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981 LMKilU W AWm ZMUitmü Nr. 210. zu Nr. 61 des Hauptblattes. 1925. Beauftragt mit der Herausgabe: RegterungSral Brauße in Dresden. Landtagsvrrhandlungen. (Aortfetzung der 123 Sitzung von Dienstag, den 1- Mürz.) Abg. Keltisch tSoz.): Herr Abg. Renner hat sich die Begründung der kommunistischen Anträge Nr. 1014 bis 1018 außerordentlich leicht gemacht, er hat eigentlich nur mit einigen abgeänderten Worten den Text der Druckoorlage noch einmal wiederholt. Was verlangen die kommunistischen Anträge? In Nr. 1014 Ziff 1 wird eine Kommission von werktätigen Bauern und Ver tretern von Siedlungsgenossenschaften verlangt, die Feststellungen darüber machen soll, wieviel Grund und Boden vom landwirtschaftlichen Großbesitz nicht bebaut oder sür unproduktive Zwecke verwendet wird. Erstens müßte es doch Herrn Abg. Renner immerhin einiger» maßen bekannt sein, daß wir heute auch schon gesetz liche Bestimmungen haben die uns in den Stand setzen, dann einzugreifen, wenn nachweislich durch eine lieder liche Wirtschaft landwirtschaftlicher Grundbesitz nicht produktiv bewirtschaftet wird, und daß es eine Aufgabe der zuständigen Behörden ist, von diesem Rechte Ge brauch zu machen. In dieser Beziehung ist der Antrag überflüssig und würde nur etwas verlangen, was schon ist. Außerdem möchte ich die Herren Kommunisten einmal fragen: was heißt denn eine Kommission von werktätigen Bauern? Fragen Sie einmal draußen einen Bauern, welcher behaupten wird, daß er nicht werktätig sei! Die Grenze zu finden, wird natürlich noch dem Scharfblick der Kommunisten anheimgestellt werden müssen, ehe dem Landtag zugemutet werden kann, einen so verschwommenen Antrag überhaupt anzunehmen. Der Antrag Nr. 1014 unter 1 ist deshalb, schon weil er zu sinnlos und in der Form zu unvollkommen ist, als abgetan zu bezeichnen. In Ziff. 2 verlangen die Kommunisten, daß die Regierung, in diesen: Falle na türlich die Staatsregierung, den Grund und Boden zu enteignen und den werktätigen Bauern z^r Verfügung zu stellen hat, soweit der Grundbesitz derselben nicht zur Erhaltung ihrer Familie und Wirtschaft ausreicht. Wir können uns als Sozialdemokraten zur Annahme eines solchen Antrages aus dem einfachen Grunde nicht entschließen, weil sich jeder Landwirt, den wir so be handeln würden, herzlich wenig daraus machen würde, er würde sich das einfach nicht gefallen lassen und würde gegen die sächsische Regierung auf dem Wege der Reichsgesetzgebung vorgehen. Antrag Nr. 1015! Es ist schon richtig, daß die Ge werbeordnung in mancherlei Hinsicht entsprechend den veränderten Zeitverhältnissen einer Reform bedürftig ist. Aber ganz so schlimm, wie die Kommunisten glauben, daß die heutige Gewerbeordnung in der neuerdings ab geänderten Form die landwirtschastlick en Arbeiter noch benachteiligt, ist es im Grunde doch nicht. Es ist bereits im Nechtsausschuß von den Kommunisten zur Sprache gebracht worden, daß die landwirtschaftlichen Arbeiter hinsichtlich der Inanspruchnahme der Gewcrbegerichtc gegenüber den Industriearbeitern ungeheuer benach- teiligt seien. Es wurde dort sogar die Behauptung ausgestellt, daß das Gewerbegericht für die landwirt schaftlichen Arbeiter überhaupt nicht zuständig sei. Diese Auslegung stimmt nicht, wenn sie stimmen würoe, würden nicht in den vielen Gewerbegerichten Sachsens eine Menge landwirtschaftlicher Arbciterstreitigkeiten zur Entscheidung stehen. Nun kommt der Antrag Nr. 1017, in den: von den Kommunisten verlangt wird, eine Verfügung zu erlassen, nach welcher die Übertretung der achtstündigen Arbeits zeit in landwirtschaftlichen Betrieben, insbesondere auf den Staatsgütern verboten wird und Übertretungen mit Gefängnis zu bestrafen sind. Herr Abg. Renner, ein Landlagsabgeordneter braucht kein Jurist zu sein, soviel muß er aber zum mindesten wissen, daß sich der sächsische Landtag nicht einfach über das Reichsstraf gesetzbuch hinwegsetzen kann, als existiere es überhaupt nicht. Übertretungen der achtstündigen Arbeitszeit mit Gefängnis zu bestrafen, kann einfach der sächsische Landtag nicht beschließen, und ein solches Gesetz von Sachsen aus hätte glattweg keine Rechtswirksamkeit. Der Antrag Nr 1018 der Kommunistischen Fraktion verlangt eine Verfügung, nach welcher den Gutsräten, Vertrauensleuten oder Obleuten der Landarbeiter neben den ihnen aus dem Betriebsrätegesetz zustehenden Be fugnissen das Recht gegeben wird, die Erträgnisse, Be stände, die Preise und den Verkauf der Erzeugnisse ihrer Arbeitsstätte zu kontrollieren und zu überwachen und die Verschiebung von Waren und die Festsetzung wuchenicherPreise bestimmt zu verhindern.Zunächst können sich die Kommunisten mindestens bei der Formulierung der ersten und zweiten Zeile ihres Antrages herzlich wenig gedacht haben: Gutsräte, Vertrauensleute oder Obleute der Landarbeiter! Ich stutzte schon beirn ersten Wort, nämlich bei den Gutsräten. Wo haben Sie denn überhaupt solche? Es gibt setzt überhaupt keine, und wo nichts ist, da kann man nichts dancbenstellen. Das beweist wieder die ganze Geistlosigkeit Ihrer Antragstellung. Ich komme nun zu dem wichtigsten Anträge. DaS ist der Antrag, der von den Kommunisten unter Nr. 1016 gestellt worden ist. ES ist eigentlich der einzige Antrag, über den man sich ernstlich im Parlament unterhalten kann. Ich habe schon im RechtSausschuß gesagt, daß hier die Kommunisten einmal unbewußt etwas Ver nünftiges gewollt baden. Nur sind sie nicht klug genug gewesen, das vernünftig Gewollte auch in die richtige Form zu kleiden. Im Antrag Rr. 1016 verlangen die Kommunisten, dem Landtag« unverzüglich eine Vorlage zu unterbreiten, welche die Steuergesetze über die Wege baulasten dahin abändert, daß die werktätigen kleinen Bauern von diesen Lasten befreit sind. Sie wollen dann auch weiter, daß bis zur Verabschiedung des Ge setzes von einer Einziehung der Steuern abgesehen werde. Sie sollten einmal hinauskommen zu den Klein bauern und sollten einmal den Absatz 2 Ihres Antrages Nr. 1016 verwirklichen wollen, dann könnten sie einmal die guten Leute sehen die mit tausend Mühsalen chre Steine hingefahren haben und nun auf oas Geld von dem Bezirk warten, damit endlich die Straße in Schwung kommt. Diese müßten ihren Krempel einstweilen liegen lassen, wenn keine Steuer erhoben wird. Wie wollen Sie überhaupt denEtat eines Bezirkes in Ordnung bringen, wenn Sie die Mittel im Rechnungsjahre sich vom Land tage vorschreibenlassensollen, die Steuern dürfen nichtmehr erhoben werden, und wie vereinbart sich denn diese Maß nahme mit den gerade auch von den Kommunisten so laut ausgestoßenen Sehnsuchtsrufen nach der Selbstverwaltung der Gemeinden und der Bezirksverbände? Da ich aber vorhin fchon betont habe, daß dem kommunistischen Antrag zweifellos ein echtes Motiv zugrunde liegt, habe ich den Antrag im Nechtsausschuß aufgegriffen und ihm die Form gegeben, nach der er wirklich dem Motive nahekommt. Nämlich tatsächlich ist erforderlich, daß das sächsische Wegebaugesetz geändert wird Das süchsiiche Wegebaugesetz gehört zu den rückständigsten im ganzen Deutschen Reiche. Es paßt einfach unter keinen Umständen rnehr in unsere Zeit hinein Weil ich diesen berech tigten Kern der kommunistischen Anträge herausgeschält habe, habe ich beantragt, daß die Staatsregierung vom Landtage ersucht werden soll, dem Landtage den Ent wurf eines Gesetzes vorzulegcn, wonach die Wegebau- lasten für die Kommunikationswege entsprechend den gänzlich veränderten neuen Verkehrsmitteln und die Verhältnisse zu Gunsten der Bezirksverbände und Land gemeinden gerechter verteilt und auferlegt werden Ich bitte den Landtag, diesem Anträge die Zustimmung nicht zu versagen, im übrigen die Anträge der Kommunisten abzulehnen. Nach dem Schlußwort des Abg. Renner (Komm.) wer den die Anträge des Ausschusses teils mit Mehrheit, teils einstimmig angenommen. Punkt 8 der Tagesordnung: Erste Beratung über den Antrag des Abg. Beutler u. Gen., die Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Grundstücken vom 20. November 1920 (GBl. S. 464) betr. (Druck sache Nr. 1123.) Der Antrag lautet: 1. Wir beantragen: Der Landtag wolle beschließen, folgendem Gesetzesvorschlag seine Zustimmung zu geben: Gesetz wegen Aufhebung des Gesetzes über den Verkehr mit Grundstücken vom 20. Novem ber 1920 vom 1925. Der Landtag hat folgendes Gesetz be schlossen: Artikel 1. Das Gesetz über den Verkehr mit Grund stücken vom 20. November 1920 (GBl. 1920 S. 464) wird aufgehoben. Artikel 2. Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft. Dresden, am 1925. Gesamtministerium. Ministerpräsident. 2. Eventuell beantragen wir: Der Landtag wolle beschließen: Die Regierung wird ersucht, dem Landtag eine Gesetzesvorlage zu unterbreiten, in der ins besondere folgende Abänderungen des Gesetzes über den Verkehr mit Grundstücken vom 20. November 1920 vorzuschlagen sind: ») Die Geltendmachung des Vorkaufsrechts (8 11 des Gesetzes) ist nur zulässig, wenn die nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes zuständige Behörde durch eine mit Gründen zu ver sehende Entscheidung festgestellt hat, daß wichtige öffentliche Interessen die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigen; gegen die Entscheidung ist Rekurs an die Kreishaupt mannschaft zulässig. b) In 8 9 sind die Worte zu streichen: „deren Entscheidung endgültig ist" Abg. Beutler (Dtschnat. — zur Begründung): Das Gesetz vom 20. November 1920 ist ein im wesentlichen aus der Initiative des Landtags he,vorgegangenes Gesetz, das bei Grundstücksverkäufen den sogenannten GenchmigungSzwang, das gesetzliche Vorkaufsrecht und die Enteignung-befugni- als Strafmaßregel brachte. Der geistige Vater dieses Gesetzes ist, wenigstens äußer- lich, der Herr LipinSk, gewesen. Ich habe damals bei der Aussprache vorausgesagt, daß dieses Gesetz zu außer orde»tlia- uuctgu.Mia-eu Streitigkeiten führen würde, zur Belästigung des Grundstücksverkehrs; und was ich vorausgesagt habe, ist eingetrosfen. Die Prozesse, die seitdem über dieses Gesetz angängig geworden sind, sind meist bis in die höchste Instanz getrieben worden und hören nicht auf. Die Entscheidungen der Gesetze wider sprechen sich bis in die neueste Zeit, und auch heute ist über die grundlegenden Fragen des Gesetzes eigentlich Klarheit nicht geschaffen, obwohl das Gesetz schon 4 Jahre in Geltung ist. Noch vor ganz kurzer Zeit er schien in der Juristischen Wochenschrift eine Kritik eines Oberlandesgerichtsurteils, darin ist ausdrücklich gesagt, daß das ganze Gesetz eine Quelle von Streitigkeiten geworden sei. Die Gründe für den damals in erster Lime von der Regierung gewollten Geuehmigungszwang sind heute weggefalleu, der Genehmigungszwang bedeutet heute nichts anderes als eine lästige, weil außerordentlich zeitiaubende, die Abwickelung des ganzen Grundstücks verkehrs erschwerende Maßregel. Wir brauchen den Genehmigungszwang nicht mehr. Das Gesetz enthält aber nicht bloß den Genehmigungszwang, sondern das Kernstück des Gesetzes ist heute das Vorkaufs« echt, und um dieses Vorkaufsrecht handelt es sich. Gerade in diesem Kernstück ist aber nach meinem Dafürhalten das Gesetz außerordentlichschwach fundiert. Taspreußische Ge setz enthält das gesetzliche Vorkaufsrecht nicht. In Badu« ist das Gesetz aufgehoben, rn Thüringen auch: ich weis; augenblicklich nicht, welcher kleine Staat in Deutschlaut das gesetzliche Vorkaufsrecht überhaupt noch hat; ick glaube, daß wir in Sachsen ziemlich die Einzigen seit, werden, die heute dieses gesetzliche Vorkaufsrecht haben Dieses gesetzliche Vorkaufsrecht ist eine Nuß, an de: sich die Juristen die Zähne schon lange versucht haben; es ist eine außerordentlich schwierige Materie, ob dieses gesetzliche Vorkaufsrecht gegenüber dem Neichsrecht gilt oder nicht Das Reichsgericht hat in Bd. 107 die Geltung des gesetzlichen Vorkaufsrecht bejaht, aber die Kritik in: diesem reichsgertchtlichen Urteil hört nicht auf, und ich sehe den Tag noch kommen, wo auch das Reichsgericht seme Stellung zu dieser Frage revidiert. JchwerdemichimRechtsausichuß etwas ausführlicher über die juristischen Fragen auslassen. Heute möchte ich kurz hervorheben: Das Vorlaufsrechtdarfnurausgeübt werden, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt. Das Gesetz spricht aber sich bezüglich der Voraussetzung des öffentlichen Interesses selbst nicht klar aus. Und der größte Miß stand des Gesetzes ist der, daß nirgends gesagt ist, wer über die Frage, ob öffentliches Interesse vorliegt, nun eigent lich entscheidet. Tatsächlich liegt heute der Fall so. daß regelmäßig die Behörde, die das Vorkaufsrecht ausüben will, auch über die Frage entscheidet, ob öffentliches Interesse vorliegt. Das Reichsgericht Band 107 kommt dazu, zu sagen, daß man sich mit dickem Zustand ab- findcn könne, weil das Vorkaufsrecht nur juristischen Perfonen öffent lichen Rechts verliehen sei, bezüglich deren das Gericht voraussetzen dürfe, daß sie nur im Interesse der All gemeinheit vor: den: Vorkaufsrecht Gebrauch machen würden Ich versage nur und liebe es ja überhaupt nicht malitiös zu werden (Heiterkeit), über dieses Urteil die Kritik einer gewissen Weltfremdheit zu fällen, wenigstens kennt das Reichsgericht die Zustände in unseren politischen Körperschaften nicht, und mindestens weiß das Reichs gericht nicht, daß doch jede Stadt und jeder Oberbürger meister landhungrig ist und gern jede Gelegenheit er greift, um für sich — angeblich sind es allemal öffentliche Interessen — Land zu schaffen. Ich will dagegen sagen, was das sächsische Oberlandesgericht dazu ausführt. Das ist teilweise anderer Ansicht Das sächsische Ober landesgericht sagt: Es widerspricht den Grundsätzen eines Rechts staates, daß, wer ein bürgerliches Recht, das eine Einschränkung fremden Eigentums ist, mittelbar oder unmittelbar durch das Gesetz verliehen erhalten hat, es gegen einen andern soll ausüben dürfen, ohne zur Rechenschaft verpflichtet zu sein. Im Privatrechts verkehre stehen sich alle gleichberechtigt gegenüber. Weil das Vorkaufsrecht aber an erster Stelle öffent lichen Körperschaften verliehen worden ist, deren ge setzliche Vertreter sich bei ihrer seit der Staatsum wälzung bedeutsam gewordenen Parteistellung auf jedem Gebiete ihrer amtlichen Tätigkeit auch von politischen Erwägungen leiten lassen können, wurde ein solcher Rechtszustand unerträglich sem. Es scheint mir, das Oberlandesgericht ist schon wesent lich weniger weltfremd wie das Reichsgericht. Also das Oberlandesgericht kommt in seiner neuesten Ent scheidung auf Grund dieser Erwägung dazu, dem Gericht das Recht zuzugestehen, darüber zu urteilen, ob ein öffentliches Interesse vorliegt oder nicht Ich persön lich sage, daß dieser Zustano auch nicht sehr erfreulich ist (Abg vr. Kastner: Sehr richtig!), denn dann würde die Frage stets durch die drei Gerichtsinstanrcn in die Höhe gebracht. Das kostet den Leuten ein unsinniges Geld (Sehr richtig! bei den Dem.) und läßt die Krage, ob ein öffentliches Interesse vorliegt, 2 bi- 3 Jahre in der Schwebe. Dieser Zustand scheint mir unter keinen Umständen unserem Grundstücksverkchre zugänglich zu sein. (Sehr richtig! bei den Dem.). Wir sind deshalb der Ansicht, daß da- ganze Gesetz sollen muß. Aus alle Fälle halten wir es für erforderlich, daß eine Über prüfung der Frage stattfinde», in welchen Fällen wirk lich öffentliches Interesse vorliegt, und sind der Mei nung, daß diese Frage nicht einseitig entschieden werden