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8MMU M AWm NaatzeitMli Nr. 190. zu Nr. 18 des H-uPtblatte«. 192!), Beauftragt mit der Herausgaber RegierungSrat Braube in Dresden. Laadtagsverhanrlungt». (Fortsetzung der 112. Sitzung von Dienstag, den 20. Januar.) Abg. Weckel (Minderh. d. Soz.) (Fortsetzung): Zum anderen werden neben diesen Mängeln, die in der Wirtschaft begründet sind, die Mängel aus dem Elternhause herangezogen, und nun kommt der Schulmeister der Volksschule wieder und sagt, die Methode der Volksschule sei zu subjektiv geworden. Wer von der Kultur etwas versteht, der weiß, daß jede Subjektivität und jede Differenzierung der Methode eine Bereicherung der Kultur bedeutet. Die Besserungsvorschläge, die die Fachleute machen — das sind die Bezirksschulräte —, zeugen von der Kenntnis der vorhandenen Mängel und zeugen auch davon, daß die Herren das Verständnis dafür haben, wie eine wirkliche pädagogische Anstalt aufgebaut werden kann. Sie fagen: mehr Geld, mehr Einrichtungen, mehr Schulräume für die Schule, die soziale Fürsorge ist zu vermehren, die Versorgung mit Lehr- und Lernmitteln ist zu sichern und zu erweitern, die Pflichtstunden sind herabzusetzen, die Lehrerschaft ist von wirtschaftlichem Drucke frei zu halten. Sie fordern weiter Fortbildungs kurfe für die Lehrer, namentlich für die Junglehrer, und energische Schulung der Junglehrer. Sehen wir uns nun aber die Vorschläge an, die Herr vr. Kaiser zur Besserung des Volksschulwesens tut! Da kommt zunächst als erste Forderung, es sollen verbindliche Lehrpläne für den Unterricht einschließlich des Religionsunterrichts aufgestellt werden. Es ist bekannt, daß der Herr Volks- bildungsminister vr. Kaiser der Liebling christlicher Elternvereine ist. Sehen wir uns einmal die Lehrpläne an! Selbst bei den besten Motiven der Herren im Volksbildungsministerium wird eS zu dem kommen, was früher war. Ich entsinne mich noch, wie ich als junger Lehrer angefangen habe. Der Schulrat tritt zu mir herein: Sie haben heute die Tulpe zu behandeln. DaS stand im Lehrplan der 41. Woche: das und das ist zu behandeln. Ich weiß, daß man das nicht will, aber es wird wieder dazu kommen. Verbindliche Lehrmethoden werden gefordert. Das halte ich für das Allerbedenklichste. Wenn der artige Dinge wieder eingeführt werden sollen, dann bedeutet das die Tötung des Lebens in der Volksschule überhaupt. Und das letzte und das politisch Gefährlichste ist dann die sogenannte Aufsicht. Herr Minister Kaiser wird selbst wissen, daß das, was hier gefordert worden ist, nichts Neues ist. Seine Parteigenossen haben 1909, 1911 und 1919 bereits diese Art von Aufsicht wieder gefordert. Ob man die Kreisschuldircktoren Krcisschulräte oder Direktoren nennt, das bleibt in der Wirkungsweise das selbe: für die Lehrerschaft wird eine neue Schulaufsicht gefordert. Die Aufsicht ging früher so weit, daß dem Lehrer vorgeschrieben wurde, wie er die Hefte zu korrigieren hatte. Da mußte ein roter Strich lang gezogen werden, wenn es sich um einen grammatischen Fehler handelte, und ein roter Strich wagrecht, wenn es ein orthographischer Fehler war, und wehe, wer eine solche Vorschrift übertrat l Und zum anderen, Herr vr. Kaiser, die „Sachsenstimme", Ihr Organ, sagt: Die Ara der Berufung von sozialistischen Bezirksschulräten war abgeschlossen, als eben das Dutzend voll war. Die neuen Ernennungen des Jahres 1924 betreffen nichtsozialistische Männer. (Hört, hört! links.) Früher wurden aho Sozialoemokraten noch als Be zirksschulräte gewählt; das ist mit dem Eintritt des Herrn vr. Kaiser abgeschlossen gewesen, und wir glauben, daß es auch mit den neuen Kreisschuldirektoren nicht viel anders sein wird Es werden Leute darankommen, die einfach die neue „Kaiserliche" Zeit respektieren sollen. Wir haben seinerzeit eine Verkleinerung unserer Auf- sichtsbezirke gefordert; die Sozialdemokratische Fraktion hat beschlossen, daß das gefordert wird, und ich frage noch einmal: Gedenkt das Volksbildungsministerium den Beschluß des Landtages durchzuführen und diese Bezirks- schulämter wieder zu besetzen? Es kann nicht gehen, daß eine Regierung sich über Beschlüsse des Landtages glatt hinwegsetzen kann. Der Herr vr. Seyfert lchreibt in einem Artikel des „Berliner Tageblatts," daß er sich für ähnliche Einrich tungen, wie sie von Herrn vr. Kaiser gefordert werden, er wärmen könne, er will den Bezirksschulräten wohl Lehrer zur Seite stellen, die dann mehr die Bcrwaltungsarbeit leisten sollen. Ich weiß nicht, wenn man Lehrer dort- hin setzt, ob diese zweiten Beamten nicht ähnliche Be fugnisse sich nach und nach erarbeiten wollen. Wollen wir doch die Bezirke verkleinern, wollen wir den Herren Bezirksschulräten dann auch das Kanzleipersonal an die Hand geben, damit dann wirklich der Bezirksschulrat der pädagogische Berater und Förderer sein kann, dann brauchen wir wirklich nicht noch einen Unteroffizier neben dem Offizier m dem Bezirke. Ich frage nun hier: welche Dienstanweisung gedenkt das Volks- bildungsministerium diesen neuen Herren zu geben? Ich frage das mit einer ganz bestimmten Absicht und hoffe, heute eine Antwort darauf zu bekommen. Tie Sozialdemokratische Fraktion lehnt die Einrichtung, wie sie in der Denkschrift gefordert wird, einmütig ab. Neben diesen Einrichtungen, Lehrplänen, Methodcn- schema- und Aussicht fordert, dann die Denkschrift eine Menge anderer Maßnahmen, die ich gutheiße. Tas sind aber keine Errungenschaften der Neuzeit, da- sind lauter Dinge, die unter dem sozialistischem Ministerium bereit- gesetzlich verankert waren Also, was gut ist an der Denkschrift, da- stamm» nicht aus der alten Zeit, das stammt auS der Zett der sozialistilchen Regierung im Kultusministerium. (Sehr richtig! links — Zuruf rechts) Die Zeitungen, die Herrn vr. Kaiser nahestehen, schreiben immer, Herr vr. Kaiser habe mit seiner Denkschrift und seinen Maßnahmen endlich den Schul frieden gebracht. Ich bezweifle da-, jetzt wird der Kampf erst richtig losgehen Redner schließt in Anlehnung an ein Zitat aus der »Leipziger Lehrerzeitung" mit den Worten: Das BolksbildungSmmisterium hat die Fähigkeit ver loren, den Kern der Volksschularbeit zu erfassen (Sehr richtig! bei der Minderh. der Soz.), und beweist in der Denkschrift, daß es nach rückwärts schießt. Wir fordern allerdings vom Bolksbildungsministerium, daß es Ziele in die Zukunft weist zum Wohle der Volksschule und ihrer Kinder. (Bravo! bei der Minderh. der Soz.) Hier wird die Beratung der Drucksache Nr. 1084, Antrag des Abg. Siegert (Dtschnat.) u. Gen., Schulfragen betr. eingeschoben. Der Antrag Nr. 1084 lautet: Im Hinblick auf die Ergebnisse der Denkschrift des Bolksbildungsministeriums über den gegenwärtigen Stand der sächsischen Volksschule beantragen wir: Der Landtag wolle beschließen: die Regierung zu ersuchen, dem Landtag baldigst eine Vorlage zu unterbreiten, durch die, zum Teil unter Abänderung und Ergänzung der einschlägigen Gesetze, folgende Maßnahmen Gesetzeskraft erhalten: 1- Zur Förderung des inneren Unterrichtsbetriebs ist n) ein verbindlicher Lehrplan für den Unterricht aufzustellen, d) für jede Volksschule mit 6 und mehr Lehr kräften unter maßvoller Wahrung des Selbst- Verwaltungsprinzips das staatliche Amt eines verantwortlichen, aussichtsberechtigten Schul leiters wieder einzurichten, o) die Entlastung der Bezirksschulräte von äußerer Verwaltungsarbeit herbeizuführen, z. B. durch Verkleinerung der Bezirke und durch Vermeh rung ihrer Berwaltungsbeamten, 6) zur Hebung der Schulzucht die Möglichkeit der Anwendung körperlicher Züchtigung als letzten Strafmittels ins Auge zu fassen. II. Zur möglichsten Beschleunigung des weiteren Aus baus der Volksschule ist nötig: ») die Erhöhung der Zahl der Unterrichtsstunden, besonders der wissenschaftlichen, und die Ver minderung der Klassenstärken, d) die Einrichtung von Nachhilfeunterricht, Hilfs schulklassen und Hilfsschulen, o) die Sonderbeschulung besonderer Fürsorge be dürftiger und schwer erziehbarer Kinder, 6) die Gliederung der allgemeinen Volksschule nach Begabung und Leistungsfähigkeit der Schüler in Form von besonderen Ulassenzügen vom 5. Schuljahr ab und unter Ausdehnung auf ein 9. und 10. Schuljahr, v) die weitere Beseitigung von Überstunden und die Erhöhung der Ermäßigungsstunden, k) die erhöhte Fürsorge dafür, daß Kinder unver- mögender Eltern mit unentgeltlichen Lern mitteln versorgt werden, 8) die Bereitstellung erhöhter Mittel für Beihilfen an unvermögende Schulbezirke zur besseren Ausstattung ihrer Schulen und für die Fort bildung der Lehrer, b) Maßnahmen durchzuführen, durch die Störun- des Unterrichts nach Möglichkeit vermieden werden, insbesondere Wiederherstellung des sogenannten Vikariats. IH Zur Hebung der gesundheitlichen Verhältnisse ist erforderlich: der Ausbau der schulärztlichen Überwachung der Schüler. IV. In der Schulverwaltung ist der Lehrerschaft das Recht der Verhältniswahl zu geben. V. Bis zum Erlaß des ReichSschulgesetzes sind betreffs des Religionsunterrichts zu fordern: ») Sicherstellung des bekenntnismäßigen Religions unterrichts auf allen Stufen der Volksschule und in allen Arten der Unterrichtsmethode, eine der Würde und Eigenart desselben ge mäße Einstellung in den Unterricht-plan, b) Aufhebung der Einschränkung der Zahl und des Inhalts der Rebgwnsstundcn durch die vorläufigen Verordnungen der Bolksbeauf- tragten vom 2. Dezember 1918, o) Verbot der Beaufsichtigung und Erteilung des Religionsunterrichts durch Dissidenten, . 6) die Abänderung der Anmeldeiorm für die Volks schule, den Religionsunterricht betreffend, v) Aufstellung eines verbindlichen Lehrplans für den Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der bet' cff-mdcn Religionsgcsell- ichast und nn Zusammenwirken mit derselben, k) Einstellung von genügenden Ersatztehrkräften und würdige Bezahlung derselben, 8) Sicherung eine- gründlich vorgebildeten Nach wuchses von ReligionSlehrkräftcn, b) Maßnahmen gegen willkürliche Auslegung und Umgehung der Verordnungen betreffend Schul gebet und Unterrichtsbefreiung an staatlich nicht anerkannten Feiertagen und gegen die Ver weigerung von Religionszensuren. VI. ») Maßnahmen gegen Verzögerung und Borent haltung der Elternratswahlen, b) Festlegung der Elternratswahlen im ganzen Land möglichst auf einen einheitlichen Termin bald nach Beginn des neuen Schuljahrs, o) Aufhebung des Verbots neuer Klassenzüge in Privatschulen. Abg. Liegert (Dtschnat. — zur Begründung): Ich bringe auch die gelbe Schrift mit, die so viel Staub aufgewirbellt und so viel schroffe und reiche Ablehnung erfahren hat, bezeichnenderweise Ablehnung gerade von feiten der Sächsischen Lehrergewerkschaft und ihrer Presse. Woher dreie überempfindliche Nervosität, diese Gereiztheit, daß man in jedem ungünstigen Urteil über die Volksschule von vornherein nur Verhetzung, nur Parteipolitik, nur Ignoranz und Inkompetenz sieht? Ich meine, wer einen Schulumsturz auf dem Gewissen hat, muß auch stark und gewappnet sein, der Kritik des Produktes seiner Pläne mannhaft standzuhalter (Sehr richtig! bei den Dtfchnat.), anstatt sich in Kla gen über die böse Reaktion oder in unsachlichen Ver dächtigungen und Gehässigkeiten zu ergehen. Wie ist denn diese Denkschrift entstanden? Man hörte allerhand Klagen über verminderte Leistungs- sähigkeit der Volksschüler. nicht etwa der Volksschule schlechthin, sondern der Volksschüler, die zur höheren Schule übergingen. Danach erfolgte eine Verordnung des Ministeriums vom 25. 3. 24, Feststellungen betreffend über die Vorbildung der Volksschüler für den Übergang aus der Volksschule zur höheren Schule. Ja, wer sollte denn diese Feststellungen anders zunächst treffen als eben die höhere Schule? Aber das Ministerium hat wohl selbst ge fühlt, daß es etwas einseitige Feststellungen seien, sich bloß von der höheren Schule ein Urteil über diese Volksschüler zu holen. Darum beauftragte das Ministerium in der selben Verordnung auch die Bezirksschulräte des Landes, das find doch wohl meiner Meinung nach die Fachleute in bezug auf die Volksschule (Abg. Claus: Die aber nicht in die Schule kamen!), auf Grund der Ergebnisse ihrer Schulaufsicht über ihre Erfahrungen und Be obachtungen zu berichten. Und das Ministerium war sogar demokratisch genug, anzuordnen, daß diese Schul räte nur im Einvernehmen mit den Bezirkslehrerräten, also den Selbstverwaltungsincanzen der Lehrerschaft berichten sollten. Tas ist sowohl von Herrn Claus wie von Herrn Weckel nicht gesagt worden. (Sehr richtig' rechts.) Ich meine also, alle demokratische Gerechtig keit ist erfüllt. Es ist mir nun schlechterdings unver ständlich, wie gerade die Lehrergewerkschaft, der Säch sische Lehrerverein, sich darüber beschweren kann. Sie Hal sich außerdem noch beschwert, daß das Ministerium seine Denkschrift zuerst der Presse und dann crst den Lehrern übermittelt habe. Als ob die Offentlichkei und das Organ der Öffentlichkeit nicht zu allererst die Pflicht gehabt hätte, davon Kenntnis zu nehmen Warum sollte denn gerade die Lehrerschaft zuerst Be richt erhalten? Ich finde in dieser Beschwerde entweder eine mehr oder minder große Naivität (Zuruf bei den Dtschnat.: Unverschämtheit!) oder eine sehr weitgehende Anmaßung!(Sehrrichtig.'rechts.) TieHerrschaftennehmen nachgerade in unerträglicher Weise eine Monopolherrschaft über die Volksschule für sich in Anspruch (Lebhafter Widerspruch links. — Lebhaftes Sehr richtig! rechts), eine Monopolherrschait. die nicht verträglich und ver einbar ist mit dem Gedanken der Staats- und der Volksschule. (Lebhaft-! Widerspruch links.) Wenn sich die sächsische Lehrergewerkschaft schon durch das Er scheinen der Denkschrift gekränkt fühlt, weil sie nicht vorher extra darum befragt worden ist, io zeigt das recht deutlich, wie einseitig die ganze bisherige Ent wicklung unser sächsischen Schulverhältnisfe sich gestaltet hat. Es muß hier einmal klipp und klar festgestellt werden: die sächsische Lehrergewerkschaft ist weder die ge samte sächsische Lehrerschaft noch vollends die sächsische Bolksbildungs- und Schullurie. Wenn sich die sächsische Lehrergewerkschaft, verwöhnt durch die früheren Ver hältnisse, in diesen Glauben gewiegt hat und noch immer wiegt, so muß endgültig diese Selbsttäuschung einmal revidiert und daraus erwachsende Ansprüche müssen ent schieden rurückgcwiesen werden. Die Denkschrift selbst zum Gegenstände einer Kritik zu machen, liegt mir fern. Eine Lücke freilich finde ich darin. Tie Bcrhällmssc des Religionsunterrichts sind geflissentlich nicht dargestellt worden. Ich frage das Ministerium: warum ,ft eigentlich dieses Gebier, daS doch wohl auch sachlich zur Volksschule gehört, ganz ausgeschaltet worden? Über die Ergebnisse des heutigen Religionsunterrichts in der heutigen Belksschule hätten recht wohl die Berichte der Pfarrer, die den Kon- firmandenunterricht an Volksichulkinder geben, Auf schluß geben können, aber das Eisen des Religions unterrichts ist wohl zu beiß für das Ministerium gewesen. Über den Inhalt der Denkschrift ist hier schon genug geiagt worden. Bei der Zusammenfassung der Ergeb nisse kommt die Denkschrift zu dem Gefamturteil: Einer Reihe erfreulicher Tatsachen stehen bedenkliche Mängel gegenüber (Abg. Vr Seyfert: Wie überall!), und da setze ich nun hinzu, die Mängel scheinen mir die Bor- ! züge allerdings zu überwiegen. Ich sreue mich über die Feststellung, daß die K-nder regsamer, selbständiger, kreier, unbefangener und gewandter geworden sind,