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»sr (Schluß der Sitzung 3 Uhr 2S,ÄUn. nach»») die da« Kleinpflaster technisch und wirtschaftlich über trifft, ersetzt weiden kann. Die Wegebeihtlfen sind ebenfalls ganz beträcht lich erhöht worden, ohne damit der gesetzlichen Reu- regelung der Wegebaulasten vorzugreifen. Als Beihilfe« und Beiträge für Wasser- und Uferbauten ist im ordentlichen Staatshaushalt 1925 ein größerer Betrag als in den Vorjahren ein gestellt worden. DaS Landeskulturinteresse erforderte dringend — zum Teil in Verbindung mit den im Bau befindlichen Wasserkraftwerken, von denen ich bereit- vorhin ge sprochen habe — die Regelung und Verbauung be sonders verwilderter Flußstrecken und den Schutz von Ländereien vor Überflutungen. Für die Regelung der Neiße in und bei Zittau soll der Stadt Zittau ein Darlehen des Staates §ur Ver fügung gestellt werden, da die Stadt Zittau die Rege lung, die schon seit Jahren geplant ist, aus eigenen Mitteln nicht durchführen kann und diese Arbeiten auch mit im Landeskulturinteresse liegen. Dadurch soll das Hochwasser der Neiße, das jetzt auf breite Strecken auSufert, in geordnete Wege geleitet, und weite Län- dereien sollen künftig vor Überflutung geschützt werden Die erforderlichen Mittel finden Sie im außerordent- lichen Etat eingestellt. (Abg. Lippe: Ganz uneigennützig?) Meine Damen und Herren! Der Tradition der sächsischen Etatsreden folgend, will ich auf die Kapitel der übrigen Ressorts nicht im einzelnen eingehen, aber Sie werden beim Studium des Etats bereits gefunden haben, daß wir im Rahmen der zur Verfügung stehen den Mittel bestrebt gewesen sind, unseren sozialen und kulturellen Aufgaben gerecht zu werden. Wenn beimEtat desArbeits- und Wohlfahrtsministeriums für die unmittelbare ErwerbSlosenfürsorge keine Summe angesetzt worden ist, so bedeutet das selbstverständlich nicht, daß für diesen Zweck keine Mittel mehr zur Ver fügung gestellt werden sollen. Vielmehr erklärt sich die Nichteinstellung eines Staatszuschusses daraus, daß infolge der Neuregelung der Erwerbslo,enfürsorge im vergangenen Jahr die Mittel für diesen Zweck in erster Linie durch Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzubringen sind, die insgesamt bis zu 3 Prozent des Arbeitslohnes betragen dürfen, und daß erst, wenn diese Beiträge nicht ausreichen, Reich und Land die Deckung des noch nötig werdenden Betrages übernehmen. In folge der erfreulichen Belebung des Arbeitsmarktes in Sachsen ist es möglich gewesen, die Beiträge für die Erwerbslosenfürsorge allmählich auf Prozent zu senken, so daß selbst bei einer drohenden Verschlech terung der Wirtschaftslage noch ein weiter Spielraum bleibt und nach menschlichem Ermessen für das kommende Rechnungsjahr ein Staatszuschuß für die unmittelbare Erwerbslosenfürsorge kaum in Frage kommen dürfte. Dagegen hat die Regierung 2 Millionen Mark für produktive Erwerbslosenfürsorge eingesetzt, da sie nach wie vor auf dem Standpunkt steht, daß die Beschaffung von Arbeit und Verdienst die beste Form der Arbeitslosenunterstützung darstellt, soweit es sich um Arbeiten handelt, deren Vollendung vom wirtschaft lichen oder allgemeinen Interesse aus wünschenswert ist. (Abg. Blüher: Sehr gut!) Ich möchte hier be sonders darauf Hinweisen, daß die von der Regierung durchgeführten Arbeiten an der Talsperre in Mulden berg und an den Wasserkraftwerken im ablaufenden Jahr wie im neuen dauernd mehr als 1000 Arbeits losen Arbeitsmöglichkeit schafft. (Abg. Lippe: Sehr gut!) Die Änderungen, die der Landtag am Wohlfahrts pflegegesetz vorgenommen hat und die eine wesentliche Lastverschiebung zugunsten der Gemeinden und Bezirks verbände und zuungunsten des Staates bringen, konnten im Etat noch nicht berücksichtigt werden: soweit Mehr kosten für den Staat dadurch entstehen, müssen diese wie ich im Auftrag der Regierung dem Plenum det Landtages schon nntgeteilt habe, beim Finanzausgleich zwischen dem Lande und den Gemeinden ausgeglichen werden. Ich möchte beim Kapitel der Wohlfahrtspflege nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß erfreulicher, weise auf Grund der statistischen Ergebnisse eine fort schreitende Besserung der Gesundheitsverhältnisse in Sachsen festzustellen ist, wenn auch auf emigen Ge bieten, so z. B. der Tuberkulosebekämpfung noch sehr viel zu tun übrig bleibt. lAbg. Schwarz: Sehr richtig!) Ich benutze die Gelegenheit, um im Namen der Re gierung allen Organisationen, vor allem den Quäkern, den Dank für die Hilfe auszusprechen, die sie uns auf diesem Gebiete geleistet und in erfreulicher Weise auch für die Zukunft in Aussicht gestellt haben. (Bravo!) Die aufgewandte Mühe ist nicht umsonst gewesen: denn während im Durchschnitt der Jahre 1871/80 auf 100 Einwohner die Sterblichkeit 2,91, 1891/1900 nock 2,41 betrug, ist sie im Jahre 1924 auf 1,28, also au weniger als die Hälfte der früheren Ziffer herunter, gegangen und hat sich nach den vorläufigen Berech- nungen auch im Jahre 1924 nicht höher gestellt. Noch stärker ist der Rückgang der Säuglings sterblichkeit. Während hier auf 100 lebend Geborene im Durchschnitt der Jahre 1871/80 28,68 Todesfälle kamen, 1891/1900 27^6, ist hier die Zahl im Jahre 1923 auf 12,13 und im Jahre 1924 nach den vorläu figen Berechnungen auf unter 11 Prozent herunter, gegangen. (Hört, Hört!) Wir haben also erfreulicherweise die Tatsache zu ver- zeichnen, daß wir zweifellos in erster Linie infolge der besseren sozialen und hygienischen Maßnahmen, ins- besondere auch der Fürsorge für die werdenden Mütter und die Stillenden die in unserem Industrieland noch da» Wesentliche gesagt. Sie ersehen daraus, daß nach dem Übergang der alten Staatsanleihen, für die der sächsische Staat allerdings die Haftung behalten hat, an das Reich eigene sächsische Staatsschulden nur in ganz geringem Umfang vorhanden sind. Ich habe da- letzte Jahr benutzt, um au- Mitteln des beweglichen StaatS- vermögenS oie sogenannten wertbeständigen Braunkohlen- und Roggenanleihen in großem Umfange freihändig zurückzukaufen und die Goldschuldverschreibungen fast rest. Io- zu tilgen. Soweit die Kursgestaltung der wert- beständigen Anleihen eS erlaubt, soll auch im neuen Jahre mit der Tilgrng dieser Anleihen, die an die Zeit unserer kschlimmsten Not in dem unglückseligen In- flationsjahr 1923 erinnern, sortgefahren werden, schon um den bei der Geringfügigkeit der Summen außer ordentlich hohen Verwaltungsaufwand für diese An leihen zu beseitigen. Die Aufnahme neuer Anleihen wird Ihnen nicht vorgeschlagen, da ich hoffe, den Be- darf des außerordentlichen Staatshaushaltes aus den beweglichen Vermögensbeständen des Staates decken zu können. (Abg. Blüher: Hört, hört!) Was die alten auf das Reich übergegangenen säch sischen Anleihen betrifft, müssen wir nn Interesse des Staatskredites und unserer alten Anleihegläubiger er- warten, daß das Aufwertungsgesetz, das wohl in erster Linie aus politischen Gründen immer wieder verzögert wird, endlich der Unsicherheit auf diesem Gebiete ein Ende macht. Ich gebe ohne weiteres zu, daß es außerordentlich schwierig ist, hier den gerechten Aus- gleich zwischen den Interessen des Staates und der Allgemeinheit, die eine zu starke Belastung mit Schuld zinsen nicht verträgt, und den Ansprüchen derer, die ihr Spargeld dem Staate zur Verfügung gestellt haben, zu finden. Aber ich halte es für unerträglich, das diese g,Regelung immer weiter verzögert wird und dadurch der Unmut weiter Kreise, das Agitations- bedürfnis der Interessierten und die Neigung, die Un- sicherheit.spekulativ auszunutzen, in immer bedenklicherem Maße wächst. Von den Zuschußkapiteln, die der Verwaltung des Finauzministeriums unterstehen, möchte ich beson ders noch aus das Kap. 58 — Staatsstraßen, Wege und Wasserstraßen — Hinweisen. Wie ich schon in der letzten Etatrede ausgeführt habe, ist es mein ernstestes Bestreben gewesen, der leider infolge der Not der Kriegs- und Jnflationsjahre schon weit fortgeschrit tenen Zerstörung der sächsischen Staatsstraßen Einhalt zu tun und unseren Ruf, die bestunterhaltenen Staats straßen Deutschlands zu besitzen, neu zu befestigen. Ich möchte hierzu folgende Einzelheiten erwähnen: Der Bedarf an Schotter betrug unter dem verhältnis mäßig geringen Verkehr bis zum Jahre 1900 etwa 170 000 obm jährlich bei einer Straßenlänge von 3650 Km. Leider wurde infolge einer meiner Über zeugung nach übertriebenen Sparsamkeit, deren Un wirtschaftlichkeit sich jetzt klar erweist, in den Jahren 1902/13, obwohl in diesen Jahren immer außerordent liche Überschüsse erzielt wurden, der Schotterbedarf um 37000 obm oder 22 Prozent unter dem normalen Be- . darf gehalten. (Abg. vr. Seyfert: Hört, hört!) Eine Maßnahme, die sich selbstverständlich nicht sofort, aber doch allmählich als verfehlt erwies, zumal der Verkehr sich dauernd steigerte. In den Jahren wirklicher Not, den Kriegs- und Jnflationsjahren 1915/23, mußte der Schotterbedarf dann um jährlich 73 000 obm oder an nähernd auf die Hälfte des Normalbedarfs vermindert werden. Eine graphische Darstellung über diese Ziffern, deren Anfertigung ich erbeten habe, habe ich auf den Tisch des Hauses niedergelegt. Daß unter diesem Zwange und unter der ungeheueren Zunahme des Kraftwagen verkehrs der früher rühmlichst bekannte gute Zustand der sächsischen Staatsstraßen sich verschlechtern mußte, ist leicht erklärlich. Der völlige Zusammenbruch der Staatsstraßen stand sichtbar bevor. Es mußte deshalb im Etatjahre 1924 fast Vio der Straßen neu beschottert und gegen 200 000 gm, das sind etwa 38 km, mit Kleinpflaster belegt werden. Im kommenden Jahre sollen diese Maßnahmen erheblich erweitert werden. Es sind etwa V, der Straßen zur Neubeschotterung und etwa 50 Km zum Belegen mit Kleinpflaster vor gesehen, wofür allein 15,9 Millionen VLl. bestimmt sind. Am Ende des Jahres 1925 werden von der Gesamt länge der Staatsstraßen von 3533 km 337 Km mit Kleinpflaster belegt sein. Vom Jahre 1926 ab sollen dann jährlich 100 Km gepflastert oder mit anderen widerstandsfähigen Decklagen befestigt werden, so daß in nicht zu ferner Zeit die Hauptverkehrsstraßen des Landes, insbesondere die Straßen Dresden—Leipzig, Dresden—Görktz Dresden—Hof und Leipzig—Chemnitz durchgehend dem schweren und dem schnellfahrenden Krastwagenverkehr angepaßt sein werden. (Abg. vr. Dehne: Bravo!) j Den Anforderungen des Verkehrs wird durch den Umbau von Steilstrecken und verkehrsgefährlichen Stellen entsprochen. Daneben stellt die sächsische Straßen bauverwaltung selbst Versuche über neue widerstands fähige Decklagen unter Berücksichtigung des eigenartigen schweren Verkehr- in Sachsen an und beseitigt sich an den Arbeiten und praktischen Versuchen de- deutschen Straßenbauverbandes in Braunschweig und der Studien gesellschaft für den Bau von Automobilstraßen, um die technisch und wirtschaftlich richtige Straßenbauweise für den künftigen Kraftwagenverkehr zu ermitteln. (Sehr richtig! recht» ) Vom Ausfall dieser Versuche wird e» abhängen, ob Kleinpflaster, daS für Sachsen wegen des Reichtums an widerstandsfähigen Raturgestcinen zu- «ücdü da» Gegebene ist, durch eine andere Decklage, Bravo!) Es ist selbstverständlich, daß wir hier mit >em Erreichten, so erfreulich e» ist, noch nicht zufrieden ind und sein wollen, sondern alles daransetzen werden, " um durch erhöhte Sorgfalt für die Erhaltung des einzelnen Menschenlebens in der Bekämpfung der Säug lingssterblichkeit, die meiner Meinung nach einer der besten Gradmesser für den sozialen und kulturellen Hoch- und Tiefstand eines Volkes darstellt, mit in erster Reihe unter den Kulturnationen zu stehen. Derselbe Gedanke hat die Regierung geleitet beim Etat deS Volksbildung-Ministerium». Bon der Überzeugung durchdrungen, daß der Wiederaufstieg unserer Ration mit in erster Linie durch die Heran- bildung der kommenden Generation bestimmt sein wird, sind für die Hochschulen, die höheren Schulen und die Volksschulen Mittel eingesetzt worden, die gegen die Friedensjahre ganz außerordentlich gesteigert sind, vor allem wenn man bedenkt, daß die Kosten von einer leistungsschwächeren und kapitalärmeren Bevölkerung aufgebracht werden müssen. (Abg. Schwarz: Deshalb 30 Pflichtstunden!) Aber wir sind überzeugt, daß diese Ausgaben für die allgemeine Bildung werbende Aus gaben im besten Sinne des Wortes bedeuten, und daß bei aller gebotenen Sparsamkeit im einzelnen die best mögliche Ausbildung der Jugend an die Spitze aller unserer Staatsaufgaben gestellt werden muß. (Abg. Schwarz: Na, na!) In welch hohem Maße das ge schehen ist, möchte ich an dem einen Beispiel der Volks schule erläutern, indem ich die Zahlen mitteile, die das Verhältnis der Volksschulkinder zu den etatmäßig an gestellten Lehrern ausdrückt. Während im Jahre 1889 auf 66,13 Bolksschüler ein Lehrer kam, ist die Anzahl der Schüler, die auf jeden Lehrer entfallen, nach dem neuen Etat auf 33,61 gesunken, d. h. also auf etwa die Hälfte. Wieviel das für die bessere Ausbildung des einzelnen Kindes bedeutet, werden Sie selbst am besten ermessen, und wir maschieren damit an der Spitze aller deutschen Staaten. (Hört, Hört! bei der Deutschen Volkspartei.) Ich will weitere Einzelheiten nicht anführen, aber ich hoffe, daß ein eingehendes Studium des Etats Sie davon überzeugt, daß wir trotz äußerster Beschränkung unserer Mittel den Versuch gemacht haben, den wirt schaftlichen wie den sozialen und kulturellen Erforder nissen gerecht zu werden. (Abg. vr. Seyfert: Bravo!) Es wird das Hauptbestreben der sächsischen Regie rung sein, auch weiterhin dafür zu sorgen, daß wir finanziell imstande sind, diese wichtigsten Staatsaufgaben zu erfüllen, ohne daß die steuerliche Belastung der Wirt schaft wie der gesamten Bolkskreise ein erträgliches Maß übersteigt. Wir werden deshalb beim Reiche sowohl bei der Beschlußfassung über die neuen Steuergesetz entwürfe wie über den Finanzausgleich allen unseren Einfluß dahin geltend machen, daß wir aus dem Steuer chaos der letzten Jahre heraus den Weg wieder zu einem organischen Steuersystem finden (Abg. vr. Dehne: Sehr gut!), das die soziale Gerechtigkeit und die wirt schaftliche Tragfähigkeit der Steuern in den Vorder grund stellt. Erst wnnn diese Aufgabe gelungen ist, wird man, glaube ich, davon sprechen können, daß wir wieder eine solide Basis für unsere öffentlichen Haus halte gefunden haben (Abg. vr. Dehne: Sehr richtig!), die zugleich die Grundlage für eine gesunde Wirtschaft und eine stabile Währung bilden kann. Freilich wissen wir, daß alle unsere Bemühungen in dieser Richtung umsonst bleiben müssen, wenn die Entente den an sich schon unendlich schwierigen Ge sundungsprozeß unseres Volkes und unserer Wirtschaft stört. Aber diese harte Tatsache darf uns nicht daran hindern, daß wir mit aller Kraft den Versuch machen, unser Schicksal selbst zu meistern und uns aus der Not und der Demütigung der Gegenwart heraus den Weg in die Zukunft zu bahnen. Ich habe vor einem Jahr an dieser Stelle meiner Meinung Ausdruck gegeben, daß dieser Weg in die Zukunft, so wie die Dinge liegen, für unser Volk nur ein einziger sein kann, der ent sagungsvoller und opferbereiter Arbeit. (Sehr richtig! rechts. — Zurufe bei den Kommunisten.) Jetzt haben wir durch Annahme des Sachverständigen gutachtens diesen Weg beschritten, und es wird sich von Jahr zu Jahr deutlicher zeigen, daß die Meilensteine dieses Weges Entbehrungen und Lasten sind, deren dauernde Schwere wir immer stärker und drückender empfinden werden. Und doch muß der Weg gegangen werden und wir werden die ganze Zähigkeit, die ganze Energie und den ganzen Lebenswillen der deutschen Nation, die schon viel schlimmere Lagen als die heutige überwunden hat, dazu brauchen, um bi» an- Ende dieses Weges zu kommen, wo daS Ziel winkt, für daS unsere Generationen arbeiten und entbehren und für das es, vielleicht ohne es selbst zu erreichen, das kom mende Geschlecht reif und stark machen muß: der neue deutsche Aufstieg und die alte deutsche Freiheit. (Leb- Haftes Bravo! bei den Demokraten.) Damit wird die Sitzung geschlossen. vor wenigen Jahrzehnten besonders hohe Säuglings sterblichkeit auf fast ein Drittel berabgedrückt haben- Druck vo» B. G. Leubner tu Dresden.