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Frankenberger Nachrichtsblalt IZ6 Somobend, dm 17. Rodewber. ' »8^ und Bezirksanzeiger. Mtsh^tt der König!. AmHhMtmqnnschast Flöha, des König!. Gerichtsamts und des StadtrathS zu Frankenberg Erscheint wöchentlich drei Mal. Vierteljährlich iz Mark. 3u beziehen durch alle Buchhandlungen und Post-Expeditionen. Die Vst ah l. Erstatteter Anzeige zufolge ist in den letzten Tagen des vorigen Monates ein 4 bis 5 Meter langer und etwa 15 Centim. starker Stamm — Esche —/welcher längere Zeit hindurch vor einer Gutswohnung zu Mühlbach im Dorfbache gelegen, spurlos entwendet worden, was zur Ermittelung des 'Thäters und Wiedererlangung des gestohlenen Gegenstandes andurch bekannt gemacht wird. Frankenberg, am 14. November 1877. Das Königliche Gerichtsamt. Wiegands Schubert. Heümktage aus großer Zeit. 1870. 15. Novbr.: Aus Grund der in Versailles gepflogenen Ministerverhandlungen treten die Großherzogthümer Ba- den und Hessen zum Norddeutschen Bunde. 17. Novbr.: Siegreicher Kampf der unter dem Groß. Herzog von Mecklenburg.Ichwerin stehenden Truppen bei Dreux (ca. S Meilen westlich von Paris). Der Feind wird nach Le Mans zu verfolgt. — Gefecht sächsischer Infanterie bei Ville Evrard vor Paris. Wochenschau. Es ist keine Jliade, welche der künftige Sän ger des gegenwärtigen russisch-türkischen Krieges wird dichten können, sondern nur eine Odyssee voll Gefahr und Irrung. Kein Sieg im großen Styl zeigt hier, daß der Krieg auch seine Ehre hat, kein klug errungener und muthvoll behaup teter Erfolg hat im Verlaufe eines sechsmonat lichen, überaus blutigen Feldzuges auch nur eines Feldherrn Größe zu Tage treten lassen. Auf beiden Seiten gleiche Tapferkeit, auf beiden Seiten gleicher strategischer Unstern — so lau tet das Urtheil der Kenner, welches durch den ferneren Gang der Ereignisse schwerlich mehr Wandel erfahren wird. In Armenien hat Mouhktar Pascha, der zu früh den Beinamen „El Ghazi" erhalten und als ein fliehender „Siegreicher" eine traurige Rolle spielt, die Trümmer seines Heeres trotz aegentheiliger Nachricht noch nicht wieder zu sammeln vermocht. Der Unwegsamkeit des Lan des hat er es zu danken, daß die russischen Ver folger nur langsam und nicht in erdrückender Zahl ihm nacheilen können. Gegen Kars ist das russische Geschützfeuer unausgesetzt gerichtet; das stärker befestigte Erzerum hat aber vorläu fig nichts für feine Umwallungen zu fürchten, da^die Russen zur Zeit noch außer Stande sind, die" schweren Belagerungsgeschütze auf so weste Strecke von ihrer Operationsbasis zu entfernen.. In Bulgarien hat die Sachlage seit einer Woche keine Veränderung erfahren. Osman Pascha wartet in Plewna auf Entsatz und be reitet sich vor, falls dieser ausbleiben sollte, durch die feindlichen Reihen sich durchzuschlagen. Ueber die Verproviantirungsverhältnisse Plewna's liegen die widersprechendsten Nachrichten vor. Bald heißt es, daß die Vorräthe nur noch für ivenige Tage, bald, daß sie noch für mehr als einen Monat ausreichen. , . Die Montenegriner haben einen neuen glücklichen Handstreich gemacht, indem sie das Fort Sutorman wegnahmen, welches die Stadt Antivari beherrscht. Ihre Absicht,.WM dahin, zu gehen, einen Hafenplatz zu gewinnen. Frag lich ist nur, ob Oesterreich eine solche Ausdeh nung des Nachbarläydchens dulden wird. Die Gerüchte von Friedensvermittelungen meh ren sich, finden aber wenig Glauben. Die For derungen, welche man Rußland zuschreibt — Selbstständigkeit Bulgariens, Bosniens und der Herzegowina^ Abtretung des Gebietes von Ba- tum, freie Dardanellen-Durchfahrt für russische Kriegsschiffe, Verpfändung der türkischen Panzer flotte für die zu zahlende Kriegscontribution — sind derartig, daß die Pforte dieselben nicht zu gestehen kann, und was andererseits die Pforte bietet, ist fast Null. Die Friedenshoffnung stützt sich hauptsächlich auf eine Intervention dritter Mächte, und unter diesen steht als nächstbethei- ligt England voran. Lord Beaconsfield's (Disraeli's) schon mitgetheilter Rede beim Lord- mayors-Banket in London gegenüber hat selbst verständlich Gladstone als Führer der türksn- feindlichen Opposition baldigst Gelegenheit ge nommen, de r Ausführungen des Premierministers entgegenzutreten. In Frankreich spitzen sich die Gegensätze immer mehr zu. Die Majorität der Kammer zeigt sich durchaus nicht so versöhnlich, als man anfänglich vermuthet. Ihre erste That war es, einen Antrag Albert Grsvy's, eines Neffen des Kammerpräsidenten, für dringlich zu erklären, welcher die Einsetzung einer Üntersuchungscom- mission für die während der Wahlperiode vor gekommenen Umtriebe verlangt. Obgleich Gam betta klugerweise hervorhob, daß eine solche Un tersuchung lediglich auf die verfassungsmäßig verantwortlichen Personen, nicht aber auf die Person des Marschallpräsidenten abziele, erklärte letzterer sich doch mit seinen Ministern solidarisch und weigerte sich, die von denselben eingereichte Entlassung anzunehmen. Die Rechte des Sena tes dagegen hat sich unumwunden für die Poli tik des Marschalls erklärt und will dieselbe un bedingt unterstützen. Die Sprache der Presse beider Parteien wird immer drohender, und ziemlich ohne Scheu wird die Frage erwogen, ob man nicht Gewalt der Gewalt entgegensetzen, ob die Kammer eine zweite Auflösung, sich ge fallen lassen solle. Die Entwickelung der Dinge ist noch gar nicht abzusehen. In Italien ist die schleichende Ministerkrise noch nicht zum Ausbruch gekommen, aber der Ministerwechsel ist stündlich zu erwarten. Wie wir s. Z. gemeldet, ist es fast außer Frage, daß der jetzige Präsident der Deputirtenkammer, Crispi, das Portefeuille der auswärtigen Ange legenheiten erhalten, wird. In Oesterreich-Ungarn hat das lebhafte Bedürfniß, die Handelsbeziehungen zum Deut schen Reich zu regeln, zu dem Entschlusse ge führt, die bezüglichen Verhandlungen wieder an- WMpsen. Der Ausgleich zwischen den beiden Retchshälften ist zwar noch nicht zu Stande ge kommen, ooch ist nicht zu zweifeln, daß es in .Bälde geschehen wird. Man ist eben gezwun gen, zu einer Einigung , zu gelangen, weil sonst der ganze staatliche.Bestand der Monarchie in Frage käme, und unter solchem Drucke wird man hüben wie drüben wohl oder übel nach- geben. Im Hinblick auf den abzuschließenden deutsch österreichischen Handelsvertrag, der zugleich für die übrigen deutscherseits eiNzugehenden Verträge als Muster und Grundlage dienen würde, ist bei uns die schutzzöllnerische und freihändlerische Agi tation lebhafter als je. Im.Uebrigen hat die innere Reichspolitik Ferien. Was die auswär tige Politik anlangt, so gilt wohl ein Gleiches, wenn wir auch das Gerücht nicht unerwähnt lassen dürfen, daß Deutschland Friedensvermtt- telungsversuche gemacht habe. Örtliches und Sächsisches. Frankenberg, 16. November 1877. — Der Neichstagsabgeordnete unsers Wahl kreises, Hr. Handelskammersecretär Nr. Gensel, wird morgen Abend im Saale des Gasthofs zum Schwarzen Roß der Wählerschaft unsrer Stadt und ihrer Umgebung über die letzte Session des Reichstags Bericht erstatten und dabei, in Be rücksichtigung unsers so industriereichen Bezirks, besonders auf die Reform der Gewerbeordnung, die den letzten Reichstag mit beschäftigt hat, Be zug nehmen. Dieser Umstand allein schon läßt wohl zahlreichen Besuch der Versammlung er warten, die nur zur Abkürzung des Eröffnungs verfahrens in der Form einer öffentlichen Ver sammlung des hiesigen Reichsoereins, dessen Can- didat Hr. vr. Gensel bei der Wahl war, ein berufen worden ist, für die aber der Besuch aller seiner Wähler erwünscht ist. — Wie schon im Jnseratentheile der letzten Sonnabends-Nummer d. Bl. ersichtlich war, hat der Gewerbeverein seine Bibliothek, nachdem ihm zu diesem Zwecke eine Staatsunterstützung ge währt wurde, zur Volksbibliothek umgewandelt, welche nicht nur den Mitgliedern des genannten Vereins, sondern nunmehr auch allen erwachsenen Personen zur unentgeltlichen Verfügung steht. Der Gewerbeverein ist denn auch in der Lage gewesen, einestheils durch die Staatsbeihilfe, an- derntheils durch die etatmäßige Verwilligung eines ansehnlichen Jahresbeitrags aus der Ver einskasse, eine Anzahl neuer Werke anzuschaffen (sowohl classischen und belletristischen, als auch geschichtlichen und geographischen Inhaltes) und dadurch ist er in vermehrtem Maße noch als bisher im Stande, seinen Theil zur Volksbil dung beizutragen. Erfreulicherweise sind der Volksbibliothek auch schon von mehreren Pri vaten Schenkungen an Werken zugeganaen — ein anerkennungswerther Act, den wir recht gern hier registriren und der wohl zur Nachfolge Veranlassung bieten wird, da sich gewiß in mancher Privatbibliothek Doubletten oder solche