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begütert ist und die dortigen Verhältnisse genau kennt, mag wohl Recht haben, wenn er sagt, daß Rußland der Erkenntniß besserer volks- mirthschaftlicher Principien sich deshalb ver schließ«, weil die Grenzsperre für zahlreiche rus sische Beamte eine Quelle unerlaubten Gewinns bil det. Die Rüstungen nehmen ihren Fortgang au der russischen Seite sowohl als in der Türkei welche die feste Absicht zeigt, wenigstens nich rühmlos zu unterliegen. Am Pruth wie an der Donau hat die Ausstellung der feindlichen Mas sen begonnen, die so manchesmal schon dort sich zuerst gegenüber getreten sind. Von der Ver fassung, mit welcher Midhat Pascha das osma Nische Reich beglücken wollte, ist es ganz still geworden, und Diejenigen scheinen Recht behal ten zu sollen, welche dem Großvezier die Verei telung dieser Reformpläne zuschrieben. Wie es heißt, hat der Großvezier an den Großherrn selbst appellirt, ob dieser eine Beschränkung sei ner Befugnisse, wie Midhat Pascha solche vor schlug, billigen wolle. Sultan Abdul Hamid soll darauf erklärt haben, daß die Entscheidung hierüber bei seinen Nachfolgern ebenso wie be ihm selbst liege. Die Brüder des Sultans, als präsumtive Thronerben, wurden um ihre Mei nung befragt und deren ablehnender Bescheid soll das Constitulionsobjekt zum Scheitern ge bracht haben. Die Vorconferenz hüllt sich in geheimnißvolles Schweigen. Die 2 Monate des Waffenstillstan des sind bald vorüber, und noch hat sie keine greifbaren Resultate geliefert. Eine Verlänge rung des Waffenstillstandes ist nothwendig und wird wohl auch wenig Schwierigkeiten finden. In Frankreich bereitet sich nach kaum über standenem Ministerwechsel eine neue Minister krise vor. Dieses üppig reiche Land scheint ebensowenig wie vor 2000 Jahren die Gallier einen Zustand innerer Ruhe vertragen zu können. Die Weltausstellung kommt trotz der Ableh nung Deutschlands, sich an derselben zu bethei ligen, zu Stande. OertlicheS und Sächsisches. Frankenberg, 22. December. — Bekanntlich sind am 1. April d. I. Kirche und Diaconat zu Altenberg im sächsischen Erzgebirge durch Brand zerstört worden. Alten bergs Bewohner (2160 Seelen) sind nicht im Stande, den Fehlbetrag fürvden Kirchenbau, der sich auf 25—30,000 M. beläuft, aufzubringen. Das K. H. Cultusministerium hat deshalb ge stattet, daß am 2. Weihnachtstage dieses Jahres in allen Kirchen Sachsens eine Collecte gesammelt werde für das notorisch arme Gebirgsstädtchen. Wir wissen, daß die Leser unseres Blattes, daß ganz Frankenberg offene Herzen und Hände hat, zu geben den Dürftigen, und wir wollen somit auch an unserm Theile beitragen, auf diese Collecte Jedermann aufmerksam zu machen. — Obwohl dies Jahr der Weihnachts-Heilig abend auf einen Sonntag fällt, wird bei hiesi gem Postamt an diesem Tage, wie an jedem gewöhnlichen Wochentage, Vormittags 8—12 Uhr, Nachmittags 2—7 Uhr expedirt> «erden, um die erfahrungsgemäß an diesem Tage starke Einlieferung von Päckerei nicht aus wenig Stunden beschränken zu müssen. — In der gestrigen Sitzung des Stadtver ordnetencollegiums wurde nach langer und be lebter Debatte conform dem Rathsbeschlusse aus gesundheit-sicherheitlichen und allgemeinen po lizeilichen Gründen die Erhöhung der Hundesteuer auf 15 M., auf Antrag aus der Mitte des Collegiums die Ausdehnung dieses Satzes auf Hunde aller Art beschlossen. — Aus der Nachbarstadt Hainichen wird uns mitgetheilt, daß sich nach dem Vorgehen von München und Leipzig auch dort, auf Anregung der Schutzgemeinschaft und des Gewerbevereins, eine freie Vereinigung für Baarzahlung gegrün det bat. Die täglich wachsende Betheiligung bewerft die Nothwendigkeit einer derartigen Ver einigung auch für kleinere Städte und ist im Interesse des Ganzen ein allgemeines Vorgehen in dieser Richtung um so wünschenswerther. Die "Agitation für Baarzahlung, welche in Leipzig durch die Gemeinnützige Gesellschaft au Anregung ihres Vorsitzenden vr. Gensel in Scene gesetzt worden ist, hat bisher den Erfolg gehabt, daß gegen 1200 Personen ihren Beitrit zur Vereinigung, welche die Baarzahlung einfüh ren will, erklärt haben. Wenn bis jetzt nur die Meinungen der Presse über die Compromißverhandlungen wegen der Justizgesetze verlautbart worden sind, ist es von großem Interesse, auch einmal ein Urtheil vom kaufmännischen Standpunkte zu hören. Dem Lpz. Tgbl. geht aus den Kreisen der Leipziger Kaufmannschaft folgende Stimme zu: Seit der Berathung über das Heergesetz war das Inter esse des allgemeinen Publikums den Verhand lungen im Reichstage nicht so aufmerksam zu gewendet, wie in den letzten Wochen aus Anlaß der großen Justizgesetze. Wir glauben, nirgends wäre das Scheitern dieser Reformgesetzs schmerz licher empfunden worden, als gerade in unserer Stadt, deren Bewohner, in Folge ihrer weitver zweigten Handelsbeziehungen seither die Bunt- scheckigkeit des Nechtswesensin Deutschland schwer beklagt haben. Aus diesem Grunde wird denn auch hier das Zustandekommen der Justizgesetze mit Befriedigung ausgenommen werden. Die Bestimmungen, an deren Nichtgenehmigung der Bundesrath unter allen Umständen festhalten zu muffen glaubte, sind gewiß sehr wichtig, doch nicht so durchschlagend, als daß es sich gerecht fertigt hätte, daran die ganze Reform zu Grunde gehen zu lassen. Im Publikum sind es nament lich zwei Gesichtspunkte, für die man volles Ver- ständniß hat. Man weiß den Segen der nun hergestellten Rechtseinheit im ganzen deutschen Reiche zu würdigen, und es herrscht ferner eine angenehme Stimmung darüber, daß endlich die Civilproceßordnung des Königreichs Sachsen, deren Mängel noch jüngst im hiesigen Kauf männischen Verein von sehr competenter Seile beleuchtet wurden, von der neuen Reichs Civil proceßordnung abgelöst wird. Der schnellste Eisenbahnzug in Deutschland verkehrt gegenwärtig zwischen Dresden und Berlin. Es ist dies der Schnellzug der Berlin- Dresdner Eisenbahn, welcher jüngst das säch sische Königspaar von Dresden (über Elster werda und Zossen) nach der Hauptstadt des Reichs führte, in Dresden Vorm. 10 Uhr 5 M. abgeht, bereits 12 Uhr 56 M. in Berlin ein trifft und, von Berlin sodann Nachm. 4 Uhr 15 M. abgelassen, Abends 7 Uhr 9 M. wieder in Dresden ankommt. Dieser Schnellzug legt also die 176 Kilometer betragende Strecke zwi- chen Berlin und Dresden (mit nur einem ein-' maligen Anhalten in Elsterwerda) nahezu in 2H Stunden zurück und empfiehlt sich außerdem durch sehr comfortable und praktische Einrich tung seiner Wagen, sowie durch billige Fahr preise, verdient sonach die Beachtung des reisen- )en Publikums im vollsten Maße. 'Aufgepaßt! Nach 8 1017 und 1018 des Ärgerlichen Gesetzbuchs verjähren Geschäftsfor derungen der Gewerbtreibenden, Gastwirthe, Kaufleute, Aerzte, Apotheker, Künstler, Lohnfor- zerungen aller Art rc. in drei Jahren. Es er löschen also mit Ablauf des 31. December 1876 alle dergleichen Forderungen, welche im Laufe des Jahres 1873 entstanden sind. Unterbro chen wird die Verjährung durch Anmeldung der Klage bei Gericht. Miethzins unterliegt nicht )er kurzen Verjährung von drei Jahren, son dern oer langen (30 Jahre). Vom Reichstage. Der Verhandlungen der ersten Tage dieser Woche ist bereits in der Wochenschau Erwäh nung gethan. Wir können heute nur noch in Kürze mittheilen, daß in der Sitzung vom 21. der Reichstag in Dritter Lesung oie Strafprd- ceßardnung nach dem Compromißanträg und ebenso das Einführungsgesetz dazu annahm. Die Civilproceßordnung und die Coneursordnung wurde «» blue angenommen, dergleichen die dazu beantragten Resolutionen. Bei nament licher Gesammtabstimmung über alle vier Ge setze nebst Einführungsgesetzen wurde das Ge- richtsverfaffungsgesetz mit 194 gegen 100 Stim men genehmigt, die übrigen Gesetze, da nicht Namensabstimmung ersolgte, mit anscheinend gleicher Majorität angenommen. Der-Reichs- kanzleramts-Nräsident verlaß darauf eine kaiser liche Botschaft, wonach der Kaiser Freitag Nach mittag die Sitzung persönlich schließen wird.. Präsident von Forckenbeck schloß darauf die Si tzung mit einem dreimaligen Hoch auf den Kaiser. Vermischtes. Der Vater des früheren Reichstags-Präsiden ten Simson ist zu Königsberg im Älter von 93 Jahren gestorben. Die Reichs-Wein-Probe hat am Sonntag un ter Betheiligung der Reichstagsmitglieder aller Fractionen, ausschließlich der socialdemokratischen, stattgefunden. Weit über 1000 Flaschen waren aus den verschiedensten Weinbau treibenden Thei len Deutschlands eingesandt worden und darun ter alle Qualitäten, vom verrufenen Grüneber ger bis zu den Perlen des Rheingaues, vertre ten. Die Schaumweine der Fabriken am Rhein, Main und der Unstrut (Freiburg) — nur deutsche wurden gereicht — fanden großen Beifall und mannigfache Bestellungen auf diese Fabrikate lassen in den betreffenden Kreisen hoffen, daß die deutsche Schaumweinfabrikation durch die An erkennung, die sie sich hierbei erworben, erneut unterstützt werden wird. Die Meißner Weine, welche die kgl. Dominialkellerei m Dresden und Hr. v. Nostitz-Wallwitz geliefert hatten (eine Sendung aus Meißen selbst traf nach der Probe erst ein), fanden nach Berliner Blättern viel fachen Beifall und retteten das Ansehen des ächsischen Weinbaues. Die genannte kgl. Kel- ereiverwaltung hatte je 15 Flaschen rothe und weiße Auslese gesendet, Jahrgang 1874, von >en Hoflößnitzer Weinbergen. Derselbe stellt ich im Einzelverkauf auf 130 Pf. die Flasche. §s ist der älteste dortige Wein, da der Absatz m kgl. Kuffenhause zu Dresden ein so starker st, daß ältere Weine gar nicht zu halten sind. Die billigste Rothweinsorte, Cossebaude 1875, wird mit 1 M. pro Liter verkauft und in we nigen Monaten abgesetzt sein. Die heurige Wein-? ernte war eine sehr geringe; kaum 2100 Liter Noth- und 16,000 Liter Weißwein wurden ge gen 72,000 Liter Roth- und 39,400 Liter Weiß wein im Jahre 1875 Heuer geerntet. In Turin ist der Chocoladenfabrikant Gari- glio auf offener Straße am Hellen Tage von >wei Mädchen erdolcht worden; das eine hielt ihn, das andere führte den Dolch-, der sie für verschmähte Liebe rächen sollte. Die Petroleumpreise sind fortgesetzt im Stei gen begriffen. Die Quartflasche kostet in Ber- in bereits 70 Pf. Die Vereinigung der ameri kanischen Petroleumbarone scheint diesmal fester zu sein als je zuvor. Das Verfahren derselben st um so tadelnswerther, als ihnen daraus nicht entfernt in dem gleichen Grade Vortheil ent-, pringt, als dem großen consumirenden Publikum Schaden. Denn um den hohen Preis aufrecht erbalten zu können, sind sie gezwunaen, einen großen Theil des Ertrages ihrer Petroleum quellen für sich und andere ungenützt verfließen u lassen. In Rußland sind die Konsumenten ast ausschließlich auf zwei Petersburger Kaus- eute angewiesen, die auf der Messe zu Nischni« Noogorod, bekanntlich der größten russischen, alles Petroleum aufgekauft haben, was nur auf zutreiben war und es zu 54 Rubel ö 40 Pfund verkaufen. Ihr Gewinn ist ungeheuer, wenn re ihn auch mit vielen stillen Leuten theilen müssen, deren Hände sie vergolden müssen.