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Sächsische Staatszeitung : 19.05.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480731217-191705192
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480731217-19170519
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480731217-19170519
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-05
- Tag 1917-05-19
-
Monat
1917-05
-
Jahr
1917
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 19.05.1917
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'PMM' - - > ' > ES«/ 428 schicbene, und in dieser Verschiedenheit treten zwei Grundanschau. ungen zutage, die im Gegensatz zueinander stehen: das Bewußtsein der nationalen Einheit und das Bewußtsein dcS Wertes der einzelnen Persönlichkeit. Beide Werte stehen sich hier gegenüber, beide haben sich bewührt. Bon dem Werte der nationalen Einheit will ich später reden, aber was den Wert der Persönlichkeit anlangt, so habe ich das Gefühl, daß jeder Deutsche das vielleicht unbewußte Gefühl bat, als ob er, wenn auch nur zu einem ganz bescheidenen Anteile, Mit. verdienst an dem Heldentum hat, das die großen Siege erfochten hat, und daß er durch diesen Anteil an den« Heldentum auch einen Anteil an dem AusgleiäMnspruch geltend machen könne, der darin sür das deutsche Volk begründet liegt. So stehen sich das Gemeiuinteresse und die Svnderiuteresfen des einzelnen gegenüber. Es ist ein Gegenfast, der ja unfer ganzes Kulturleben durchziebt von den ersten Anfängen der Kultur an bis in die spätesten Zeiten. Wie der Mensch selbst ein Organismus höherer Ordnung ist über seinen einzelnen Gliedern und Zellen, so muß er sich als einzelne Persönlichkeit einsügen in die höhere Ord- nung der Familie, der Gemeinde und des Staates, und alle Politik läuft schließlich darauf hinaus, einen Ausgleich zu finden zwischen den Sendennteresscn des einzelnen und den Geineininteressen des Staates und der höheren Ordnung. Was hat uns nun der Weltkrieg darüber gelehrt ? Zunächst eine ausfallende Erscheinung! In allen Staaten, auch in denen, wo über die Berechtigung und die Zweckmäßigkeit der Teilnahme an dem Kriege vorher die Ansichten leidenschaftlich auseinandcrgingen, verstummte alle Meinungsverschiedenheit mit dem Augenblick, wo der Staat selbst in den Kriegszustand eintrat. Diese auffallende Er scheinung ist nicht zu erklären durch die Macht der Polizei, auch nicht durch die Invasion: furcht, durch die Angst davor, daß der Feind so- fort über die Grenzen hereinbrcchen würde. Das genügt alles nicht, um die Leidenschaft zu erklären, mit der der einzelne Volksgenosse sich für sein Bolt erklärt hat; es genügt nicht, um die Begeisterung zu erklären, mit der die Söhne eines Bölkes sür ihr Vaterland kämpfen und sterben. Bei einem reisen Bolke findet man ja die vernünftige Überlegung, daß man sich mit seinen Interessen dein Staate untcr- ordnen müsse. Aber auch dieses Pftichtbcwußtfein im Sinne des kategorischen Imperativs unseres großen Philosophen genügt nicht, um die Leidenschaft zu erklären, mit der das ganze Volk mit allen seinen Söhnen sich für den Staatsgcdankcn erklärt, sondern man kann sich nur verstellen, daß das Staatsbewußtsein eine notivendige Eigenschaft der natürlichen Entwicklung ist, daß der Staatsgcdanke eine unbewußt wirkende Kraft ist, die in uns allen lebt, weil sic in dem Zwecke der ganzen Schöpfung begründet liegt. Selbst in einen» Staate wie Rußland, das von inneren Streitigkeiten und inneren Umwälzungen in schwere kritische Lagen geworfen ist, ist der Staats- gedanke, dieser Abschluß nach außen gegenüber dem äußeren Feinde das einzige, Ivas den völligen inneren Zerfall noch aushält. Taher ist jeder Gedanke, daß die Beziehungen der Menfck)en in Zukuirst zuein ander durch unmittelbare internationale Verbrüderung zu verbessern wären, zu verwerfen, ja, dieser Gedanke ist ja von unseren Gegnern selbst sür ihren Privatgebrauch längst über Bord geworfen worden, und nur noch die eine Tatsache ergibt sich, daß eine friedliche An näherung der Menschen zueinander nur von Staat zn Staat möglich ist. Der Staat ist cs, der nach außen Eigentum und Leben seiner Bürger sichert, der Staat ist cs, der nach inner» Recht und Ordnung, Wohlfahrt und Sitte fichcrt, wenn nicht alles in eine wilde Anarchie auscinanderfallen füll. Wenn wir nun sehen, wie in diesen» Weltkrieg Deutschland und seine Verbündeten sich, gegen eine Welt voi» Feinden behaupten, »venu wir sehen, wie dieser Bierverband mit seinen 146 Millionen Einwohnern sich behauptet gegen bei» Zehnverband oder Elsverband mit seinen 706—800 Millionen, wobei ich Amerika, China, Indien noch nicht einmal,nitgezählt habe, wem» wir berücksichtigen, daß selbst die finanziellen Aufwendungen für Heer und Marine bei unseren Gegnern vor den, Kriege viel größer waren als in Deutschland, so dürfen wir wohl ohne Eitelkeit, aber init Stolz uns dcssei» bewußt sein, daß das Deutsche Reich mit seiner Verfassung sich als ein aus gezeichnetes und gesundes Staatswesen bewährt hat. Alle»» Verleumdungen unserer Gegner zum Trotz, die uns Mili tarismus und ich weiß nicht, »vas alles, vorwersen, können wir Hinweisen auf die gesunden Grundlagen unseres Staatswesens. Wir erkennen jetzt, daß die mäßige Schutzzollpolitik uns ermöglicht hat, eine starke, leistungsfähige Landwirtschaft großzuziehcn, uns eine blühende Industrie zu schaffen. Wir erkennen jetzt, welcher Wert in unserer allgemeinen Wehrpflicht und in der Pflege der Kamerad schaft gelegen hat, die immer die Grundlage und der lebendige Geist unserer Wehrmacht gewesen ist. Wir erkennen, daß die soziale Ge sinnung, die der Schöpfer und Träger unserer Arbeiterversicherung stets gewesen ist, diejenigen Kräfte sind, die die Widerstandskraft Deutschlands geschaffen haben und denen »vir unfere Überlegenheit gegenüber einer ganzen Welt von Feinden in erster Linie verdanken. Wenn wir nun in die Zukunft schauen, deren Schleier wir ja nicht heben können, so sind wir uns bewußt, daß der Spckulations- gcist und das Handclsiuteresse dazu führen wird, daß die ei»»zclncn Angehörigen der verschiedenen Staaten wieder in friedliche Handels beziehungen miteinander treten werden. Aber unsere allgemeine politische Stellung wird doch auf Jahrzehnte hinaus noch eine außerordentlich schwierige und kritische sein, eine solche, bei der wir uns nur behaupten können, wenn der Staat nach innen gefestigt und nach außen stark ist. (Sehr richtig!) Wir, die überlebenden, haben daher die Verpflichtung, uns unterzuordnen unter die all gemeinen Zwecke des Staates, wie cs diejenige»» getan haben, die in» Felde ihr Blut für uns und den Staat freiwillig vergossen haben. Das ist nach meiner Ansicht zunächst das erste und wesentlichste Er lebnis dieses Weltkriegs. (Abg. Hettner: Sehr richtig!) Run bin ich mir bewußt, daß ein Staat nur dann gesund und kräftig ist, wenn in ihm ein zufriedenes Volk lebt, und das ist das, wo wiederum das persönliche Bewußtsein zu feinen» Rechte kommt. Ter Hr. Abg. Freßdvlf hat ja auch von der Unzufriedenheit gesprochen und uns ermahnt, daß wir die Unzufriedenheit beseitigen sollen. Wie ist das zu erreichen? Ich glaube, wir sind uns darüber alle einig, daß eine absolute Zufriedenheit in leinen» Staate und niemals in der Welt zu erreichen sei»» wird. Scho», die Dichter haben sich ja mit diesein Problem beschäftigt. Ich darf vielleicht an das Vhäakenland Homers erinnern, ich darf aber auch daran erinnern, daß der englische Dichter Thomas Morus uns das Wort Utopie geschaffen hat, indem er uns ein Land geschildert hat, das eben nirgendwo besteht, und daß das Wort Utopie gerade das Schlagwort geworden ist für diese poli tische Weltvcrbcsscnmg, die niemals zu erreichen ist. Eine völlige Zufriedenheit auf Erden werden wir nie erreichen. Ich möchte aber bei dieser Betonung der Unzufriedenheit, wobei ich ja noch an das Schillerwort erinnern kann — Es denken und träumen die Menschen viel von künftigen besseren Tagen —, ich möchte bei dieser Betonung der Unzufriedenheit nicht bei» Eindruck eines verzagten Pessimisten machen; im Gegenteil, ich glaube, daß diese Unzufriedenheit der parke, gewaltige Trieb ist, den der Schöpfer in uns gelegt hat und auf dem aller Fortschritt der Menschheit beruht. M. H.! Die Regierung wird demgegenüber immer nur in der Lage sein, den Versuch machen zu müssen, in den» Ringen und Kämp fen des einzelnen im Dasein ein gerechter Richter und ein unpartei ischer Förderer zu sein. Freilich wird sie dabei von dein Vertrauen des Volkes getragen werden müssen. Tas ist der Grundsatz, den der Reichskanzler mit dem Wort ausgesprochen hat: „Freie Bahn dem Tüchtigen". Ich meine, das Volk verlangt das Bettrauen, daß dem Tüchtigen freie Bahn geschaffen wird. Wir sagen nicht: „Freie Bahn dem Klugen und Starken", und schränken dadurch den Indi vidualismus ein. Tenn wir sagen: der Starke schmiedet sich sein Glück selbst, er braucht keine Förderung. Wir fördern den Tüchtiaen, weil er brauchbar und tüchtig ist, weil wir in ihm ein Mittel sehen, dem allgemeinen Staatszwecke zu dienen, und nur unter dieser BorauSsetzung ist eine Förderung überhaupt angezeigt. Dieser Grundsatz: „Freie Bahn dem Tüchtigen" bestand ja auch früher. Wenn er sich in der Pratts bisher nicht allgemein durch- gesctzt hat, so erklärt sich das vielleicht durch das bestehende gegen- fettige Mißtrauen, von dem ja schon wiederholt geredet worden ist. Es ist bedauerlich, daß jahrelang vor dem Kriege ein «iß durch unser Bolt gegangen ist, der die verschiedenen Klassen unseres Voltes ge trennt hat, und die besten Söhne unseres Volkes haben gewiß keinen größeren Wunsch, als diesen Riß zn beseitigen. Ich «»eine aber, auch das ist ein Erlebnis des Weltkrieges, daß »vir im Begriffe find, durch gegenseitiges Vertrauen diesen Riß zu beseitigen. Wir können da von einer Schule des Schützengrabens reden. Wir haben in dein Schützengraben gelernt, Kaineradschaft zn üben und zu halten. Alich im Inneren darf ich hoffen, daß diefcs gegenseitige Ver trauen sich auch in dein Verdältnis der Regierung zu den Parteien und zu dein Volke bewähren wird. Die Regierung hat ja erkannt, daß sie sich in den nationalen Fragen durchaus auf das Volk ver lassen kann, wie andrerseits das Boll erkannt hat, daß die Regierung mit ihren Plänen und Forderungen keinen uferlosen JmperialiS- mns oder, was mm» ihr sonst vorgcworfen hat, getrieben hat. Aber auch schon jetzt während des Krieges hat sich ein gegensei tiges Vertrauensverhältnis angevahnt. Ich erinnere daran, daß wir bei der gemeinsamen Arbeit für Knegsnnterstütznngen und die Nah- rungSmittelverforgung die breite»» Schichten der Bevölkerung nicht nur im Ministerium zur Arbeit hcrangezogen haben, sondern auch darauf gedrungen haben, daß sie bei den Organen der Verwaltungs behörden hcrangezogen »vorbei» sind. Und ich darf dankbar aner kennen, daß die große Geduld, welche das sächsische Voll gerade bei den NahrungSmittelschwierigkeitcn bewiesen hat, der aufklärenden und verständigen Arbeit zn verdanken ist, die die Führer der Ge- werlschaften geleistet haben nnd mit der sie die Arbeit der Regierung wesentlich unterstützt habe»». Wenn ich »«ich nun der praktischen Politik zuwende, zunächst der RcichSgesetzgebung, so darf ich hervorheben, daß der Ostcrerlah des Kaisers noch keine bestimmten Ziele hervorhcbt. Die sächsische Regierung wird daher die Vorlage»» abzuwatten haben, die ge bracht werden. Sie darf aber die Versicherung abgeben, daß sie in loyaler Weise Mitarbeiten »vird, nm den berechtigten Wünschen einer neuen Zeit Rechnung zu tragen. Sie geht dabei von der Vor- aussetznng aus, daß auch der Reichstag davon absehcn »vird, die Grundlagen der Reichsverfassung, die sich in den Stürmen des Welt krieges bewährt haben, anzutasten oder an ihnen zu rütteln. Mit den» Hohen Hause glaube ich aber darin einig zu sein, daß die Wahrung der besondere»» wittfchaftlichen Interessen gegenüber den zentralisierende»» Tendenzen, über die in diesen, Hause schon wiederholt Klage geführt worden ist, nur bei der unvermindertcn Aufrechterhaltung des föderativen Charakters des Reiches möglich ist, wie er fich in der Anständigkeit des Bundesrates widerspiegelt. (Sehr gut! rechts.) Was nun die Aufgabe»» unseres sächsischen Vaterlandes anlangt, so stimme ich mit dein Hrn. Abg. Hettner darin überein, daß cs enorme Aufgabe»» find, die uns hier nach dem Kriege obliegen werden. Handelt es sich doch um den Wiederaufbau unseres durch den Krieg schwer geschädigten Wirtschaftslebens. Ich sehe davon ab, von bei» Schulden zu reden, die der Staat selbst cingcgangen ist nnd die ja aus uns alle»» lasten werden. Ich wende mich nur den Frage»» zi», die das Gebiet des Ministeriums des Inner»» betreffen. Ich darf daran erinnern, daß während des Krieges eine ganze Anzahl von Aufgaben und ihre Erledigung zurückgestcllt worden sind, die vor dem Kriege als besonders dringlich angesehen wurden. Ich nenne den Hvckwasscrschutz, die bessere Verteilung der Wegcbaulasten und andere. Dafür sind während des Krieges neue Probleme an die Öffentlichkeit getreten, unter die ich das Bevölkcrungsproblem rechne und auch die Fraucnfrage. Wenn Hr. Abg. Fraßdorf den Frauen des deutschen Volkes warme Anerkennung gespendet hat und der Hr. Abg. Hettner diese Anerkennung wiederholt hat, so möchte ich bitten, als ein Dritter in» Blinde ausgenommen zu werden. (Heiterkeit.) Ich spreche auch von meiner Seite de»» Frauen die An erkennung des Staates aus. Es wird nach dein Kriege an der Frauen- fragc nicht ganz vorübcrgegangen werden können. Wir werden »ms die Frage vorlegcn, inwieweit »vir die besonderen Gaben und Fähig keiten unserer Frauenwelt besser als bisher ausnützen können zum Wohle des Staates, der Gemeinden nnd der einzelnen. Deswegen brauchen wir ihnen noch nicht gerade das Wahlrecht zu verleihen. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) M. H.! Es »vird nach dem Kriege notwendig sein, uns unserer Gcmcindcn und Kommunalvcrbändc auzunchmcn und ihnen bei der Ordnung ihrer Finanzwirtschaft ratend zur Seite zu stehen. Es »vird dabei zu prüfen sein, ob den Kommunalvcrbünden eine größere Selbständigkeit zu übertragen ist, als sic an sich nach den» Ge setze über die Bezirksvcrbändc besitzen. Haber» sie doch während des Krieges in der Rahrungsmittclvcrsorgung eine große und schwierige Aufgabe zu erfüllen gehabt, die ihnen auch nach dem Kriege zunächst gelassen werden »vird. Wenn hierbei auf gesetzlichem Wege eine nene Organisation dieser Verbände notwendig sein »vird, so halte ich es sür ganz selbstverständlich und kann in der Beziehung die Erfüllung der Wünsche der Herren Abgg. Fräßdors und Hettner durchaus »u- sagen, daß hierbei nicht nur die Bedürfnisse der breiten Massen der Bevölkerung berücksichtigt werden, sonder»» daß diese mich zur ver- traucnsvollcn Mitarbeit hcrangezogei» werden sollen. Schwere Ausgabe»» werde,» uns zufallcn in bezug auf die Für sorge für diejenigen Stände, die die Träger unserer ganzen wirt schaftlichen Entwicklung sind. Ich darf daran erinnern, daß die Land wirtschaft während des Krieges doch wohl bis zu einem gewissen Grade Raubbau getrieben hat, daß der Kulturzustand der Felder zurück- gegangen ist wegen des «rangelnden Tüngers, daß der Viehbestand ergänzt werden muß, insbesondere das Zuchtvieh. Ich darf ai» die schwierige Frage der Futtermittelbeschasfung erinnern, deren Forde rung energisch in die Hand genommen werden muß. (Zustimmung.) Auch bei der Industrie werden sich viele und schwerwiegende Wünsche melden, insbesondere wird die Versorgung mit Rohstoffen eine wichtige Aufgabe fein. Wir haben darüber schon bei den» Antrag über die Übergangswirtschaft gesprochen, sodaß ich mich enthalten kann, darauf näher einzugehen, um so mehr, als diese Frage mit unseren Kttegszielen in» Zusammenhang steht. Ich erkenne aber an, daß gerade für unser sächsisches Vaterland die Rohstoffversorgung von außerordentlicher Wichtigkeit ist, auch für unseren Arbeitcrstand und für seine Beschäftigung. Was den Arbeiterstand selbst anlangt, so «»eine ich, daß neben der Sicherung des Verdienstes die Wohnungsfrage eine der »nich tigsten Aufgaben sein »vird. Wir haben der Wohnungsfrage schon vor dem Kriege unsere Aufmerksamkeit zugewendet, haben während des Krieges die Kriegcransiedlung tatkräftig in die Hand genommen und auch die Sleinwohnungsfürsorge vorbereitet. Ich denke, daß diefe Aufgabe fo wichtig ist, daß fie das Interesse des ganzen Hause» und des gefamten Volkes in Anspruch nehmen wird. Gegenüber all diesen großen wirtschaftlichen Aufgaben tritt die Bedeutung der rein politischen Wünsche sehr zurück, ja, ich meine, daß diese politischen Wünsche in der öffentliche», Meinung augen blicklich stark überschätzt werden. Ich tvill die Wichtigkeit nicht ver kennen, ich weiß, »velchen Wett Sie beispielsweise auf die Freiheit des Vereins- und BersammlungSrechts legen und auf eine liberale Handhabung des Aufsichtsrechtes über die Gemeinden. Diese Frei heiten und die Grenzen des Aufsichtsrechtes sind in der Gesetzgebung nach Möglichkeit sestgelegt. Die Befugnisse, die der Staat noch be sitzt, weiter einzuschränken, scheint mir kaum ohne Gefährdung der inneren Ordnung möglich. Aber ich kann wiederholen, daß mir jede schikanöse Handhabung, jede Nadelstichpolitik nicht gefällt und daß ich ihr überall entgegentreten werde, wo sie von den unteren Ver- waltungsbehörden noch geübt »vird. Ich'meine, daß die wirtschaft lichen Fragen nach dem Kriege die volinschen Fragen zurückdrängen werden. Freilich wird auch btt der Lösung der wirtschaftlichen Fragen der Geist der neuen Zeit -u Rate zu ziehen sein; und daS ver stehe ich unter dem Geist der neuen Zeit, daß alle Fragen gelöst werden in dem Geiste de- gegenseitigen Vertrauens und eines billi gen Ausgleiche- aller Lasten, wie »vir das in dem Schützengraben ge lernt Haven. (Vizepräsident Fräßdorf: DaS sind die Grundlagen dazu!) Nun wende ich mich zu den einzelnen Anträgen. Der Antrag Nr. 373 de- Hrn. Abg. Castan beschäftigt sich in Ziffer 1 mit der Ziffer 3 deS Anttage- Castan beschäftigt sich mit der Neuordnung in Sachsen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß dieser Ab- schnitt gewissermaßen nur die Kapitelüberschriften enthält und daß damit?der Zwischendeputation die Ermächtigung gegeben werden soll, diefe Kapitelüberschriften entsprechend auszufüllen. Ich habe den Eindruck, daß Sie selber vielleicht das Gefühl gehabt haben, daß Ihre Anträge selbst noch nicht recht reif find, indem Sie davon ab- gefcl^i haben, bestimmte Anträge zu stellen, und diese Arbeit der Zwischendeputation überlassen wollen. Wenn ich nun zunächst darans Hinweisen muß, daß die Bc- tcllung einer Zwischendeputation, zu der ja nach Z 114 der Ver- alsungsurknude die Genehmigung der Regierung erforderlich ist, ncht gangbar erscheint, so habe ich doch auch gewisse Bedenke», gegen eine so weitgehende Initiative, wie Sie sie dieser Deputation über tragen »vollen Au sich habe ich ja von, Standpunkt der Regierung gar keine Möglichkeit, mich gegen die geschäftsordiinngSgcmäße über- Weisung des Antrages Nr. 373 an irgendeine Deputation zu wende«. Ich habe mich aber dock zu fragen, welche Bedeutung diesen» Anträge »eiwohnen soll, nwbesondere den» Wunsche, daß dieser Zwischen - dcputation der Auftrag gegeben »vird, die gewünschten Reformen auszuarbeiten. Ich sagte bereits, daß dieser Anttag zunächst nur Überschriften enthält, also selbst noch gar kein materiell bestimmter Antrag ist. Nun bestimmt ja das Ihnen bekannte Gesetz vom 31. März 1840 Über das Recht der Kammer zu Gesetzesvorscklägen in 8 1: „Ein Abgeordneter, welcher die Absicht hat, den Entwurf zu einen» Gesetze vvrzulegen, hat davon der Kammer, und zwar auf dieselbe Weise, »vie wenn er cinen nach Abschnitt Xlll der Geschäftsordnung zu behandelnden Antrag stellen wollte, Mit teilung zu machen, den Gegenstand und Zweck, sowie die Haupt- mnndsätze deS Gesetzes darzulegen und die Genehmigung der Kammer zur Vorlegung des Entwurfs zu beantragen." Und »veitcr ist gesagt, daß, wenn diese Genehmigung erteilt worden »st, der Gesetzentwurf eingercicht werden soll in Paragraphen geord net und n»it Motiven versehen. Alle diese Bestimmungen würden Übergänge»» werden, wenn der Zwischendcputation die Ernlächtiaung gegeben »vird, aus ihren, Schoße heraus Gesetzesanträge einzuoringen und auszuarbeiten. Nun sehe ich die Sache so an, daß, wenn der Antrag heute ge chästSordnungsmäßig einer Deputation überwiesen wird, damit >ie Deputation nur den Auftrag bekommt, den Antrag zu prüfen, vie das bei allen solchen Überweisungen stattfindet, daß aber damit »er Antrag selbst noch nicht angenommen ist, mithin die Deputation noch nicht die Vollmacht erhalten hat, von sich aus neue Anträge zu bringen und neue Gesetzentwürfe auSzuarbeiten. Was das Wahlrecht anlangt, so liegt der Antrag der fortlchrilt- ichcn Bolkspartei Nr. 386 vor, der sich mit den, sozialdemokratischen Aittrag Nr. 8 von, 11. November 1915 deckt. Der Antrag ist heute unter audcrm dainit begründet worden, daß die allgemeine Wchr- pflicht auch die Einführung des allgemeinen Wahlrechtes verlangt. In dem Deutschen Reiche, für welches ja die allgemeine Wehr iflicht gilt, gilt auch das allgemeine Wahlrecht, dem Deutschen Reich gegenüber wäre demnach der Forderung genügt. Ich kann aber nickt wgebcn, daß deswegen, weil jeder Deutsche die Verpflichtung hat, ein Vaterland zu verteidigen, er auch einen persönlichen Anspruch auf das allgemeine gleiche Wahlrecht besitzt. In, sächsische»» Landtage kommt die allgemeine Wehrpflicht nicht als Beratungsgegenstaud in Frage, sic stcht mit unseren Aufgaben nicht im Zufammenhwg. Wohl aber stehen unsere Aufgaben wesentlich im Znsammcnhaug nit der Stcuerpflicht. Ta ist es beachtlich, daß die Finanzen des äcksischcn Staates aufgebaut sind aus eine sehr starke progressive ünlomniensteuer. Es würde mir daher verständlicher erscheine!!, wenn die Majorität dieses Hauses, die seinerzeit zu dieser progressiven ünkommenstcner ihre Zustimmung gegeben hat, Bedenke»» trüge, >as Steuerbewilligungsrecht in die Hand einer Partei zu lege«, die bei» Truck der progressiven Steuer nicht ii» den» Maße cmpsindct wie die anderen. (Vizepräsident Fräßdorf: Nicht empfindet! — Zu rufe rechts: Progression!) Es liegt mir fern, hierbei von einem Recht des einzelnen zn reden. Ich möchte überhaupt davor warnen, das Wahlrecht als ein persönliches Recht zu bezeichnen, und kann nicht zngcben, daß hierbei )er Gesichtspunkt der Gerechtigkeit, »vie ihn Hr. Vizepräsident Fraß- >orf in so temperamentvoller Weise betont hat, ausschlaggebend lei, in den» Sinne, daß der einzelne Staatsbürger den Anspruch aus das allgemeine gleiche Wahlrecht erhalte. Ich glaube, daß hier eine Ver wechslung vorlicgt zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit. Das Wahl recht ist den» einzelne»» nicht gegeben, damit er seine Eiuzelintcrcisei» »m Staate vertritt, sondern dainit der von ihn» gewählte Abgeordnete das Wohl des Staates nach Pflicht und Gewissen in» Landtag zur Geltung bringt. Bei welchem Wahlrecht dies nun an» besten geschieht, welches Wahlrecht das geeignetste für ein Land ist, ist für jedes Land ver schieden zn beantwottcii. Es ist bereits gesagt worden, das allgemeine Wahlrecht wirkt in Rußland anders als in Sachsen nnd in Sachsen anders als in Bayern. (Abg. Müller (Zwickau): Es ist aber überall das gerechte!) Es kommt meiner Ansicht nach nur darauf an, daß daS Wahlrecht ein richtiges Bild von der Stellung gibt, die die wich- tigen Berufsstande des Landes einnehmen, nnd wenn ich mir dann vorstclle, daß das gegenwärtige Wahlrecht den» Arbeiter nahezu ein Drittel der Plätze dieses Hauses einräumt, so glaube ich, daß den» Arbeiterstunde damit der ihn» durchaus gebührende Anteil an der Gesetzgebung sicheraestellt ist, (Widerspruch bei den Soz.) und zwar um so inehr, als bei dein voraussichtlich sinkenden Geldwerte die Verschiebung zugunsten des Arbeiterstandcs noch weiter eintreten wird. (Sehr richtig! rechts nnd in der Mitte.) Auch für eine Neueintcilung der Wahlkreise kann ick mich nicht erklären. Tie Aufrechterhaltung des Unterschiedes zwischen städti schen und ländlichen Wahlkreisen war eine wesentliche Bedingung für das Zustandekommen des Kcnnpromisses, von den» Hr Abg. Hettner vorhin gesprochen hat. (Sehr richtig! rechts.) Es scheint mir aussichtslos, an de»» Grundlagen, auf denen damals eine Ver ständigung aufgebaut worden ist, zu rütteln. M. H.! Das Wahlgesetz ist damals, als es geschaffen worden ist, allgemein als ein großer liberaler Fortschritt angesehen worden, und deswegen ist es durchaus falsch, wenn unS vorgeworfen »vird, daß wir der preußischen Entwicklung nackhinken. DaS sächsische Wahl recht ist viel moderner und liberaler als das preußische (Abg. Nitzschke (Leutzsch): Sehr richtig!), und wir wollen erst einmal abwarten, was für ein Wahlrecht in Preußen geschaffen wird. Es ist aber auch noch nicht abzusehen, wie unser sächsisches Wahl recht endgültig wirken »vird. Tas Wahlrecht ist überhaupt erst ein mal angcwendet worden. Seit der Zeit haben sich die Verhältnisse auch noch geändert; wie ich bereits erwähnt habe, ist der Geldwert gesunken, wir haben auch keine statistischen Unterlagen darüber, wie das Wahlrecht wirkt, deswegen möchte ich dringend bitten, diesem Antrag nicht näher iu Keten. Der Anttay Castan Nr. 8 beschäftigt sich auch »nit der Städte- ordnung, Geme»ndeordnung und dem Organisationsgesetz. Ich will nicht bestreiten, daß auch auf dem Gebiete der Gemeindeverfassnng gewisse Verbesserungen angezeigt sind, möchte aber heute nicht näher darauf eingehen. Sie werden sich doch bewußt sein, daß jeder Ver such, die Zusammensetzung in der Vertretung der größeren und kleineren Gemeinden zu ändem, ein so starker Eingrisf in die Selbst verwaltung der Gemeinde bedeutet, daß »vir ihn vor einaehendem Gehör der Gemeinden nicht Vorschlägen können. ES wird daher erst notwendig sein, daß »vir die Gememden hören, aber sie jetzt zu hören, ist ganz ausaeschlossen, denn sie haben jetzt dringendere Aufgaben zu lösen, als sich mit ihrem Wahlrecht zu beschäftigen. (Vizepräsident Fräßdorf: Da könne»» wir lange warten!) Run komn»e ich zu den Ankägen Lettner und Bär, die fick beide mit der Reform der Ersten Kammer beschäftigen. Daß die Regierung die Reform der Ersten Kammer für notwendig hält, daß sie ins besondere die Wünsche von Industrie, Handel unck Gewerbe für be rechtigt hält, eine geordnete Vertretung in der Ersten Kammer zu
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