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LMM» zm WM AMilW 14(). zu Nr. 112 des Hauptblattes. 1924. Beauftragt mit der Herausgabe: RegterungSrat Brauße in Dresden. Landlagsvtrhandltmgtn. (Fortsetzung der 82. Sitzung von Dienstag, den irr. Mai.) Zur Begründung des Antrags Nr. 800, Ziff. 1, der folgenden Wortlaut hat: Im Zwickau-Olsnitzer Steinkohlenrevier sind die Bergarbeiter in brutalster Weise von den Bergherren auf die Straße getvorfen worden. In der Aus sperrung ergreift die Regierung ossen Partei für das Grubenlapital. Nach Meldung der „Chemnitzer Bolksßimme" sind die Gruben „Deutschland" und „Vereinsglück" von der staatlichen Sicherheitspolizei besetzt worden. Auf dem staatlichen Steinkohlenwerk Zauckerode wird die Aussperrung durch die Regierung ebenfalls durchgeführt. Der Landtag wolle deshalb beschließen: die Polizei aus den Anssperrungsgebieten sofort zurückzuzichen. erhält das Wort Abg. Licwert (Kom.): Die Aussperrung der Berg arbeiter im sächsischen Bergrevier und im Reiche ist all gemein. Die Aussperrung ist erfolgt, weil die Bergarbeiter cs nicht mehr dulden konnten und wollten, weiterhin in unmenschlichster Weise ausgebeutet und mit den aller- schlechtesten Löhnen lind Arbeitsbedingungen abgefertigt zu werden. Diese Aussperrung ist ein Vorspiel von den Kämpfen, die bevorstehen, wenn das Sachverständigem gutachten realisiert werden soll. Der Bergbauliche Verein, der im sächsischen Steinkohlenbergbau ausschlaggebend ist, hat rücksichtslos sämtliche Bergarbeiter ausgespcrrt. Er behauptet in großen Maueranschlägeu, daß die For derungen der Bergleute auf keinen Fall bewilligt werden können, daß sie die Rentabilität der Gruben gefährden, daß die Lohne der Bergleute bereits über den Friedens- löhneu stehen und daß die Leistling der Bergarbeiter weit hinter den Friedenslcistungen zurückbleibeu. Durch solche Schwindelmanöver verflicht der Bergbauliche Verein die Stimmung der Bevölkerung, die durchaus bei den Bergarbeitern steht, umzustelleu. Wir glauben, daß das dem Bergbaulichen Verein nicht gelingen wird. Um nun aber diese Provokation des Bergbaulichen Vereins zu ermöglichen, brauchten die Grubengewaltigen das Polizeiaufgebot. Hungrige, ausge- sperrte Arbeiter, die unter dem Volke einer so rücksichts- losen Aussperrung, einer so brutalen Maßnahme, einer so terroristischen Aktion, wie sie hier von den Gruben gewaltigen durchgeführt worden ist, leiden, sind sehr leicht geneigt, sich durchzusetzen, und bei diesem Durch- setzen kommen natürlich Massenversammlungen znstande, und bei solchen Massenversammlungen können durch irgendeine Gelegenheit, wenn die Polizei in so starkem Maße im Bergrevier ist, sehr leicht Zusammenstöße herbcigeführt werden. Und das ist die Absicht der Polizei in den Bergrevieren. Mail will durch die Entsendung der Polizei in die Bergrcviere die Berg leute provozieren. Tie Arbeiterschaft hat den Berg arbeitern die vollste Sympathie gelchenkl. Sie unter stützt mit allen Mitteln diesen Kampf der Bergarbeiter. Gegen die Schwindelmanöver des Bergbaulichen Ver eins haben die Bergarbeiter selbst festgestellt, daß cs nicht richtig ist, daß die Löhne bereits wieder die Vor kriegszeit erreicht haben, daß erst durch die Erhöhung, die ab Mai gelten soll, ungefähr der Vorkriegslohn er reicht werden kann, und daß es Schwindel ist, daß die Leistungen der Bergarbeiter heute weit Zurückbleiben hinter den Friedensleistungen. Im Gegenteil, die Bergleute stellen sest, daß heute auf den Gruben mehr geschuftet wird als vor dem Kriege. Wir müssen den Bergarbeitern Glauben schenken und nicht dem Berg baulichen Verein. Alle Bergarbeiter, ganz gleich, wo sie stehen, die ausgesperrt worden sind, stellen fest, daß ihr Lohn heute nicht ansrcicht, um menschlich leben zu können. Die erste Maßnahme, die vom sächsischen Polizeiministerium getrosten worden ist, war schärfster Schutz sämtlicher Zechen. Ein ungeheuer starkes Poli zeiaufgebot ist nach dem Olsnitzer Revier geschickt worden. Man muß sich hungrige und auSgemergelte Bergarbeiter vorstellen, die von rücksichtslosen Kapita listen terrorisiert worden sind, und den Aufmarsch von Hunderten von Polizeiern. Wenn eS da zu Zusammen stößen kommt, dann liegt die Verantwortung bei dem, der die Polizei nach den Bergbaurevieren entsendet hat, bet dem sozialdemokratischen Innenminister. In ge schlossenen Formationen marschieren diese Herrschaften auf, nachdem sie mit dem Auto bis in die Nähe der Schachtanlage herantransportiert worden sind. Wozu? Kem Mensch arbeitet auf dem Schachte. Alle Arbeiter sind ausgesperrt. Nur einige Kriegsinvaliden und einige Bergschüler arbeiten. Kein Mensch denkt daran, dieser Gesellschaft etwas zu tun. Trotzdem dieses Polizei aufgebot! Es liegt klar aus der Hand, daß cs sich nur um eine Provokation handelt, um die Bergleute zu Dingen zu verleiten, die dann gegen sie ansgenutzt werden können. Es wird meiner Ansicht nach dem Herrn Polizciminister Müller unmöglich sein, diesen Einsatz von Polizei im Steinkohlenrevier zu rechtfertigen. Die Polizei betätigt sich hier in diesem Kampfe als ausge sprochenes Hilfsinstrument der sächsischen Grubenka- pitalisten, die durch diesen Vorstoß gegen die Arbei terschaft abfühlen wollen, wie weit das deutsche Kapi tal gegen die Arbeiterschaft überhaupt vorstoßen kann. Wir fordern, daß der Minister des Innern sofort an vielleicht doch noch Leute in der Sozialdemokratie'geben möglich, über all die Sachen in der .'kurze der Zeit d (Bravo! rechts.) Abg vr. Eckardt (Ttjchnat.): Herr Abg. Siewert l>al cs für nötig gehalten, heute auf die Arbeitsstreitigkeiten im sächsischen Steinkohlenbergbau einzugehen. Er hat davon gesprochen, daß es sich nm unerhörte Provokationen seitens der Arbeitgeber handle, indem sie die Arbeiter grundlos ausgesperrt hätten. Wenn in diesem Falle von einer Provokation die Rede sein kann, so ist sie ausschließlich von seiten der Arbeiter aus erfolgt. Die Sachlage ist so. Im Dezember vergangenen Jahres war ein Abkommen zwischen den tarifschließenden Par teien des Bergbaues getrosten worden, wonach bis auf weiteres die Arbeitszeit verlängert werden sollte, ins besondere also unter Tage von 7 auf 8 Stunden. Dieses Arbeitszcitabkommen lief am 30. April ab, und bei den Verhandlungen, die wegen der Verlängerung geführt wieder zurückgezogen werden solle und welches die wurden, hat der angcrufene Schlichtungsausschuß ent» Gründe dafür seien. Der Herr Minister ist damals schieden, daß diese Mehrarbeit bis zum 30. August zu- vollständig unonenticrt gewesen und hat damals erklärt, nächst weiter geleistet werden solle. Als die Gewerk- daß er gegen solche Nebenregierungen, wenn sic wirklich schäften das ablehnten, hat der Reichsarbeitsminister vorhanden sein sollten, einschrcitcn würde. Ich frage diesen Schiedsspruch für verbindlich erklärt. Das be ben Herrn Minister, was er gegen diese Rebenregierung deutet in tarifmäßigem Sinne, daß die Vcrbindlichkeits- in dieser Beziehung unternommen hat. Erklärung einen Tarifvertrag zwischen den beiden Par- Endlich möchte ick noch auf ein Drittes Hinweisen.' teien adschließt und daß sich diese tarifschließenden Es mug beklagt werden, daß die Sipobeamten der Hilfspolizei gegenüber feindlich, ja gehässig eingestellt sind, und zwar deswegen, weil die Hilfspolizeibeamtcn eine andere Ausbildung genießen, ich möchte sagen, eine etwas höhere Ausbildung. (Lachen links.) Ter Hauptgrund liegt darin, weil sie in geschlossenen For mationen ausgebildet werden, was ja bekanntlich von linken Kreisen stets abgelchnt worden ist. Tie Ge hässigkeit hat aber anch darin ihren Grund, daß die blauen Beamten denken, in der Hilsspolizei eine ge wisse Konkurrenz zu spüren. Ich kann es uachsühlen, daß diese Bedenken der Konkurrenz vorhanden sind, weil eben den Hilfsbeamten eine andere Ausbildung zuteil werden wird. Aber die Bedenken sind nicht be gründet, weil eben die Landespolizei dringend der Aus füllung bedarf, und es ist bedauerlich, wenn cs dann aus diesen Gegensätzen heraus zu öffentlichen Anrempe- lnngen gekommen ist. Es wird der Regierung sicher bekannt sein, welche Zustände in den Kasernen vor handen gewesen sind. Tort hat sich z. B. die Hilfs polizei zusammengeschlosjen zu gemütlichen Zusammen künften. Man hat sich mit dem Singen von Liedern beschäftigt unter Zustimmung von denen, die die Auf sicht gehabt haben, und niemand hat daran Anstoß ge nommen. Erst nachher hat die Beamtcngcwerkschaft, die wahrhaftig in den internen Kasernenvcrhältnissen nichts zu tun hat, Anstoß an diesen Liedern genommen, hat die Beamten aufgehetzt und ist mit Beschwerden an die Regierung herangetreten. Tie Folge von solchen Mißhelligkeiten innerhalb der Gruppen ist doch die, daß die Schlagfertigkeit der Polizei im gegebenen Augenblick versagen muß. (Zuruf links: Taher die Wanenschiebung.') Ich hoffe, daß Herr Polizciminister Müller aus der Ablehnung des Mißtrauensantrages nicht etwa auf den Schluß kommt, daß wir mit seinen Maßnahmen in bezug aus die Polizei einverstanden sind. Im Gegenteil, wir erwarten, daß er die Polizei wieder zn einem neutralen und unparteilichen Jnstru ment der Autorität des Staates machen wird. (Bravo! rechts.) Abg. Röltig iTtsch. Pp.): Tie Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Kretschmar waren zum großen Teil äuS der Veröffentlichung des Verbandes Sächsischer Industrieller. (Sehr richtig' bei den Kom.) Ich muß lagen, ich bedauere, daß wir diese Veröffentlichung erst so spät in die Hand bekommen haben. Sehr ernst müssen uns die Tarlegungen, die in dieser Niederschrift niedergelegt worden sind, stimmen. (Abg. Anders: Sehr richtig!) Wenn es geschäftsordnungsmäßig möglich wäre — bei einer Anfrage ist das aber leider nicht möglich —, möchte ich sagen, wir überweisen diese Veröffentlichung der Regierung als Material, damit uns über die ganze Angelegenheit dann der aktenmäßige Nachweis geführt werden kann. Es ist wohl auch dem Herrn Minister nicht ordnet, daß die Polizei auS den Bergrevieren zurück gezogen wird, sowohl aus dem Olsnitzer Bcrgrevier als auch aus dem Zwickauer Berarevier. Tie Bergleute brauchen keine Polizei. Die Polizei ist tatsächlich nur dazu da, dem Bergbaulichen Verein zn Helsen. Die Arbeiterschaft wird mit allen Mitteln gegen die Polizei, den Polizeiminister und seine Partei Front machen, sofern es durch diese ungeschickten Maßnahmen, die vom Bergbaulichen Verein gefordert worden sind, zu Zu sammenstößen kommt. Ich habe selbst einige Tage in Zwickau und auch im Olsnitzer Revier die Betätigung der Polizei gesehen. Ein Teil der Polizei ist sehr an ständig nnd sehr human. Aber dann kommen die Leute von der Hilfspolizei mit den Schmarren auf den Backen, die extra das Eiserne Kreuz I. und II. Klasse anlegen, als wenn nur die Herren es bekommen hätten. Tie Berg arbcitcrschaft wird durch einen derartigen Aufmarsch provoziert. Wenn man die Polizei in geschlossener Formation, mit Gewehr und Handgranaten ausgerüstet, einsetzt, wenn sic aufmarschiert mit Orden und Ehren Zeichen und man von ihren Gesichtern ablesen kann, daß sie sich nur darauf freuen, wenn cs zu Zusammenstößen kommt, dann ist das eine unerhörte Provokation, die der Landtag zurückweisen muß. Wir hosten, daß der LandtagunseremAntragezustimmt. (Bravo'.beidenKom.) Hierauf wird in die Aussprache der Punkte 3 und 3 eingetretcn. Abg Beutler (Ttschnat.): Ich rede nur zn dein An träge auf Herbeiführung eines Mißtrauensvotums gegen den Herrn Minister des Innern. Wir werden gegen den Antrag stimmen. (Hört, hört! nnd Zurnf bei den Kom.: Tas ist der Tank der Tcutschnationalen.'). Es soll damit, wie ich vorausschicken möchte, Herrn Müller von unserer Seite kein Vertrauensvotum erteilt werden, obwohl er, wie Herr Böttcher so geistreich bemerkte, dcutschnationale Politik treiben soll. Wir haben davon, offen gestanden, noch nichts bemerkt. <Abg. Sicivert: Noch nicht genügend!) Tie Amtsführung des Herrn Minister Müller bietet auch für uns manche Beamtan- duugsaründe. Es hat schon Herr Kollege Dr. Kretschmar in dieser Beziehung verschiedenes ausgeführt, und ich will das nicht wiederholen. Wir sind ja überhaupt der Ansicht, daß ein sozialdemokratischer Innen- nnd Polizei- ministcr für Sachsen eigentlich nicht mehr tragbar ist. Tie Begründung hierfür will ich bei dem Anträge auf Auflösung des Landtages geben. Trotzdem halten wir cs aber nicht sür gangbar, daß wir mit der Begründung, wie sie heute für das Mißtrauensvotum gegen Herrn Müller gegeben worden ist, den, Mißtrauensvotum zu- snmmcn. (Zuruf bei den Kom.: Sehr faul!) Wir tvollcn die Beseitigung des ganzen Koalitions ministcriums mit Herrn Minister Müller. Wenn wir Herrn Minister Müller eliminieren würden, würde cs es sollte nur noch eine Anssprache zwischen den bc- teiligten Ressorts zustande kommen. Die Ladung wurde! auf einmal hinfällig gemacht, und eS hieß, die Besprechung sollte nicht stattfinden. Es hat sich aber dann heraus- gestellt, daß eine Besprechung einer Nebenregicrnng stattgefunden hat, an der die Herren Castan auf der Abgeordnetentribüne, Herr Ministerialrat vr. Klüüker aus der Rcgierungstribüne und der Herr Gcwerk- schastssekretär auf der öffentlichen Tribüne tcil- genommen haben, wodurch dieser einstimmige Beschluß der Regierung wieder hinfällig gemacht worden ist. (Zuruf bei den Kon,.: Was kostet denn dieser Liebesdienst des Spitzels?) Herr Minister, Sie schütteln jetzt im Augenblick den Kopf. Ter Herr Minister des Innern ist darüber gefragt worden, warum denn eine einmal ergangene Verfügung in dieser Richtung «d«. ZM-> Tic E, di- di- Amr-g- L» der Tculichnalimmicn voraus,exi, jiudet ihre Richt,gl-,' . und Begründung darin, daß durch die Maßnahmen der Tie a'.lc Disziplinlosigkeit ist nachweisbar wieder wie vor dem Belagerungszustand. Ein Teil der Beamten , glaubt, daß er sich mit der Rückkehr der abgesetzten Tolizci mutz ww Beamten wieder zu Insubordinationen Hinreißen lassen d'e darf ohne rur Korrektur aeroaen tu werden gegenüber denen gibt, die sich als Aufruhrer zeigen, w^'dik^ wie w-,>! S7L°>,' wir auch heute schon wieder unter dem neuen Regime des Herrn Minister Müller von Nebenregierungen sprechen müssen, geht aus folgendem hervor. Es ist innerhalb der Staatspolizeiverwaltung und mit Zu- stimmung des Gesamtministeriums seinerzeit beschlossen «uck, dp« worden, die Werkstätten der Landespolizei umzustellen. Es hat darüber keine Meinungsverschiedenheit bestanden, Regierung sehen, dav sie helfen will und wird. die noch nicht Minister des Innern waren und dann nouvendigen Darlegungen zu machen. Es mag manches in an seine Stelle treten würden. (Lachen rechts.» Ob der Ten'ichrist veraltet sein; es mag vieles einseitig wir da,nit besser fahren würden, wie mit Herrn Minister gewesen sein, aber das eine spricht aus allem heraus: Müller, das wissen wir noch nicht. Ich halte es sogar! die Sorge der Industrie, besonders der Industrie für möglich, daß man auch noch schlechtere Minister aus Westsachfcns, und diese Sorge ist begreiflich (Abg der Mitte der Sozialdemokratie dabin bring'. Also Anders: Sehr richtig.'), wenn wir an die wir werden in diesem Falle gegen das Mißtrauensvotum Ministcrzcit des Herrn Böttcher denken. Tas andere stimmen. : wird inan aber auch zugestehen müssen, daß heute dock,