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rantrellüerger UchrlchtMatt und Bezirksanzeiger. Amtsblatt der König!. Amtshauptmannschaft Flöha, des König!. Gerichtsamts und des StadtratHS zu Frankenberg. Erscheint wöchentlich drei Mal. Vierteljährlich 1j Mark. 3" beziehen durch alle Buchhandlungen und PvN - Exveonwnen. Bekanntmachung. Eines Neparaturbaues wegen ist der vom sog. hohen Steg ab auf dem Damm des Mühlgraben- hinfüh- rende, beim Hause des Herrn Fabrikanten Uhlemann in die Freiberger Straße einmündende Fußsteig von heute an .14 Tage lang für den Verkehr gesperrt. -l - Frankenberg, am 4. September 1876 DerStadtrath. I. Vertr.: Stephan, St.-R. Wochenschau. Während die Diplomatie des civilistrten Eu ropa immer noch zaudert, in Belgrad, Cettinje und Constantinopel den Machtspruch zu thun, welcher dem blutigen serbisch-montenegrinischen Freihettskampfe ein Ende machen könnt«, fährt das „heilige" Rußland mit einer allen Gesetzen des internationalen Anstandes Hohn sprechenden Dreistigkeit fort, die bethörten Opfer seiner raub- lüsternen Heuchelei in ihrem wahnwitzigen Thun zu bestärken und zur Fortsetzung des unseligen Krieges anzustacheln. Nicht mehr einzeln, son dern truppweise begeben sich russische Offiziere und Soldaten auf den Schauplatz des Kampfes, um in den Reihen der Aufständischen gegen die selbe türkische Negierung zu fechten, welche der offizielle diplomatische Vertreter des Czaren Tag für Tag mit Freundschaftsversicherungen belästigt und mit wohlwollendem Rath vor der Arglist der übrigen Großmächte zu warnen sich erfrecht. Zwar noch nicht mit klingendem Spiel und flie genden Fahnen marschiren die russischen Regi menter , aber die Presse von St. Petersburg und Moskau begleitet die ausrückenden Streiter des Panslavismus mit herausforderndem Säbel gerassel, das sich zu drohendem Lärm zu steigern pflegt, so ost diesen abkommandirten „Freiwilli gen" von den Behörden gewisser Nachbarstaaten, welche die Neutralität in anderer und gewissen hafterer Weise ausüben, als das moskowitische Gouvernement, Schwierigkeiten in den Weg ge legt werden. Das russische Kriegsministerium «rtheilt in liberalster Weise all den militärischen Untergebenen, die der Ruhm Tschernajeff's nicht schlafen läßt, den nöthigen Urlaub zu ihren be waffneten Spritzfahrten und führt sie gleichzeitig unter Beibehaltung von Rang und Sold in ihren betreffenden Negimentslisten weiter, nicht ohne ihnen für die „Privatcampagne" in Serbien ein beschleunigtes Avancement in Aussicht zu stellen. Europa sieht und weiß das Alles, aber keine seiner Regierungen hat bisher den Muth ge funden, gegen dieses Verhalten, das sich als offener Vertragsbruch charakterisirt, an der Newa Protest zu erheben. Im Gegentheil hat das Toben der russischen Presse genügt, um die so fortige Freilassung der in Ungarn angehaltenen und internirten russischen Abenteurer zu erwirken. Was vor acht Tagen von der seitens Ser biens angerufenen und von den Großmächten zugesagten Friedensvermittelung gemeldet wurde, erweist sich mehr und mehr als eine Comödie, die wahrscheinlich von dem russischen Consul in Belgrad ersonnen, von Herxn Nisttc aber jeden falls nur zu dem Zweck inscenirt ward, um die kriegerische Action der Türkei aufzuhalten und bis zum Eintreffen neuer russischer Unterstützung Luft zu bekommen. Wie anders soll man es sich erklären, daß Fürst Milan anfänglich für Serbien, nachträg lich auch für das öerbündete Montenegro die guten Dienste der Mächte nachsuchte, während wenige Tage später der Herr der Schwarzen Berge im Hinweis auf seine „Waffenerfolge" zuerst für sich, neuerdings auch „im Namen des serbischen Volkes" (»io!) jede Vermittelung zurückwies? Die Großmächte ihrerseits scheinen es mit ihrer Zusage gleichfalls nicht allzu ernst zu neh men. Bis jetzt sind nur die einleitenden Schritte zu einer vorgängigen Verständigung der Cabi- nete geschehen. Ehe man sich über die Ziele, Bedingungen und Formen einer gemeinsamen diplomatischen Intervention geeinigt haben würde, könnten mithin noch Wochen, ja Monate ver gehen, auch wenn der plötzliche Abgang des englischen Botschafters aus Constantinopel, dessen sechsmonatiger „Urlaub" im gegenwärtigen Mo ment offenbar die Bedeutung einer Abberufung hat, sowie der gleichzeitige Wechsel in der Ver tretung Frankreichs am Goldenen Horn nicht als lähmender Zwischenfall eingetreten wären. So stehen wir denn wieder am Schluß einer Woche, der neunten seit Beginn des serbisch türkischen Krieges, ohne daß ein Ende des grau samen Spiels abzusehen wäre. Immer noch ist auf den blutgetränkten Schlachtfeldern des Mo rawathals ein entscheidender Schlag nicht ge fallen. Wohl hören wir Tag für Tag von er neuten Gefechten, deren strategische Bedeutung bald von vem einen, bald von dem andern der streitenden Theile zu uugebührender Wichtigkeit aufgebauscht und regelmäßig von Beiden als Sieg über den Gegner angekündigt werden, allein je öfter sich diese Botschaften wiederholen, desto mehr fehlt uns oer Glaube an ihre Rich tigkeit. In den letzten Tagen sind es wieder die Serben, welche vor Alexinatz den Feind auf's Haupt geschlagen und aus allen Positionen auf dem rechten Morawaufer verdrängt haben wollen. Die telegraphischen Meldungen österreichischer und englischer Zeitungscorrespondenten stehen jedoch mit diesen Angaben der Belgrader Ne gierung in flagrantem Widerspruch. Das wichtigste Ereigniß der ganzen Woche wird uns aus Constantinopel berichtet. Dort hat am 31. v. M. der Ministerrath auf An trag Midhat Pascha's und mit Zustimmung des Scheich ul Islam dem neuen Sultan Murad einen neuesten Nachfolger in der Person, seines Bruders Abdul Hamid gegeben. Letzterer ist bereits officiell als Herrscher proclamirt worden. Die Feier der Thronbesteigung, d. h. auf tür kisch der Schwertumgürtung, soll in nächster Woche stattfinden. Bekanntlich hat der abge setzte Murad diese Ceremonie noch gar nicht einmal vollziehen können, da seine „Gemüths- krankheit" (äolirium äi-emens) dies nicht zuließ. Da er somit nur Sultan auf Probe gewesen, so wird seine Absetzung und die Thronbesteigung seines Bruders voraussichtlich ohne störendem Zwischenfall verlaufen. . . . Wenn wir nach dieser Rundschau aus dein Gebiet der orientalischen Wirren de» Blick auf unsere eigenen heimischen Verhältnisse zurück- lenken, so bietet sich uns außer der in allen Provinzen Preußen's, wie darüber hinaus im Reiche immer lebhafter sich entwickelnden Wahl agitation kaum ein Vorgang von allgemeiner Bedeutung, das JnSlebentreten der Patent- enquSte-Commission, deren erste energische Schritte, zur Ausarbeitung eines ReichspatemgesetzeS eW rasche und segensreich wirkende Lösung dieser wichtigen Frage hoffen lassen. Oesterreich begrüßte und bewirthete in diesen Tagen die zu Salzburg versammelten Mitglieder des deutschen Juristentages. DaS vereinte Streben der österreichischen und deut schen Rechtsgelehrten, welches bei dieser Gelegen- . heil eine neue Bekräftigung erfuhr, ist als star kes Glied in der Kette wissenschaftlicher und legis lativer Beziehungen, zu betrachten, welche Deutsch land mit dem durch Stammverwandtschaft und gemeinsame Bildungsquellen uns vor allen an deren Nationen so nahe stehenden Brudervolk« Deutsch-Oesterreichs so unauflöslich verbindet. Bei den jüngst in Frankreich stattgehabten Neuwahlen zur Deputirtenkammer — achtzehn Mandate waren bekanntlich zu Beginn der Ses sion wegen gesetzwidriger Wahlbeeinflussung kaf- sirt worden — hat die republikanische Majori tät acht neue Sitze gewonnen. Sieben Wahl kreise blieben ihren früher gewählten, monar chistisch gesinnten Abgeordneten treu, während' einer, Ajaccio, an Stelle Rouher's den demokra- tisch-imperiaMschen Prinzen JSrüme Napoleon zum Vertreter erkor. Zwei weitere Neuwah len stehen noch aus. — Nachdem auf Andringen ! der Kammer der Marschall-Präsident kürzlich mit dem Erlaß von Amnestiedekreten zu Gunsten . der minder schwer compromittirten Commune- Sträflinge begonnen, haben die Kriegsgerichte zur Abwechselung wieder einmal einen ehemali- < gen Beamten der Commune zum Tode verur- theilt. Sonst ist alles beim Alten. Die italienische Negierung ist, dem Ver nehmen der „Polit. Corr." zufolge, entschlossen, " die Kammer nicht jetzt, sondern erst nach Voti- rung der Wahlgesetze im Frühjahr aufzulösen. Eine Conferenz zwischen dem Ministerpräsidenten Depretis, dem Führer der Linken, Crispi, und n dem Führer der GMtums, Correnti, hat die die Regierung unterstützende Majorität befestigt. In Spanien setzen die Neactionäre ihren Kampf und ihre Jntriguen gegen das Mini- sterium mit den» Aufgebot aller Kräfte fort Und erwarten sehr bald die Frucht ihrer Anstrengung zu ernten. Während sich aber die Alfonisten - unter sich selber bekämpfen, wird die Monarchie ' von den Republikanern und neuestens von den Basken gehörig unterwühlt. Seit einiger Zeit werden zahlreiche Deportationen möglichst ohne Geräusch vollzogen; als die Opfer der Polizei aber, welche hauptsächlich im Süden große Thä- tigkeit entfaltet, wird man Anhänger der Re-