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741 ÄckiKilU zur AWa ÄchkilW Nl. 164. zu Nr. 151 des Hauptblattes. 1924. Beauftragt mit der Herausgabe: RegierungSrat Brauße in Dresden. Landtaftsverhandlnngen. (Fortsetzung der 9». Sitzung von Donnerstag, den 28. Juni.) Abg. Böttcher (Kom): Die kommunistische Fraktion Halden Minderheitsantrag unter Zisf. 2gestellt. Es ist be kannt, daß in Berlin und auch Jena erfolgreiche Ver suche gemacht worden sind auf dem Gebiete der bio logisch-naturgemäßen Heilweise nach dem Verfahren von Schweninger, wie es auch von dem bekannten Arzt Lahmann in Dresden angewendet wird. Das ist zwei fellos auf dein Gebiete der modernen Heilwcise bahn brechend. Das hat in der Medizin revolutionierend gewirkt, und wir halten eS für dringend notwendig, daß diese Heilweise unterstützt wird trotz der Tatsache, daß natürlich durch das Kurpfuschertum diese Heilweise vielfach kompromittiert wird. Es kommt insbesondere darauf an, daß durch die Errichtung eines folchen Lehr stuhls die notwendigen Möglichkeiten zu praktischen Versuchen dieser Heilmethode im klinischen Betriebe gegeben werden. Zum Kapitel im allgemeinen habe ich zu bemerken, daß die Universität Leipzig sich besonders auch im ver stossenen Jahre wieder als die alte Hochburg der Re aktion erwiesen hat, die sie immer war. Die Hoch schüler so gut wie die Studenten erstreben heute die Wiederkehr der alten Privilegien, auf Grund deren sie in gesicherten Staatspositioncn hineinwuchsen oder hincinvcrerbt wurden. Wir sind natürlich gegen eine derartige sowohl politische als auch wissenschaftliche Führung der Verhältnisse an der Universität Leipzig und der Etatkapitel der Universität. Den Minderheitsantrag, die Zahl der theologischen Professoren aus das notwendigste zu beschränken, lehnen wir auch ab, da »vir gegen die rheologischen Professoren überhaupt sind. Wir sind nicht in der Lage, das Ka pitel zn bewilligen. Abg. Vr. Leyfert (Dem.): Wir hatten den Antrag cingebracht, die staatlichen Gebühren für die Studieren den der Universität Leipzig und der Technischen Hoch schule zu Dresden allgemein herabzusetzen Wir waren zu diesem Anträge durch die große Not veranlaßt wor den, die in tvciten Kreisen der Studierenden besteht. Die Regierung hat unserem Anträge entsprechend be reits Anordnung getrosten, die in der Richtung unserer Wünsche liegen, und wir haben deshalb unseren Antrag als erledigt zurückgezogen. Dann noch ein Wort zu den beiden Minderheits anträgen! Bezüglich der theologischen Professoren stellen wir nns auf den Standpunkt der Regierung, die den jetzigen Bestand der theologischen Professoren für notwendig er klärt. Daß auch wir den Wunsch haben, daß innerhalb der theologischen Fakultät alle bestehenden Richtungen, auch die freieren berücksichtigt werden, versteht sich bei dem Standpunkte, den wir zu diesen Dingen einnehmen, von selbst. Und warum wir den Antrag der Kommunisten ab lehnen? Nicht, »veil wir etwa gegen die in dem An trag berührte Heilweise Stellung nehmen wollen, son dern weil wir es nicht sür richtig halten, in die wissen schaftlichen Institute und Veranstaltungen einzugrcifen; soweit die Grundsätze der biologisch-naturgemäßen Heil- weise oder wie man sie sonst bezeichnen will, wissen schaftlich begründet sind, müssen wir annehmen, daß die medizinische Wissenschaft als solche sich mit ihnen beschäftigt, daß also ein solcher Antrag hier über- stüssig ist. Abg. Rammeisberg (Dtjchnat.): Wir stehen auf dem Standpunkte, daß die Frage, wieviel die Professoren der Theologie in Leipzig ihre Tätigkeit ausüben müssen, nicht vom Landtage aus zu regeln ist und auch nicht durch Minderheitsantrüge von gegnerischer Seite zu lösen ist (Abg. Weckel: Soll sie auch nicht!), sondern daß die freie Lehre der Theologie so erhalten bleiben muß, daß die Studierenden nach wie vor eine freie und große Bildungsstätte ihres theologischen Wissens in Leipzig vorfinden. Wir wenden uns auch deshalb gegen solche Anträge, weil sie nur einen kirchcnfeind- lichen Geist verraten und durchaus kein Verständnis sür die Größe der Universität in Leipzig haben. Ebenso sind wir gegen den Antrag Ellrodt. Es mag sein, daß sich die Medizin auf dem biologischen Wege weiterentwickeln muß, aber es ist nicht Sache des Landtags und einzelner Landtagsvertreter, etwa zu bestimmen, oaß dort ein Lehrstuhl eingerichtet wird, der gewissermaßen außerhalb des Rahmens der Fakul- tät stehen würde. Wir sind der Meinung, daß diese Sachen intern von der Universität ausgetragen und auch vertreten werden müssen. Wir lehnen beide Mindcrheitsanträgc ab Hierauf wird der Mehrheitsantrag Drucksache Nr. 887 gegen die Stimmen der Kommunisten angc- nommen, die Minderheitsanträge mit großer Mehrheit abgelehnt. Punkt 13 der Tagesordnung: Zweite Beratung über Kap. 93 (Evangelische Kirchen) des ordent lichen Staatshaushaltsplans für 1924 sowie über eine hierzu vorliegende Eingabe. (Mündlicher Bericht des Haushaltausschusses ä, Drucksache Nr. 888.) Hierzu wird ohne Bericht und Aussprache gegen 4 Stimmen beschlossen: 1. die Einstellungen in Kap. 93 (Evangelische Kirchen) des ordentlichen Staatshaushaltsplans sür 1924 nach der Vorlage zu genehmigen, die Einstellungen in Tit. 4 als Beihilfe unter dem Vorbehalt, daß bei Ablösung der Staatsleistungen nach Art. 138 der Neichsverfassung nachzuprüfen ist, ob und inwieweit diese Beihilfe anzurechnen ist; 2. die Eingabe des Evangelisch-lutherischen Landes konsistoriums Nr. 1037 der Regierung zur Erwägung zu überweisen. Punkt 14 der Tagesordnung: Zweite Beratung über die Notverordnung Nr. 2 der Anlage zur Vorlage Nr. 128 vom 29. März 1924 über eine Änderung der Zuständigkeit für Wege- und Wafsersachen in der Ministerialinstanz. — GBl. S. 123. — (Münd licher Bericht des Haushaltausschusses 8, Drucksache Nr. 889.) Ohne Bericht und Aussprache wird gegen 4 Stimmen beschlossen: die Notverordnung Nr. 2 der Anlage zur Vorlage Nr. 128 vom 29. März 1924 über eine Änderung der Zuständigkeit sür Wege und Wassersachen in der Ministerialinstanz — GBl. S. 213 — zu genehmigen. Punkt 15: Zweite Beratung über Kap. 6 (Bad Elster) des ordentlichen und Tit. 1 (Betriebs technische Verbesserungen und Neuerungen beim Elsterbade) des außerordentlichen, Kap. 11 (Hütten- und Blaufarbenwerke des ordentlichen und Tit. 4 (Kapitalbedarf der Hütten- und Blaufarbenwerke des außerordentlichen, Kap. 77 (Bergakademie zu Freiberg), Kap. 77» (All gemeine Ausgaben für den Bergbau), Kap. 7 (Kalk- und Hartsteinwerke) Kap. 8 (Porzellan- Manufaktur Meißen) des ordentlichen und Tit. 3 (Kapitalbedarf der Porzellanmanufaktur Meißen) sowie Tit. 6 (Bau einer Talsperre bei Muldenberg i. V ) des außerordentlichen Staatshaus haltsplans für 1924. (Mündlicher Bericht des HauS- haltausschusses 8, Drucksache Nr. 890.) Zu Kap. 6, Elsterbad, berichtet Berichterstatter Abg. Meinel-Dannenberg (Dtsch.Vp.): Für die Verbesserung des Bades sind aus den Betriebs mitteln und den Ergebnissen große Aufwendungen er folgt. Zu Tit. 1 möchte ich mit Zustimmung und ge nügender Unterstützung aus dem Ausschüsse als Bericht erstatter den Antrag auf Erhöhung der Aufwandsgelder in Bad Elster auf das Doppelte, und zwar für den Badedirektor von 500 M. auf 1000 M. und für die 9 Beamten von 100 M. auf je 200 M. erneuern. In bezug auf die Entwicklung des Bades möchte ich hcrvorheben, daß die verabfolgten, entweder stark verbilligten oder freien Bäder in erfreulicher Zunahme begriffen sind. Die freien Bäder bzw. die wesentlich verbilligten Bäder haben eine Gesamtsumme von etwa 17 bzw. 18 Proz. der insgesamt verabfolgten Bäder erreicht. Damit wird wohl auch die Kommunisti sche Partei, die im Ausschuß die soziale Für sorge bemängelte, zufrieden sein können. Der wei tere Ausbau der Planungen für das Volksbad ruht im Schoße der Zukunft. Die Pläne werden weiter bearbeitet, und der Ausführung ist in künftigen Zeiten gewiß Vorschub zu leisten. Erfreulicherweise waren die Bohrversuche, die in Elster vorgenommen sind, von Erfolg. Ich bitte, dem Antrag auf Erhöhung der Auf wandsentschädigung zuzustimmen und im übrigen die Erstattungen nach der Vorlage zu genehmigen. Abg. Lieberasch (Kom.): Die Kommunistische Fraktion lehnt das Kapitel Elsterbad ab, und zwar aus folgenden Gründen. Es ist vor zwei Jahren hier im Landtage beschlossen worden, das Bad Elster zu einem Volksbade auszubauen. Auf diesem Gebiete hat man sich vor zwei Jahren betätigt, und einen Platz in Bad Elster zur Errichtung dieses Bolksbades herausgesucht. Dieser Platz ist heute noch in demselben Zustande wie seiner zeit bei der Besichtigung vor zwei Jahren, d. h. eS ist für die Benutzung des BadeS Elster durch die Un bemittelten absolut nichts getan worden, und wir sagen nichts getan, weil man keine Mittel hat, sondern lediglich zu dem Zwecke, um in Bad Elster die als Kur gäste dort weilenden Angehörigen der Bourgeoisie nicht mit den Unbemittelten in Berührung kommen zu lassen. DaS Einzige, was in Bad Elster für die Unbemittelten getan worden ist, ist bisher das, daß man nach Kap. 57 80000 bewilligt hat für Bäderfürsorge und daß auf der anderen Seite den Insassen des Kaufmännischen Erholungsheimes Bäder zu verbilligten Preisen, zu den Gestehungskosten wahrscheinlich, verabfolgt werden. Für die Bequemlich keiten der bourgeoisen Kurgäste aber wird alles getan. Sie sollen in Zukunft nicht mehr notwendig haben, überhaupt ihre Räumlichkeiten zu verlassen. Es sollen Bad, Wvhnraum, Kaffee, Uuterhaltungsraum, Konzert raum, alles soll miteinander in einem Gebäude verbunden werden, um so der Bequemlichkeit dieser Herrschaften in ausgiebigstem Maße Rechnung zu tragen. Für derartige Zwecke, sagen wir, hat der Staat in der gegenwärtigen Zeit kein Geld. AuS diesem Grunde lehnen wir das Kapitel ab. Wir lehnen auch den Antrag des Herrn Abg. Meinel- Tannenberg ab, die Repräsentatwnsentschädigung der Beamten zu erhöhen. Die Herrschaften bekommen dort in der XI. Gehaltsklasse nach der Neuregelung ein so ausreichendes Gehalt, daß sie ohne eine derartige Er- Höhung des Repräsentationsgeldes auskommen. Man hat in Bad Elster die notwendigsten Handwerksmeister, Handwerker und Arbeiter, die die Arbeiten verrichten müssen, abgebaut, um Ersparnisse zu erzielen, und aul der anderen Seite geht man dazu über, den Herren in Klasse XI doppeltes Auswandsgeld zu geben. Tas ist alles andere als eine gesunde Politik. Zu den übrigen Kapiteln wird auf Bericht und Aus sprache verzichtet. Tie Einstellungen werden sämtlich nach der Vorlage genehmigt, der Antrag Meinel-Tannenberg zu Kap. 6 angenommen Tie Kommunistische Fraktion stimmt überall dagegen. Abg. Grellmann (Ttschnat. — Zur Geschäftsordnung): Unsere Geschäftsordnung schreibt in Artikel 19 vor: Auf Anfragen hat die Regierung binnen an gemessener Frist im Landtage zu antworten, wenn das Gcsamtministerium nicht erklärt, daß die Beant wortung dem Gemeinwohl widerspreche. Ich hatte die Anfrage gestellt und hatte von der Regierung auf Grund der Geschäftsordnung heute eine Antwort erwartet. Tie Negierung hatte es vorgezogen, zu schweigen und hat nicht einmal ein Erklärung ab gegeben, weshalb sie nicht geantwortet hat. Solange rch im Parlament bin und das parlamentarische Leben verfolgt habe, steht dieser Vorgang einzig da. Ich protestiere gegen dieses pflichtwidrige Verhalten der Regierung, das jeder parlamentarischen Ordnung ein fach widerspricht. Ministerpräsident Heldt: Meine sehr geehrten Tomen und Herren! Ich bin geraume Zeit verhindert gewesen, an den Verhandlungen hier im Plenum teilzunehmen, da ich hier im Hause eine anderweite Sitzung hatte. Nun höre ich soeben von Herrn Abgeordneten Grellmann, daß die Regierung auf seine Anfrage keine Antwort ge geben hat. Ich werde veranlassen, daß das zuständige Ministerium umgehend auf Liese Anfrage zurückkommt und eine Antwort erteilt. Ich halte es für selbstver ständlich, daß die Regierung darauf antwortet. Damit ist die Tagesordnung erledigt. (Schluß der Sitzung 5 Uhr 37 Minuten.) 1V9 Sitzung. Dienstag, den 1. Juli 1924. Präsident Winkler eröffnet die Sitzung 1 Uhr 12 Minuten nachmittags. Am Regierungstisch Ministerpräsident Heldt, sowie die Minister Bünger, Elsner, vr. Kaiser, Müller (Chemnitz), Müller (Leipzig) und vr. Reinhold mit Regierungsvertretern. Punkt 1 der Tagesordnung: Zweite Beratung über die Vorlage Nr. 138, den Entwurf eines Gesetzes über den Geldcntwertungsausglcich bei bebauten Grundstücken betr. (Mündlicher Bericht des Rechts- auSschusses, Drucksache Nr. 917) (Bgl- Landtagsbeilage Nr. 98.) Tie Besteuerung des bebauten Grundbesitzes, die durch Art. III81 der Tritten Steuernotverordnung vom 14. Februar 1924 (RGBl. I S. 74) vorgeschrieben wurde, ist zurzeit durch die Erste Notverordnung zum Vollzüge der Tritten Steuernotverordnnng und des Finanzausgleichsgcsetzes vom 28. März 1924 (GBb S. 209) geregelt. Die Vorlage Nr. 138 entspricht, ab gesehen von dem Steuersatz, in allen wesentlichen Punkten dieser Ersten Notverordnung, auf die hier des- halv verwiesen werden kann. Ter Steuersatz wird in 8 9 der Vorlage geregelt. Tort ist vorgesehen, daß die Gemeinden einen Zuschlag zur Staatssteuer in Höhe von 15 v. H. des NutzungswertS erheben und davon mindestens die Hälfte zur Förderung des Wohnungs baues verwenden müssen. Hiernach ergibt sich für die Zeit vom 1. Juli 1924 ab folgendes Bild: Staatssteuer 10 v. H des Nutzungswcrtes, Zuschlag nach § 9 für den allgemeinen Finanzlcdarf und die Zwecke des § 42 Abs. I der Dritten Steucrnotvcrordnung höchstens 7Z^ v H. und für den Wohnungsbau mindestens 7'^ v. H", insgesamt also 25 v. H. des Nutzung-wertes als Aus- wertungssteuer. Hierzu tritt die gesetzliche Miete, die