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-- - -- « Anlage M Ar 74 des Frankenberger Nachrichts-lattes 1876. Wochenschau. U. ? v Seitdem in vergangener Woche Kaiser Alexander von Rußland bei der Abreise von Ems zu seinem kaiserlichen Oheim die Worte gesprochen, daß nunmehr doch der Frieden Eu ropas gesichert erscheine, hat die vorherige Kriegs furcht einer allgemeinen Zuversicht Platz gemacht. Ja sogar jene Schlachtenmeldungen der beiden kriegführenden Parteien in den türkischen Grenz provinzen haben aufgehört, welche in ihrer Zu sammenstellung an die Münchhausen'sche Erzäh lung von den Löwen erinnerten, welche sich gegenseitig auffraßen und nur die Schwänze als Zeruen grausiger Kampfeswuth zurückließen. Die Insurgenten waten nicht mehr in Türken- blut-Bulletins, und die Türken mähen nicht mehr telegraphisch Jnsurgentenköpfe. So wären wir denn glücklich in den Hafen der politischen „8nisoo mortv" eingelaufen und wir dürfen darauf rechnen, daß dieselbe keine aufregende Unterbrechung erfahren wird, wenn wir auch darauf gefaßt sein müssen, die tür kischen Vasallenstaaten der offenen Empörung gegen ihren Lehnsherrn sich anschließen zu sehen. Nachdem die Großmächte entschlossen sind, eine solche Empörung als innere Angelegenheit der Türkei zu betrachten, welche jede Einmischung von Außen verbiete, dieselben auch eine Aen- derung in dem Besitzstände des osmanischen Reiches nicht zugeben wollen, so können wir die Völker in der Türkei auf einander schlagen lassen, ohne befürchten zu niüssen, daß wir in jenen „häuslichen Streit" hiueiugezogen werden. Dem preußischen Landtage, welcher am kommenden Donnerstag seine Sitzungen beenden soll, sind noch in letzter Stunde mehrere Vor lagen zugegangen, darunter eine wegen Ueber- nahme der Verwaltung der Berlin-Dresdner Bahn durch den preußischen Staat. Das Ab geordnetenhaus beseitigte die Vorlage für die gegenwärtige Session durch Uebermeisung an eine Commission. Im Aus lande ist in vergangener Woche recht wenig geschehen. Die Parlamente haben sich überall schon vertagt oder stehen doch un mittelbar vor der Vertagung. So ist der un garische Reichstag in die Sommerpause ein getreten, welche bis zum 28. September währen soll. — Oesterreich-Ungarn hat einen neuen Reichs-Kriegsminister bekommen, den Grafen von Bylandt-Rheidt, von dem in weiteren Kreisen nichts bekannt ist, als daß er seiner Zeit nach drücklich und mit Erfolg für die Anschaffung von Uchatius-Kanonen plädirt hat. — Wie in jedem Sommer wird Kaiser Franz Joseph auch diesmal mit den befreundeten Monarchen von Deutschland und Rnßland zusammentreffen. Die Begegnung mit Czar Alexander soll auf Schloß Reichstadt in Böhmen ungefähr am 10. Juli statthaben, die Zusammenkunft mit Kaiser Wil helm soll danach in Gastein erfolgen. In Frankreich hat die Ernennung Buffet's zum unabsetzbaren Senator die ruhige Ent wickelung der Verhältnisse nicht in dem gefürch- teten Grade zu stören vermocht. Der drohenden Gefahr gegenüber hat die sonst gespaltene Linke der Deputirtenkammer sich fest zusq-nmengeschlos- sen und bietet so dem Ministerium die gegen einen frondirenden Senat nothwendige Stütze. — Das Gesetz, welches die früheren Bestimmun gen über die Freiheit des höheren Unterrichts modifizirt, hat im Senat nicht auf Annahme zu rechnen, wenigstens zählt der Entwurf zwei Drittel der in die vorberathende Commission entsendeten Senatsmitglieder zu seinen Gegnern. — Der Schluß der Kammern ist auf die Mitte nächsten Monats festgesetzt. In Belgien zittern die Unruhen noch immer nach. Es ist jetzt eine umfassende Agitation im Gange, welche auf eine Aenderung des Wahl systems abzielt. In Spanien hat der Senat der angestreb ten Gleichstellung aller Landestheile sich wider setzt, indem er den Antrag auf vollständige Auf hebung der baskischen Fueros ablehnte. Jeden falls ist damit dem drohenden Bürgerkriege vor gebeugt. Ist die gegenwärtige Regierung erst fester fundirt, hat die vom Senat jetzt ange nommene Verfassung, welche die Fueros erheb lich beschränkt, erst Boden gewonnen im Bewußt sein des Volkes, so wird man ohne Gefahr ent schiedener vorgehen dürfen gegen den verderb lichen Provinzial-Partikularismus und Provin- zial-Patriotismus. Die Türkei hat den Insurgenten gegenüber eine günstigere Stellung dadurch gewonnen, daß sie die Festung Nikjic verproviantiren konnte. Auch hat die Pforte die Ruhezeit zn umfassen den Rüstungen und Truppenconcentrirungen be nutzt. Letztere finden trotz der ausgetauschten Freundschaftsversicherungen namentlich an der serbischen Grenze statt. Fürst Milan von Serbien ist in eigen- thümlicher Zwangslage. Er hat seinem armen Ländchen in der Hoffnung auf großmächtliche Unterstützung durch große Rüstungen erdrückende Geldopfer auferlegt, und muß nun den Verlust feiues Thrones befürchten, wenn er durch Ab rüstung dem Volke die Ueberzeugung aufdrängt, daß es vergeblich die schwersten Opfer gebracht. Fürst Milan dürfte unter solchen Umständen sich vicht veranlaßt fühlen, im Kriege sein Heil zu versuchen — mehr als die Krone kann ihn der Krieg ja auch nicht kosten. In den chinesischen Gewässern ist wie der ein Fall von Piraterie vorgekommen, dies mal gegen ein englisches Schiff gerichtet. Der Commandeur des dort befindlichen englischen Geschwaders ist von London aus angewiesen worden, genaue Untersuchung, Bestrafung der Schuldigen und Genugthuung zu verlangen. Vom Landtage. Die Zweite Kammer hielt am Donnerstag auch noch eine Abend-Sitzung ab, in welcher sie die Regierung zum Ankäufe der Chemnitz-Komo- tauer Eisenbahn zum Preise von 9,900,000 M. mit dem Vorbehalte ermächtigte, daß diese Er mächtigung erlöschen solle, wenn ein Kaufabschluß im Laufe dieses Jahres nicht zu Stande kommen sollte. Eine Anfrage des Abg. Biedermann we gen des Landtagsschluffes beantwortete Minister v. Friesen: der Landtag werde bis zum Schluß dss. Mts. verlängert werden, um den Kammern Zeit zu geben, die Finanzfragen sowohl, als auch die noch nicht erledigten Gesetze zum Ab schluß zu bringen. In der Freitags-Sitzung blieb die Kammer in der Schlußberathung über die den Religionsun terricht der Dissidentenkinder betreffende Peti tion mit 22 gegen 18 Stimmen bei ihrem frühe ren Beschlusse beharren: der Regierung eine Re vision des bezüglichen Paragraphen des Volks schulgesetzes zur Erwägung anheim zu geben. Die Minorität wollte wie hie Erste Kammer die Petition auf sich beruhen lassen. Sodann wurde der bezüglich des die Form der Eides leistungen betreffenden Antrags deS Abg. Leh mann im Vereinigungsverfahren vereinbarte und von der Ersten Kammer bereit- genehmigte Ver mittelungsvorschlag angenommen: die Regierung zu ermächtigen, eine Verordnung zu erlassen, wonach die Juden sich einer Eidesformel be dienen können, welche die Worte „bet Adonai, dem Gotte Israels" nicht enthalten, wonach sie ferner von der Bedeckung des Haupte- bei der Eidesleistung abseheu können. Eine Petition der Gemeinden Bühlau und Weißig, angebliche Uebergriffe des Militärs bei Felddienstübungen betreffend, wurde der Staatsregierung zur Kennt- nißnahme überwiesen. In der Sonnabend-Sitzung beider Kammern wurde ein kgl. Decret verlesen, wodurch der Landtag bis zum 30. d. M. verlängert und der Schluß auf Sonnabend, den 1. Juli, ange setzt wird. Die Erste Kammer genehmigte die zu der Gebührentaxe für die Kostenberechnungen der Verwaltungsbehörden erster Instanz und zu dem Gesetzentwürfe über die Schonzeit der Rebhühner aus dem Vereinigung-verfahren her vorgegangenen Compromißvorschläge und trat sodann ein in die Berathung der wahrend des gegenwärtigen Landtags eingegangenen Eisen bahnpetitionen. Zur Ausführung noch im Laufe der gegenwärtigen Finanzperiode wurden vor geschlagen die Linien Neukirch-Bischofswerda und Eibau-Oberoderwitz, zur Kenntnißnahme wurden der Regierung zu überweisen beschlossen Petitio nen um Ausführung der Staatsbahnen Geit- hain-Lausigk-Liebertwolkwitz,DreSden-Dippoldis- walde, MügUtzthalbahn, Großbauchlitz-Mügeln- Dahlen, Dresden-Wilsdruff-Noffen, Zwickau- Ä ülsen-Lichtenftein, Gürtelbahn Chemnitz, Witt« gensdorf-Limbach-Wüstenbrand, Königsbrück-Ka menz und Wilkau Kirchberg; auf sich beruhen sollen bleiben Petitionen um Ausführung der Linien Wolkenstein-Jöhstadt, Seitschen-Großeu- hain, Schwarzenberg-Cranzahl, Zittau-Friedland, Bautzen-Kottbus, Bautzen-Langenberg, Löbau- Weißwasser und Altenburg-Frohburg-Lausigk- Grimnia. Nach Schluß der öffentlichen Sitzung wurde noch eine geheime Sitzung abgehalten. Die Zweite Kammer blieb gegen 16 Stimmen bei ihrem früheren Beschlusse, das zu Erweite rung der Wirksamkeit der Oberrechnungskammer geforderte Nachpostulat von 18,350 M. abzu lehnen, stehen, ebenso einstimmig beim Beschlusse, die Regierung um Wiedervorlegung des zurück gezogenen Gesetzentwurfs über die OberrechnungS- kammer beini nächsten Landtage zu ersuchen. Hierauf berieth die Kammer über einen Antrag des Abg. Kirbach und Gen., bauliche Aenderun- gen im Landhause betreffend, die nöthtg werden dadurch, daß der Sitzungssaal der Zweiten Kam mer viel zu eng und schlecht ventilirt ist, die Berichterstatterplätze und selbst die Ministerbank ungünstig placirt sind. Die Kammer genehmigte die Erweiterung des Sitzungssaales und beschloß die Regierung zu ersuchen, mit dem Stadtrathe zu Dresden wegen Asphaltirung eines Theile- der Landhausstraße zu verhandeln, um das Ge räusch des Fährverkehrs möglichst abzuschwächen. Verloren wurde von der Chemnitzer- bi- zur Humboldtstraße ein kleine» Wagenrad. Abzugeben gegen gute Belohnung bei Bruno Ackermann, Chemnitzer Str. 373. Dit AWschc MmlMkrungs-Gtuosstiischast in Chemnitz versichert Mobilien, Waaren und Gegenstände gegen Brandschaden. Der Unterzeichnete empfiehlt sich als Agent der Genossenschaft ,ur Annahme von Versicherungen. «mU M e ü n k e n v e r - Wohnung: Markt, bei Herrn Ferd. Gickler. Badehosen empfiehlt L. 5. Uklig's Ane.