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5VV ÄckaMtzk Mr AW« AMKW Nr. 132. zu Nr. 5l der Hauptblattes. 1924. Beauftragt mit der Herausgabe: Reglerungsrat Brauße in Dresden. LiildlaMtrhaMitilgen. 85. Lttznng. Dvnnerstag, den 28. Febraar 1S24. Präsident Winkler eröffnet die Sitzung 1 Uhr 11 Minuten nachmittag-. Am RegierungStisch Ministerpräsident Heldt mit sämtlichen Ministern und einer Anzahl RcgierungS- vertretern. An Stelle des Finanzministers vr. Reinhold, der sein Mandat niedergelegt hatte, ist in den Landtag der Abg. Malermeister Jähnig (Mittweida) eingetreten. Er ist im Hause anwesend und wird vom Präsidenten begrüßt. Abg. Böttcher (Kom.) (zur Geschäftsordnung): Zu den vielen Terrorakten, die in der letzten Zeit gegen die Arbeiterschaft vorgekommen sind, ist gestern in Dresden eine Verhaftung von 66 Arbeitern durch die Polizei gekommen. Unter diesen befindet sich eine Reihe von kommunistischen Stadtverordneten und auch das Mitglied diese- HauseS, der Herr Abg. Renner. Meine Fraktion beantragt hierzu, folgenden Punkt heute mit auf die Tagesordnung zu setzen: Der Landtag wolle beschließen: Der Abg. Renner wird zur Teilnahme an den Sitzungen des Landtages laut Art. 37 Abs. 3 der Reichsverfassung, welcher besagt: Jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied des Reichstages oder eines Landtages und jede Haft oder sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit wird auf Verlangen des Hause-, dem der Abaeordnete angehört, ftir die Tauer der Sitzungsperiode auf gehoben. sofort aus der Hast entlassen. Bertz und 9 Mitglieder der Kommunistischen Fraktion. Zur Erläuterung möchte ich bemerken, daß die gestrige Sitzung, in der die Verhaftung erfolat ist, wegen der Vorbereitung der Reichstagswahlen stattgefunden hat und daß weder Dynamit noch Bomben noch sonstige schreckliche Werkzeuge in dieser Sitzung gefunden worden sind. Ein unmittelbarer Grund, diese Arbeiter und Arbeiterinnen in der Haft zu behalten, liegt nicht vor. Wir verlangen weiter, daß auch die Arbeiter und Ar beiterinnen, die verhaftet worden sind, aus der Haft entlassen werden. Tas ist nichts weniger als ein Gebot der Menschlichkeit, daß die Arbeiter nicht aus Bosheit heute als außerhalb der Gesetze stehend behandelt werden, während gegenwärtig in» Hitlerprozeß in München einwandfrei festgestellt ist, auf welcher Seite in Deutsch land die wahren Hochverräter sitzen. (Sehr richtig! bei den Koni.) Präsident: Ter Ältestenausschuß hat sich auch mit dieser Sache beschäftigt und mich beauftragt, Er kundigungen einzuziehen. Im Ältestenausschuß hieß es, diese Sitzung wäre eine Gemeindevertreterkonfercnz gewesen, die sich mit verschiedenen Fragen, die sich in den Gemeindeparlameuten abspielcn, beschäftigt hätte. Der AltestenauS'chuß vertrat den Standpunkt, daß, wenn das der Fall gewesen wäre, nichts gegen eine Haftentlassung des Abg. Renner eingewendet werden könne. Ich habe auftragsgemäß das Polizeipräsidium angeklingelt und habe die Auskunft erhalten, daß die Versammlung keine Gemcindcvertreterkonserenz ge wesen sei, was auch von Herrn Abg. Böttcher nicht weiter behauptet wird, sondern eine als freie Ver sammlung angemeldete Eisenbahnerversammlung ge wesen sei. Die Beschuldigungen konnte ich nicht er fahren. Es wurde mir nur mitgeleilt, daß eme Reihe von Haussuchungen noch stattfmden würden, daß ins besondere auch erst das Material, das beschlagnahmt worden fei, gesichtet werden müsse und daß das Reichs wehrkommando angeordnet habe, auch den Abg. Renner bis zur Klarstellung noch in Hast zu behalten Im übrigen wurde mir noch mitgeteilt, daß die Regierung einen Tatsachenbericht über den bisherigen Stand er halten habe. Minister des Innern Müller: Ich habe vor ö Mi nuten den Bericht des Polizeipräsidiums bekommen, aber ich muß erst Kenntnis davon nehmen. Ich weiß noch nicht, was drin steht. Auf Antrag des Abg. Beutler (Dtschnat.) wird ein- stimmig beschlossen, den Antrag Bertz u. Gen. als letzten Punkt auf die heutige Tagesordnung zu setzen. Hierauf wird in die Verhandlung eingetreten. 1. Punkt: Strafverfolgungen von Abgeordneten. (Drucksachen Nr. 726, 727, 728, 729 und 730.) Auf Antrag des Rechtsausschusses — Berichterstatter Abg. Gündel (Dtschnat.) — wird mehreren Stras- versolgungsantrügen gegen die kommunistischen Abgg. Siewert, Schneller und Böttcher — bei letzterem handelt cs sich um das Verbrech«» des Hochverrates, mindestens um die Vorbereitung hochverräterischer Unternehmen nach § 86 des Strafgesetzbuches — zum Teil gegen die bürgerlichen Stimmen die Genehmigung versagt. 2. Punkt der Tagesordnung: Beratung über Ein leitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Abg. Arzt. (Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses. Drucksache Nr. 731.) Berichterstatter Abg. «ü»det (Dtschnat ): Es handelt sich hier um die Genehmigung, die der Landtag zu geben hat zur Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen den Abg. Arzt, das dieser selbst gegen stch bean tragt hat wegen der bekannten Veröffentlichungen m den „Leipziger Neuesten Nachrichten". Es ist nn Rechts- ausschu» geltend gemacht worden, daß, wenn ein Be amter in seiner AmtSehre angegriffen wird und er den Wunsch hat, diese Beschuldigungen in einen: geordneten Verfahren zu klären, ihn: die Möglichkeit nicht ab- gefmnltten werden darf. Ter Rechtsausschuß hat des halb beschlossen, die Genehmigung zu erteilen, und be antragt daher, die Genehmigung hier zu erteilen. Ter Antrag wird gegen 9 Stimmen der äußersten Linken angenommen. Punkt 3 der Tagesordnung: Zweite Beratung über die Vorlage Nr. 50, den Rechenschaftsbericht über den Staatshaushalt für den Freistaat Sachsen aus das Rechnungsjahr 1921 betreffend. (Münd licher Bericht der Hanshaltausschüsse ä und ö Truck sache Nr. 720.) Berichterstatter Abg. Ander« (Ttsch. Vp): Sowohl der Bericht des Staaterechnungshofes wie auch der Rechenschaftsbericht sind in den Ausschüssen und I- bei Beratung des Etats für das Jahr 1923 mit bear beitet und behandelt worden. Bei den Prüfungen sind einige Ausstellungen in den Bilanzen der einzelnen gewerblichen Unternehmungen des Staates erfolgt. Diese Differenzen find aber im weiteren Verlaufe so weit geklärt worden, daß es sich nur noch um wenige geringe Beträge handelt, die aber jetzt zu erledigen viel mehr Zeit und kosten verursachen würve, als schließlich die Sachen selbst wert sind. Es ist infolgedessen be- schlossen worden, der Regierung die auf Grund von Art. 48 Abs. 1 der Verfassung erforder liche Entlastung zu erteilen. Ich bitte diesem Anträge beizutreten. Tas geschieht einstimmig. Nächster Punkt der Tagesordnung: Zwecke Be ratung über Kap. 47, 47», 47b und 48 des Nachtrags zum ordentlichen Staatshaushaltsplan auf das Rechnungsjahr 1923 — Vorlage Nr. 104 (Münd licher Bericht des Hanshaltausschusles Trucksache Nr. 734.) Berichterstatter Abg. Franz (Soz.): Im Haushalt- ausschuß hat man sich mit den Verhältnissen der Polie zei in diesem Jahre nicht so eingehend beschäftigt, wi es sonst der Fall war, da infolge des Ausnahme zustandes für den Landtag und die Regierung die Möglichkeit, sich mit allen den Fragen zu beschäftigen, nicht in dem Umfange vorhanden war. Es wäre zur Frage der Polizei manches zu sagen gewesen in puneto Einstellung der Hilfspolizei, in puncto Entlassung der Beamten und Angestellten, in puncto Verfügungen des Wehrkreiskommandos und vieles andere mehr. Wir haben aber im Haushaltausschuß diese Fragen zurück- gestellt und glauben, diese Tinge besser erledigen zu können, wenn sich die Regierung wieder im Besitze der freien Verfügungsgewalt über die Polizei befindet. Ter Ausschuß beantragt: Ter Landtag wolle beschließen: 1. bei Kap. 47 und 47» des Nachtrags zum ordent- lichen Staatshaushaltsplan für 1923 die Ein stellungen nach der Vorlage zu genehmigen; 2. bei Kap. 47b desselben Nachtrags hinter „3 Re- gierungsräte X vom 1. August 1923 ab," ein zufügen „künftig wegsallcnd", im übrigen die Einstellungen nach der Vorlage zu genehmigen; 3. bei Kap. 48 desselben Nachtrags a) statt 7 Verwaltungsinspektoren ä VIII zu setzen: 10 Verwaltungsinspektoren VIII, b) statt 27 Lberpolizeisekretäre .4 VII zu setzen: 31 Lberpolizeisekrctäre VII, e) statt 37 Polizcisekretüre .4 VI zu fetzen: 39 Po- lizeifekretäre VI, «i) unter „4 Oberbotenmcister .4 IV (3 Stellen davon künftig nach ä III)," einzufügen „1 Boten- meister .4 III", e) statt 6 Polizeiinspektorcn ä V1II zu setzen: 7 Polizeiinspektorcn VIII, f) statt 29 Polizeikommijsare VI zu setzen- 41 Polizeikommissarc X VI, die Einstellungen bei Kap. 48 im übrigen nacki der Vorlage zu genehmigen. Tie Nachsordernngcn bei Kap. 48 sind dadurch not- wendig gewesen, daß die Übernahme der Gemeinde- Polizei in Ehcmnitz, Dresden, Leipzig und Plauen auf den Staat sür ein früheres Datum vorgesehen war aber erst am 1. Oktober 1923 erfolgt ist. In der Zwischenzeit hat sich der Etat in diesen Gemeinden geändert, so daß also in den verschiedenen Rubriken andere Ziffern einzusetzen waren. Der Antrag wird gegen die Stimmen der Kommu nisten angenommen. Ter nächste Punkt der Tagesordnung betrifft Kap. 58 Abteilung 0, Kleinrentnerfürsorge. Es wird ohne Aussprache einstimmig beschlossen: die Einstellung in Tit. 1 nach der Vorlage zu genehmigen. Nächster Punkt der Tagesordnung: Zweite Be ratung über Kap. 21 und 110 des Nachtrags zum orde ntlichen Staatshaushaltsplan 1923—Vorlage Nr. 104 — sowie über das Gesetz über einen Nach trag zu dem Gesetz über den Staatshaushalt auf das Jahr 1923. (Mündlicher Bericht der Haus haltausschüsse X und L.) Berichterstatter Abg.Blüher (Ttsch. Vp ): Tie Ziffern, die bei Kap. 21 eingesetzt sind, haben sich insofern geändert, als der Betrag, der bei Kap. 2 eingesetzt ist, durch die von uns gefaßten Abänderungsbeschlüsfe herabgemindert wird aus 327 735 301 729 M. Entsprechend ändert sich dann auch die Endsumme. Wir bitten, Ka pitel 21 mit dieser Änderung zu genehmigen. Tas geschieht einstimmig. Berichterstatter Abg. vr Dehne (Dem.): Zu Kap. 110 ist nickts zu bemerken. Ter Ausschuß schlägt vor, die Einstellungen unverändert nach der Vorlage zu ge nehmigen. Tas geschieht ebenfalls einstimmig. Berichterstatter Abg. 1>r. Dehne (Tem.): Es handelt sich dinn noch um daS Gesetz über einen Nachtrag zu dem Gesetz über den Staatshaushalt auf das Rechnungs jahr 1923. Ter Ausschuß beantragt, Ter Landtag wolle beschließen: 1. in § l des Gesetzentwurfes die Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben des ordentlichen Staatshaus halts für 1923 statt aus 821 Ll)6045 764000<X)0 auf ^20 795995 764 000000 M. festzuseyen und mit dieser Änderung Z I in: übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen; 2. § 2 zu streichen; 3. § 3 als 8 2 in folgender Fassung anzunehmen: Mit der Ausführung dieses Gesetzes wird das Finanzministerium beauftragt; 4. den ganzen Gesetzentwurf mit Überschrift, Ein gang und Schluß mit den beschlossenen Änderungen, nn übrigen unverändert nach der Vorlage an zunehmen; 5. die Regierung zu ersuchen, ») mit den in Frage kommenden Gemeinden er neut über die Aufwertung der aus der Über nahme der Sicherheitspolizei entstandenen For derungen zu verhandeln, b) für den Fall des Scheiterns der Verhand lungen sich bereit zu erklären, die gesetzliche Aufwertung auf Grund einer neuen Regie rungsvorlage zu prüfen. Zu dem Vorschläge des Ausschusses, 8 2 zu streichen, ist folgendes anzuführen. 8 2 wollte eine Auswertung der Forderungen vornehmen, die die Staatsregierung von denjenigen Gemeinden des Landes zu fordern hat, deren Sicherheitspolizei im Jahre 1922 auf den Staat übernommen worden ist. Eine sehr ausführliche Aus sprache im Ausschuß hat die Vorzüge und Nachteile dieses Vorhabens in das rechte Licht gerückt. Nach länge-.cr Beratung ist der Ausschuß schließlich zu der Überzeugung gekommen, daß es sich empfiehlt, diese Bestimmung ans diesen: Etatgesetz heranSzunehmcn. Damit hat aber der Ausschuß nicht zum Ausdruck bringen wollen, daß eine solche Aufwertung ausgeschlossen sein soll; er hat vielmehr die Möglichkeit eröffnen wollen, daß die Regierung in nochmaligen Verhand lungen mit den in Frage kommenden Gemeinden die Aufwertung auf dem Wege der Vereinbarung herbei führen kann. Sollten die Verhandlungen zu keinen: Renütat führen, so soll der Regierung freistehen, diesen § 2 seinen: Inhalte nach in eine neue Gesetzesvorlage zu gießen und dem Landtag erneut vorzulegen. Ter Ausschußantrag unter Z.sf. 1, 3 und 5 wird, zum Teil gegen die Stimmen der Kommumsten, ange nommen. Tie nach Ziff. 4 vorzunehmende Schluß- abstimmung erfolgt erst in der beantragten dritten Lesung. Tie nächsten Punkte der Tagesordnung, 9 brs 17, werden gemeinsam behandelt. Sie kanten: 9. Anfrage des Abg. Bertz u. Gen., den Ausbau de* bürgerlichen Selbstschutzorganisationen bctr. (Trncksache Nr. 686.) 10. Erste Beratung über den Antrag des Abg. Bcrp u. Gen., die sofortige Aufhebung des Aus- nahmezustandes bctr. (Drucksache Nr. 687.) 11- Erste Beratung über den Antrag des Abg Grell mann auf Verlängerung des Ausnahme zustandes über den 1. März 1924 hinaus. (Trucklache Nr. 722.1