der Bergleute über die mannigfachen Lebens gefahren des Bergbaues. Abg. Langhorst (Mehrh. d. Soz. — zur Begründung): Tiefer Antrag verdankt seine Entstehung nicht unmittel bar dein letzten große» Grubenunglück auf der Zeche Torstfeld bei Tortmund, souderu er war im Entwurf schon einige Tage vorher fertiggeftellt. Wir haben uns mit deni Hauptvvrstande des Verbandes der Berg arbeitcr Deutschlands schriftlich und mit den beiden sächsischen Bezirksleitungen dieses Verbandes mündlich ins Einvernehmen gesetzt über unseren Antragsentwurf und haben die vollständige Zustimmung dieser genannten Berbandsinstanzen für unseren Antrag nicht nur erhalten, sondern der Hauptvorstand des genannten Verbandes hat uns überdies noch mitgeteilt, daß er Veranlassung genommen habe, deu vou der sozialdemokratischen Fraktion des preußischen Landtags zu dem gleichen Zwecke gestellten Antrag in unserem Sinne und entsprechend dem Wortlaute unseres Antrages abzu- ändern. Unser Antrag entspricht also in jeder Hinsicht