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Telegramme und neueste Nachrichten (n«h Schluß der Redaktion eingegangen). 15. Januar. Berlin. (8.) Infolge des Ablebens des Her zogs von Clarence fallen die Hoffestlichleiten, beson ders der SudskriptionSball, fort. Der Kaiser wird bei seiner heutigen Rückkehr von Bückeburg die Hof- * Der Kammerherr von Behr-Schmoldow, Mit glied des Herrenhauses in Berlin und Vorsitzender des Deutschen Fischervereins, ist im Alter von 70 Jahren gestorben. * In Rom ist der Kardinal Simeoni, General präsekt der Propaganda, an der Influenza gestorben. Gleichfalls an der Influenza gestorben ist in London im Alter von 84 Jahren der Kardinal Manning. Manning entstammt einer der englischen Hochkirche angehörenden Familie, war auch selbst Geistlicher und trat erst spä'er zur katholischen Kirche über, für die er dann in seiner Heimat mit un-rmüdlichem Ei fer wirkte. Er erhielt dafür den Kardinalspurpur. Bei Arbeiterstreiks trat er häufig als Vermittler hervor. * Die Influenza wütet mit außerordentlicher Hef tigkeit in England fort. Die Zahl der Todesfälle ist sehr hoch. * Der der englischen Südafrikakompagnie gehörige Dampfer „Domira" ist beim Sklavenhändlerfang aus dem Nyasflsee explodiert. Acht Personen sind getö tet, 11 verwun et. * Wegen plötzlich eingetretenen strengen Frostes sind zahlreiche größere und kleinere Schiffe tn deutschen Häfen eingefroren. Besonders liegen im Hamburger Hafen viele Schiffe fest. * Der Kaiserbazar in Berlin, der vor kaum einem Jahre unter mächtigem Reklametamtam ins Leben trat, ist heute mit Glanz pleite. Man hatte sich von Anfang an nicht nach der Decke gestreckt und zu un überlegt drauf los gewirtschaftet. * Dte neueste antisemitische Schrift des bekannten Rektors Ahlwardt in Berlin, „Jüdische Taktik", ist polizeilich beschlagnahmt worden. * In Gent in Belgien hat ein Notar seine Zah lungen eingestellt. Der Bankerotteur hat die Erspar nisse, welche 700 Landleute ihm anvertraut hatten, etwa 2 Millionen, an der Börse verspekuliert. * Sicher vor dem Exekutor. Der Wärter der höchsten europäischen meteorologischen Station auf dem 3100 Meter hohen Berge „Sonnblick" im Raurrser Thal in Salzburg, ist zu 66 Kreuzer Strafe verurteilt worden, will aber nicht zahlen. Der nächst wohnende Exekutor hätte, um ihn auszupfänden, 14 Stunden durch Eis und Schnee laufen müssen und will den Betrag deshalb aus seiner eigenen Tasche geben. * Er kennt seine Leute. Kaufmann (zum Reisen den): „Sie sind ein ganz aufdringlicher Mensch; ma chen Sie, daß Sie hinaus kommen, ich kaufe nichts"; (zum Ladenmädchen): „Anna, schließen Sie mal hin ten die Hofthür zu!" iFortsetzung in der Beilage. darf die Dauxr des Eislauf», dreimal in der Woche wiederholt, je zwei Stunden nicht überschreiten. Transpirieren schadet, falls man nur in Bewegung bleib», durchaus nicht, ist vielmehr eine wohlthuende Erscheinung. Bo? dem Abschnollen der Schlittschuh wird der Körper wieder in die schützenden Winterklei der gehüllt, und dann verfüge man sich schl-unigst nicht etwa in die Wirtschaft zum Bier, sondern nach Hause. Die Stunden vor der Hauptmahlzeit oder vor dem Schlafengehen eignen sich am besten zur Aus übung des alle Muskeln in Anspruch nehmenden Luftbades, Eislauf genannt. Wer soll Schlittschuh laufen? Jeder und jede, die sich gesund fühlen und von thren Gehwerkzeugen den zu dieser Leibes- und Kräfteübung notwendigen Gebrauch machen können, vor allem aber diejenigen, die durch ihren Beruf an die dumpfe Büreaulust oder an das Schreibpult ge fesselt sind. ' Nur -G 12 Uhr rechnen. Da wir nun aber gewöhnt Md» die Zuüahme der Tage nach der Verlängerung -er Nachmittage zu bestimmen, so werden wir durch diese Abweichung der wahren Zeit von der mittleren getäuscht und halten den Nachmittag sür länger als er ist. — Wie bereits kurz telegraphisch gemeldet, ist der vormalige Bankdirektor Adolf Winkelmann, dessen Auslieferung von der argentinischen Republik bewirkt worden war, in der Nacht zum Donnerstag in der königl. Gefavgenanstalt zu Leipzig verstorben. AIS Todesursache wird Wassersucht angegeben, an der Winkelmann schon seit mehreren Tagen schwerkrank darniedergelegen hatte. Der Tod ist so ruhig einge treten, daß nn in derselben Zelle untergebrachter Mit gefangener nicht einmal von dem Hinscheiden seines Schicksalsgefährten etwas bemerkt hat. — Vereint gestorben, wie sie zusammen gelebt, sind in diesen Tagen in Forchheim bei Marienberg die 70 bez. 76 Jahre alten Gebrüder August und Wil helm Schubert. Dieselben bewohnten zusammen ein Haus. Am 10. dss. MtS. war es einem Nachbar auf- aefallen, daß sich keiner der Brüder hatte sehen lassen. Am Montag ging der Nachbar ans Fenster der Schubertschen Wohnung und sah darin den Wilhelm Schubert regungslos auf dem Sofa liegen. Man ist dann in das HauS eingedrungen und fand den Wilhelm Schubert auf dem Sofa tot und auf weiteres Euchen August Schubert tot in seinem Bette. Die Brüder waren in letzter Zeit leidend gewesen. Beide hinterlassen keine Kinder; der eine war noch ledig, der andere verwitwet. Verwandte sollen das nicht unbe deutende Verwögen erben. — Wie die „Greizer Ztg." vernimmt, hatte eine Greizer Handelsfirma vor längerer Zeit größere Warensendungen an ein New-Iorker Haus ausge führt. Da die Zahlungen ausblleben, begab sich einer der Mitinhaber der Firma nach New Jork, um die selben zu vermitteln. Nachdem er dort mit dem Chef deS Hauses in dessen Privatkontor wegen der rück ständigen Zahlungen längere Zeit verhandelt hatte, soll ihm dieser plötzlich einen Wechsel über eine größere Summe zum Accept vorgelegt Und dabei unter Ent gegenhaltung eines Revolvers erklärt haben, wenn er -en Wechsel nicht augenblicklich acceptiere, so verlasse er das Kontor nicht lebendig. Der Deutsche war natürlich nicht wenig erstaunt hierüber. Da er aber sah, daß der Amerikaner nicht übel Lust hatte, mit seiner Aeußerung Ernst zu machen, so soll er den Wechsel acceptiert haben. Die New Uorker Firma hat nun den aus solche Weise erworbenen Wechsel kürzlich zur Zahlung präsentieren und — da dieselbe verweigert wurde — Klage gegen das betreffende Handelshaus erheben lassen. Auf den Ausgang des Prozesses kann man gespannt sein. — Die Zahl der bewilligten Altersrenten bctrug am Schluß des ersten Jahres seit dem Inkrafttreten des Alters- und Jnvaliditätsversicherungsgesetzes 132917. Ansprüche waren bei den 31 Versicherungs anstalten und 8 Kasseneinrichtungen 173668 erhoben tvorden. Von diesen wurden 132917 anerkannt, 30534 zurückgewiesea und 7102 als unerledigt aus den Monat Januar übernommen, während die übrigen 3115 auf andere Weise erledigt wurden. — 800 Taubstumme haben eine Eingabe an den Kaiser gerichtet, in welcher sie unter Hinweis darauf, daß die große Mehrzahl der Taubstummen selbst bei »artervollster Anstrengung das erwünschte Ziel der Lautsprache nicht einmal annähernd erreicht, bitten, die Frage der Taubstummenbildung aufs neue zu er wägen und neben der Lautsprache der langersehnten Gebärdensprache in dem Unterricht der Taubstummen ihr Recht werden zu lassen. — Ratschläge sür Schlittschuhläufer. Das Schuh werk muß standhaft und mit Doppelsohlen versehen sein, um die Knöcheln herum fest anschließen, ohne oen Blutumlauf zu hemmen, und eine freie Be wegung der Zehen gestatten. Hals und Gesicht sollen mindestens während der Zeit des Schlittschuhlaufens jedes Schutzes entbehren, und empfiehlt es sich, die obere schützende Winterhülle — Ueberzieher, Mantel, Jakett, Muff rc. — abzulegen. Während des Eis laufes vermeide man alle heftigen, sich überhastenden, unschönen Bewegungen, setze sich zumal bei scharfer Kälte niemals. Ein Sichausruhen findet am besten durch ruhige Bewegungen auf kleinem Raume statt. Die Unterhaltung muß, besonders bei widrigem Wind, nicht nur ganz eingestellt, sondern auch der Mund vollständig geschlossen gehalten werden. Eine tadelns werte Unsitte ist das Zigarrenrauchen auf dem Eise. Die Wahrscheinlichkeit des Raucheindringens in die Lunge ist eine weit größere, auch kann mit dem bren nenden Glimmstengel bei den unvermeidlichen Karam- bolagen anderen großes Unglück zugefügt werden und über weggeworfene Zigarrenstummel ist schon mancher gefalle«. Der Genuß von kalten, wie auch warmen Getränken ist überflüssig und kann der Gesundheit leicht bleibenden Schaden bringen. Für gewöhnlich an der Influenza gestrrben. Prinz Albert Viktor, Herzog von Clarence und Avondabe, war am 8. Ja nuar 1864 in Frogmore-Lodge bei Windsor geboren. Im englischen Heere bekleidete er den Rang eine» MojorS im 10. Husarenregiment „Prince of Wales' Own Royal", ferner war er Ehrenoberst mehrerer an derer englischer Regimenter. In der deutschen Armee stand er L la suito deS HufarenreglmentS Fürst Blü cher v. Wahlstatt Nr. 5. Erst am 6. Dezember v. I. hatte er sich, wie s. Z. berichtet, mit der Prinzes sin Marie v. Teck verlobt, und für die auf Ende Fe bruar festgesetzte Vermählung würden bereits am Hofe und in allen Kreisen der Bevölkerung festliche Veran staltungen vorbereitet. Der Todesfall hat in England allgemeine und tiefe Teilnahme hervorgerufen; die El tern des Prinzen erhielten von Nah und Fern zahl reiche Beweise der Teilnahme. In London und an deren englischen Städten wurden vielfach Trauer- kundgebungen veranstaltet. Die Königin ist durch den Tod des jungen Prinzen auf das Tiefste erschüt- tert; Bestimmungen bezüglich der Beisetzung werden in den nächsten Tagen getroffen werden. Der Prinz galt als ein sehr fleißiger und strebsamer junger Mann. — Kaiser Wilhelm, welcher am Mittwoch abend zur Teilnahme an den Hofjagden in Bückeburg eingetroffen und festlich empfangen worden war, wird seinen Besuch infolge des Ablebens seines Vetters, deS Herzogs von Clarence, voraussichtlich abkürzen. — Mit dem Tode des Herzogs von Clarence wird des Prinzen von Wales zweiter Sohn künftiger britischer Thronfolger. Dieser, Prinz Georg, ist 18 Jahre alt. Er ersreut sich einer kräftigeren Natur, als sein so jäh verstorbener Bruder. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — Nach der Thronrede, mit welcher am gestrigen Donnerstag der preußische Landtag vom Minister präsidenten Grafen v. Caprivi eröffnet wurde, hat sich im Laufe dies s EtatLjahres die Lage der preußischen Staatsfinanzen weniger günstig gestaltet. Während die Regierung für 1890s91 noch mit einem ansehn lichen, auf bewilligte Anleihen verrechneten Ueberschusse abschließt, ist es nicht ausgeschlossen, daß infolge der Steigerung der Ausgaben, namentlich ber den Staats eisenbahnen, sich im laufenden Jahre ein jenen Ueber- schuß übersteigender Fehlbetrag herausstellen wird. Bei Ausstellung des Etats hat demgemäß auf allen Gebieten der Staatsverwaltung besondere Sparsamkeit geübt werden müssen. Namentlich hat zum Bedauern der Staatsregierung die als notwendig anerkannte Aufbesserung der Besoldungen der unmittelbaren Staatsbeamten in diesem Jahre noch nicht in der wünschenswerten Weise weitergeführt werden können. Nur zu der allseitig für besonders dringlich erachteten Verbesserung der äußeren Lage der Lehrer an den höheren Schulen und Seminarien sind schon jetzt die ersorderlichen Beträge in den Etat eingestellt. Das System des Aufrückens der Beamten nach Altersstufen ist bei den Unterbeamten bereits in dem diesjährigen Etat zur Ausführung gebrecht und soll im nächstjährigen Etat im Anschluß an die Vermehrung der etalsmäßigen Stellen auf weitere Beamtenklassen ausged hnt werden. Weiter kündigt die Thronrede die Einbringung einer Reihe zum Teil bereits bekannter Vorlagen an, so u. a. Entwurf des Gesetzes wegen Gewährung einer Ent schädigung für die Aufhebung der den Häuptern und Mitgliedern der Familien vormals unmittelbarer deutscher Reichsstände zustehenden Befreiung von ordent lichen Personalsteuern, Entwurf eines Gesetzes, betr. die Revenüen des beschlagnahmten Vermögens des vor maligen Königs von Hannover, Entwurf eines preußi schen Volksschulgcsetzes rc. — Der Bundesrat hielt am Donnerstag nachmit tag eii e Plenarsitzung ab. In derselben wurde das neue Trunksuchtsgesetz fertiggestellt und der neue Ge setzentwurf betr. der Abänderung des Strafgesetzbuches den Ausschüssen überwiesen. — Wegen Abänderung des Alters- und Jnvalidi- tätsvelsicherungsgesetzes sind dem Reichstage von ver- schiedenen landwirtschaftlichen Vereinen Petitionen zu gegangen. — Fürst Bismarck traf am Mittwoch nachmittag 5j Uhr auf dem Berliner Bahnhof in Hamburg ein und wurde von einer großen Menschenmenge mit Hoch rufen empfangen. Der Fürst machte einen Besuch bei dem Ob-ringenieur Meyer. Um 9 Uhr erfolgte die Rückkehr nach Friedrichsruh. Der Fürst, welcher Kürassieruniform trug und äußerst wohl auSsah, grüßte, über die Ovationen sichtlich erfreut, nach allen Seiten. — Ueber die Lage in Deutschostafrika wird fol gende amtliche Mitteilung verbreitet: „Der Gouver neur von Deutschostafrika hat die über Rom einge gangene Meldung von einem Aufstand an der Küste ausdrücklich als unrichtig bezeichnet und bemerkt, daß, wenn etwas über Unruhen in Tanga berichtet werden sollte, dies auf rein lokale Reibereien ohne Bedeutung zurückzusühren sei. Die Nachrichten, welche auf an derem Wege von Ostasrika in die Presse gelangt sind, erscheinen daher übertrieben." — vr. O. Baumann, welcher mit der Aufgabe betraut ist, einen Weg durch das Kilimandscharoge biet nach dem Viktoriasee festzulegen, hat sich Mitte Dezember von Tanga aus nach Zanzibar begeben, es scheint darnach, als ob infolge der Unruhen und Kämpfe im Wadigogebiet der Beginn der Baumann- schen Expedition aufgeschoben werden sollte. Grotzbrttanuie«. — Wie bereits telegraphisch gemeldet, ist am gest rigen Donnerstag früh der älteste Sohn des Prinzen von Wales, also ein Vetter des deutschen Kaisers,