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Sächsische Slaalszeitung Staatsan^eiger für Erscheint Werktag- nachmittag- mit dem Datum de- ErscheinungStage-. Bezugspreis: Monatlich 3 RM. Einzelne Nummern 15 Pf. Schriftleitg. u. Geschäftsstelle DreSden-A. 1, Gr. Zwingerstr. 16. Ruf 14574 u. 81295. Postscheck.Konto Dresden 2486 / Staatsbank-Konto 674. den Zreiftaat Sachfen Anzeigenpreise: 32 mm breite, 3 mm hohe Grundzeile oder deren Raum 35 Pf.. 66 mm breit im amtlichen Teile 70 Pf., Reklamezeile 1 RM. Ermäßigung auf Geschäftsanzeigen, Familiennachrichten und Stellengesuche. Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtag--Beilage, Ziehungsliste der Staatsschuldenverwaltung, Holzpflanzen-BerkausSliste der Staatsforstverwaltung. Verantwortlich für die Schriftleitung: OberregierungSrat HanS Block in Dresden. Nr. 1S6 Dresden, Mittwoch, 12. August 1931 Oie Verfaffungsfeier. willens sei, auf der bisherigen Grund lage weiter zu bauen, daß eS gesonnen sei, auch dafür Opfer zu bringen. Der Ruf nach Reformen sei groß und er dürfe auch nicht un gehört verhallen. Doch müsse man vor dem Glauben warnen, daß durch eine Re form des Verhältnisses von Reich, Ländern und Gemeinden zueinander allein schon diejenigen Einschränkungen und Er sparnisse einlreten würden, die notwendig seien, die öffentlichen Lasten auf ein trag bares Maß zurückzuschrauben. ES komme dar auf an, die Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen Reich, Ländern und Gemeinden richtig zu verteilen und die finanziellen Folgerungen daraus zu ziehen, um die oft leer laufende Verwaltungsmaschine zu entlasten. Tas Fundament, führte der Redner aus, welches die Weimarer Verfassung dem deutschen Volke gegeben hat, ist durchaus ge sund und tragfähig, und der Ansturm da gegen wird in der späteren Geschichte einmal als eine Episode gewürdigt werden. Die Grund gedanken müssen bleiben, wenn auch die Kon struktion im einzelnen der Abänderung be darf, schon deswegen, um alle politischen Kräfte, statt sie in partikularen Gegensätzen zu vergeuden, in der Leitung des Reiche« zusammenzusaffen. ES kann sich mir darum handeln, mit vorüber gehenden Eingriffen eine Grundlage für eine neue Ära der Selbstverwaltung in Stadt und Land vorzubereiien, keinesfalls aber darum, eine völlige Beherrschung der Kommunen durch die Obrigkeit herbeizu» führen. Der einzelne muß an die Spitze seiner poli tisch-wirtschaftlichen Betätigung den Gedanken an daS Reich und an das deutsche Volk stellen. Erst dann, wenn die Notwendigkeit, den Staat zu verteidigen, die überwiegenden Schich ten unseres Bölkes beherrscht, werden wir im wahren Sinne eine Nation sein. Das Gefüge des Staates beruht auf der Qualität der Bürger, und wenn der Staat über gute und tüchtige Bürger verfüg«, werde er ein gesunder, leistungsfähiger und gerechter Staat sein. Er wird aber auch ein mächtiger und freier Staat werden, weil die Unabhängigkeit nach außen abhängig ist von der Ordnung im Innern. Der Minister schloß: Mit dem Freiherrn vom Stein sind wir stolz auf unser Volk und seine, wenn auch oft tragische, so doch glänzende Ge schichte, und wir verbinden am heutigen Tage an dem wir die Verfassung von Weimar feiern, mit der Achtung vor der Vergangenheit den Glauben an Deutschlands Zukunft. Im Anschluß an die Ausführungen des Finanzministers wurde die Hymne „Sämann Deutschland" vorgetragen. Daraus ergriff der Reichskanzler das Wort. Auch er erinnerte an die Persönlich keit des Freiherrn vom Stein, des Wegbereiters deutscher Einheit und Freiheit. Der Führer zum volkhaften Staat sei uns gerade in diesen Zeiten des Duldens und Harrens, des Handelns und Gestaltens aufrichtendes und mah nendes Beispiel. So wie seine freiheitlichen Reformen die sitt lichen und moralischen Kräfte der Nation zu stärkster Opferwirkung ansachten, so solle und müsse die in der Reichsversassung gegebene Frei heit und Mündigkeit allen ein Appell sein, i» bewußtem und diszipliniertem Wollen sich der Bürgerpflichten zu erinnern die diesen Bürgerrechten entsprächen. Auf die Zeit der Not, in die Stein- Schaffen gefallen sei, sei der Aufstieg gefolgt. So solle auch jetzt jeden Deutschen die Zuver sicht erfüllen aus eine bessere Zukunft und den Wiederaufstieg unseres Vaterlandes. Der Kanzler schloß: In diesem Sinne bitte ich Sie, Herr Reichspräsident, und Sie, meine Damen und Herren mit mir einzustimmen in den Ruf: „Tas in der Republik geeinte deu t sch e Volk, es lebe hoch!" * Nach der Feier begab sich der Reichspräsi dent v. Hindenburg, begleitet von den Mit gliedern der Reichsregierung sowie zahlreichen Parlamentariern, durch die mit Wappen und Flaggen der Länder geschmückte Kuppelhalle des Reichstags über die große Freitreppe zum Platz der Republik, von den vielen Tausenden von Zu schauern mit stürmischen Hochrufen begrüßt. Unter den Klängen des Präsentiermarsches und de» Deutschlandliedes schritt der Reichspräsident in Begleitung des Reichswehrministers und des Ber liner Stadtkommandanten die Front der Ehren kompanie ab, verabschiedete sich, bestieg seinen Die Ergebnisse der Londoner Gachverständigenkonserenz. Im Reichstag. Berlin 11. August. Ter Plenarsitzungssaal, der schon lange Zeit vor Beginn des Festakte» bi» zum letzten Platz gefüllt war, bot ein buntes Bild, das besonders durch die farbenprächtigen Uniformen der Ab ordnungen der studentischen Korpora tionen unterstrichen wurde, die den ganzen Saal umsäumten. Die Studentenschaft war dies- mal in so großer Zahl vertreten, wie es noch bei keiner der vergangenen Berfasfungsfeiern der Fall war. Auf der RegierungSestrade hatten neben dem Reichskanzler die Reichsminister Dietrich, vr. Curtius, vr. Schätzel, vr. Schiele, v. Guärard, vr. Stegerwald und Tre- viranus Platz genommen; als Vertreter des Justizministeriums und de» WirtschaftSministenum» die Staatssekretäre vr. Joel und Trendelen burg Neben Minister Dietrich saß der preußische Ministerpräsident vr. Braun, der mit den Ministern vr. Höpker-Aschosf, vr. Schmidt und vr. Steiger erschienen war. Der Berliner Oberbürgermeister vr Sah-m hatte seinen Platz neben dem Reichsaußen- minister vr. CurtiuS. Ferner sah man den Reichsbankpräsidenten vr. Luther, die Ver treter der Heere»- und Marineleitung, de» Berliner Polizeipräsidenlett Gr-esinski, den Präsidenten des StädtetageS vr. Mulert und viele andere. Auch die Vertreter der deutschen Länder waren vollzählig erschienen. Punkt 12 Uhr erschien während sich die ganze Festversammlung von den Plätzen erhob, Reicks- Präsident v. Hindenburg, um in der Diplo matenloge Platz zu nehmen. In seiner Be gleitung befanden sich die Reichsminister vr.Wirth und Groener, NeichstagSpräsident Löbe und Reichstagsvizepräsident v. Kardorsf. Dann nahm Reichsfinanzminister Dietrich zu seiner Festansprache daS Wort. Ein ungeheurer wirtschaftlicherWieder- aufbau sei in den acht Jahren seit 1923 voll- zogen worden, aber nicht allein aus eigener Kraft, sondern auch mit dem ersparten Vermögen fremder Nationen, das in Milliardensummen als Leihkapital nach Deutschland hereingeflossen sei. Berhängnis- vollerweise geschah es vielfach in der Form, daß diese» Kapital nur auf kurze Zeit geliehen wurde. Bon hier gehe die Gefahr aus, die uns in die fürchterlichen Wirren der ver gangenen Monate gestürzt habe. Es sei aber nicht eine Krise der Wirtschaft allein, sondern es sei die Krise der Verträge, die den Krieg beendeten und die Grundlage zu einem neuen Europa und zu einer neuen Welt legen wollten, die an uns rüttle. Der Minister gab der Hoffnung Ausdruck, daß diese Krise ihren Höhepunkt jetzt über schritten habe. Eine Gefahr für da-Reich bestehe nicht. Der Deutsche habe sich als besserer Bürger bewährt, als man geneigt gewesen sei, ihm zuzutrauen. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen würdigte Minister Dietrich dann die Persönlichkeit des Freiherrn v. Stein, der die Voraus setzungen für eine neue deutsche Geschichte ge schaffen habe. Heute sei daS deutsche Volk über alles, was Stein plante, hinausgeeilt. Es habe daS freieste Bürgerrecht in der Gemeinde und im Reiche. Trotzdem befinde eS sich in einer Krise. Ein großer Teil der Leistungen, die aus unserem Volke herausgepreß« würden, nm den Armen und Schwachen, den Kriegsopfern und den Arbeitslosen zu helfen, sei zurückzusühren a u f die großen Ereignisse und ihre Wir kungen, die wir nachträglich nicht zu beeinflussen vermögen. Aber ein anderer Teil entspringe ebenso sicher Fehlern, die so wohl auf politischem undadministrativem wie auf wirtschaftlichem Gebiet gemacht worden seien. Teutschland befände sich : mitte» in einer wirtschaftlichen U«wälz»»g. Zwei Systeme kämpften um ihre Zu kunft, daS kapitalistische und da» bolsche wistische Da» «erhalten -es Volke» habe ge- zeigt, daß e» in seiner überwiegenden Mehrheit London, 11. August. Die Londoner Sachverständigenverhandlungen über die praktische Durchführung des Hoover- Planes sind heute durch Unterzeichnung eines Berichtes und eines Protokolle» abge schlossen worden. Das Protokoll wurde von allen beteiligten Regierungen mit Ausnahme Jugoslawiens unterzeichnet. Es steht Jugo slawien zur Unterzeichnung offen. Das praktische Ergebnis der Vereinbarungen ist eine Entlastung Deutschlands während des Hoover-Jahres von 1593676276 Reichsmark. Dieser Betrag wird bis zum 1. Juli 1933 zinslos gestundet und von diesem Zeitpunkt ab in zehn gleichmäßigen Iahresratenunter Zugrundelegung eines Zins satzes von 3 P r o'z. zurückgezahlt. Während des Hoover-Jahre» werden unverändert weiter- gezahll: der Dienst der Dawes- und der Uoung-Anleihe sowie die Zahlungen an die Vereinigten Staaten auf Grund der Urteile der Mixed ClaimS-Commission für die amerikanischen Emschädigungsberechtigten und die Zahlungen au» dem deutsch-belgischen Mark-Abkommen, zusammen etwa 200 Mill. RM. Bei den Beratungen des Komitees ist die französisch - amerikanische Abmachung vom 6. Juli 1931 über die Anwendung des Hoover-PlaneS al» Ausgangspunkt genommen worden. Diese Abmachung sieht vor, daß an Stelle der effektiven, wenn auch formal weilerlaufenden Zahlung des unaufschiebbaren Teils der Annuität während des Hoover-Jahres von der deutschen ReichSbahnSchuldscheinein Höhe von 45 Mill. RM. monatlich ausgestellt und eine Rückzahlung und Verzinsung-Verpflichtung unter den gleichen Be dingungen wie im Falle der aufgeschobenen Annuität übernommen wird. Die Einzelheiten sind in eine besonderen Anlage zum Protokoll geregelt. Die von Deutschland vom 1. Juli 1932 ab zu leisten den Nachzahlungen sind einem Aufschub nicht« nterworfen. Die deutsche Re gierung hat aber allgemein zum Ausdruck ge bracht, daß die Frage der Zahlung»- fähigkeit nicht zur Zuständigkeit de- KomiteeS gehört habe. Die Erörterung dieser Frage bei späteren Verhandlungen über die ReparationSfrage bleibt dem nach offen. - - - Die schwierige Frage der Sachleistungen hat ihr« Sk^elung in der Festlegung gewisser Grundsätze gefunden, deren praktische Anwendun ¬ gen von den Sachleistungskommisjaien in Paris geregelt werden sollen. Hierbei ist vor allem unterstrichen worden, daß die Durchführung der Sachleistungsverträge keine Haus haltbelastung Deutschlands und keine Beein trächtigung der deutschen Wirtschaft während des Hoover-Jahres mit sich bringen darf. Die bei der BIZ- zurzeit verfügbaren Sachlieserungskredite müssen zunächst, soweit sie reichen, für die Durch führung bereits genehmigter Verträge verwandt werden, und die Gläubigermächte haben sich verpflichtet, soweit möglich, Mittel zu finden, um den Aufschub laufender Verträge zu verhindern. Nachdem die vorhandenen Kreditmittel aufgebraucht und sofern keine an deren Finanzierungsmöglichkeiten gegeben sind, können die Gläubigerregierungen die Ausführung genehmigter Verträge bi- zum 30. Juni 1932 aufschieben. Immerhin werden die vorhandenen Mittet zunächst ausreichen, um einen Teil der bereits genehmigten Verträge durchzuführen, und es steht zu erwarten, daß die gemeinsamen An strengungen aller Beteiligten dahin führen werden die schweren Nachteile plötzlicher Eingriffe abzu wehren. DaS Protokoll soll sofort nach der Zeichnung in Kraft treten. Die BIZ. ist ersucht worden, die praktische Ausführung sicher zustellen. * Oer Führer der deutschen Delegation über die Ergebnisse. London, 11. August. Der Führer der deutschen Delegation im Hoover-Ausschuß, Graf Schwerin-Krosigk, führte heute über die hier beendeten Verhand lungen u. a. noch folgendes aus: AlS die Sachverständigen hier zusammen- kamen, standen sie zwei Tatsachen gegenüber, auf deren Grundlage zu verhandeln war: 1. der Hoover-Plan und 2. da» französisch amerikanische Abkommen. ES war bisher noch nicht klar, welche Mächte sich dem französisch amerikanischen Vorschlag anschließen würden. Auf der Konferenz haben sich auch die anderen Mächte dem angeschlossen. AmerikanischerseitS wurde von Anfang an be tont, daß die deutschen Zahlungen sür die soge nannten mirvä vjaim« an Amerika weitergeleistet würden, da von Amerika in diesem Jahre »och höher« Zahlung«» an deutsche Staatsangehörige geleistet werden. Die Vereinbarung über die Ver zinsung ist nur eine vorläufige und vor behaltlich der Regelung, die Amerika mit seinen eigenen Schuldnern treffen wird. Tie Frage wird endgültig erst vom ameri kanischen Kongreß entschieden werden. * Oie „Germania', zur Unterzeichnung. Berlin, 12. August. Tie „Germania" schreibt: Aus dem Inhalt des Abkommens ergibt sich erneut in vollster Deutlichkeit, daß das letzte Wort in der Reparationsfrage noch nicht gesprochen ist, denn dieser einjährigen Erleichterung des deutschen Haushalts sollen nach dem Wortlaut der Übereinkunft nur noch schwerere Be lastungen folgen. Wir zweifeln nicht daran, daß die Besprechungen der Staats männer in London, Paris und Rom und auch die jüngste Zusammenkunft zwischen Macdonald und Stimson der Welt schuldenfrage gegolten haben und daß auch bei dem voraussichtlichen Besuch Lavals und Briands in Berlin die Schuldensrage zur Diskussion gestellt wird. * Neue Gerüchte über eine Ausrottung ber Kriegsschuldensrage. London, 12. August. Zwischen dem Präsidenten Hoover, de» Kongreßführernund Staatssekretär Stimso » soll nach dessen Rückkehr aus Europa eine Konferenz über die Frage der Kriegs schulden revision bevorstehen, wie der New- Yorker Korrespondent des „Daily Telegraph" Meldungen aus Washington entnehmen zu könne» glaubt. Tie demokratische Opposition bestehe daraus, so berichtet der Korrespondent de» „Daily Telegraph" weiter, daß daS Schulden feierjahr lediglich ein Meilenstein aus de» Wege zu einer Verringerung der Schulde» sein dürfe, und ihre Forderung gewinne durch die anhaltende WirtschastSdepression an Gewicht. Präsident Hoover habe bereit» zu verstehen ge geben, daß die ganze Frage der Schulde» wieder aufgerollt und die an die amerikanische Regierung zu zahlenden Beträge entsprechend de» heutigen Werte de» Dollar» ermäßigt werde» müßten. Sympathien für die Notlage in Deutsch land und eine deutlich erkennbare Stimmung z»- gunste» einer Erleichterung für England seien zwei wichtige Faktoren t» dieser Angelegenheit.