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gutachtung vorgelegt. Es ist nicht zu verkennen, daß die einer Betheiligung an der Weltausstel lung ungünstige Meinung immer mehr an Boden gewinnt. Die Bedeutung dieses Umstandes ist um so größer, als eine etwaige Ablehnung seitens des deutschen Reichs leicht auch die Ablehnung seitens anderer Länder zur Folge haben und somit das ganze Unternehmen gefährden könnte. Das würde jedenfalls nicht dazu beitragen, die freundnachbarlichen Beziehungen zwischen Deutsch land und Frankreich herzlicher zu gestalten. In der in voriger Woche beim Staatsgerichts hofe wieder aufgenommenen Verhandlung ist Graf Harry v. Arnim wegen Landesverrath, sowie wegen Beleidigung des Kaisers und des Fürsten Bismarck zu 5 Jahren Zuchthaus ver- urtheilt worden. Der Bundesrath hat beschlossen, mit Belgien eine Vereinigung über gegenseitigen Musterschutz herbeizuführen. In München wurden am 9. d. M. zwei Mör der durch das Fallbeil hingerichtet. Die Regierung in Düsseldorf macht das Publi kum aufmerksam, daß sich in neuester Zeit die Klagen über häufig und in großartigen. Um fange vorkommende Mehlverfälschung mehre. Es ist Mehl confiscirt worden, das bis zu 10 K Gips, Kalk, Schwerspath u. dergl. enthielt, wel cher Mischstoff sogar zu einem besondern Handels artikel unter den Bezeichnungen „Kunstmehl" oder auch „Lenzin" gemacht worden ist. Na mentlich von Holland aus soll die Einführung sogenannten Kunstmehls erfolgen. Schweiz. Der in den letzten Tagen des vorigen Mo nats in Genf abgehaltene internationale Con- greß für Sonntagsheiligung beschloß u. A. in einer Sitzung, welche auch von Vertretern von Eisenbahngesellschaften und Handelskammern wie von Ingenieuren zahlreich besucht war, zunächst in allen Ländern dahin zu wirken, daß eine Ein schränkung des Güterverkehrs auf der Eisenbahn am Sonntag erreicht und den Bediensteten ein Theil der Sonntage freigegeben werde. Nament lich fand der Vorschlag allgemeine Zustimmung, daß Frachtgüter am Sonntag gar nicht und Eilgüter nur bis 9 Uhr Vormittags angenom men und abgegeben werden sollten. England. In allen englischen Kriegshäfen wird eifrig gerüstet und alle auf Urlaub sich befindenden Officiere und Militärbeamten sind nach dem Mittelmeere zurückberufen. Die englische Flotte im Mittelländischen Meere ist mit doppelter Be mannung versehen — um nöthigenfalls, wie man glaubt, die türkische Panzerflotte, die un- thätig wegen Mangel an Geld, Ingenieuren und Mannschaft in Konstantinopel liegt, besetzen zu können. Türkei. Wie bei den Türken, so spielt auch bei den Rusten die Religion eine große Nolle in der jetzi gen Bewegung. Die russische heilige Fahne und die transportable eiserne Kirche werden im De- ligrader Lager von Truppe zu Truppe getragen und mit großem Gepränge vorgezeigt, nament lich werden hierdurch die Rusten außerordentlich aufgereizt. Mit den täglich ankommenden Rus sen langen auch russische Popen an. Der Belgrader, mit der Sache der Serben leb haft sympathisirende Berichterstatter der „Schles. Ztg." schreibt über die Russification Serbiens Folgendes: Wenn man von Belgrad schreibt, könnte man gleich dahinter setzen: „Gouverne ment Serbien"; wenigstens ist hier schon Alles russisch. Die Verwaltung richtet sich nur nach den Russen, beim Militär herrscht russische Sprache, russisches Commando, russische Officiere, — kurz Alles, und jetzt wird auch eine zweite russische Brigade gebildet, welche als integreren- der Theil der Morawaarmee, aber ziemlich selbst ständig operiren soll. Sobald die gegenwärtig noch hier casernirten russischen Freiwilligen der letzten Tage nach Deligrad abgehen, befinden sich dort 14 russische Brigaden (6000 Mann), 2 EScadronS Kosaken und 1 Batterie. Eine neue Don'sche Kosakenlegion ging am 1. Octbr. mit Pferden und voller Ausrüstung über Kla dowa ins Innere Serbiens ab. Zum Bel grader Stadtcommandanten wurde der russische General Dansdeville ernannt. Für Serbien is es übrigens als ein Glück zu betrachten, das Rußland so werkthätig eingreift; blieb es au sich allein angewiesen, wären die Türken schm weit über Tschuprija hinaus. Asien. Im abessynischen Kriege kam es Mitte Sep tember wieder zu einer blutigen Schlacht, die mit einer vollständigen Niederlage der Egypter endete. Es ist schlechterdings unmöglich, bei der Geheimnißkrämerei der obersten Militärbehörde in Cairo Näheres zu erfahren. Vermischtes. Der englische Luftschiffer Slott ist mit seiner Flugmaschine, mit der er über den Kanal von Dover nach Calais fliegen wollte, in Berlin eingetroffen, um, wie er angiebt, Flugversuche in Gegenwart des Fürsten Bismarck und des Grafen Moltke zu unternehmen. Die Reise über den Canal hat er aber nicht mit seiner Flug maschine, sondern mit dieser auf einem Dampf schiffe gemacht. Der Berg Arrarat ist 17,212 Fuß hoch und neulich von dem Engländer Bryce erstiegen worden. Den den Reisenden begleitenden Ko sacken war der Berg zu hoch, sie ließen Bryce unterwegs im Stich und er erstieg auf Händen und Füßen allein den Gipfel, auf dem die Be wohner der dasigen Gegend noch immer die Arche Noah's vermuthen. Nicht nur das Petroleum, sondern auch das Wachs wird theurer. An vielen Orten Ruß lands sollen einem Petersburger Blatte zufolge bedeutende Bestellungen auf weißes und gelbes Wachs gemacht worden sein. Die Bestellungen gehen von den Lebten und sonstigen Vorstehern katholischer Klöster und Kirchen in den verschie denen Ländern Europas aus. Für Rechnung der katholischen Kirchen Rußlands wird gleich falls Wachs angekauft. Da das hohe Alter und die schwankende Gesundheit Pius IX. dessen Ableben in nicht zu ferner Zeit erwarten lasten, und da nach dem Tode jedes Papstes in allen katholischen Kirchen der ganzen Welt während eines ganzen Jahres Tag und Nacht Wachsker zen in höchst beträchtlicher Anzahl brennen müs sen, so wird es begreiflich, wenn sich die Vor steher katholischer Kirchen und Klöster bei Zeiten mit den genügenden Wachsvorräthen versorgen. In diesen! Falle wird die Nachfrage übrigens noch um so viel gelber werden, weil in einer Congregation der Cardinäle der Beschluß gefaßt worden ist, zu Ehren Pius IX., als des ersten Papstes, welcher die Unfehlbarkeit verkündigt hat, in allen katholischen Kirchen des Erdballs drei Jahre lang Wachskerzen brennen. Der österreichische Ministerpräsident, Fürst Adolf Auersperg, ist kürzlich nach Maria-Zell gereist, uni für den dortigen Hauptaltar einen von ihm selbst gestickten prachtvollen Teppich zu spenden I Wenn des Engländers Peel Ausspruch richtig ist, daß dem Lande die größte Zukunft gehört, welches die größte Menge von Steinkohlen pro- duzirt, dann gehört Amerika und Asien die Zu kunft. Nach den neusten Abschätzungen umfassen die Steinkohlenfelder von Europa ein Gesammt- aebiet von 62,OM Quadrat-Kilometer. Unge fähr eben so groß sind die Kohlenfelder von Australien. Die Steinkohlenbecken von Nord amerika dagegen verbreiten sich nach einer Er mittelung auf 3M,OM ^Kilometer und nach einer andern sogar auf 500,OM (gleich der Oberfläche von Frankreich). Mindestens ein eben so großes Kohlengebiet hat Asien. In diesem Welttheil so wie in Nordamerika ist das selbe so gut wie noch nicht angegriffen und ent hält eine beinahe unerschöpfliche Menge von Kohlen. Die Erschöpfung der Kohle auf di* Erde ist daher nicht zu befürchten, wohl aber die gänzliche Veränderung des Schwerpunktes der Industrie. Zwei gräßliche Unglücksfälle werden aus Eng land gemeldet. Aus einem Eisenwerke platzte ein glühender Ofen. Eine ungeheure Menge heißer Kohlen und geschmolzenen Eisens ward auf eine bei dem Frühstück sitzende Schaar Ar beiter geschleudert und tödtete sechs Männer und ein kleines Mädchen, das seinen« Vater das Frühstück gebracht hatte. — Bei Cork ist letzten Sonnabend bei einem Sturme ein Boot mit 25 Insassen umgeschlagen; 16 Menschen verloren dadurch das Leben. Wenn man annimmt, daß das in den ver schiedenen Ländern Europas erzeugte Bier auch von dessen Bewohnern getrunken wird, so ent fielen 1874 auf den Kopf der Bevölkerung durch schnittlich Liter: in Anhalt 99, Belgien 158, Braunschweig 79, Baiern rechts des Rheins 297, Baiern links des Rheins 105, Baden 78, Bremen 134, Deutschland überhaupt 98, Dänemark 64, Elsaß-Lothringen 57, Frankreich 21, Großbri tannien 139, Hamburg 38, Hessen 86, Luxem burg 47, Mecklenburg 43, Niederlande 41, Nor wegen 34, Oesterreich-Ungarn 37, Preußen 58, Rußland 3, Sachsen 125, Schweiz 28, Schweden 22, Thüringen 130 und Würtemberg 219. I» r i » L li «» « t « n Die von verschiedenen Seiten auch an uns privatim schon gestellte und von uns beantwortete Ansrage, weshalb die Schilderungen der orientalischen Vorgänge in unsrer „Wochenschau" für die Türken und gegen die Serben und Russen Partei zn nehmen scheine», beantwortet die Quelle dieser Wochenschau, Klausner'« .„Deutsche Provinzial-Corre- spondenz", jetzt dahin: 1) Es ist unbestreitbar, daß der gegen wärtige serbisch-türkische Krieg von den Serben als ein Eroberungskrieg begonnen worden. Als Störer des euro päischen Friedens verdienen die Serben deshalb keine Sympathien. 2) Die Grausamkeiten, welche namentlich in Bulgarien vorgekommen sind, dürfen nicht nach euro päischem, sondern nach asiatischem Maßstab beurtheilt wer den, denn das türkische Reich gehört mit Einschluß seiner Vasallenstaaten dem Lulturstande nach durchaus nach Asten. Serben, Montenegriner und Baschibozuks stehen einander ganz würdig gegenüber. Es dürfte keinen wesentlichen Unterschied begründen, daß die Türken ihren Feinden die Köpft abzuschneiden lieben, während die aufständischen Slaven sich mit dem Abschneiden von Nasen und Lippen begnügen. 3) Die empörenden Mißhandlungen von Frauen anlangend, ist zu bedenke», daß im Orient die Frau völlig rechtlos und einer Sache gleich geachtet ist. 4) Wir sind mit den Feinden der Türkei der Ansicht, daß die europäischen Provinzen der Pforte unter der Herr schaft des Halbmonds für die Eivilisation nicht gewonnen werden können; wir sind aber ebenso fest überzeugt, daß es den Teufel durch Beelzebub austreiben hieße, wollte man die russiche an Stelle der türkischen Herrschaft fetzen. Für Verbreitung der Eivilisation kann nur ein ganz civili- sirter Staat sorgen, nicht aber ein Staat, der gleich dem russischen selbst zum überwiegenden Theile noch uncivili- sirl ist. 5) DaS deutsche Reich hat ein sehr lebhaftes In teresse daran, daß die Balkanländer und mit ihnen der Orient dem deutschen Handel offen bleiben. Eine Aus breitung Rußlands über die erwähnten Gebiete würde aber dort dieselbe Grenzsperre zur Folge haben, unter welcher der Handel in den östlichen preußischen Provinzen ohnehin schon schwer zu leiden hat. 6) Dieselben Staaten, welche über die Grausamkeiten der Türken in Bulgarien am lautesten ihre Entrüstung kund geben, nämlich Eng land und Rußland, haben bis auf die jüngste Zeit nie« mals Anstand genommen, die unerhörtesten Greuel zu be- ;ehen, wo ihr politische« Interesse solche« zu verlangen chien. Deß sind die centralasiatischen Besitzungen Ruß- and« und die indischen Besitzungen Großbritannien« Zeuge! Marktpreise. Chemnitz, 11. Octbr. W. Weizen (50 Kilo) 11 M. - Pf. bis 11 M. 65 Pf.; G. Weizen (50 H.) 10 M. 60 Pf. bis 11 M. 25 Pf.; Jnl. Roggen (50 K.) 9 M. 50 Pf. bi« 10 M. — Pf.; Fr. Roagen (50 K.) 8 M. 50 Pf. bis 8 M. 95 Pf.; Kocherbsen (50 K.) — M. - Pf. bis — M. — Pf.; Braugerste (50 K.) 8 M. 50 Pf. bi« 9 M. - Pf.; Futtergerste (50 K.) 7 M. - Pf. bis 7 M. 50 Pf.; Hafer (50 K.) 8 M. — Pf. bi« 8 M. 25 Pf.; Kartosteln (50 K.) 2 M. 25 Pf. bis 2 M. 50 Pf.; Heu (50 K.) 4 M. 50 Pf. bi« 5 M. - Pf.; Stroh (50 K.) 5 M. - Pf- bi« 5 M. 50 Pf.; Butter (1 K.) 2 M. 70 Pf. bi» 3 M. 20 Pf. Roßwein, 10. Octbr. Weizen (85 Kilo) 1b M. - Pf. bi« 19 M. 25 Pf.; Roggen (80 K.) 15 M. — Pf. bi« 15 M. 50 Pf.; Gerste (70 K.) 11 M. 50 Pf. iS 11 M. 75 Pf.: Hafer (50 K3 7 M. 80 Pf. bis 8 M. - Pf.; Erbsen (90 K.) -M. - Pf. biS-M. - Pf.; Butter (1 K.) 3 M. 12 Pf. bi, 8 M. 28 Pf.