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Sächsische Staatszeitung : 16.03.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-03-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480731217-191803169
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480731217-19180316
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480731217-19180316
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-03
- Tag 1918-03-16
-
Monat
1918-03
-
Jahr
1918
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 16.03.1918
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Landtags-Beilage zur Sächsischen Staatszeitung. Nr 44 Beauftragt mit der HerauAgader Hoftat Dsauge» tu Drasde«. 1918. 37. ordentlicher Landtag- u. Kammer. Fortsetzung der Sitzung vom 14 März 1918. Vizepräsident -räßdorf (soz.): wenn alle- verteuert wird. glawbt der -r. Justizminister auch die Justizpflege im inneren vaterlande verteuern zu sollen. Die sozialeemokansche Fraktion kann sich weder der Ansicht de» Hrn. Abg. vr. Kaiser noch der de» Hrn. Abg. vr. Mangler an- schließen. Die sozialdemokratische Fraktion fußt bei der Ae« legenheit auf ihrem Programm, wonach die Unentgeltlichkeit der Rechtspflege und der Rechtshilfe gefordert wird. An diesem Programmpunkte halten wir nach wie vor fest und halten eine Lösung im Sinne diese» Programmpunkte» für da» einzig Richtige. Wir sind aber der Meinung, daß der gegenwärtige Zeitpunkt für die Verwirklichung de» Programmpunkle» nicht geeignet erscheint. Wi, sind deshalb der Meinung, daß bei dieser Gelegenheit versucht werden muß, die Rechtspflege 'M sozialen Sinne zu verbilligen. Dazu werden meine pol't'schen Freunde in der Deputation Stellung zu nehmen haben. Wir sind der Meinung, daß in der gegenwärtigen Zeit tue Justizpfleae keine Erwerbsquelle sein soll. Der Hr. Minister hat in grote»ker Weise ausgeiührt, wie bei Millionennachlässen eine ganz minimale Kostenberechnung a fzumachen ist. Das wird gewiß allgemein einschlagen. Man w rd in solchen Fällen eine Erhöhung der Kosten gerechtfertigt finden. Wir sind nicht der Meinung, daß bei solchen Gelegenheiten, bei Vererbungen von große vermögen, die Herrschaften leer auSgehen sollten, sie sollen nur auf anderem Wege ihren Verpflichtungen nachkommen durch eine entsprechende Erbschaftssteuer, w'e wir sie fordern, oder durch ein entsprechend aufgebautes Erbrecht des Staates, was grundsätzlich ganz dasselbe 'st. (Zuruf.) Bei Beurteilung des Vorschläge- von vr. Mangler, statt Gefängnisstrafen Geldstrafen zu verhängen, muß man sehr vor sichtig fein. (Sehr richtig?) Worauf würde es hinauskomme: ? Der Arme, der keine Mittel hat, muß die Gefängnisstrafe ab sitzen, und der Reiche, der ein ungeheures Vermögen besonders in dieser Zeit erworben hat, ginge völlig frei aus, denn wenn er 100 000 M. ergaunert -hat, und er wird mit einer Geldstrafe von 10 0 0 M. belegt, so ist das in den heutigen Verhältnissen überhaupt keine Strafe. Wir stimmen dem Antrag des Hrn. Abg. vr. Kaiser zu, die Sache an die GesetzgebungSdeputatwn zu verweisen. Vizepräsident vr. Spieß (kons ): Wenn man sieht, wie der Zuschuß vom Jahre 1902 von 1 600 000 M. bis zum Jahre 1916 auf 9 700 000 M. gestiegen ist, so kann man sich der Erkenntnis nicht verschließen, daß diese Kosten der Rechtspflege unbedingt herabgemindert werden müssen. Es kann dem Staate nicht zugemutet werden, einen derartig hohen Zuschuß zu zahlen. Nun bin ich mit verschiedenen der Herren Vorredner der Ansicht, daß e» erwünscht.gewesen wäre, den Zuschlag, d« seit dam Jahr« 1WS bestes mit in das Dekret einzliarbeiken. Ich gebe ja zu, daß dies einige Mühe machen kann. Aber vielleicht ist eS doch nicht unmöglich. Es könnte in der Deputation doch vielleicht der Versuch gemacht werden, darauf zuzukommen. ES ist vtzrrit» ttmmf hingewteft» IvvrMü, »aß da» Dekret durchaus sozial gehalten 'st in dem Sinne, baß die niedrigsten Gbührensätze beibebaltcn, die Höchstsätze dagegen zum Teil er höht worden sind. Ich halte das für durchaus richtig. Ich glaube nur, es wäre zu wünschen gewesen, wenn vielleicht manche Nicdrigstsätze im Interesse schlechtgest llter Zah lungspflichtiger auch noch herabgemindert worden wären. Auch könnten die Höchstsätze noch erhöht werden. Viel leicht könnte darauf in der Deputation zugekommen werden. Man muß berücksichtigen, tast insbesondere der geweritätige Mittelstand durch diesen Krieg in eine schwere wirtschaftliche Be drängnis gekommen ist. Er wird nach dem Kriege wieder auf gebaut werden müssen. Ich gebe Hrn. Abg. Brodaus vollständig darin recht, wenn er sagt, der ileme Gewerbtreibende muß das Bestreben haben, seßhaft und unabhängig zu fein. Er wird des halb in vielen Fällen im Interesse der sicheren Gründung seiner neuen Existenz, die er nach dem Kriege sucht, bestrebt sein müssen» sich ein Grundstück zu erwerben. Nun weist Hr. Abg. Brodaus darauf hin, »aß e» in solchen Fällen immer noch zu hoch er scheint, wenn der gesamte Wert de» Grundstücks bei der Berech nung der Gebühren zugrunde gelegt wird. Ich gebe ihm darin vollständig recht. Zu dem bedrängten Mittelstände gehört, wie wir alle wissen, auch der Anwaltstand. Ich freue mich, daß der Hr. Minister gesagt hat, daß eine Abänderung de» AnwaltSgebühren- gesetze» und der Notariatsverordnung von 1900 kommt, und ich möchte auch von dieser Stelle im Namen der Anwaltschaft mich dafür bedanken. Die Anwaltschaft ist ja gewöhnt, daß die große Menge de» Publikum» ihr nicht gerade freundlich gegcnübersteht. Man bewertet die Tätigkeit der Anwaltschaft nicht so wie die Tätigkeit anderer freier Berufe. Der Arzt ist in einer viel besseren Lage, besonders der Spezialarzt. . Dem wird das Honorar bezahlt, da» er fordert, weil man da sieht, wa» er ge leistet hat. Beim Anwalt aber mag es daher kommen, daß namentl ch, wenn der Gegner verurteilt wo:den ist, die Kosten zu tragen, man sich sagt, der Anwalt hat nicht- geleistet. Dann ist immer der Anwalt schuld. Hierauf wird da» Dekret einstimmig der Gesetz- gebungSdepütation überwiesen. (Schluß der Sitzung 2 Uhr 7 Min. nachm.) Nächste Sitzung : Montag, den 18. März 1918, nach mittags A4 Uhr. 1. Schlußberatung über den mündlichen Bericht der Ge- irtzsiebungsdeputatiou über da» Königl. Dekret Nr. 80 auf Zu stimmung zur Aushebung der Gebührentaxe für Berr chtungen von Tierärzten in gericht ichen sowie in polizeilichen und son stigen Berwaltungsangelegeuheiten vom 1. März 1888. (Druck sache Nr. 1b9.) — 2. Schlußberatung über den mündlichen Be- richt der Fmanzdeputation über Titel 82 des außerordentlichen StaatShauShalt»plane» auf die Jahre 1918 und 1919, Vermeh rung der Zugfoloestellen auf der Linie Leipzig—Dresden be- treffend. (Drucksache Nr. 161.) — 3. Schlußberatung über den mündlichen Bericht der Finanzdeputation v über Titel 23 de» außerordentlichen Staai-haushaltsplane- auf die Jahre 1918 und 1919, Herstellung eine» dritten Gl eile» zwischen den Bahn- Wen Engelsdorf und Borsdorf betreffend. (Drucksache Nr. 162.) — 4. Schlußberatung über den mündlichen Bericht der Finanz. depututüm K über da» Königl. Dekret Nr. 81, Teuerungszulagen SMeWUd, ßmvie übe, die hierzu eingegangenen Petitionen. L KGMMSk. N. öffentliche Sitzung am 1v. März 1918. Beginn» 12 Uhr 17 Minuten nachmittag». Am RegierungStische: Staat-minister Graf Vitzthum v. Eckstädt, v. Seydewitz, vr. Nagel, General der Infanterie v. Wilsdorf und Re-ierungSvertreter. ES erfolgt zunächst der Vortrag zweier ständischer Schriften. Den Bortrag auS der Registrande übernimmt Sekretär Oberbürgermeister vr. Kaeubler-Bautzen. Punkt 2 der Tagesordnung: Bericht der ersten Depu tation über da» Königl. Dekret Nr. 9, den Entwurf eines Gesetzes über Abänderungen der Ber- f assungSurkunde betreffend, sowie über die hierzu ein gegangenen Petitionen. (Drucksache Nr. 79.) Bergl. Landtagsbeilage Nr. 39. Berichterstatter Wir«. Geh. Rat Universität-Professor v.vr. «ach, Exzellenz: Di« Deputation empfiehlt Ihnen die Annahme des Gesetzentwurfes. Ich werde zuerst von der Reform diese- Hauses sprechen. Man hört, daß sie ein durch die Weltereignisse gebotene- Stück der deutschen Neuordnung sei. Ist da- wahr? Da- Deutsche Reich hat in diesem Weltkrieg eine Feuerprobe bestanden» wie sie m der Weltgeschichte an Furchtbarkeit und Größe ihres gleichen nicht hat. DaS ist ein unwiderleglicher Beweis der Lebenskraft und Lebensfähigkeit diese- Staatswesens. N cht die schnell verflatternde Begeisterung, nicht die Wucht der Massen, sondern die im Staate geeinte und organisierte Bolkskrast, die in ihm gesammelten sittlichen, wirtschaftlichen, physischen Kräfte haben gesiegt. Unser Sieg, denn von dem dürfen wir schon jetzt sprechen, trotz alle- dessen, was uns noch bevorsteht, dieser Sieg ist ein Sieg des deutschen Staates. Gibt es einen glorreicheren Beweis dafür, daß er kerngesund ist, daß er einer Reformation an Haupt und Glieder« nicht bedarf? Da fragt man sich, we-halb Neuordnung? WaS ich eben betonte, ist nicht ein Beweis dafür, daß alle» bei un» vollkommen, daß nichts verbesserungsbedürftig sei, daß wir anSruhen dürfen aus dem durch die lange Zeit Eroberten, Errungenen und Behaup- teten. Wir müssen mutig und tatkräftig nach vorwärts schauen und uns stark machen für eine große Zukunft. Das gilt auch vou diesem hohen Hause. Da» ist bas Leitmotiv, unter dem die Gesetzesvorlage steht. DaS ist der Gedanke, der die Deputation geleitet hat, wenn sie Ihnen da» Dekret zur Annahme empfiehlt. Es gilt die Erste Kammer so stark zu mache» wie möglich, die Wurzeln ihrer Kraft zu versenken in den tiefsten Grund unseres Volkslebens, ihrem Prinzip, ihrem staatsrechtlichen Charakter ge mäß in ihr alle Kräfte des Volkes zu sammeln. DaS ist nicht nach jedermanns Geschmack, nicht nach dem Geschmack derer, denen die Erste Kammer ein Dorn im Auge ist, die auch aus ihr Pro gramm schreiben: „Fort mit der Erste« Kammer!", die be- haupten. daß sie ein fossiler Rest kängfl vergangener Zeiten sei. Das Zweikammer-System müßte, wenn es nicht da wäre, er- funden werden. Das Zwcikammer-System .st eine Erscheinung nicht nur der Vergangenheit, erwachsen in England auf den: vor bildlichen Boden der konstituticnellen Bersastung, sondern neu gebildet überall in den größeren modernen Staaten, also gewiß nicht ein fossiler überlieferter Rest abgestorbener Zeiten. Neben der auf atomistischer Grundlage ruhenden und nur durch die Parteibildungen möglichen Wahlkammer, die von Wind und Wogen der Bolksstimmung und der Bolksleidenschaft bewegt wird, wird ein stabiler Faktor gesucht, in dem die realen Staatsk äf!e gesammelt sind, nicht nur ein Gegen gewicht gegen die Zweite Kammer, nicht ein Korrektiv gegen Sturm und Drang, sondern ein Repräsentation-lS per, der zusammen mit der Zweiten Kammer den vollen Ausdruck des Volkswillens ergibt. Wir müssen gegen da» Dogma, daß der Volkswille durch die Mehrheit eine» Wahlhauses, eines Volks- Hause» allein wahrhaft zum Ausdruck komme, mit aller Ent schiedenheit als eineunhistorische und der Natur der Sache wider- streitende Ansicht Front machen. Die Erste Kammer ist nach ihren Charakterzügen die Vertretung der festen Lebenskräfte des Staatswesen», des Grund und Bodens, der großen Körper schaften des unter der Selbstverwaltung stehenden Gemeinwesens, der Körp rschaften, die das kulturelle, 'deale Leben zu ihrer Auf gabe haben» der Kirche, der Hochschulen, und ferner der sonstigen geistigen Potenzen, die durch Sömgliche Berufung in ein solche» Haus eintreten kö nen, vielleicht auch anderweit durch Wahl. So ist e» und so soll eS bleiben, und so hat sich diese Erste Kammer in allen Zeiten ihrer Existenz bewährt. Wie wir bereit- im Jahre 1906 die ErgLuzungsbedürftigkeit der Ersten Kammer anerkannt haben, so ziehen wir die Konsequenzen diese» Standpunktes auch heute, und daher empfehlen wir Ihnen die Annahme der Dekrete-, denn es fußt auf dem bewährten Charakter, auf dem normalen staatsrechtlichen Wesen dieser Ersten Kammer, e» bricht in keiner Weise mit der Tradition. Eine anders geartete Tendenz wird verfolgt in der Neuordnungs- deputation der Zweiten Kammer.' Dort wird die Forderung der beruf-ständischen UmbUdung der Ersten Kammer, die Forderung der berufsständischen Interessenvertretung schoben. Mit ihr müssen wir unS auseinandersetzen. Da» ist um so dringender notwendig, al- im Lande diese Vorstellung wert verbreitet ist. Ist die beruf-ständische Vertretung die der Natur der Sache, bem Zwecke der Ersten Kammer entsprechende Bildung? Man kann kurz eine Antwort darauf geben, indem man sich auf die.gegenwärtigen Staatsverfassungen der Welt bezieht. Nirgends haben wir im Zweikammersystem kür da» sogenannte Oberhau» eine beruf-ständische Interessen vertretung. Nirgend-! Gewiß ist die Form der Ersten Kammer sehr verschieden und selbstverständlich bei einem Bundesstaate anders al» wie in der konstitutionellen Monarchie, in der Republik ander» wie in jeder monarchischen Staatsbildung. In den röberen deutschen Staaten, die ja sämtlich da- Zweikammer system haben, einschließlich Elfaß-Lothringen», ist vielleicht für den Kurzsichtigen hier und da eme gewisse Hinneiauna zur beruf»- stänoischen Vertretung vorhanden, für den Klarsehenden aber nirgends. Jene Neigung könnte man darin erblicken, daß in einzelnen Staaten eine Vertretung von Handel, Industrie und Gewerbe sich findet. LS handelt sich aber dabei um große Lebenskräfte, um volkswirtschaftliche Mächte, ähnlich dem Grund besitze. Die sollen auch in diesem Hause ihre Stätte finden. DaS ist aber keine berufsständische Vertretung. In unserer Mitte ist von solcher nicht die Rede. Ich gl. ube behaupten zu dürfen, daß die Herren Grundbesitzer, die al» solche hier Sitz und Stimme haben, nicht Vertreter de» landwirtschaftlichen Standes sind, d. ß sie nicht ein Ableger de» Bunde» der Landwirte find Wir haben unter ihnen solche, di« überhaupt nicht Landwirte sind, wohl aber Grundbesitzer. Man kann Grundbesitzer sein, ohne Landwirt zu fein,' und man kann Landwirt sein, ohne Grund- besitzer zu sein, und ich glaube nicht, daß irgendeiner der Herren seine pflichtmäßige, verfassungsmäßige Aufgabe hier darin gA» funden hat, die Interessen der Landwirtschaft zu vertrete«. Sicher haben wir auch diese Interessen zu wahren, denn a«M sie sind wichtige Interessen des Staatsleben», aber sie sind nicht die eigentliche Aufgabe der Herren, die hier al» Grund besitzer sich im Hause befinden. Die Oberhäupter unserer Kommune» sind Sommunalbeamte. Fühlen sie sich al» Vertreter der Kommunalbeamten? Ist ihre Stellung die, die Kommunalbeamten-Jnteressen hier zu wahren oder Haven Pa höhere, größere Ausgabe», in erster Linie die der Kommune att s lcher zu vertreten, aber dann doch, da» ist die Hauptsache, da» Wohl und Wehe de- Staates? Die Herren Geistlichen fmd die etwa berufsständische Vertreter? Ich meine, sie haben, in erster Linie die Interessen der Kirche, aber darüber hinaus die de» Staate» zu wahren. Wenn lch von meiner Person reden darf, ich fühle mich nicht al» Vertreter der Akademiker, habe nicht di« Interessen der Professoren zu wahren, sondern immer nur die Gesamtrepräsentation al» die Gesamtausgabe dieses Hause» anzu sehen. So also haben wir nichts von einer berufsständischen Ver tretung. Aber nun kann man sich da die Frage vorlegen: Würde eS nicht angemessen, ja vielleicht besser fein, tvenn wir au» diesem Hause eine Benlssinteressenrepräsentron machten? Wie macht man das? Bei unserem hochentwickelten Leben auf wirtschaft lichem, kulturellem und staatlichem Gebiete zählen die LebenS- berufe nach Tausenden. Keiner der betreffenden Berufsstände findet seine Interessen durch den anderen genugsam gewahrt. Jeder hat seine eigenen Interessen. Die berufsständische Ver tretung ist ihrer Idee nach das Prinzip der Eigenbrödelei, der Kirchturmpolitik, der « inen Jnteresfenrepräsentation, die de« Teil über das Ganze stellt, welche die einzelnen Stände gegen einander scharf abgrenzt, die Zusammenfassung im Ganzen ver missen läßt, also das wahre StaatSwohl au» den Augen verliert. Um deswillen ist jede beruf-ständische Vertretung abzulehnen. Und ich kann nicht umhin, persönlich nur me n Bedauern darüber auszusprechen, daß in Preußen die Neigung zu einer berus»- ständischen Vertretung im Herrenhaus« auf Grund der Beratungen des Verfasjungsausschusses des Landtags sehr stark hervortritt. Hier heißt eS: prinoipiis <bst». Bon diesem Gedanken aus hat die Deputation Stellung nehmen müssen zu den vielfachen Wünschen, die uns aus dem Lande entgegentreten. Was de» Wunsch der Richter und Staatsanwälte auf Ver tretung in unserer Mitte anlangt, so werden Sie mir glauben, wenn ich versichere, daß es gewiß niemanden in unserer Mitte gibt, dem das Gedeihen unserer Justiz mehr am Herzen liegt wie mir. Aber da» kan l mich nicht dazu sühren, jener Petition da» Wort zu reden. Sie beruht meine- Erachten- auf einer Ver kennung. Die Justiz hat die Wahrung ihrer Interessen zu er warten durch die Regierung und durch den Landtag überhaupt. Darauf kann sie rechnen, denn wir wissen, die Justiz est tunck». montum roenorum, und derjenige Staat, der sie vernachlässigt» schneidet sich ins eigene Lebensmark. Wenn hervorgehvben wird, daß inan doch in den verschiedenen Staaten in den Ersten Kam mern Vertreter der Justiz, höchste Richter, habe, so wird über sehen, daß diese nicht als StandeSvertreter im Hause sind, sonder« als hervorragende, legitimierte geistige Kräfte. Mit den Lehrern steht eS genau so Diese können nicht al» eine Parallele der Hochschulen hier rn Frage kommen und sagen, so wi« diese wollen wir auch Sitz und Stimme. Die Volksschullehrer in ihrer Gesamtheit als Stand können nicht in Anspruch nehmen, daß sie eine der Lebenskräfte diese» Volke-, diese» Staate» sind, die als die Elemente desselben zu bezeichnen wären. Jedenfalls findet dieser Stand die Wahrung feiner Interessen genau fo wie die Justiz durch die Regierung und den Landtag überhaupt. Wenn die Hauseigentümer dafür eintreten, daß sie hier wo möglich parallel dem Grundbesitze eine Vertretung bekommen, so ist dem zu entgegen, daß der HauSbesitz in erster Linie kein Be ruf urd, kein Stand ist ebensowenig wie der Kapitalist ak» solcher einen Lebensberuf hat. Der Grundbesitz ergibt auch k inen Stand. Denn es ist kein Lebensberuf, Grundbesitzer zu sein. Hier handelt eS sich n cht um ständische Interessen, sondern um kapitalistische, die alle.ding» eine volkswirtschaftlich eigentüm liche und wichtige Gestalt angenommen haben. Diese Interessen werden wie alle Interessen unseres Gemeinlebens hier gewahrt werden, aber beruf-ständisch habe» sie keinen Platz. Ich lasse jetzt die anderen Petitionen beiseite, denn ich bringe das alle» nur vor im Zusammenhangs mit dem Satz«: Diese- Hau» soll nicht umgewandelt werden in eine berufsständische Interessent m rtr- tung, aber wohl soll dieses Hau-, entsprechend der gewaltige« wirtschaftlichen, industriellen Entwicklung unsere» Volke», dies« Lebenskrätte verfassungsmäßig in sich ausnehmen. Die Änderungen, die da» Gesetz bezüglich der Zusammen setzung der Ersten Kammer bringen soll, konzentrieren sich wesend lich auf den § 63 der Berfassungsurkunde. Die unter Nr. 1 b'B 12 deS § 63 aufgeführten Sitze werden beibehalten. Das sind historisch überlieferte und zum Teil verbriefte Rechte. Daran soll nichts geändert werden. Aber e» will da- Dekret unter Rr. 6 einen neuen Sitz einschalten, welcher der Technischen Hochschutt zu Dresden zufallen und besetzt werden soll durch Wahl feiten» der ordentlichen Professoren dieser Hochschule. Wir haben uns schon im Jahre 1906 dafür ausgesprochen, daß, wie di« Universität, so auch diese Schwefieranstalt eine Vertretung in dem Hause finden soll. DaS ist eine ganz konsequente, durchaus dem Wesen der Sache entsprechende Ergänzung de» Hauses. Unter Nr. 14 de- j 63 erscheinen die 12 auf Lebens zeit gewählten Abgeordneten der Besitzer von Rittergütern und anderen größeren ländlichen Gütern. Dagegen fallen die 10 vom Könige nach freier Wahl auf Lebenszeit ernannten Ritter gutsbesitzer weg. Diese sollen sich mit b unter Rr. 19 der B«v- lage ihnen gesicherten Ernennungen begnügen. Dafür solle« 12 Angehörige von Industrie, Handel und Gewerbe Aufnahittt finden. Dieses Opfer wird um der g oßen Sache willen freudig gebracht. Die 12 Sitze für Industrie, Handel und Gewerbe sind ach der Ansicht von Tausenden im Lande nicht genügend. Wit halten sie für genügend. Gewiß, wenn man sich auf de« Stanrpunkt der berufsständischen Vertretung pellt, wenn man hier abmessen und abwägen will, sagen wir nach der Steuer- leipung, nach der Zahl der Köpfe und dergl., dann würde man sagen müssen, die 12 sind nicht entfernt ausreichend. Wenn man festhält an 17 Sitzen für den Grundbesitz, so würde man mehr al» 17 vom Standpunkte eine» solchen mechanisch«« ParalleliSmu» aus für Industrie, Handel und Gewerbe eiv- räumen müssen. Die Erste Kammer ist aber eben keine beruf»-" ständische Vertretung und hat lediglich die Aufgabe, die Gesamt- rnteressen des Staate» zu wahren und zu vertreten. Daß dabet e ne nicht genügende Würdigung von Industrie, Handel und Gewerbe zu gewärtigen wäre, wenn wir nur 12 neue Sitze für diese Mitgli der kreieren, ist Anz ich ausgeschlossen. Wa- nun die städtische Vertretung betrifft, so ist sie nach Nr. 16 und 17 der bisherigen gleich, nur eine kleine VerschiebiM^ ist belieb, worden, indem Chemnitz jetzt seinen Oberbürger meister kraft Verfassung und nicht krast Königlicher Ernenn»««. in unserer Mitte haben soll. Da» ist ja schon me Jahre 1906 beschlossen worden. Da» genügt nicht alle«; e» gibt Kommunen, di« der Meinung sind, sie sollte« auch wie Dresden, Leipzig und Chemnitz hier unter Nr. 1C aufgekührt werden. Wir haben in der Beziebung voA
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